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Einwände gegen die derzeitigen Grenzwerte

14.03.2008

Einwände gegen die derzeitigen Grenzwerte für Mikrowellenstrahlung [237 KB]
von Prof. Josef Lutz, Prof. Franz Adlkofer
Deutsche Übersetzung: Evi Gaigg / Umweltorganisation Diagnose-Funk.org
Zur korrekten Darstellung aller Formeln bitte die PDFs benutzen.

Objections against the current limits for microwave radiation [967 KB]
Engl. Originalfassung

Zusammenfassung

Die derzeitigen Grenzwerte für Mikrowellenstrahlung (RF-EMF) werden als Effektivwerte angegeben und beruhen auf thermischen Überlegungen. Aber es gibt Organe/Gewebe, die schwächer durchblutet sind, und von denen die Wärme schlechter abtransportiert wird, es gibt Interferenzen und es gibt nicht-thermische Effekte. Das alles ist nicht berücksichtigt. Ein Gesundheitsrisiko unterhalb der geltenden Sicherheits-Grenzwerte für Menschen ist in keiner Weise ausgeschlossen. Daher wird eine beträchtliche Reduzierung der derzeit zulässigen Leistungsflussdichte vorgeschlagen.

Stichworte: Elektromagnetische Strahlung, biologische Effekte, Mobilfunk, Grenzwerte, Vorsorgeprinzip.

I. Vorbemerkung

Der erste Autor ist Spezialist für Halbleiter-Leistungsbauelemente und deren Anwendung. Die elektromagnetische Verträglichkeit in Bezug auf biologische Organismen stellt ein Randgebiet der Forschungsarbeiten dar, die Einarbeitung ist noch nicht abgeschlossen. Dennoch ergeben sich bereits Einwände und Schlussfolgerungen. Im Sinne der Empfehlungen der Deutschen Forschungsgemeinschaft für gute wissenschaftliche Praxis legt der Verfasser hiermit offen, dass in der Forschung eine Reihe von Verbindungen und Partnerschaften zu Herstellern von Halbleiterbauelementen sowie Anwendern v.a. aus der Automobilindustrie bestehen. Es besteht keine Zusammenarbeit in der Forschung mit Unternehmen der Mobilfunkindustrie oder mit von diesen finanzierten Einrichtungen.
Der zweite Autor ist Mediziner. Als Direktor einer gemeinnützigen Forschungseinrichtung, hat er die biologischen Effekte elektromagnetischer Felder während vieler Jahre untersucht. Die hier aufgeführten Betrachtungen gründen auf Ergebnissen seiner unabhängigen Forschung.

II. Die derzeitigen Grenzwerte für Mikrowellenexposition

Die derzeit gültigen Grenzwerte für die Belastung durch hochfrequente elektromagnetische Wellen im Mikrowellenbereich (RF-EMF) sind durch die 26. Verordnung zur Durchführung des Bundes-lmmissionsschutzgesetzes (Verordnung über elektromagnetische Felder - 26. BlmSchV) vom 16. Dezember 1996 festgelegt. Die zulässige Bestrahlung liegt demnach bei Frequenzen von 10 bis 400MHz bei einer Feldstärke von 27,5V/m, Zwischen 400MHz und 2GHz muss mit Eli » 1,375.√f [V/m] (f in MHz) gerechnet werden, ab 2GHz liegt sie bei 61V/m. Dabei handelt es sich jeweils um den „Effektivwert der Feldstärke, quadratisch gemittelt über 6-Minuten-Intervalle“.
Für Arbeitsplätze regelt die Berufsgenossenschaftliche Vorschrift BGV 11 die mögliche Belastung. Im Expositionsbereich 1 – der nicht besonders zu kennzeichnen ist – ist etwa der 5-fache Wert zugelassen. In weiteren, besonders zu kennzeichnenden Bereichen mit beschränkter Aufenthaltsdauer sind noch deutlich höhere Werte zugelassen.
Bei elektromagnetischen Wellen sind elektrische und magnetische Feldstärke gekoppelt, und aus Energiedichte sowie Ausbreitungsgeschwindigkeit lässt sich eine Leistungsflussdichte berechnen (Abb. 1).

