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Toxikolog. Aspekte des Tabakrauchs

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Thomas Maus

unread,
Aug 28, 1992, 12:19:04 PM8/28/92
to
Hallo liebe Leute!

Es hat eine Weile gebraucht (ich hab' hin und wieder auch noch anderes zu tun)
die folgende Argumentationsbasis zur Schadstoffemission und -immission
durch Zigaretten fertigzustellen. Sie ist alles andere als vollstaendig,
mit jeder Stunde taten sich neue Quelle und Zahlen auf. Wenn Ihr irgendwelche
Erweiterungen beizutragen habt, so sendet diese bitte MIT QUELLENANGABE an
mich (per email!).

Das folgende Zahlenmaterial ist eher zu konservativ: im Zweifelsfall habe ich
zugunsten des Tabakrauches entschieden (da ich GEGEN ihn argumentiere!).

Mit diesem Material sollten einige interessante Rechnungen moeglich sein.
Ich hoffe es interessiert jemanden.

Gruss, ThoMaus.

---8<---------8<---------8<---------8<---------8<---------8<---------


Toxikologische Aspekte des Tabakrauchs
======================================

Ausarbeitung: Thomas Maus, August 1992


1. Qualitative Uebersicht ueber die Inhaltsstoffe des Tabakrauchs

Die nachfolgenden Aufzaehlungen sind sehr unvollstaendig.
Ebenso ist die Einteilung in Kategorien teilweise veraltet, da
meine Quellen schon aelter sind. Es ist damit zu rechnen, dass
weitere Stoffe inzwischen als erwiesen cancerogen gelten.
Irgendwelche Erweiterungen (bitte mit Quellenangaben) per
email (ma...@ira.uka.de) an mich!

Die mir zur Zeit bekannten Inhaltsstoffe des Tabakrauchs
nach folgenden Kategorien (die Nummerierung der Klassen kommt
von mir, die Bezeichnungen der Kategorien aus der MAK-Liste):

K1 cancerogen (erwiesen krebserzeugende Stoffe):
------------------------------------------------
3,4-Benzpyren
Dibenzanthrazen
Benzofluranthren
Dibenzpyren
Benzanthrazen
Chrysen
Dioxine
Indenopyren
Benzphenanthren
Methylbenzopyren
Methylchrysen
7H-Dibenzcarbazol
N-Nitrosamine
N-Nitrosodimethylamin
Dimethylnitrosamin
Betanaphthylamide
Dibenzacridin [Initiator]
s-Methylcholanthren [Promotor]
Furfural [Promotor]
Hydrochinon [Promotor]
Phenol [Promotor]
Kresol [Promotor]
Benzol
Vinylchlorid
Hydrazin
Benzo(a)pyren
Teer
Arsenverbindungen
Nickelkomplexe
Zinkoxid
Polonium-210 (natuerlich im Boden vorkommendes, alphastrahlendes Isotop)

K2 cancerogen-verdaechtig (Stoffe mit begruendetem Verdacht):
-------------------------------------------------------------
Acrolein
Formaldehyd
Anilin
N-Nitrosonornikotin
N-Nitrosopyrrolidin
N-Dimethylamin
N-Dimethylnitrosamin
N-Diethylnitrosamin
N-Ethyl-N-methylnitrosamin
Cadmiumverbindungen
Blei

K3 giftig:
----------
Acetonitril
Pyridin
Nikotin
Kohlenmonoxid
Blausaeure
Toluol
Styrol
Ethylbenzol
m,p-Xylol
o-Xylol
Naphthalin

K4 reizend:
----------
Acrolein [auch K2]
Ammoniak (NH3)
Formaldehyd [auch K2]
Stickoxide (NOx)

K5 sonstige:
------------
Kohlendioxid
Staeube

K? (mir unbekannte Wirkung):
--------------------------
N-Nitrosoanatabin
4-(N-Methyl-N-nitrosoamino)-1-(3-pyridil)-1-butanon
Chinolin

Fuer die Klasse K2 wird das `Vorsorgeprinzip' angewandt.
Dies bedeutet, dass diese Stoffe als Cancerogene zu behandeln sind
und damit unter die selben Regeln fallen, wie diejenigen aus Klasse K1.

Qualitativ gesehen, stellt die obige Mischung einen extrem wirkungsvollen
Angriff auf den Organismus da. Die diversen Gifte beschaeftigen oder
laehmen diverse Entgiftungsmechanismen. Die Reizstoffe setzen die
Selbstreinigung der Lunge weitestgehend ausser Kraft und erlauben
den anderen Schadstoffen tiefes Eindringen und langes Verweilen in
der Lunge. Die enorme cancerogene Potenz des Tabakrauchs erklaert sich
aus dem Synergismus zwischen den Tumorinitiatoren (verursachen Noxen,
also anfaengliche Schaedigungen) und den -promotoren (verhindern die
Reparatur und foerdern die Tumorentwicklung).


