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Arno Schmidt -- Ein Portrait

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Marius Fraenzel

unread,
Aug 28, 2003, 12:30:13 PM8/28/03
to
Ein Portrait Arno Schmidts, das vor längerer Zeit auf der Homepage der
Gesellschaft der Arno-Schmidt-Leser zu finden war, ist jetzt wieder
online:

http://www.fraenzel.de/AS/Portrait.html

Gruß, Marius


--
Lesen hilft!

Joachim Pense

unread,
Aug 31, 2003, 2:54:43 AM8/31/03
to
Marius Fraenzel wrote:
> Ein Portrait Arno Schmidts, das vor längerer Zeit auf der Homepage der
> Gesellschaft der Arno-Schmidt-Leser zu finden war, ist jetzt wieder
> online:
>
> http://www.fraenzel.de/AS/Portrait.html

Sehr interessant! vieles darauf ist mir neu, insbesondere das mit dem
komplett (zur Schließung der wg. Geburtsdatumsvorverlegung entstandenen
Biographielücke) erfundenen Studium. Ich kannte nur die Version, dass
lediglich der Studienabbruchs*grund* erfunden sein sollte.

Joachim

Marius Fraenzel

unread,
Aug 31, 2003, 6:17:05 AM8/31/03
to
Joachim Pense <joachi...@t-online.de> schrieb:

>Sehr interessant!

Vielen Dank!

>vieles darauf ist mir neu, insbesondere das mit dem
>komplett (zur Schließung der wg. Geburtsdatumsvorverlegung entstandenen
>Biographielücke) erfundenen Studium. Ich kannte nur die Version, dass
>lediglich der Studienabbruchs*grund* erfunden sein sollte.

Das eigentlich Skandalöse an der ganzen Geschichte ist dieser Grund
des Studienabbruchs: Daß sich ein Autor zur 'Aufbesserung' seiner
Biografie ein erfundenes Studium zulegt, würde ich als eine läßliche
Sünde einordnen, aber daß sich der Mitläufer Schmidt (es gibt sogar
eine Postkarte von 1933, auf der er behauptet, daß er sich zur SS habe
melden wollen) mittels seines jüdischen Schwagers zum *Opfer* des
Nationalsozialismus stilisiert, finde ich recht grenzwertig, um es
freundlich auszudrücken.

Gruß, Marius


--
"... eine schöne Studie im sogenannten, zuweilen im Landfunk
gerühmten, 'bäuerlichen Rechtsempfinden' ..." -- Arno Schmidt

Joachim Pense

unread,
Aug 31, 2003, 7:44:41 AM8/31/03
to
Marius Fraenzel wrote:
> Joachim Pense <joachi...@t-online.de> schrieb:
>
>
>>Sehr interessant!
>
>
> Vielen Dank!
>
>
>>vieles darauf ist mir neu, insbesondere das mit dem
>>komplett (zur Schließung der wg. Geburtsdatumsvorverlegung entstandenen
>>Biographielücke) erfundenen Studium. Ich kannte nur die Version, dass
>>lediglich der Studienabbruchs*grund* erfunden sein sollte.
>
>
> Das eigentlich Skandalöse an der ganzen Geschichte ist dieser Grund
> des Studienabbruchs: Daß sich ein Autor zur 'Aufbesserung' seiner
> Biografie ein erfundenes Studium zulegt, würde ich als eine läßliche
> Sünde einordnen, aber daß sich der Mitläufer Schmidt (es gibt sogar
> eine Postkarte von 1933, auf der er behauptet, daß er sich zur SS habe
> melden wollen) mittels seines jüdischen Schwagers zum *Opfer* des
> Nationalsozialismus stilisiert, finde ich recht grenzwertig, um es
> freundlich auszudrücken.
>

ACK. Hat er diesen Grund tatsächlich selbst vorgegeben oder waren das
andere, die das lediglich vermutet haben? (Bei der Art Mathematik, die
er so in seinen Werken pflegt, war es mir übrigens immer sehr plausibel,
dass er sein Mathestudium nach zwei Semestern aufgegeben hat... - was er
nun ja gar nicht hat).

Joachim

Marius Fraenzel

unread,
Aug 31, 2003, 8:24:32 AM8/31/03
to
Joachim Pense <joachi...@t-online.de> schrieb:

>Hat er diesen Grund tatsächlich selbst vorgegeben oder waren das
>andere, die das lediglich vermutet haben?