Abb. 1 Grenzwerte für die Leistungsflussdichte während der Mikrowellenexposition.


Der heute für die Allgemeinbevölkerung zulässige Grenzwert von ca. 1mW/cm2; entspricht dem Wert, der im Warschauer Pakt zugelassen war. Der Grenzwert der Nato war um den Faktor 10 höher als der des Warschauer Pakts. Vor zwanzig und mehr Jahren war die Mikrowellenexposition im Wesentlichen auf das Militär und bestimmte berufliche Einrichtungen begrenzt.
Ebenfalls veranschaulicht sind die Schweizer Grenzwerte, die um den Faktor 100 niedriger liegen als in Deutschland. Sie gelten allerdings nur für Orte mit „empfindlicher Nutzung“, beispielsweise Schulen und Kindergärten.
Schließlich dargestellt ist der Salzburger Beurteilungswert, er ist um den Faktor 10 000 tiefer als die derzeit gültigen Grenzwerte in Deutschland.

Die Vorschriften legen den Effektivwert zugrunde. Der Effektivwert einer variablen Größe E(t), die periodisch mit der Zeit T ist, wird berechnet nach


Für ein sinusförmiges Signal folgt daraus der Effektivwert der Amplitude (Abb. 2 oben).

Abb. 2: Effektivwert einer kontinuierlichen sinusförmigen (oben) und einer gepulsten sinusförmigen Größe (unten)


Ist die Größe E gepulst, die Pulse wiederholen sich mit der Periode T, während des Abschnitts Tpuls liegt das Signal an, während des Abschnitts T-Tpuls ist die Größe 0 (siehe Fig. 2), so folgt mit


für den Effektivwert der gepulsten Strahlung


Der Beitrag des zweiten Integrals ist 0, damit ist bei gleichbleibendem Signalverlauf während Tpuls


Ist E die elektrische Feldstärke, dann ist die übertragene Leistung P proportional E2;, somit ist


Die Leistung wird damit bei unverändertem Scheitelwert der Größe E um den Faktor a herabgesetzt.

Mit diesen Gleichungen berechnet man eine elektrische Heizung. Sie werden in gleicher Weise auf den menschlichen Körper angewandt, der hier vom Gesetzgeber auf gleicher Ebene behandelt wird.

Messtechniker, die die Mikrowellenexposition durch Mobilfunk-Basisstationen messen, verwenden für gewöhnlich den Maximalwert. Aber die Vorschriften sind nicht so. Sie verwenden den Effektivwert.

III. Einwände

Einwand 1:
Die Organe/Gewebe sind nicht gleichmässig durchblutet, und Wärme wird nicht gleichmäßig abgeführt.
Die gegenwärtigen Grenzwerte basieren auf thermischen Überlegungen. Zum Beispiel schlug Prof. Schwan Anfang der 50er Jahre den Grenzwert von 10mW/cm2; vor, der in den Nato-Staaten gültig wurde. Er begründete dies mit der Überlegung, dass der menschliche Körper eine Wärmeenergie von 5mW/cm2; abstrahlt. Demnach sollte eine aus einer Richtung kommende Erwärmung von 10mW/cm2; über den Blutkreislauf abgeführt werden können [1]. Auch den Vorschlägen der WHO, die den heutigen Grenzwerten von 1mW/m2 entsprechen, lagen thermische Überlegungen zugrunde [2].
Der menschliche Körper wird jedoch durch den Blutkreislauf nicht gleichmäßig gekühlt. Einige Organe, wie die Augen und beim Mann die Hoden, sind schwach durchblutet, und somit wird auch Wärme weniger abgeführt.
Weiterhin ist noch zu berücksichtigen, dass die unterschiedlichen Gewebeschichten - Muskelgewebe, Fett, Knochen, Gehirn - unterschiedliche Eigenschaften in Bezug auf Mikrowellen aufweisen und somit mit Reflexion sowie Beugung zu rechnen ist. Eine gleichmäßige Strahlungsabsorption ist ebenfalls nicht zu erwarten.
Dies wird bei den gegenwärtigen Grenzwerten nicht berücksichtigt

Einwand 2: Interferenzen werden nicht berücksichtigt.

