Am 23.03.2012 23:47, schrieb Horst Leps:
> Den Ganz- und den Halbbraunen von dspm gewidmet, den Antidemokraten
> der Braunen, den Deppendemokraten der Halbbraunen, all dem Gesochs von
> Neiser über Bügel bis Habakuk, vielleicht bis Gröhlbert Fischer:
Das erste Mal, daß ich Dich einen eigenen Thread eröffnen sehe.
> Eine gute Rede.
Erstaunlich, daß Dir dieses Gelaber gefallen hat. Selten so ein hohles
Geschwätz gelesen.
> ,----
> | Wir leben inzwischen in einem Staat, in dem neben die ganz
> | selbstverständliche deutschsprachige und christliche Tradition
> | Religionen wie der Islam getreten sind, auch andere Sprachen, andere
> | Traditionen und Kulturen,
Hier tut der Dampfplauderer so, als sei die Einwanderung ein
unvermeidliches Naturereignis gewesen. Doch schon daß er offenbar
glaubt, betonen zu müssen, was doch eh für jedermann sicht- und
wahrnehmbar ist, spricht Bände für sich.
Warum tut er das? Ist es etwa *nicht* selbstverständlich, daß fremde
Religionen, Sprachen, Traditionen und Kulturen in einen Staat
einsickern, um dort Parallelgesellschaften zu bilden?
> in dem der Staat sich immer weniger durch
> | die nationale Zugehörigkeit seiner Bürger definieren lässt,
Wiebitte?
Nach Jellinek ist der Staat ein soziales Gebilde, zu dessen Anerkennung
es dreier Elemente bedarf: ein von Grenzen umgebenes Territorium
(Staatsgebiet), eine darauf als Kernbevölkerung ansässige Gruppe von
Menschen (Staatsvolk) sowie eine auf diesem Gebiet herrschende Staatsgewalt.
Letztere besteht laut Hartmut Maurer aus sich selbst heraus. Derjenige,
der die Macht erfolgreich innehat und ausübt, macht das Territorium und
die darauf lebenden Menschen überhaupt erst zum "Staatsgebiet", bzw. zum
"Staatsvolk".
Die Bundesrepublik Deutschland hat ein klar umgrenztes Territorium, rund
75 Millionen leben darauf als "Kernbevölkerung" ansässige "Gruppe von
Menschen", deren Papiere sie als "deutsche Staatsangehörige" ausweisen.
Gauck dürfte sonnenklar sein, daß er als Bundespräsident die
Staatsgewalt selbst repräsentiert.
Also was schwätzt er da von einer neuen Definition? Inwiefern hat
Deutschland sich denn so sehr verändert, daß Jellineks plötzlich nicht
mehr reichen soll?
> sondern
> | durch ihre Zugehörigkeit zu einer politischen und ethischen
> | Wertegemeinschaft, in dem nicht ausschließlich die über lange Zeit
> | entstandene Schicksalsgemeinschaft das Gemeinwesen bestimmt, sondern
> | zunehmend das Streben der Unterschiedlichen nach dem Gemeinsamen:
> | diesem, unserem Staat in Europa.
Quatsch. Weder Schicksalsgemeinschaft, noch Wertegemeinschaft bestimmen
das Streben nach Herrschaft über das Gemeinwesen, sondern der Wille zur
Macht und die Gier nach Status und Reichtum. Die zivilisatorische Decke
hingegen ist ziemlich dünn. Sonst bräuchte es ja auch keine
funktionierende Staatsgewalt, die dafür sorgt, daß sie hält.
> | Und wir finden dieses Gemeinsame in diesem, unserem Staat in Europa,
> | indem wir in Freiheit, Frieden und in Solidarität miteinander leben
> | wollen.
Wer ist "wir"?
Und von was für einer "Solidarität" träumt er da?
Der soziale Friede wurde doch seit den 1990ern systematisch zerstört:
Wer förderte denn den ökonomisch orientierten Einzelkämpfer, wenn nicht
die Vertreter der MuKu-Gesellschaft, in der wir heute leben? Schon
vergessen, wie sehr Singles bis in die frühen Neunziger noch umworben
wurden? Wie schwer es mehrköpfigen Famiien damals gemacht wurde, eine
angemessene, bezahlbare Wohnung für sich zu finden? Wieviele Frauen sich
damals zwischen Karriere und Familiensegen entscheiden mußten, weil
beides nicht unter einen Hut zu bringen war?