Das steht so in einem von Schmidt selbst verfaßten biographischen
Abriß, der Grundlage für zahlreiche biographische Darstellungen wurde:

|Nach dem Tode des Vaters, eines hamburger Polizeibeamten, siedelte die
|Familie nach Schlesien zurück, wo Sch. nach dem Abitur ein abwegiges
|(Astronomie) doch vielseitiges Universitätsstudium in Breslau begann.
|Da seine Schwester einen jüdischen Kaufmann geheiratet hatte, brach er
|33 -- ganz bewußt, um vor pseudoheroischen Komplikationen in
|selbstgewählte Unscheinbarkeit auszuweichen -- sein Studium ab.

loc.cit.: BA, Suppl. 1, S. 329.

Gruß, Marius


--
16. Zum Falle John?
'Es sei eine Schweinerei!' / (Jetzt waren sie so klug, wie zuvor! Je
nach Richtung haben sie dann aus eigenen Mitteln hinzugefügt: das
Urteil / Johns Handlungsweise / das ganze Verfahren / usw.).

Giesbert Damaschke

unread,
Aug 31, 2003, 8:39:33 AM8/31/03
to
Marius Fraenzel schrieb Sun, 31 Aug 2003 12:17:05 +0200,

>Nationalsozialismus stilisiert, finde ich recht grenzwertig, um es
>freundlich auszudrücken.
>

yep. Das ist noch so einer der blinden Flecken der
Schmidt-Forschung.

cu
gd 8-)
--
"Siehst du wohl", sagte Hans Castorp später zu seinem Vetter,
"siehst du wohl, daß es in der Literatur auf die schönen Worte
ankommt? Ich habe es gleich gemerkt."

Joachim Pense

unread,
Sep 1, 2003, 11:45:39 AM9/1/03
to
Marius Fraenzel wrote:
>
> http://www.fraenzel.de/AS/Portrait.html
>

Ich hab mal eine Ebene höher geschaut: in <http://www.fraenzel.de/AS/>
steht als Geburtsjahr 1918.

Ich bin ja nicht so sehr auf dem Laufenden, aber von früher her weiß
ich, dass in den Literaturgeschichten die Geburtsjahre 1910 und 1914
geisterten. Und als Auflösung erfuhr ich später, dass AS das 1910er
Datum im Zusammenhang mit seiner Kriegsgefangenschaft selbst gefälscht
hat. Aber 1918? Das ist mir ganz neu.

Passt auch irgendwie schlecht zum 46jährigen Karl Richter im 1960
erschienenen KAFF.

Joachim

Joachim Pense

unread,
Sep 1, 2003, 11:48:31 AM9/1/03
to
Joachim Pense wrote:

> Marius Fraenzel wrote:
>
>>
>> http://www.fraenzel.de/AS/Portrait.html
>>
>
> Ich hab mal eine Ebene höher geschaut: in <http://www.fraenzel.de/AS/>
> steht als Geburtsjahr 1918.
>

Naja, wird ein Tippfehler sein: im Porträt schreibst du ja 1914.

Joachim
--
gleich sex & firz ich

Marius Fraenzel

unread,
Sep 1, 2003, 12:12:06 PM9/1/03
to
Joachim Pense <joachi...@t-online.de> schrieb:

>> Ich hab mal eine Ebene höher geschaut: in <http://www.fraenzel.de/AS/>
>> steht als Geburtsjahr 1918.
>>
>
>Naja, wird ein Tippfehler sein: im Porträt schreibst du ja 1914.

Ja! So ein blöder Fehler! Da ist mir mnemotechnisch wahrscheinlich der
18. des Geburtstags dazwischengekommen. Hab's gleich korrigiert.

Danke für den Hinweis,

Marius


--
"immer schön bei Allem denken; damit kann man weit kommen!" --
Arno Schmidt

Carsten Herrmann

unread,
Sep 2, 2003, 2:18:51 AM9/2/03
to
Warum wird denn in dem Porträt Schmidts finanzielle Misere bis hin zur
versuchten Pfändung seines Tandems beschrieben, aber der freilich wohl eher
spät in Erscheinung getretene Zigaretten-Mäzen verschwiegen? Der soll ja dem
Meister zwar nicht den Nobelpreis, aber immerhin die damit verbundene
Geldsumme spendiert haben, wodurch er ihn von der Fron des Übersetzens (d.h.
von ihm nicht geschätzten Büchern) befreit hat. Außerdem stand er dann noch
der Witwe im Kampf gegen den Fischer-Verlag bei, die sich ob solcher
Munifizenz, wie es mal im Spiegel zu lesen stand, "wie Alice im Wunderland"
gefühlt haben muss.
Übrigens finde ich es reichlich albern von Schmidt, die Verleger zu
beschimpfen. Die 400 verkauften Exemplare von "Leviathan" dürften wohl nicht
viel zu Rowohlts und Ledigs Wohlleben beigetragen haben. Hingegen bringen es
Autoren von Büchern, die vom Publikum fleißig gekauft werden, in der Regel
auch ihrerseits zur Villa im Tessin, trotz der gierigen Verleger.