Elektromagnetische Wellen werden an Wänden usw. teilweise reflektiert, durch Überlagerung reflektierter und mehrfach reflektierter Wellen können sich Interferenzmuster bilden. In Räumen werden sich Orte ausbilden, an denen die Intensität erhöht ist, Maxima, sowie Orte erniedrigter Intensität.

Abb. 3: Interferenzen von elektromagnetischen Wellen (900MHz) in einem Raum. Aus: Forschungsbericht der IMST-GmbH an das BfS, März 2005. Wiedergabe mit freundlicher Erlaubnis der IMST-GmbH


Abb. 3 zeigt die Ergebnisse einer Berechnung mit dem Simulationsprogramm „Empire“ durch die IMST GmbH. Dargestellt ist ein Raum mit Möbeln und Tür, die einfallende Strahlung erfolgt links durch das Fenster. Es bilden sich typische Minima (blau) und Maxima (rot). Die Verhältnisse reagieren sehr empfindlich auf Veränderungen [3].
Ein ähnliches Bild ergibt eine an der TU Chemnitz erstellte Untersuchung von Geromiller und Farschtschi [4]. Es wurden hier bestimmte Reflexions- und Absorptionseigenschaften der Wände angenommen und die Gleichungen der Elektrodynamik für diesen Fall gelöst. Die höchsten Interferenzmaxima ergaben sich bei in einem Winkel von 20° schräg einfallender Strahlung. Intensitätsmaxima der elektrischen Feldstärke Emax ≈ 2,5Ein (einfallende Strahlung) wurden gefunden.
Da die Leistung proportional zum Quadrat der Feldstärke ist, entspricht dies etwa einer um den Faktor 6 erhöhten Leistungsflussdichte in Interferenzmaxima.
Mögliche Interferenzen wurden bei den derzeit festgelegten Grenzwerten ungenügend berücksichtigt. Die 26. BImSchV fordert zwar die Messung am „Einwirkungsort mit der jeweils stärksten Exposition“. Diese Messung ist aber nicht einfach. Die Interferenzmuster und Orte der Interferenzmaxima werden allein schon durch die Anwesenheit einer Person im Raum beeinflusst, die Strahlung des Senders schwankt nach Auslastung usw. Man wird also leicht ein Interferenzmaximum übersehen. Zwar wird ein erfahrener Messtechniker solche Interferenzmaxima inzwischen möglicherweise finden können. Es besteht jedoch in genannter 26.BImSchV kein Verweis auf ein Messverfahren, das dies sicherstellt.
Aber es gibt noch einen weiteren, sogar noch wichtigeren Mangel. Die Berechnungen der Minimaldistanz zu Mobilfunk-Basisstationen, welche die Grundlage für die Bewilligung durch die Behörden bilden (Standortbescheinigungen), ziehen die Interferenzen überhaupt nicht in Betracht. Die Interferenzen würden dann korrekt berücksichtigt, wenn man von ihnen von vorneherein ausgeht. Aber das ist nicht der Fall. Diese Schwäche der Vorschrift allein wäre schon ausreichend, um eine deutliche Reduktion der derzeitigen Grenzwerte zu begründen.

