Am 18.03.2012 11:28, schrieb Monika Förster:
> Am 16.03.2012 23:51, schrieb Horst Leps:
>> Am 16.03.2012 um 22:31 schrieb Monika Förster:
>>
>>> Am 16.03.2012 17:18, schrieb Horst Leps:
>>>> Ist das Deutschland des GG dasselbe wie irgendeine sonstige
>>>> Diktatur?
>>>>
>>>> Deine Fragen erwecken hier den Anschein mangelnder
>>>> Unterscheidungsfähigkeit.
>>>
>>>
>>> Ich hatte Dir nur eine Handvoll einfacher Fragen gestellt:
>>
>> Die mich hier kein Stück interessieren. Sondern warum Bügel im
>> Deutschland des GG Mord nur für einen taktischen Fehler hält.
Nun, wenn Mord eben *nicht* "nur ein taktischer Fehler" sein soll, müßte
man ihn ja *grundsätzlich* ablehnen. Aus humanitären Erwägungen heraus,
zum Beispiel. Deshalb fragte ich u.a., ob *Du* das denn - im Unterschied
zu Frank - tust (siehe 1. Link in der Sig). Aber einmal mehr kannst oder
willst Du eine einfache Frage nicht beantworten...
Was auch gar nicht weiter wundert. Denn die prinzipielle Ablehnung von
politischem Mord kann tatsächlich schwere Gewissenskonflikte auslösen.
Ging den Attentätern des 20. Juli ja auch so.
Gegenüber Breivik oder der NSU fällt sie den meisten noch relativ leicht.
Bei der RAF tun manche Zeitgenossen sich schon deutlich schwerer. Hier
auf dspm äußerte jemand gar "Verständnis" für deren Terrorakte:
"Um die Reaktionen der RAF von damals zu verstehen, muss man sich in
die Zeit von damals zurück versetzen."
http://groups.google.com/group/de.soc.politik.misc/msg/a48e31af85c0f3ad?hl=de
Ich kann mich nicht entsinnen, daß Du damals empört aufgejault hättest,
Horst. Darf ich das als heimliche Zustimmung werten und davon ausgehen,
daß Du politischen Mord auch in diesem Fall eben *nicht* ablehnst, oder
hattest Du den Knall tatsächlich überhört? Passiert Dir auf dem rechten
Ohr doch grundsätzlich nicht... ist das linke vielleicht ein wenig tauber?
Und was konkret geschah am 20. Juli 1944? Die Attentäter planten aus
politischen Gründen die Tötung von 24 Menschen und führten die Sprengung
zumindest einer der beiden dafür beschafften Bomben dann auch
tatsächlich durch. Zwar war AH das Hauptziel, aber daß sich noch weitere
Besprechungsteilnehmer im Raum befinden und dabei unweigerlich den Tod
finden würden, war von vornherein klar.
Deshalb drücke ich es so und nicht anders aus: Auch dieses Attentat war
ein politischer Mord.
Und inwiefern wurde es Ziel und Zweck gerecht? Worin bestand die große
Heldentat?
Zum Ziel:
Schlußendlich wurden vier Besprechungsteilnehmer getötet, darunter der
Goldmedaillengewinner im Springreiten 1936 (Heinz Brandt) sowie einer
der besten Stenografen Deutschlands (Heinrich Berger), ein stiller
Regimegegner. Die Explosion riß dem dreifachen Familienvater Berger
beide Beine ab; er starb noch am Tag des Attentats.
Infolge des Attentates wurden etwa 200 Personen verhaftet und getötet,
bzw. - wie etwa im Fall Rommel - zum Selbstmord veranlaßt (mit
anschließendem Staatsbegräbnis).
AH hingegen wurde nur leicht verletzt.
Resultat: Leider Fehlanzeige.
Zum Zweck:
"Etwa 4 Millionen Deutsche, rund 1,5 Millionen Rotarmisten und über
hunderttausend GIs und Briten starben in der Zeit zwischen dem Attentat
und der deutschen Kapitulation am 8. Mai 1945. Hunderttausende
KZ-Häftlinge wurden in Auschwitz und anderswo ermordet. Alliierte Bomber
zerstörten in den letzten neun Monaten Städte wie Dresden oder Kiel.
Vielleicht wäre sogar die Vertreibung der Deutschen aus dem Osten
unterblieben, hätte Stauffenberg Erfolg gehabt."
http://www.spiegel.de/spiegel/print/d-31478228.html
Ein gelungenes Attentat hätte also den Krieg und seine Folgen
erheblich verkürzen können. Zudem hätte es die Wahrnehmung der noch im
Land verbliebenen "guten Deutschen" im Ausland erleichtert.