Marius Fraenzel

unread,
Sep 2, 2003, 2:54:24 AM9/2/03
to
"Carsten Herrmann" <cah...@snafu.de> schrieb:

>Warum wird denn in dem Porträt Schmidts finanzielle Misere bis hin zur
>versuchten Pfändung seines Tandems beschrieben, aber der freilich wohl eher
>spät in Erscheinung getretene Zigaretten-Mäzen verschwiegen? Der soll ja dem
>Meister zwar nicht den Nobelpreis, aber immerhin die damit verbundene
>Geldsumme spendiert haben, wodurch er ihn von der Fron des Übersetzens (d.h.
>von ihm nicht geschätzten Büchern) befreit hat.

Von Reemtsma ist AFAIK kein Geld an Schmidt persönlich geflossen.
Schmidt hat zu dem Zeitpunkt, als J.-Ph. Reemtsma ihn ansprach, schon
an der "Julia" gearbeitet und wollte Geld überhaupt nur für die
Unterstützung eines ganz konkreten Projekts annehmen, nämlich des
Überbuchs "Lilienthal 1801, oder Die Astronomen", für dessen reine
Niederschrift er 10 Jahre angesetzt hat. Zu einer solchen Vereinbarung
ist es aber nie gekommen, da Schmidt über der Niederschrift der
"Julia" gestorben ist.

Daß das nicht in dem Text steht, liegt daran, daß der -- wie im ersten
Posting schon erwähnt -- bereits etwas betagt ist und damals die
Umstände der Begegnung Schmidt-Reemtsma nicht gut belegt waren.
Vielleicht ergänze ich ihn bei Gelegenheit.

>Außerdem stand er dann noch
>der Witwe im Kampf gegen den Fischer-Verlag bei, die sich ob solcher
>Munifizenz, wie es mal im Spiegel zu lesen stand, "wie Alice im Wunderland"
>gefühlt haben muss.

Das ist sehr salopp formuliert. Reemtsma hat zusammen mit Alice
Schmidt die Arno Schmidt Stiftung gegründet, in die er das
Stiftungskapital eingebracht hat und Alice Schmidt die ererbten
Autorenrechte. Es war dann die Stiftung, die sich mit Fischer um die
Druckrechte gestritten hat. Ich habe nicht mehr parat, wann dieser
Rechtsstreit begonnen hat, aber Alice Schmidt ist 1983 gestorben und
der Rechtsstreit frühestens in den späten 80ern beigelegt worden.
Daher hat sie sicher nur einen kleinen Teil davon miterlebt.

Ansonsten hatte Alice Schmidt wohl ein gesundes Selbstbewußtsein und
ist J.Ph. Reemtsma gegenüber ganz als Witwe eines Genies und als
Verkörperung von dessen postumem Willen aufgetreten. Die Formulierung
des Spiegel erscheint mir also -- wie so oft -- zwar recht witzig aber
auch aus Unkenntnis sehr an der Sache vorbei.

Dies alles gehört aber auch nicht in ein Portrait der Person Arno
Schmidts, wenigstens meiner Meinung nach.

Gruß, Marius


--
"»Ich besitze das Buch der Bücher,« sagte er eindringlich und ekel
heil. »Die Encyclopaedia Britannica?!« rief ich falsch und
künstlichneidisch: »Donnerwetter!«" -- Arno Schmidt

Carsten Herrmann

unread,
Sep 3, 2003, 2:27:07 AM9/3/03
to
Aha, erschien der Reemtsma ex machina erst so kurz vor Schluss? Ich dachte,
das wäre doch ein paar Jahre früher gewesen und hätte Schmidt noch einen
Neubau in Bargfeld ermöglicht, der in seinem Briefwechsel mit Andersch
erwähnt wird. Das kann aber schon 1979 gewesen sein. Was die
Auseinandersetzung mit S.Fischer betrifft, bin ich mir sicher, gelesen zu
haben, dass Frau Schmidt den Vertrag noch selbst gekündigt hat, wegen
Vernachlässigung des Werkes und ungenauen Abrechnungen.

> Ansonsten hatte Alice Schmidt wohl ein gesundes Selbstbewußtsein und
> ist J.Ph. Reemtsma gegenüber ganz als Witwe eines Genies und als
> Verkörperung von dessen postumem Willen aufgetreten.

Es gibt ja eine bekannte Empfehlung an Biographen: "First kill the widow!"