Einwand 3: Es gibt nicht-thermische Wirkungen

Dass Mikrowellenstrahlung weitergehende Wirkungen als Erwärmung hat, ist hoch umstritten. Es wird oft als „nicht belegt“ abgelehnt [5].
An anderer Stelle wird argumentiert: „Die technisch verwendeten Frequenzen …sind mit 10Hz…10GHz weit unterhalb der typischen Ionisierungsenergie typischer Moleküle (mind. 800THz, also mehr als das tausendfache), … so dass Erbgutschädigungen durch Elektrosmog ausgeschlossen sind.“ (Wikipedia, Elektrosmog) [6]
Es ist richtig, die Quantenenergie beispielsweise der UMTS-Strahlung liegt bei 9.10-6eV und damit viele Zehnerpotenzen unter der Ionisierungsenergie von Molekülen.
Aber diese Betrachtung gilt für unbelebte Materie. Sie kann angewandt werden, wenn ein Stück Holz, ein Stück Plastik oder dergleichen bestrahlt wird. In lebenden Organismen finden biologische Prozesse wie Zellteilung, Zelldifferenzierung usw.. statt, die die Moleküle, speziell die DNA und die RNA sehr verletzbar machen. Chemische Verbindungen werden aufgebrochen und neue gebildet. DNA-Ketten werden geöffnet, vervielfältigt und neue Zellen werden gebildet. Eine viel tiefere Energieschwelle kann für eine Störung der zellulären Prozesse genügen. Es wird überhaupt sehr schwer sein, eine untere Energieschwelle zu definieren, um eine Störung in Lebensprozessen, für die die molekulare Instabilität eine Vorbedingung ist, auszuschliessen.
Sehr besorgniserregend sind die Ergebnisse des REFLEX-Projekts, mit dem vollen Namen „Risk Evaluation of Potential Environmental Hazards From Low Energy Electromagnetic Field (EMF) Exposure Using Sensitive in vitro Methods“ (Risiko-Bewertung möglicher Umweltschäden durch niederenergetische elektromagnetische Feld-Exposition, QLK4-CT-1999-01574) Dieses Projekt wurde durch die EU im 5. Rahmenprogramm (FP5) finanziert, durch die Stiftung VERUM in München geplant und koordiniert und von 12 Forschergruppen aus 7 europäischen Ländern vom Februar 2000 bis Mai 2004 durchgeführt. Das Ziel der Studie war, in isolierten Zellen im Reagenzglas nach biologischen Effekten von RF-EMF unterhalb des gegenwärtigen Sicherheitsgrenzwertes von 2,0W/kg für Mobiltelefone zu suchen und zu zeigen, dass es keine biologischen Effekte gibt, die von Bedeutung für die Entstehung von gesundheitlichen Störungen oder gar chronischen Erkrankungen sein könnten. Das Ergebnis war genau das Gegenteil von dem, was erwartet wurde.
Ein Teil der Arbeit befasste sich mit der RF-EMF-Bestrahlung von HL60-Zellen, die menschlicher Herkunft sind, bei einem SAR-Wert von 1,3W/kg. Ein Ergebnis zeigt Abb. 4. Je länger und breiter der kometenförmige Schweif ist, der nach der Bestrahlung entsteht, desto ausgeprägter ist die DNA-Schädigung [7].

Abb. 4: "Comet Assay" von Zellkulturen menschlicher HL60-Zellen. Links oben: unbelastet. Rechts oben. nach einer radioaktiven Bestrahlung mit 0,5Gy. Unten: nach einer Mikrowellenbestrahlung mit 1,3W/kg über 24 Stun-den. Abbildung aus [7].


In einem anderen Experiment mit GSM-Signalen wurde ein ähnlicher Effekt bei viel niedrigeren SAR-Werten beobachtet. Abb. 5 zeigt die Dosis-Wirkungsbeziehung zwischen der Entstehung von DNA--Schäden und der Expositionsstärke. Bereits bei einem SAR-Wert von nur 0,3W/kg wurde ein signifikantes Ansteigen von DNA-Strangbrüchen beobachtet. Für SAR-Werte kleiner als 0,6W/kg können Mobiltelefone mit dem Signet „Blauer Engel“ ausgezeichnet werden.