Sicher ein "guter" Zweck.
Doch auch hier: Leider Fehlanzeige.
Denn mal abgesehen davon, daß das Attentat mißlang - war dieser Zweck
wirklich das, was die "Widerständler" motivierte?
Warum hatten sie sich denn *überhaupt* erst begeistert am Überfall auf
Polen und die UDSSR beteiligt - wenn millionenfaches Elend und
massenhafter Tod sie angeblich *prinzipiell* schreckte?
Die schrecklichen Erfahrungen des 1. Weltkriegs lagen 1939 erst 21 Jahre
zurück. Seither stand fest, was *jeder* Krieg in modernen Zeiten
*zwangsläufig* mit sich bringt.
Jeder Idiot konnte das wissen. Also warum ausgerechnet diese
standesbewußten Elitärdenker nicht? Hatten diese Bildungsbürger Ernst
Friedrichs "Krieg dem Kriege" oder Erich-Maria Remarques "Im Westen
nichts Neues" denn nie gelesen? Hatten sie die filmischen Meisterwerke
von Georg Wilhelm Pabst ("Westfront 1918") und Jean Renoir ("Die große
Illusion) ignoriert? Hatten sie selbst die WW1-Kriegsversehrten im
Straßenbild gar nicht erst *wahrgenommen*? Hatten sie sich nie mit ihren
Eltern oder älteren Verwandten über diese Urkatastrophe
"auseinandergesetzt" - wie "Stinki" es erst neulich von uns hier in
Sachen WW2 einforderte? War ihnen nicht klar, daß bereits im ersten
Weltkrieg entsetzliche deutsche Massaker u.a. an der belgischen
Zivilbevölkerung begangen worden waren (Stichworte: Aarschot, Dinant,
Löwen), nachdem Deutschland zuvor die Neutralität dieses Landes rigoros
verletzt hatte?
Oder waren schon die Eltern dieser Patrizier eher vom Schlage eines
General Reveilhac gewesen, wie er in "Wege zum Ruhm" so eindrucksvoll
gezeigt wird - am Krieg nur hinterm Scherenfernrohr "aktiv" teilnehmend
und völlig empathiefrei selbst gegenüber den eigenen Soldaten? Hatten
adelige Offiziere wie Stauffenberg etwa keine Gelegenheit dazu gehabt,
sich mit sowas auseinanderzusetzen, oder es bewußt abgelehnt? Zumal der
Film sich doch genau an ihre adelige Kaste richtete, mit ihrem
ekelhaften Standesdünkel. Hatte Stauffenberg das alles wirklich "nicht
gewußt", oder hatte es ihn schlicht nicht "betroffen" - wie es von uns
heute selbstverständlich erwartet wird?
Immerhin wurde doch nach 1945 dem damaligen deutschen Volk bis hin zum
kleinsten Arbeiter vorgeworfen, es hätte die komplette Weltkriegs- und
Völkermordentwicklung, einschließlich Gaskammern, durch Lektüre von
"Mein Kampf" *erkennen* und deshalb *rechtzeitig* die *Machtergreifung*
um jeden Preis verhindern *müssen*...
Ging es diesen Attentätern wirklich ausschließlich darum, eine
humanitäre Katastrophe zu verhindern? Hatten gerade *sie* nicht die
Lebensraumpläne im Osten und die "Rache für Versailles"-Vorhaben AHs von
Anfang an begeistert unterstützt? *Was* glaubten sie - hohe Militärs,
wohlgemerkt - denn, was Krieg *anderes* als eine humanitäre Katastrophe sei?
Um eine Antwort muß man nicht lange suchen:
"Unter den Verschwörern gegen Hitler fanden sich nur wenige Demokraten,
wohl aber einige Antisemiten und manche Kriegsverbrecher. Viele hatten
zeitweise vom Griff nach der Weltmacht geträumt."
"[...] überzeugte Nationalsozialisten (etwa das NSDAP-Mitglied
Fritz-Dietlof Graf von der Schulenburg) und begeisterte Mitläufer (wie
Claus Schenk Graf von Stauffenberg) [...]"