> Dies alles gehört aber auch nicht in ein Portrait der Person Arno
> Schmidts, wenigstens meiner Meinung nach.

Wie man's nimmt. Maecenas gehört für ewige Zeiten in die Viten von Vergil
und Horaz, und gerade in der deutschen Literatur des 20. Jahrhunderts hat so
ein Vorgang wohl einen gewissen Seltenheitswert. Freilich wäre es eher
erwähnenswert, wenn Schmidt "Lilienthal" geschrieben hätte.

Marius Fraenzel

unread,
Sep 3, 2003, 3:36:35 AM9/3/03
to
"Carsten Herrmann" <cah...@snafu.de> schrieb:

>Aha, erschien der Reemtsma ex machina erst so kurz vor Schluss? Ich dachte,
>das wäre doch ein paar Jahre früher gewesen und hätte Schmidt noch einen
>Neubau in Bargfeld ermöglicht, der in seinem Briefwechsel mit Andersch
>erwähnt wird. Das kann aber schon 1979 gewesen sein.

Also, ich habe das jetzt nochmal nachgeschaut, soweit das in der
Schnelle geht. Wahrscheinlicher hast *Du* recht: Die Begegnung mit
Reemtsma erfolgt Mitte Juni 1977. Damit ist meine Behauptung schon mal
falsch, Schmidt habe bereits an der "Julia" *geschrieben*; deren
Niederschrift wurde erst am 10. Februar 1979 begonnen. Aber immerhin
stammt schon ein Entwurf vom 25.3.1977, und die Materialsammlung hat
Schmidt schon 1976 begonnen.

Der feuerfeste Archivbau ist auch erst 1977/78 gebaut worden (Fußnote
zu einem Brief an Andersch), was auch zu Deiner Darstellung paßt.

Ich war durch den Brief Schmidts an Reemtsma (abgedruckt im
Lilienthal-Band) verführt worden, anzunehmen, Schmidt habe keine Geld
bekommen, weil er selbst die Förderung auf das "Lilienthal"-Buch
bezieht. Aber ich habe keinerlei Belege dafür, daß es bei diesem Stand
wirklich geblieben ist.

Das offizielle Biogramm der Stiftung schweigt sich über Reemtsmas
Engagement völlig aus; Matynkewiczs Biographie ist nicht sehr ergiebig
in dem Punkt. Der biographische Abriß auf der Seite der GASL
(www.gasl.org) spricht auch von einer finaziellen Unterstützung: "1977
Beginn der Bekanntschaft mit J. Ph. Reemtsma, der Schmidt finanziell
unterstützt; Baubeginn eines feuersicheren Archivs". Vorsichtigere
Darstellungen in Netz sprechen von einem Angebot zur Unterstützung.

Also: Wahrscheinlich werden wir bis zum Erscheinen der
Schmidt-Biographie von Rauschenbach warten müssen, um etwas
Definitives zu erfahren. Oder fällt Dir eine handfeste Quelle ein?

Allerdings hat Deine These die größere Wahrscheinlichkeit.

>Was die
>Auseinandersetzung mit S.Fischer betrifft, bin ich mir sicher, gelesen zu
>haben, dass Frau Schmidt den Vertrag noch selbst gekündigt hat, wegen
>Vernachlässigung des Werkes und ungenauen Abrechnungen.

Ja, das war die Begründung. Auch wird schon Alice Schmidt die Verträge
gekündigt haben, denn Sie war ja Erbin der Rechte (die Stiftung ist
das erst nach Alice Schgmidts Tod geworden). Auch da werde ich nochmal
versuchen, die Chronologie von Rechtsstreit und Stiftungsgründung
(November 1981) genauer zu klären.

>> Dies alles gehört aber auch nicht in ein Portrait der Person Arno
>> Schmidts, wenigstens meiner Meinung nach.
>
>Wie man's nimmt. Maecenas gehört für ewige Zeiten in die Viten von Vergil
>und Horaz, und gerade in der deutschen Literatur des 20. Jahrhunderts hat so
>ein Vorgang wohl einen gewissen Seltenheitswert. Freilich wäre es eher
>erwähnenswert, wenn Schmidt "Lilienthal" geschrieben hätte.

