Am 08.02.2012 02:21, schrieb Rainer E.:
> In article<4f31c00d$0$7610$
9b4e...@newsspool1.arcor-online.net>,
> Monika Förster says...
>
> [...Aufzählung gesnipt...]
>
>> *Dann* erzähl uns nochmal, wie naiv, primitiv und dumm man sein
>> muß, um *so* eine Karriere hinzulegen.
>>
>> Und dann nimmt das vielleicht sogar jemand ernst.
>
> Einige bezeichnen das als den größten Staatsmann des 20. Jahrhunderts,
> womit ich deine Aufzählung gleichzeitig per kleiner Korrektur vom 19.
> ins 20. Jahrhundert verschiebe.
Hallo Rainer,
danke für die Korrektur, hast natürlich Recht damit.
AH war in meinen Augen ein schwer gestörter Mensch, der niemals an die
Macht hätte gelangen dürfen. Ein großer Staatsmann war er für meine
Begriffe auf keinen Fall. Daß andere das anders sehen, ist mir schon
klar und auch, daß es unter seinen stärksten Kritikern sicher welche
gibt, bei denen man sich fragen muß, wo ihr Fähnchen heute im Winde
hängen würde, falls der Krieg anders ausgegangen wäre.
Das ist für mich eigentlich die spannendste Frage:
Was macht uns eigentlich so sicher, daß wir damals anders gehandelt
hätten, als jene, die ihm zujubelten?
Was macht uns eigentlich so sicher, daß wir uns wie Georg Elser oder die
Scholls verhalten hätten, oder zumindest wie Willy Brandt ins Ausland
emigriert wären?
Beides natürlich entsprechende Sozialisation und Indoktrination von
Kindesbeinen an vorausgesetzt, versteht sich.
> Ich vermute allerdings, ganz ohne Vorbilder ging es auch bei ihm nicht.
> Mussolini gehört dazu, Franco ohne Zweifel und von Mao dürfte er damals
> auch schon gehört haben.
So weit muß man gar nicht gucken. AH bewunderte beispielsweise den
Wiener Bürgermeister Dr. Karl Lueger:
http://de.wikipedia.org/wiki/Karl_Lueger - dessen antisemitische Politik
überzeugte ihn vom Sündenbockprinzip, und daß die Juden sich
hervorragend als Sünder eignen, auf die man den Ärger der Bevölkerung je
nach Bedarf um- und so von eigenen Schwächen ablenken kann. Dem
Antisemiten Dr. Karl Lueger sind übrigens in Wien bis heute Straßennamen
und auch eine Gedächtniskirche gewidmet.
Es gab noch mehr Vorbilder, aber dazu existiert genug einschlägige
Literatur und ich habe nicht den Eindruck, daß ich Dir da etwas Neues
erzählen könnte.
> In gewissen Dingen hatte dieser Mann einen eisernen Willen, welches ihn
> auch zum Vegetarier abstempelte. Ich könnte zB kein Nazi sein, weil ich
> mit meiner Gesundheit noch nie so fürsorglich umging,
Das tat AH auch nicht.
> eher teile ich mit
> ihnen den unbändigen Wunsch, niemals nimmer "arbeitslos" zu sein. Man
> hat nun mal die Pflicht für seinen Lebensunterhalt bis zum Rentenalter
> selbst zu sorgen.
Das Problem der NS-Sichtweise ist, daß sie den Wert des Menschen auf
seinen ökonomischen Nutzen - gepaart mit seinen "rassischen"
Eigenschaften - reduziert, statt ihm einen grundsätzlichen Wert
zuzugestehen. Also einfach dafür, daß er ist, was er ist: Ein Mensch.
Was, wenn ein Mensch dieser Pflicht nicht nachkommen kann, ohne eigene
Schuld? Wie geht man mit so jemand um?
Ich könnte mir vorstellen, daß Deine Antwort da völlig anders ausfällt,
als die des NS-Regimes, Rainer. Deren Haltung drückte sich schon früh in
der T4-Aktion aus.
> Was ich mitunter vermute, die Nazis hatten ihre Sexualität perfekt unter
> Kontrolle.
Nicht mehr und nicht weniger als andere Menschen.
Goebbels, Himmler, Bormann waren jedenfalls keine Herren von
Traurigkeit, um nur ein paar bekannte Beispiele zu nennen. Prostitution
bzw. Wehrmachtsbordelle gab es auch damals schon:
"An der Doppelmoral hat sich nicht viel geändert, wobei man die Zeit der
Nazi-Herrschaft als besonders tragisch für die Prostituierten
hervorheben muss. Die Frauen galten als gemeinschaftswidrig und konnten
als "asoziale weibliche Elemente" jederzeit aufgegriffen und interniert
werden. Es war die Spitze der Doppelmoral, dass die Nationalsozialisten
auf der anderen Seite selbst Bordelle eingerichtet haben. Da gab es die
Wehrmachtsbordelle in Frankreich und Polen, dann die Bordelle für
Fremdarbeiter, für die Frauen aus den jeweiligen Ländern rekrutiert
wurden und schließlich die Bordelle in den Konzentrationslagern. Ein
solcher Umgang mir den Prostituierten war sicherlich der Höhepunkt der
Verlogenheit - die ihr zu Grunde liegende Haltung allerdings schon
vorher vorhanden. "
http://www.spiegel.de/sptv/special/0,1518,216761,00.html
Alles andere hätte mich auch schwer gewundert. Manche Dinge sind und
bleiben zeitlos. ;-)
--
Liebe Grüße
Monika
"Lieber Entdecker, bitte suche überall, durchforste jeden Zentimeter
Boden. Hier sind Dutzende Dokumente vergraben, meine und andere, die ein
Licht darauf werfen, was hier passiert ist. Auf dass die Nachwelt Spuren
der Millionen von Ermordeten findet."
(Salmen Gradowski, ca. 1909 - ca. 1944)