Abb. 5: Rate von DNA-Strangbrüchen in menschlichen Fibroblasten (Bindegewebszellen). Exposition: 24 Stun-den, 5 Minuten eingeschaltet/10 Minuten ausgeschaltet. Abb. aus [7]


In der Zwischenzeit sind die in vitro-Effekte von RF-EMF in einer Folgestudie des REFLEX-Projekts bestätigt worden. Die Resultate, welche erst kürzlich von der Universität Wien mit UMTS-Signalen erhalten wurden, zeigen, dass RF-EMF imstande ist, genotoxische Wirkungen in isolierten menschlichen Fibroblasten (Bindegeweben) schon bei einem SAR-Wert von 0,05W/kg zu erzeugen, was ungefähr einem Vierzigstel des gültigen Grenzwerts entspricht. [8]
Der menschliche Körper verfügt über ein komplexes System von Reparaturmechanismen, das Fehler auf molekularer und zellulärer Ebene in jeder Art von Zellen aufspüren und korrigieren kann. Geschädigte Zellen, die nicht mehr repariert werden können, werden isoliert und eliminiert. Aber es kann geschehen, dass Defekte nicht gefunden oder falsch repariert werden. Ausserdem ist nicht ausgeschlossen, dass der Reparaturmechanismus selbst durch RF-EMF gehemmt wird. Unter diesen Umständen könnten beschädigte Zellen im Organismus überleben. Damit wären die Voraussetzungen für die Entwicklung von Krebs oder möglicherweise auch von anderen chronischen Erkrankungen geschaffen.
Die gegenwärtigen Sicherheitsgrenzwerte von 2,0W/kg für Mobiltelefone berücksichtigen nicht die in vitro nachgewiesenen genotoxischen Effekte von RF-EMF, die weit unterhalb dieses Grenzwertes erhalten wurden. Und ob die Grenzwerte für Basisstationen vor weniger signifikanten biologischen Effekten, wie Veränderung der Gen- und Proteinexpression wirklich schützen können, kann gegenwärtig nicht mit Sicherheit beantwortet werden. Sollten eines Tages genotoxische Effekte von RF-EMF unterhalb der geltenden Grenzwerte bei Tieren oder am Menschen auch in vivo nachgewiesen werden, wie es in vitro schon geschehen ist, dann ständen Wissenschaft und Gesellschaft vor einem grossen Problem. Die Vorstellung von der Krankheitsentstehung durch die Mobilfunkstrahlung würde damit erheblich gestützt werden. Schon heute erscheint es nicht mehr vertretbar, dass die Existenz von nicht-thermischen biologischen Effekten rundweg abgelehnt wird und dass das vorhandene Wissen keine Berücksichtigung bei der Erstellung von Grenzwerten findet.

Einwand 4: Es gibt Gesundheitsschäden auch innerhalb der Grenzwerte für Mobiltelefone.

Ob Elektrosensitivität in einem signifikanten Prozentanteil der Bevölkerung existiert oder nicht wird sehr kontrovers behandelt. Auf der einen Seite ist es schwer zu glauben, dass die vielen Stellungnahmen von Ärzten, die mehr oder weniger ernsthafte Symptome oder sogar schwere Erkrankungen von Patienten als Folge der von den Mobilfunk-Basisstationen ausgehenden Strahlung beschreiben, alle falsch sind. Auf der anderen Seite können psychologische Ursachen als Grund für diese Beschwerden nicht mit Sicherheit ausgeschlossen werden. Die Literatur zu diesem Thema ist verwirrend und voller Widersprüche.
In Bezug auf den Gebrauch von Mobiltelefonen geben die neuesten epidemiologischen Studien, speziell jene, die innerhalb der INTERPHONE-Studie durchgeführt wurden, einigen Aufschluss über den Wert der jeweiligen Sicherheitsgrenzwerte. Diese Studie, genau wie die REFLEX-Studie seit 2000 im FP5 der Europäischen Kommission finanziert, wurde weltweit in 13 Ländern durchgeführt und von der Internationalen Agentur für Krebsforschung in Lyon, die der WHO unterstellt ist, koordiniert.
Während bei Menschen, die ihr Mobiltelefon weniger als 10 Jahre benutzten, keine Zunahme von Hirntumoren beobachtet wurde, zeigten Studien an Personen, die ihr Mobiltelefon länger als 10 Jahre benutzten [9,10] einen leichten und in einigen Fällen sogar einen signifikanten Anstieg [11,12] des Risikos für Hirntumoren.
Die mehrfachen Hinweise auf ein möglicherweise ansteigendes Hirntumorrisiko nach einer Nutzungsdauer des Mobiltelefons von 10 und mehr Jahren könnten zufällig sein, sie könnten aber auch ein erstes unsicheres Anzeichen dafür sein, dass RF-EMF unterhalb der geltenden Grenzwerte Krebs verursacht.
Wenn man die epidemiologischen Daten mit den genotoxischen Wirkungen, die im REFLEX-Projekt in vitro nachgewiesen wurden (siehe Einwand 3), in Verbindung bringt und wenn man in Betracht zieht, dass eine Latenzzeit von vielen Jahren - bis zu 20 und mehr - zwischen der ersten gentoxischen Schädigung und dem Ausbruch von Krankheiten wie Krebs und Alzheimer liegt, dann ist die Sachlage schon jetzt alarmierend.
Die derzeitigen Grenzwerte geben vor, dass Effekte auf die Gesundheit von Menschen auszuschliessen sind. Doch trotz dieser Annahme gibt es seit langem die Empfehlung des Präsidenten des Bundesamtes für Strahlenschutz (BfS), Wolfram König, dass zumindest Kinder, die jünger als 16 Jahre sind, von Mobiltelefonen möglichst ferngehalten werden sollten. Im August 2007 wiederholte das BfS diese Empfehlung. Nach unserer Meinung gibt es gegenwärtig mehr als genug Gründe, diese Empfehlung ernst zu nehmen.