Mein "dies alles" bezog sich auf den Rechtsstreit. Zu Reemtsmas
Mäzenatentum hatte ich ja weiter oben schon gesagt, daß ich es
vielleicht mal ergänze, wobei mir gerade nicht sehr klar ist, was
genau überhaupt zu ergänzen wäre. ;-)

Gruß, Marius


--
"Denken. Nicht mit Glauben begnügen: weiter gehen. Noch einmal durch
die Wissenskreise, Freunde! Und Feinde. Legt nicht aus: lernt und
beschreibt. Zukunftet nicht: seid. Und sterbt ohne Ambitionen: ihr
seid gewesen. Höchstens voller Neugierde." -- Arno Schmidt

Marius Fraenzel

unread,
Sep 3, 2003, 3:46:30 AM9/3/03
to
Marius Fraenzel <marius....@web.de> schrieb:

>Also: Wahrscheinlich werden wir bis zum Erscheinen der
>Schmidt-Biographie von Rauschenbach warten müssen, um etwas
>Definitives zu erfahren. Oder fällt Dir eine handfeste Quelle ein?

Manchmal sollte man noch einen zusätzlichen Google-Gang machen, bevor
man es abschickt:

Tom Schimmeck schreibt in seinem Reemtsma-Portrait
(http://home.t-online.de/home/tschimmeck/reemtsma.htm):

"Die Begegnung mit Arno Schmidt hat Jan Philipp Reemtsma sehr viel
bedeutet. Schmidt war für ihn, sagt er unumwunden, der bedeutendste
Mensch, dem er in seinem Leben begegnet ist, »so einen werde ich
sicher nie wieder kennenlernen«. Obwohl er dem Autor große Summen zur
Verfügung stellte, ist er bis zum Tode Schmidts am Pfingstsonntag 1979
nur ein paarmal in Bargfeld gewesen."

Das ist als Quelle erstmal handfest genug. Ich werde meinen Text bei
Gelegenheit ergänzen.

Gruß, Marius


--
"Man hätte mich fragen können, bevor man sich auf meine Kosten lustig
macht." -- Nadja Abd el Farrag

Giesbert Damaschke

unread,
Sep 3, 2003, 4:05:51 AM9/3/03
to
Marius Fraenzel schrieb Wed, 03 Sep 2003 09:46:30 +0200

>Das ist als Quelle erstmal handfest genug. Ich werde meinen Text bei
>Gelegenheit ergänzen.

Wenn Du ein wenig Zeit hast und in der Nähe einer größeren
Bibliothek: Es gab mal ein Portrait von / Interview mit (?)
JPR im Spiegel, in dem er auf die Frage, ob das Gerücht
stimme, er habe Schmidt einen "privaten Nobelpreis"
verliehen, sinngemäß sagte, er sei als Privatperson nicht
befugt, einen solchen Preis zu verleihen, aber er habe
Schnmidt zur Unterstützung seiner Arbeit eine Summe zur
Verfügung gestellt, die etwa dem Nobelpreis entspräche.

Genauer weiß ich das jetzt allerdings auch nicht mehr.

cu
gd 8-)
--
Giesbert Damaschke, München
http://www.damaschke.de/
I've got a killfile here, and I'm not afraid to use it!

Marius Fraenzel

unread,
Sep 3, 2003, 4:58:29 AM9/3/03
to
Marius Fraenzel <marius....@web.de> schrieb:

>>Was die
>>Auseinandersetzung mit S.Fischer betrifft, bin ich mir sicher, gelesen zu
>>haben, dass Frau Schmidt den Vertrag noch selbst gekündigt hat, wegen
>>Vernachlässigung des Werkes und ungenauen Abrechnungen.
>
>Ja, das war die Begründung. Auch wird schon Alice Schmidt die Verträge
>gekündigt haben, denn Sie war ja Erbin der Rechte (die Stiftung ist
>das erst nach Alice Schgmidts Tod geworden). Auch da werde ich nochmal
>versuchen, die Chronologie von Rechtsstreit und Stiftungsgründung
>(November 1981) genauer zu klären.

Es gibt lt. Bibliographie Müther eine Presseerklärung der *Stiftung*
zur Kündigung der Verträge vom 6. Oktober 1982. Das letzte Urteil in
der Sache stammt vom 12.1.1989 (Landgericht Frankfurt/M.), das die
Klage abgewiesen hat. Bis Oktober 1989 haben sich Stiftung und
S.Fischer dann auf ein gemeinsames Konzept zur zukünftigen Vermarktung
von Schmidts Werken geeinigt: Fischer darf weiterhin Taschenbücher
drucken und die drei vollendeten Typoskripte im Faksimile herausgeben.
Die Stiftung erstellt eine Werkausgabe und darf die Typoskripte in
einem Neusatz herausgeben.

So, wie es aussieht, hat zwar Alice Schmidt die Verträge gekündigt,
aber die Stiftung ist von Anfang an als Vertreterin der Autorenrechte
aufgetreten.

Gruß, Marius


--
Marius Fränzel: "Dies wundersame Gemisch".
Eine Einführung in das erzählerische Werk Arno Schmidts.
ISBN: 3-933598-54-0. 29,90 EUR.

