Ulrike Fischer (Mittwoch, 14. Dezember 2011 12:49):
> Soweit ich sehe, kannst du damit nur mich oder Herbert meinen. Auf
> welche meiner oder Herberts Anmerkungen in dieser Diskussion bezieht
> sich deine Kritik?
Deine und Herberts Äußerung hier waren sicher weder ein Angriff auf 
Michael noch der tatsächliche Anlass, dass er aufgegeben hat. Ich gehe 
viel mehr davon aus, dass es schon länger in ihm rumort hat. Die Art und 
Weise, wie er die Type-1-Unterstützung rausgeworfen hat, war dazu sicher 
so unglücklich, dass er weit mehr Proteste als Euro beiden harmlosen und 
eher konstruktiven Kritiken hier auf dctt bekommen hat. Das hat dann wohl 
bei ihm ein längst volles Fass zum Überlaufen gebracht.
Er ist sicher auch nicht der einzige Entwickler, der unter der 
Gesamtsituation leidet. Zwar glaube ich nicht, dass das Klima insgesamt 
frostiger und die Kritik insgesamt persönliche, feindlicher oder - nennen 
wir es einfach - destruktiver wird. Leider ist es aber so, dass die 
absoluten Zahlen der destruktiven Kritik, ebenso wie die Gesamtzahl der 
unwilligen Supportanfragen über die Jahre deutlich zu genommen hat. Die 
Gesamtzahl der Wertschätzungen ist ebenfalls gestiegen, aber nicht im 
gleichen Maß und leider haben die unerfreulichen Erlebnisse besonders beim 
Auftreten neuer unerfreulicher Ereignisse eine geradezu potenzierende 
Wirkung. 
Ich glaube, ich habe mir in den letzten fünf Jahren min. zweimal im Jahr 
überlegt, ob ich nicht ganz aufhören soll. Meist kam dann gerade 
rechtzeitig eine Kiste Wein oder eine CD oder schlicht ein "Du warst mein 
Retter!". Trotzdem habe ich diverses freies Engagement - nicht nur bei 
LaTeX - in den letzten beiden Jahren aufgegeben oder deutlich zurück 
gefahren. Selbst die zwei oder drei LaTeX-Projekte, die mir seit Jahren 
ein Kribbeln bereiten, habe ich liegen gelassen.
Ein weiteres Problem ist, dass man mit solchen Äußerungen wie meinen 
obiger, gleich wieder in die Ecke gestellt wird:
- In Wirklichkeit hilfst Du ja nicht, weil Dir die anderen am Herzen 
liegen, sondern weil Du das brauchst.
- Du musst ja nicht antworten, wenn Du nicht willst.
- Du machst das doch in Wirklichkeit nur, weil Du Dich profilieren 
möchtest.
- Jetzt drück nicht auf die Tränendrüse, nur damit wir alle Dein Ego 
streicheln.
- Hach, soll das etwa eine Drohung sein?
- Du brauchst uns doch min. so sehr, wie wir Dich.
- Wie arrogant muss man denn sein, um sich so sehr viel wichtiger zu 
nehmen als andere?
- Immer diese selbstgerechten Regulars, die ihre Befindlichkeiten über die 
der Fragesteller, für die diese Gruppe/dieses Forum doch in Wirklichkeit 
existiert, stellen.
Genau diese Reaktionen führen dann dazu, mich wieder ein wenig mehr zurück 
zu ziehen. Kritik wie Deine, Ulrike, sehe ich hingegen als Ansporn und 
Motivation. Das ist mir persönlich min. so lieb ein ein Schulterklopfen. 
Tja, und eigentlich hätte ich mir diese ganze Selbstreflektion in diesem 
Beitrag sparen können. Denn denjenigen, die ich damit erreichen kann, muss 
ich das eigentlich nicht erklären. Und denjenigen, die dafür bestenfalls 
Unverständnis zeigen, gebe ich so nur wieder eine Angriffsfläche.
Übrigens ist dieses Problem nicht nur ein LaTeX-Problem. Ich habe das bei 
anderen freiwilligen Tätigkeiten ebenfalls beobachtet. Ich betrachte es 
als Gesellschaftsproblem - und leider zunehmend als typisch deutsches. 
Wenn ich auf eine Supportanfrage aus dem Ausland mit der Bitte um ein 
vollständiges Minimalbeispiel antworte erhalte ich entweder eines, oder 
derjenige fragt nach, was ich genau will, oder die Anfrage ist schlicht 
erledigt. Bei deutschen Anwendern muss ich damit rechnen, dass eine 
Äußerung wie oben zurück kommt oder ein beleidigtes: »Was soll der Scheiß? 
Wenn ich Zeit für so etwas hätte, dann hätte ich gar nicht erst fragen 
müssen.«
Einen Tipp für alle Entwickler habe ich noch: Wenn Euch die Kritik und die 
Anfragen zunehmend auf den Geist geht, dann bearbeitet sie - am besten 
vorübergehend aber notfalls auch auf Dauer - nicht mehr. scrlttr2 ist bei 
mir in einer Phase entstanden, als ich bezüglich des Kontaktes mit den 
Anwendern total frustriert war. Ich habe dafür genau einen Anwender 
benötigt. splitindex ist in einer Phase entstanden, in der ich die Nase 
gestrichen voll hatte. scrpage2 ist die extrem zusammen gestrichene 
Fassung eines Pakets, das ich ebenfalls in einer solchen Phase erstellt 
habe. Man kann mit Frust unheimlich produktiv sein, wenn man keinen neuen 
zulässt. Und Produktivität kann Frust abbauen.
In diesem Sinne
Markus