IV. Empfehlungen

Die Sicherheitsgrenzwerte der 26. deutschen BImSchV entsprechen gegenwärtig nicht dem aktuellen Stand der Wissenschaft im entsprechenden Forschungsgebiet.
In der Diskussion zu Fragen der Studentenausbildung auf dem internationalen Seminar für Leistungshalbleiter im Jahr 2004 in Prag wurde der Bedarf an einer Art von ethischem Kodex für Wissenschaftler und Ingenieure herausgearbeitet, insbesondere im Hinblick auf Verantwortungsbewusstsein, auch in Fällen von stark kontroversen Meinungen innerhalb der wissenschaftlichen Gemeinschaft. Als Moderator dieser Diskussion fasst der erste Autor seine Position am Ende wie folgt zusammen:

● Wir sind uns bewusst, dass Leben und Sicherheit der Menschen von Technik abhängig ist. Technische Lösungen, die Menschenleben gefährden können, aber eingeführt werden sollen, nur weil sie billiger sind, werden wir ablehnen.
● Wir haben Verantwortung für das Leben künftiger Generationen. Wir wollen keine Technik einführen, mit der die Umwelt nachhaltig geschädigt wird.
● Wir wenden uns gegen die Mitwirkung an Massenvernichtungswaffen, an atomaren, biologischen und chemischen Waffen sowie an geächteten „konventionellen“ Waffen wie Minen und Cluster-Bomben.
● Wissenschaftler und Ingenieure arbeiten heute weltweit zusammen. Wir haben voneinander zu lernen. Daraus folgt die Pflicht, sich für Völkerfreundschaft einzusetzen und Rassismus und Kriegstreiberei entgegenzutreten.

Daraus geht hervor, dass die Gesundheit der Menschen ein höheres Gut ist als wirtschaftliche Interessen. Daher ist es notwendig, auch schon zu einem Zeitpunkt zu handeln, zu dem die Forschungsergebnisse von Biomedizin und Medizin noch strittig sind. Unter Berücksichtung genannter Einwände wird empfohlen, die gegenwärtigen Grenzwerte in Wohngebieten, Kindergärten, Schulen usw. auf den Salzburger Empfehlungswert [14] von 10-4 mW/cm2; (1mW/m2;) zu senken. Dieser Wert berücksichtigt, im Gegensatz zu der nur die Wärmewirkung berücksichtigenden Grenzwert-empfehlung von WHO und ICNRP, die Ergebnisse der Forschung zur nicht-thermischen Wirkungen. Das bedeutet eine Senkung um den Faktor 10 000. Darüber hinaus sollte sich der Grenzwert bei gepulster Strahlung auf den Spitzenwert beziehen Die in jüngsten Messungen in Wohngebieten gefundenen Belastungen liegen i.A. zwischen 1mW/m2; und 10mW/m2;, daher ist für die Mobilfunkindustrie zumutbar, ihre Technik zu verbessern, so dass sie diesen Wert von 1mW/cm2; unterschreitet. Typische Mobiltelefon-Basisstationen (emittierte Strahlungsleistung 13 W) sollten zu Wohngebieten eine Entfernung von 300 Metern einhalten. Bei dieser Entfernung sollte ein Expositionswert von <1mW/m2 bei eine typischen Basisstation eingehalten werden, gemäss den Berechnungen in [15]. Im Fall von höherer Emission sollte der Abstand adäquat vergrößert werden.