"Die Tausenden von Gefangenen werden unserer Landwirtschaft recht gut
tun." (Claus Stauffenberg über die Bevölkerung im besetzten Polen)
"Claus sagt, zuerst müssen wir den Krieg gewinnen. Aber dann, wenn wir
nach Hause kommen, werden wir mit der braunen Pest aufräumen." (Berthold
von Stauffenberg)
http://www.spiegel.de/spiegel/print/d-31478228.html
"Das Pöbelhafte der Nazis war ihm zuwider, das neue Reich willkommen.
Hitler setzte sich über alle Bestimmungen des Versailler Vertrages
hinweg und begann eine stürmische Wiederaufrüstung. Zumindest in diesem
Punkt erschien er Stauffenberg als Erlöser."
http://www.stern.de/politik/geschichte/claus-von-stauffenberg-der-mann-der-deutschland-retten-wollte-523701.html
Derlei Aussagen erklären, warum diese Leute den Schritt zum Cäsarenmord
erst taten, als die *deutschen* Verluste zu explodieren begannen - und
man sich langsam Gedanken um die *eigene* Familie im
Nachkriegsdeutschland machen mußte. Man braucht nicht lange zu fragen,
wo man diese Leute im Falle eines günstigeren Kriegsverlaufes für
Deutschland vorgefunden hätte. Die entschieden sich eben nicht
überzeugt, rechtzeitig und konsequent für das Verhindern einer
humanitären Katastrophe, sondern handelten nach dem Motto "Besser spät
als nie", bzw. "Retten, was noch zu retten ist".
Was die heute in Deutschland vielbeschworene symbolisch-positive Wirkung
gegenüber dem Ausland betrifft: Da sind echte Überzeugungstäter wie
Georg Elser weitaus glaubwürdiger; über das Hitler-Attentat hingegen
zuckt man dort nur müde die Achseln, genau wie Churchill seinerzeit im
britischen Unterhaus auch. Meines Erachtens völlig zu Recht.
Aber ausgerechnet von Elser (dessen Sprengsatz übrigens auch 8 Menschen
tötete) wollte die Bundesrepublik jahrzehntelang nichts wissen.
Vermutlich störte sein kommunistischer Hintergrund ebenso wie die
Tatsache, daß er völlig auf eigene Faust gehandelt hatte. *Soviel*
kritisch-entschlossenes Bürgertum erschien dann wohl doch nicht ganz
geheuer. Also zog man es vor, stattdessen die Bombenattentäter des 20.
Juli - trotz ihres fragwürdigen politischen Hintergrunds - zu "Helden
des deutschen Widerstands" aufzuwerten, während dem KZ-Opfer Elser erst
1972 ein Gedenkstein und bis 1985 nicht mal ein Straßenname gewidmet
wurde. Den "Helden des 20. Juli" hätte Elser vermutlich bis heute nicht
viel zu sagen - anders als sie hatte er bereits etwas zu einem Zeitpunkt
gegen den drohenden Weltkrieg unternommen, zu dem ein von Stauffenberg
sich noch schamlos über die polnischen Zwangsarbeiter für deutsche
Landgüter freute (Adelige besitzen bekanntlich viele davon).
Also Fehlanzeige, und das auf ganzer Linie.
Wäre der Krieg anders verlaufen, so stünden diese Typen heute hinter
einer deutschnationalen Regierung, die zwar vermutlich keine
Vernichtungsläger betreiben würde, aber ansonsten keinerlei moralische
Einwände gegen "Lebensraumpläne", Zwangsarbeit und eine autoritär
geführten Ständegesellschaft hätte.
Ich kann gar nicht soviel essen, wie ich erbrechen könnte, wenn ich den
alljährlichen Zinnober um diese "Helden" sehe.
Natürlich war das ein politischer Mord. In der Bundesrepublik wäre er
inzwischen allerdings durch GG Artikel 20 gedeckt. Deshalb verstehe ich
nicht, weshalb Du dich um eine klare Antwort so windest - während Du
Frank dasselbe in Bezug auf Breivik und die NSU vorwirfst. Du redest Dir
ja sogar ein, daß er Dich umbringen will, obwohl er Dir längst klipp und
klar mitgeteilt hat:
"Ich habe Dir nicht ein einziges mal mit Mord gedroht, Du elender
Verleumder. Ich würde mir an einem so miesen Menschen wie Dir bestimmt
niemals die Hände schmutzig machen."
http://groups.google.com/group/de.soc.politik.misc/msg/6651700b88dde0b5?hl=de
Setzen, sechs.
http://www.mitteldeutsche-kirchenzeitungen.de/2009/07/16/ein-opfer-das-in-keine-kategorie-passt/
(Artikel über Heinrich Berger)