2. Quantitaet verschiedener Inhaltsstoffe des Tabakrauchs

Die nachfolgenden Tabellen erfassen bei weitem nicht alle Inhaltsstoffe.
Auch die Richtwerte sind schon aelter, also wahrscheinlich inzwischen
verschaerft worden.
Irgendwelche Erweiterungen (bitte mit Quellenangaben) per
email (ma...@ira.uka.de) an mich!

Zur Lesweise der Tabellen:

Die erste Spalte enthaelt die Inhaltsstoffe, so wie sie in der
Literatur angegeben werden.

In der zweiten Spalte steht der Schadstoffgehalt im
Nebenstromrauch pro Zigarette.
Als Nebenstromrauch wird der von der Zigarettenglut ausgehende Rauch
bezeichnet, als Hauptstromrauch, der vom Raucher eingesogene und
teilweise wieder exhalierte Rauch.

Es folgt das Verhaeltnis der Schadstoffmengen zwischen Nebenstromrauch
und Hauptstromrauch, betitelt `N/H'.

In der letzten Spalte finden sich Richtwerte fuer die
Schadstoffkonzentrationen. Oberhalb dieser Konzentration muss nach
vorherrschender Meinung von einer Gefaehrdung der Gesundheit ausgegangen
werden. Das Kuerzel MIK steht fuer die Maximale-Immissions-Konzentration,
MAK/20 bezeichnet den zwanzigsten Teil der Maximalen-Arbeitsplatz-Konzentration
der `Technischen Regeln fuer Gefahrstoffe'. Dieser MAK/20-Wert ist nach
[U5, p.24] als Richtwert fuer alle Schadstoffe, die nicht zwingend mit
einem Arbeitsprozess verbunden sind, anzusetzen, so keine anderen Richtwerte
bestehen. Als Einheiten wurden die allgemein verwendeten SI-Einheiten mit
den ueblichen Vorsaetzen verwendet: 1 mg=0,001 g; 1 ng=10^-9 g; 1 pg=10^-12 g.


2.1 Krebserregende Stoffe

Die folgenden Tabellen enthalten Stoffe der Kategorien K1 und K2.
Die erste Tabelle fuehrt solche Stoffe auf, die natuerlich vorkommen
und fuer die Richtwerte existieren.

Inhaltsstoff | mg/Zigarette | N/H | Richtwert [mg/m^3]
-------------------------+--------------+---------+-------------------
Formaldehyd ~ 1,53 ~ 51 MAK/20 0,03
Acrolein ~ 0,93 ~ 12 MAK/20 0,0125
Anilin 0,01 29,7 MAK/20 0,4

Die folgende Tabelle entaelt diejenigen Kanzerogene, fuer die es keine
unbedenkliche Konzentration gibt. Sie sollen daher in der Atemluft
nicht vorkommen und ihre unkontrollierte Freisetzung vermieden werden.

Inhaltsstoff | ng/Zigarette | N/H | keine Unbedenklichkeits-
--------------------------+--------------+---------+ grenze angebbar, da
Benzo(a)pyren 25-121 2,1-3,5 | cancerogen.
Hydrazin 96 3
Benz(a)anthrazen 81-612 n.a.
N-Nitrosopyrrolidin 2,8-700 n.a.
N-Nitrosodimethylamin 140-1040 11,5-100
N-Nitrosonornikotin 150-6100 0,5-7,1
N-Dimethylnitrosamin 143000-1040000 n.a.
N-Diethylnitrosamin 8200-75000 2,2-78,8
N-Ethyl-N-methylnitrosamin 5000-75000 n.a.
Cadmium 430-720 3,6-7,2
Nickel 620-1030 12,9-31
Zink 100-400 0,2-6,7


2.2 Giftige Stoffe

Die folgende Tabelle enthaelt Stoffe der Kategorien K3, K4, K5.