Mobilfunkantennen sollten genügend hoch über Grund errichtet werden, im Allgemeinen sind 30 Meter zu empfehlen.
Neben diesen Empfehlungen zu Mobilfunk-Basisstationen sollten auch in der Risiko-Kommunikation durch Behörden und Wirtschaft die Warnungen zur Benutzung von Mobiltelefonen strikt beachtet werden, insbesondere bei Kindern.

Danksagung

C. Bornkessel (IMST) gilt Dank für konstruktive Diskussionen.


Literatur

[1] A. Weber: EMV in der Praxis. 2. Auflage 1996, Hüthig Fachverlag

[2] „Als Ausgangspunkt für die Grenzwertüberlegungen im Mobilfunk nahm die zuständige Kommission bei der Weltgesundheitsorganisation WHO jenen Wert, der bei einer Bestrahlungsdauer von 30 Minuten den Körper um 1°C erwärmt.“ Aus

http://www.ai.ch/dl.php/de/20040712085411/FaktenblattGesundheit.pdf

[3] C. Bornkessel: Forschungsbericht der IMST GmbH an das BfS, März 2005

[4] H.P. Geromiller, A. Farschtschi: Numerical Calculation of Electric Fields in Housing-spaces due to Electromagnetic Radiation from Antennas for Mobile Communication. Advanced Engineering Design (AED), Prag, Juni 2003

[5] Landesanstalt für Umweltschutz Baden-Württemberg: Gepulste Funkwellen – Fakten und Fiktionen, September 2005

[6] Wikipedia: Elektrosmog. http://www.wikipedia.de

[7] F. Adlkofer: Elektromagnetische Felder in der Umwelt. Vortrag beim 7. Workshop des Umweltministeriums NRW, Düsseldorf, Dezember 2004

[8] F. Adlkofer: DNA-damaging effects of UMTS electromagnetic fields in human cells in vitro. Vortrag beim Bioelectromagnetics Society Meeting (BEMS), Kanazawa/Japan, Juni 2007

[9] J. Schüz et al.: Cellular phones, cordless phones, and the risk of glioma and meningioma (Interphone Study). Am J Epidem 163(6):512-520 (2006)

[10] A. Lahkola et al.: Mobile phone use and risk of glioma in five North European countries (Interphone Study). Int J Cancer 120(8):1769-1775 (2007)

[11] M.J. Schoemaker et al.: Mobile Phone use and risk of acoustics neuroma: results of the Interphone case-control study in five North European countries. Br J Cancer 93(7):842-848 (2005)

[12] L. Hardell et al.: Pooled analysis of two case-control studies on use of cellular and cordless telephones and the risk of malignant brain timors diagnosed in 1997–2003. Int Arch Occup Environ Health 79(8):630-639 (2006)

[13] http://www.bfs.de/elektro/papiere/bfs_handy_kind.html

[14] G. Oberfeld: Das Salzburger Modell – Erfahrungen der letzten 5 Jahre. Fachtagung sanfter Mobilfunk – Möglichkeit und Grenzen, Zürich, Oktober 2003 (www.itne.de/pdf/20070424122604-das_salzburger_model.pdf)

[15] C. Bornkessel: Untersuchung der Immissionen durch Mobilfunk Basisstationen. Abschlussbericht der IMST an das Umweltministerium NRW, 2002