Florian Ritter

unread,
Sep 3, 2003, 12:34:03 PM9/3/03
to
Joachim Pense <joachi...@t-online.de> wrote in message news:<bis67f$ufh$06$1...@news.t-online.com>...

Ist eigentlich die Matrikel der Breslauer Univ. aus der in Rede
stehenden Zeit erhalten? Ich rege an, mal im Hochschulgeschichtlichen
Institut in Würzburg (Am Hubland) nachzufragen. Es könnte ja doch
sein, daß ASch kurzzeitig inskribiert war.

Ich erinnere mich, irgendwo gelesen zu haben, ASch wäre in seiner
Jugend als Rechenkünstler durch Kneipen getingelt. Ob's wahr ist? FR

Florian Ritter

unread,
Sep 3, 2003, 12:41:43 PM9/3/03
to
Marius Fraenzel <marius....@web.de> wrote in message news:<bj1eqv$j0v$02$1...@news.t-online.com>...

> >Warum wird denn in dem Porträt Schmidts finanzielle Misere bis hin zur
> >versuchten Pfändung seines Tandems beschrieben, aber der freilich wohl eher
> >spät in Erscheinung getretene Zigaretten-Mäzen verschwiegen? Der soll ja dem
> >Meister zwar nicht den Nobelpreis, aber immerhin die damit verbundene
> >Geldsumme spendiert haben, wodurch er ihn von der Fron des Übersetzens (d.h.
> >von ihm nicht geschätzten Büchern) befreit hat.
>
> Von Reemtsma ist AFAIK kein Geld an Schmidt persönlich geflossen.

Hm, also ich erinnere mich, szt. im Spiegel gelesen zu haben, daß
Reemtsma erst ins Haus Schmidt eingelassen wurde, nachdem er einen
Scheck über 10.000 DM überreicht hatte (Spiegel: ...unter der Tür
durchgeschoben hatte).

> >Außerdem stand er dann noch
> >der Witwe im Kampf gegen den Fischer-Verlag bei, die sich ob solcher
> >Munifizenz, wie es mal im Spiegel zu lesen stand, "wie Alice im Wunderland"
> >gefühlt haben muss.
>
> Das ist sehr salopp formuliert. Reemtsma hat zusammen mit Alice
> Schmidt die Arno Schmidt Stiftung gegründet, in die er das
> Stiftungskapital eingebracht hat und Alice Schmidt die ererbten
> Autorenrechte. Es war dann die Stiftung, die sich mit Fischer um die
> Druckrechte gestritten hat. Ich habe nicht mehr parat, wann dieser
> Rechtsstreit begonnen hat, aber Alice Schmidt ist 1983 gestorben und
> der Rechtsstreit frühestens in den späten 80ern beigelegt worden.
> Daher hat sie sicher nur einen kleinen Teil davon miterlebt.

"Um die Druckrechte gestritten..." Was war denn da nun genau los?
Besonders glücklich war der ganze Streit ja nicht, da wir über lange
Jahre überhaupt nichts von ASch kaufen konnten - FR

Marius Fraenzel

unread,
Sep 3, 2003, 1:15:33 PM9/3/03
to
flor...@yahoo.com (Florian Ritter) schrieb:

>Ist eigentlich die Matrikel der Breslauer Univ. aus der in Rede
>stehenden Zeit erhalten? Ich rege an, mal im Hochschulgeschichtlichen
>Institut in Würzburg (Am Hubland) nachzufragen. Es könnte ja doch
>sein, daß ASch kurzzeitig inskribiert war.

Ist überprüft worden: Arno Schmidt war weder als ordentlicher Student
noch als Gasthörer je an der Universität Breslau eingeschrieben.

>Ich erinnere mich, irgendwo gelesen zu haben, ASch wäre in seiner
>Jugend als Rechenkünstler durch Kneipen getingelt. Ob's wahr ist? FR

Ist auch so eine unbelegte und unbelegbare Legende. Sein Vorgesetzter
in der Greiffenmbergerger Zeit nennt in mal "ein Genie der
Schulmathematik", aber alles darüber hinaus ist Legende.

Marius Fraenzel

unread,
Sep 3, 2003, 1:31:45 PM9/3/03
to
flor...@yahoo.com (Florian Ritter) schrieb:

>Hm, also ich erinnere mich, szt. im Spiegel gelesen zu haben, daß
>Reemtsma erst ins Haus Schmidt eingelassen wurde, nachdem er einen
>Scheck über 10.000 DM überreicht hatte (Spiegel: ...unter der Tür
>durchgeschoben hatte).