Wer förderte denn die Entwicklung einer "weltoffenen" und "toleranten"
Gesellschaft, deren "flexiblen" (= echte Nähe und die damit
einhergehende Verbindlichkeit scheuenden) Mitgliedern weder Ehe, noch
Familie, noch Glaubensgemeinschaft, noch Heimat, noch Gewerkschaft, noch
Vereinswesen etwas bedeuten, sofern sie sich überhaupt mit deren
hochmobilem, ökonomisch orientiertem Lebensstil vereinbaren lassen?
Und jetzt hat man sie eben: Eine Konsum- und Leistungsgesellschaft, in
der jeder mit sich, seinen Bedürfnissen und dem eigenen Überleben so
sehr beschäftigt ist, daß ihre Mitglieder alles mögliche sind -
solidariscsh aber erst mal nur mit sich selbst.
Und mal ehrlich: War das etwa nicht so gewollt, Herr Gauck?
> | Wir wären allerdings schlecht beraten, wenn wir aus Ignoranz
> | oder falsch verstandener Korrektheit vor realen Problemen die Augen
> | verschließen würden.Hierauf hat bereits Bundespräsident Johannes Rau
> | in seiner Berliner Rede vor zwölf Jahren eindrücklich und deutlich
> | hingewiesen.
"Entscheidend ist aber: Wo Vertrauen fehlt, regiert Unsicherheit, ja Angst."
"Ohne Vertrauen können Menschen nicht friedlich miteinander leben."
http://www.bundespraesident.de/SharedDocs/Reden/DE/Johannes-Rau/Reden/2004/05/20040512_Rede.html
Jou, Johnny.
Vertrauen muß man sich aber erst mal erarbeiten!
Und selbst wenn das gelingt, bleibt es ein viel zu dünnes Eis. Die
deutschen Juden konnten unter den Nazis ein noch traurigeres Liedchen
davon singen, als die von Väterchen Stalin systematisch ausgehungerten
und deportierten Wolgadeutschen. Auch japanischstämmige Amerikaner
hatten in den 1940er Jahren diesbezüglich ein böses Erwachen:
http://de.wikipedia.org/wiki/Internierung_japanischst%C3%A4mmiger_Amerikaner
Entscheidend ist, wie Menschen sich verhalten, wenn's wirklich drauf
ankommt. Die obigen Beispiele waren da mehr als aufschlußreich.
Wieviel Menschenexperimente wollen Sie denn *noch* starten, meine Herren
Bundespräsidenten?
> | Aber in Fragen des Zusammenlebens dürfen wir uns eben
> | nicht letztlich von Ängsten, Ressentiments und negativen Projektionen
> | leiten lassen.
Der Bauch hat meistens recht. Siehe oben.
> | Für eine einladende, offene Gesellschaft hat Bundespräsident Christian
> | Wulff in seiner Amtszeit nachhaltige Impulse gegeben.
Jou. Allgemeinplätze wie "Der Islam gehört inzwischen auch zu
Deutschland." sind natürlich genau die Form von nachhaltiger Politik und
Wirtschaft, nach denen Arbeitslose, HartzIVler, verarmte Rentner und
abgestiegene Mittelschichtler derzeit lechzen:
http://www.handelsblatt.com/politik/deutschland/wulff-rede-im-wortlaut-der-islam-gehoert-zu-deutschland-seite-3/3553232-3.html
Aber es stimmt schon: Impulse gab er, der Wulffi. Seine Einstellung in
Sachen "wie halte ich eine gesunde Distanz zu Geschäftspartnern" hat
sicher die Politikverdrossenheit so manchen Bundesbürgers steigern
geholfen. Auf alle Fälle bestätigt sie den guten, alten Grundsatz:
Vertrauen in die Politik ist gut. Mißtrauen wäre aber realitätsnäher.