Inhaltsstoff | mg/Zigarette | N/H | Richtwert [mg/m^3]
-------------------------+--------------+---------+-------------------
Nikotin 3,87-4,31 2,5-3,3 MAK/20 0,0025
Trockenkondensat ~ 52 ~ 1,7 n.a.
Kohlenmonoxid 46-61 2,5-4,7 MAK/20 1,65
Kohlendioxid 448-759 8,1-11,3 MAK/20 450
Stickstoffoxide (NOx) 2-3 4-10 MIK 0,1
Ammoniak 5,14-8,6 44-170 MAK/20 1,75
Acetonitril 0,58-1,28 3,4-5,3 MAK/20 3,5
Pyridin 0,34 10 MAK/20 0,75
Toluol ~ 0,95 2,1 MAK/20 19


2.3 Nicht von mir klassifiziert

Stoffe der Kategorie K? folgen in dieser Tabelle. Sie werden in
Kontexten erwaehnt, die Cancerogenitaet nahelegen. Um aber keine
Fehler zu Ungunsten des Tabakrauchs zu begehen, bleiben sie
unklassifiziert.

Inhaltsstoff | ng/Zigarette | N/H | Richtwert [mg/m^3]
-------------------------+--------------+---------+-------------------
Chinolin 18000 10,8 n.a.
N-Nitrosoanatabin 150-1500 0,3-0,9 n.a.
4-(N-Methyl-N-nitrosoamino)-1-(3-pyridil)-1-butanon
200-700 1,2-3,7 n.a.


3. Quantitaet einiger Schaeden durch Tabakrauch

`Auch wenn es sehr schwer ist, die Gesamtzahl der Opfer zu schaetzen,
welche die Zahl der vom Lungenkrebs betroffenen bei weitem ueebersteigt, so
kann heute kein Zweifel mehr daran bestehen, dass unfreiwillig eingeatmeter
Tabakrauch weitaus mehr Todesopfer fordert, als alle Umweltschadstoffe
zusammengenommen, die den menschlichen Organismus ueber die Lunge
erreichen. Dem Raucher wie dem Nichtraucher faellt es schwer,
einzusehen, dass Tabakrauch unvergleichlich gefaehrlicher ist als
Luftverschmutzung in den Industrierevieren. Die kanzerogenen und
kokanzerogenen fluechtigen gesundheitsschaedlichen Stoffe sind fuer
den passiv inhalierten Tabakrauch charakteristisch und verleihen der
Luft in Restaurants, Bueros usw. ihre toxische Wirkung.' [M8,p.1058]

Ein Passivraucher hat mit der Erhoehung seines Krebsrisikos um 50% zu
rechnen. Pro Jahr sterben von 100 000 Personen 60-500 an den Folgen
des Passivrauchens. [Nach U3, p.57]

Auf eine Anfrage von Abgeordneten antwortete die Bundesregierung Mitte
der Siebziger, dass pro Jahr 140000 Raucher vorzeitig an den Folgen ihrer
Sucht sterben und weitere 70000 arbeitsunfaehig werden.

Innerhalb der letzten zehn Jahre hat sich der Lungenkrebs bei Frauen
(und nur bei Frauen!) verdoppelt und an Haeufigkeit den Brustkrebs
ueberholt. Auch Blasen- und Unterleibskrebs der Frauen nehmen zu.
Eine Zunahme der Totgeburten um 100% in der juengsten Zeit wird durch
Rauchen waehrend der Schwangerschaft bewirkt. Raucherinnen erleiden
zwei- bis dreifach haeufiger eine Fehlgeburt.


4. Sonstige quantitative und qualitative Angaben

Fuer in Inneraeumen gerauchten Zigaretten geht die gesamte Emission
entweder in die Innenraumluft oder verteilt sich auf Inventar, Waende,
Personen. Bei weitem die meisten Zigaretten werden in Innenraeumen
geraucht.

Von besonderer Gefaehrlichkeit sind die aufgefuehrten Nitrosamine
(groesser etwa als die der Dioxine).

Noch eine Faustregel von einem Chemiker des Chemischen Untersuchungsamtes
Trier ueber den Verbleib des Hauptstromrauches:
Etwa die Haelfte verbleibt im Raucher (wird absorbiert), die andere
Haelfte wird wieder ausgeatmet. In der Kippe einer Filterzigarette
finden sich etwa die gleichen Schadstoffmengen, wie im Hauptstromrauch.
Hiermit ist noch nichts ueber die Inhalte der Zigarettenasche gesagt.

Eine Simulation (mittels eines Klimaraumes) eines Bueros mit
30 m^3 Luftvolumen und einer Luftaustauschrate
von 15 m^3/Stunde ergab bei 10 gerauchten Zigaretten ueber 8 Stunden Werte,
wie sie in Restaurants und Bueros (also *leicht* verrauchten Raeumen!)
tatsaechlich zu messen sind.