Schimmeck schreibt, Reemtsma fände diese immer wieder kolportierte
Ankedote (hier und da ist der Scheck auch durch den Zaun gereicht
worden) recht ärgerlich. Reemtsma hat Schmidt auf einem Spaziergang im
Juni 1977 angesprochen (Tagebuch Alice Schmidt 14.6.1977). Von 'unter
der Tür durch' kann keine Rede sein.

>"Um die Druckrechte gestritten..." Was war denn da nun genau los?
>Besonders glücklich war der ganze Streit ja nicht, da wir über lange
>Jahre überhaupt nichts von ASch kaufen konnten - FR

Die Stiftung wollte das gesamte Werk an einen anderen Verlag geben.
Aus Sicht der Stiftung wurde Schmidts Werk bei S.Fischer nicht gut
betreut, weil abgesehen von den Typoskripten die Texte nur in
Taschenbuch-Ausgaben vorlagen, die in der Textgestalt auch nicht immer
dem gemutmaßten Autorenwillen entsprachen. Den Vorwurf der
Unregelmäßigkeiten bei der Abrechnung hat man IIRC recht bald fallen
lassen.

Daß man 'lange Jahre' gar nichts von Schmidt hat kaufen können, stimmt
so einfach nicht. Es hat eine Zeit lang keine Fischer-Tbs gegeben,
aber das war einen Phase von mehr oder weniger sechs Monaten. Ich
erinnere mich, Anfang 1984 (ein saukalter Winter) durch Tübingen
gelaufen zu sein und die Reste an Fischer-Tbs aufgekauft zu haben.
Dann brachte Fischer (wohl zur Buchmesse 1984) den ersten Schwung
Reprints der Erstausgaben heraus und Haffmans konterte im Fühjahr 1985
mit der Ersten Zürcher Kassette. Und da war dann plötzlich mehr
Schmidt zu kaufen als lange Zeit zuvor. :-)

Carsten Herrmann

unread,
Sep 3, 2003, 11:49:46 PM9/3/03
to
> "Man hätte mich fragen können, bevor man sich auf meine Kosten lustig
> macht." -- Nadja Abd el Farrag

Das hat nun zwar nichts mehr mit AS zu tun, ist aber nicht off-topic, da die
Dame jetzt ihre Autobiographie veröffentlicht und der Star der diesjährigen
Buchmesse sein wird:
http://www.herbig.net/naddel/

Karl Eichwalder

unread,
Sep 7, 2003, 5:08:18 PM9/7/03
to
Giesbert Damaschke <gies...@uni.de> writes:

> Genauer weiß ich das jetzt allerdings auch nicht mehr.

Reemtsma hat dem DLF mindestens 2 Interviews gegeben (eines erst vor
wenigen Tagen), in denen die genannten Vokabeln sehr ähnlich gefallen
sind. Ich glaube, es ist leider keines dieser Interviews online
zugänglich und Mitschnitte habe ich auch nicht.

--
| ,__o
http://www.gnu.franken.de/ke/ | _-\_<,
k...@suse.de (work) / k...@gnu.franken.de (home) | (*)/'(*)

Florian Ritter

unread,
Sep 8, 2003, 10:52:40 AM9/8/03
to
Marius Fraenzel <marius....@web.de> wrote in message news:<bj57jj$t6p$05$1...@news.t-online.com>...

> >Ist eigentlich die Matrikel der Breslauer Univ. aus der in Rede
> >stehenden Zeit erhalten? Ich rege an, mal im Hochschulgeschichtlichen
> >Institut in Würzburg (Am Hubland) nachzufragen. Es könnte ja doch
> >sein, daß ASch kurzzeitig inskribiert war.
>
> Ist überprüft worden: Arno Schmidt war weder als ordentlicher Student
> noch als Gasthörer je an der Universität Breslau eingeschrieben.

Hmhm.



> >Ich erinnere mich, irgendwo gelesen zu haben, ASch wäre in seiner
> >Jugend als Rechenkünstler durch Kneipen getingelt. Ob's wahr ist? FR
>
> Ist auch so eine unbelegte und unbelegbare Legende. Sein Vorgesetzter
> in der Greiffenmbergerger Zeit nennt in mal "ein Genie der
> Schulmathematik", aber alles darüber hinaus ist Legende.

Ich erinnere mich, ein Interview mit diesem Vorgesetzten gelesen zu
haben; schien eine Ausnahmeerscheinung unter den Textilmanagern
gewesen zu sein - FR

Florian Ritter

unread,
Sep 8, 2003, 11:02:22 AM9/8/03
to
Marius Fraenzel <marius....@web.de> wrote in message news:<bj58hv$t6p$05$2...@news.t-online.com>...