> | Herr
> | Bundespräsident Wulff, dieses, Ihr Anliegen wird auch mir beständig am
> | Herzen liegen. Unsere Verfassung, meine Damen und Herren, spricht
> | allen Menschen dieselbe Würde zu, ungeachtet dessen, woher sie kommen,
> | woran sie glauben oder welche Sprache sie sprechen.
Das geht völlig in Ordnung.
Heißt aber noch lange nicht, daß Deutschland deshalb zum
Einwanderungsland mutieren muß, bis es hier so ausschaut wie in den USA,
Kanada, Australien oder Brasilien, um mal ein wirklich buntes Land zu
nennen:
http://de.wikipedia.org/wiki/Brasilien#Ethnien
Die Schweiz ging z.B. schon immer einen völlig anderen Weg. Japan auch.
Beide Länder sind demokratisch und meines Wissens ist man als
ausländischer Tourist oder Fremdarbeiter dort nicht gefährdeter als bei uns.
Weder hat irgendjemand sich über die Verankerung von Menschenrechten in
der deutschen Verfassung, noch über die europäische, noch über die
UN-Menschenrechtskonvention beklagt.
Also was reitet Gauck darauf rum? Was hat das damit zu tun, ob die
indigenen Deutschen unter sich bleiben wollen (falls dem so sein sollte)
oder nicht?
> | Sie tut dies nicht
> | als Belohnung für gelungene Integration, sie versagt dies aber auch
> | nicht als Sanktion für verweigerte Integration. Unsere Verfassung wie
> | unser Menschsein tragen uns auf, im Anderen geschwisterlich uns selbst
> | zu sehen: begabt und berechtigt zur Teilhabe wie wir.
Falsch.
Berechtigt, als Mensch gewürdigt und behandelt zu werden. Mehr nicht.
Wir Menschen sind unterschiedlich begabt und selbstverständlich darf ein
Land sich das Recht vorbehalten, arbeitslos gewordene Ausländer nach
einer gewissen Zeit abzuschieben. Es gibt kein Recht darauf, in einem
bestimmten Land leben zu dürfen, es sei denn, man hat dessen
Staatsbürgerschaft.
Schon vor dreißig Jahren mußte eine kanadische Firma erst mal
nachweisen, daß sie keinen Kanadier bzw. "landed immigrant" für den Job
finden konnte, bevor sie Mitarbeiter aus dem Ausland dafür anwerben und
einstellen durfte. Sofern diese Familienangehörige hatten, war es
keineswegs selbstverständlich, daß die auch einreisen und sich einen Job
dort suchen durften. Von gleicher Teilhabe (für alle Menschen dieser
Welt, an einem Leben in Kanada) konnte also schon damals keine Rede
sein. Wozu auch?
Im übrigen ist "Teilhabe" auch für andere nach wie vor keineswegs
selbstverständlich, in Deutschland: "Alte" (vor wenigen Jahren also noch
jeder über 35), Frauen (v.a. im gebärfähigen Alter) und Behinderte
können ein Liedchen davon singen - auch wenn sich gerade in den letzten
10 Jahren da viel verändert hat, wie ich auch gern einräume.
Schade, daß Gauck dazu keinen Piep gesagt hat. War ihm wohl nicht so
wichtig...
> | Mit Freude sehe ich, dass gerade auch die Mehrheit der Deutschen
> | diesem europäischen Gedanken wieder und weiter Zukunft gibt. Europa
> | war für meine Generation Verheißung - aufbauend auf abendländischen
> | Traditionen, dem antiken Erbe, einer gemeinsamen Rechtsordnung, dem
> | christlichen und jüdischen Erbe.
Die gute alte EWG, ja... <<träum>>
> | Für meine Enkel ist Europa längst
> | aktuelle Lebenswirklichkeit - mit grenzüberschreitender Freiheit und
> | den Chancen und Sorgen einer offenen Gesellschaft. Nicht nur für meine
> | Enkel ist diese Lebenswirklichkeit ein wunderbarer Gewinn.
Wer sich leisten kann, seine Kinder auf private Eliteschulen zu schicken
und ihnen ein Auslandsstudium zu ermöglichen, wer über ein soziales
Netzwerk wie Gauck verfügt, der kann sich sicher leisten, das so zu
sehen, ja...