Dazu zwei kleine Tabellen:

Schadstoff |Erholungsgebiet |Industrierevier |Restaurants, Bueros mit Rauch
--------------+----------------+----------------+-----------------------------
Staub [mg/m^3] 0,028-0,076 0,142-0,186 0,10-0,6
SO2 [mg/m^3] 0,003-0,025 0,134-0,184 0,02-0,2
NOx [mg/m^3] 0,004-0,01 0,043-0,055 0,10-0,5 (MIK 0,1)
CO [mg/m^3] 0,020-1 1-5 1-12 (MIK 10)
Fuer die Stickoxide wird die Maximale-Immissions-Konzentration von
0,1 mg/m^3 deutlich ueberschritten, fuer Kohlenmonoxid zumindest erreicht.

Cancerogen |Erholungsg. |Industr. |Restaur., Bueros mit Rauch
----------------------------+------------+---------+--------------------------
Benzoyren [ng/m^3] 0,4-2 10-90 1-20
Dimethylnitrosamin [ng/m^3] n.m. <3 10-100
Formaldehyd [ng/m^3] n.m n.m 500
Akrolein [ng/m^3] n.m n.m 20-100
Viele der Cancerogene liegen also in der Atemluft in der Regel unter der
Messgrenze! Die Nachweisgrenze fuer polyzyklische aromatische
Kohlenwasserstoffe (die meisten der oben erwaehnten Cancerogene) liegt
etwa in der Groessenordnung 0,01-0,02 pg/m^3, also 10^-14 g/m^3.

Quellen:
========

U1: The Lancet, Vol. 336, p865-866, 1990.

U2: `Technischen Regeln fuer Gefahrstoffe', Stand 87,
herausgegeben von
`Der Kommision zur Pruefung gesundheitsschaedlicher Arbeitsstoffe
der Deutschen Forschungsgemeinschaft'.

U3: Luftverunreinigungen in Innenraeumen, Januar 1990,
Der Minister fuer Arbeit, Gesundheit und Soziales
des Landes Nordrhein-Westfalen.

U4: Umweltpolitik:
`Auswirkungen der Luftverunreinigungen auf die menschliche Gesundheit'
Bericht des Bundesministers fuer Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit
fuer die Umweltministerkonferenz, 8.Mai 1987

U5: Umweltbrief:
Der Rat von Sachverstaendigen fuer Umweltfragen
`Luftverunreinigungen in Innenraeumen'
Kurzfassung des Sondergutachtens, 26. Juni 1987
Herausgeber:
Der Bundesminister fuer Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit

M3: Deutsche Forschungsgemeinschaft
Passivrauchen am Arbeitsplatz
Senatskommision zur Pruefung gesundheitsschaedlicher Arbeitsstoffe
Herausgegeben von Prof. D.Henschler

M8: Deutsche Medizinische Wochenschrift 112 (1987), p.1054ff
Tabakrauch: der fuer den Menschen gefaehrlichste
Schadstoff in der Luft unserer Umwelt
Prof. Dr. Dr. med. h.c. Herbert Remmer
Direktor des Instituts fuer Toxologie der Universitaet Tuebingen

Anmerkung:
Die Quellen U4 und U5 erhaelt man auf Anfrage beim Bundesgesundheitsministerium
oder der Bundeszentrale fuer politische Bildung zugesandt.

Thomas Maus

unread,
Sep 4, 1992, 8:36:24 PM9/4/92
to
Pardon, mir sind in der Eile Fehler unterlaufen:
(aber solange ich meine Fehler vor Euch finde :-)

In <1992Aug28.1...@ira.uka.de> ma...@ira.uka.de (Thomas Maus) writes:

Die folgende Tabelle ist fehlerhaft!

>Cancerogen |Erholungsg. |Industr. |Restaur., Bueros mit Rauch
>----------------------------+------------+---------+--------------------------
>Benzoyren [ng/m^3] 0,4-2 10-90 1-20
>Dimethylnitrosamin [ng/m^3] n.m. <3 10-100
>Formaldehyd [ng/m^3] n.m n.m 500
>Akrolein [ng/m^3] n.m n.m 20-100


So ist sie richtig!

Cancerogen |Erholungsg. |Industr. |Restaur., Bueros mit Rauch
----------------------------+------------+---------+--------------------------
Benzoyren [ng/m^3] 0,4-2 10-90 1-20

Dimethylnitrosamin [ng/m^3] n.a. <3 10-100
Formaldehyd [ng/m^3] n.a. n.a. 500000
Akrolein [ng/m^3] n.a. n.a. 20000-100000

Sorry, ThoMaus.

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