> >Hm, also ich erinnere mich, szt. im Spiegel gelesen zu haben, daß
> >Reemtsma erst ins Haus Schmidt eingelassen wurde, nachdem er einen
> >Scheck über 10.000 DM überreicht hatte (Spiegel: ...unter der Tür
> >durchgeschoben hatte).
>
> Schimmeck schreibt, Reemtsma fände diese immer wieder kolportierte
> Ankedote (hier und da ist der Scheck auch durch den Zaun gereicht
> worden) recht ärgerlich. Reemtsma hat Schmidt auf einem Spaziergang im
> Juni 1977 angesprochen (Tagebuch Alice Schmidt 14.6.1977). Von 'unter
> der Tür durch' kann keine Rede sein.

Sind Alices Tagebücher schon publiziert? Falls ja: Ist die Lektüre
empfehlenswert?



> >"Um die Druckrechte gestritten..." Was war denn da nun genau los?
> >Besonders glücklich war der ganze Streit ja nicht, da wir über lange
> >Jahre überhaupt nichts von ASch kaufen konnten - FR
>
> Die Stiftung

also Herr Reemtsma

> wollte das gesamte Werk an einen anderen Verlag geben.
> Aus Sicht der Stiftung

also Herrn Reemtsmas

> wurde Schmidts Werk bei S.Fischer nicht gut betreut

> Daß man 'lange Jahre' gar nichts von Schmidt hat kaufen können, stimmt


> so einfach nicht. Es hat eine Zeit lang keine Fischer-Tbs gegeben,
> aber das war einen Phase von mehr oder weniger sechs Monaten. Ich
> erinnere mich, Anfang 1984 (ein saukalter Winter)

Ich weiß, in dem Winter mußte ich's Auto stehen lassen, weil durch den
Frost ein Bremssattel festgegangen war.

> durch Tübingen gelaufen zu sein und die Reste an Fischer-Tbs aufgekauft zu
> haben.

Irgendwie muß mich dann da meine Erinnerung trügen. Zu der Zeit - ich
war erst einige Jahre vorher aus der DDR gekommen - konnte ich mir
allerdings nur TBs leisten.

> Dann brachte Fischer (wohl zur Buchmesse 1984) den ersten Schwung
> Reprints der Erstausgaben heraus und Haffmans konterte im Fühjahr 1985
> mit der Ersten Zürcher Kassette.

Und die - auf chamois Papier, das so mild an die Augen ist - hab ich
denn ja auch brav käuflich erworben - FR

Marius Fraenzel

unread,
Sep 8, 2003, 2:03:09 PM9/8/03
to
flor...@yahoo.com (Florian Ritter) schrieb:

>Ich erinnere mich, ein Interview mit diesem Vorgesetzten gelesen zu
>haben; schien eine Ausnahmeerscheinung unter den Textilmanagern
>gewesen zu sein

Ja, das ist er wohl. Johannes Schmidt muß die Art allseits
interessierter und informierter Mensch gewesen sein, die Schmidt gern
gewesen wäre. Ich vermute, daß ein Gutteil des
physikalisch-atsronomischen Unterfutters, das dem Weltbild des
"Leviathan" zugrunde liegt, aus den Gesprächen mit Johannes Schmidt
stammt.

Johannes Schmidt hält ein Studium übrigens auch für fiktiv. Allerdings
gibt es wohl einen Dr. Norbert Hampel, der sich erinnern will oder
erinnert haben will, Arno Schmidt während des WS 33/34 regelmäßig in
einer Vorlesung über theoretische Physik in Breslau gesehen zu haben.

Wie dem auch immer sei: Ein reguläres Studium hat Schmidt jedenfalls
nie begonnen.

Marius Fraenzel

unread,
Sep 8, 2003, 2:12:01 PM9/8/03
to
flor...@yahoo.com (Florian Ritter) schrieb:

>Sind Alices Tagebücher schon publiziert? Falls ja: Ist die Lektüre
>empfehlenswert?

Häppchenweise. Ein bißchen in den Anhängen zu den Faksimile-Bänden,
ein bißchen in den Briefbänden, ein bißchen Anhängen zu Einzelausgaben
etc.pp. Keine systematische Veröffentlichung bislang. Allerings sollen
alle inzwischen transkribiert sein, wenn ich mich richtig erinnere.

Ob sich die Lektüre lohnt? Das kommt darauf an, wie sehr man sich für
Schmidt interessiert. Manches wird halt schon klarer. Wenn Du fragst,
ob Alice Schmidt eine gute Schreiberin ist: Das eher nicht. Aber ich
würde die Tagebücher gern mal komplett lesen; aber das braucht sicher
noch eine Weile.

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