> | Anders als die Demokratie von Weimar verfügt unser Land über genügend
> | Demokraten, die dem Ungeist von Fanatikern und Terroristen und
> | Mordgesellen wehren.
Das wird sich erst zeigen, wenn's wirklich drauf ankommt. Schon jetzt
marschieren Islamisten mit "Tod Israel!"-Schildern auf deutschen
Straßen; bislang ist mir nicht aufgefallen, daß engagierte demokratische
Amateure sich ihnen wirksam entgegenstellen; die Polizei ist beruflich
verzichtet dazu, schaut aber auch oft genug weg.
> | Sie alle bezeugenmit unterschiedlichen
> | politischen oder religiösen Gründen:
Worte kosten nichts.
> | Wir lassen uns unsere Demokratie
> | nicht wegnehmen. Wir stehen zu diesem Land. Wir stehen zu diesem Land,
> | nicht weil es so vollkommen ist, sondern weil wir nie zuvor ein
> | besseres gesehen haben.
Quatsch. Deutschland ist meine Heimat, hier kann ich "ich" sein, volle
Kanne, während ich mich woanders mit fremden Sprachen, Mentalitäten,
Kulturen, Religionen, politischen Auffassungen auseinandersetzen und -
als Ausländerin - letztlich auch ein Stück weit beugen muß.
Frei leben kann man woanders auch. Ich habe die Hälfte meines Lebens in
Ländern verbracht, die nicht "besser" und nicht "schlechter" waren als
Deutschland. Sie waren anders. Und das ist auch gut so.
> | Und speziell zu unseren rechtsextremen
> | Verächtern der Demokratie sagen wir in aller Deutlichkeit: Euer Hass
> | ist unser Ansporn.
Hass war noch nie ein guter Ratgeber.
Eine Demokratie sollte - wie jedes andere System auch - durch Leistung
überzeugen.
Also z.B. in Sachen Chancengleichheit am Bildungs- und Arbeitsmarkt -
eben nicht nur für die Enkel von Gauck, sondern für alle Staatsangehörigen.
> | Wir lassen unser Land nicht im Stich.
Wirklich nicht? Ich bin sicher, gerade Menschen mit einem
internationalen Bildungshintergrund wie Gaucks Enkel werden unter den
Ersten sein, die Fersengeld Richtung Ausland geben, sobald es drauf
ankommt. Zurückbleiben werden wieder mal die, die sich sowas entweder
finanziell nicht leisten können, oder weil ihnen eben dieser dafür
benötigte Hintergrund fehlt.
> | Wir schenken
> | euch auch nicht unsere Angst.
Natürlich nicht. Deshalb lebt "Ihr" ja auch unter Euch: In Privatschulen
und privat bewachten Villenvierteln, aber sicher nicht an sozialen
Brennpunkten, wo Eure Kinder täglich mit den Auswirkungen Eurer
Einwanderungs- und Sozialpolitik zu kämpfen haben, Ihr Pharisäer.
> | Ihr werdet Vergangenheit sein und unsere
> | Demokratie wird leben.
Solange es Deutschland gibt, wird es auch konservativ denkende Deutsche
geben, die deshalb noch lange nicht die Demokratie an sich in Frage
stellen, sondern sie auch für künftige Generationen bewahren wollen,
aber eben mit einem anderen Gesicht als diese amerikanische Fratze, die
"Ihr" unserem schönen Land aufs Auge gedrückt habt, "Ihr" neoliberalen
Konzerndiktatoren.
Eine beschissene Rede.
Aber schön, daß Du mal einen Thread eröffnet hast, Horst. Laß Dich von
meiner genervten Reaktion bitte nicht abhalten, es auch künftig wieder
zu tun. Anders als Du kann ich Menschen mit anderer Meinung aushalten,
auch ohne sie gleich als "GesocKs" zu verunglimpfen.
--
http://www.sueddeutsche.de/politik/grundsatzrede-im-wortlaut-aengste-vermindern-unseren-mut-1.1316442
(komplette Rede im Wortlaut)