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Neil Stephenson "In the Beginning..."

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Hanno Behrens

unread,
Sep 28, 2004, 8:49:47 AM9/28/04
to
Ich hab' vor einigen Tagen zufällig einen Link verfolgt und bin auf ein
Dokument gestoßen, das mir bislang unbekannt war.

http://www.stud.ntnu.no/%7Eshane/dokumentasjon/commandline.html

Es heißt "In the Beginning was the Command Line", ist von 1999 und von
Neil Stephenson, den die meisten wohl als Autor von "Snow Crash" oder
"Diamond Age" wiedererkennen.

Der Artikel hat mir so viel Spaß gemacht, dass ich ihn hier mal poste.
Außerdem enthält er Stoff für Diskussion über das Cyberpunk-Genre. Der
Artikel ist etwas länger, aber mehr als lesenswert, bin ich der Meinung.

Gruß Hanno

Hanno Behrens

unread,
Sep 28, 2004, 12:37:31 PM9/28/04
to
Der Mann heißt natürlich "Neal", nicht "Neil", man möge mir verzeihen.
Außerdem gibt es natürlich das File auch direkt auf
http://www.cryptonomicon.com/

Nur, um einmal auf das grundsätzliche Thema Cyberpunk zu kommen. Ich
käme kaum auf die Idee Cyberpunk zusammen mit. Li*a Sme*man in einem
Satz zu nennen. Man achte auf den wie zufällig fallengelassenen Punkt
mitten zwischen den Wörtern. Oder gar Mi*e Mul*il.. ich wage es nicht
auszusprechen, aus Furcht, er könnte mit peitschendem Schwanz, rußendem
Horn und Pferdefuß plötzlich hinter mir auftauchen. Man soll es ja nicht
berufen. ;-)

Wäre natürlich auch eine Erklärung für die seltsamen Effekte des Kometen...

Gruß Hanno

VOID

unread,
Sep 28, 2004, 5:00:52 PM9/28/04
to
Hanno Behrens wrote:

> Es heißt "In the Beginning was the Command Line", ist von 1999 und von
> Neil Stephenson, den die meisten wohl als Autor von "Snow Crash" oder
> "Diamond Age" wiedererkennen.

Dazu fällt mir auch ein Buchtip ein, zu einem Buch das mir Bennie
ausgeliehen hatte und das ich erst kürzlich gelesen habe: Zodiac.
Auch von Stephenson und obgleich es in der Jetztzeit spielt ist es IMO
Cyberpunkstoff pur und ausserdem eine sehr schöne Story über einen
Bereich, den viele beim Cyberpunkrollenspiel nur zu gerne vergessen.

--
mfG,
VOID

Hanno Behrens

unread,
Sep 28, 2004, 5:53:26 PM9/28/04
to
VOID wrote:

Jepp. Stephenson hat noch einige Sachen geschrieben, die mich im
Nachhinein völlig überraschen. Zur Zeit lese ich das Cryptonomicon (-
http://halfstrong.com/danieljordi/library/cryptonomicon/toc.html -).
Stephenson vertritt einige Auffassungen, die ich im übrigen zutiefst
teile und findet dabei einen rationalen Weg, diese auch in seinen
Büchern und Texten auf unterhaltsame und humorvolle Weise rüberzubringen.

Für das Cyberpunkgenre ist er ein Leuchtfeuer in der Dunkelheit, heller
als viertausend Jak Koke's, die man zermatscht und mit einer Fettpresse
in die Halogenbirnen der Nordseeleuchttürme auf Amrum gedrückt hat -
Amrum möge mir die Metapher verzeihen. Und so kann man die hunderten
schwarzaufragenden Schiffswracks an den tristen Küsten von Amrum (© 1992
by Fasa Corporation) ignorieren und sich darüber freuen, dass es einige
Autoren gibt, die einem solche Geschenke machen, wie »Snow Crash« etwa.
Und das auf eine Weise, die zudem in nichts den Werken von Gibson
gleichen, sondern die das Thema auf völlig unterschiedliche Art und
Weise aufgreifen, weiterführen und bereichern. Die die Aktualität des
Mediums verstehen und mit ihm spielen und mit diesem Medium dem Leser
kritische Fragen stellen, die ansonsten nicht greifbar, nicht begreifbar
wären. Die das "Science" im Fiction nicht ignorieren und durch
belanglose und unfundierte Plattitüden ersetzen, sondern sich
morlokmäßig dieser Herausforderung stellt.

Und wenn ich sowas lese, frage ich mich: kann es von solchen Autoren
nicht mehr geben? Mir fallen aber nicht so viele ein. Keiner, leider,
der heute noch für Shadowrun schreibt. Oder habe ich in letzter Zeit
irgend ein geniales Werk verpasst? Ich gebe zu, dass ich ab Band 42 oder
so die Nase voll hatte. Hat lang genug gedauert.

Zodiac ist als nächstes dran, gleich nach Cryptonomicon, danke für den
Tipp. Ich hab' es bereits rumliegen. Das Cryptonomicon ist eh ein Thema,
das mich seit den frühen 80ern bewegt: Kryptographie.

Was ich mich ganz nebenbei frage ist, warum einige der Bücher von
Stephenson ganz offen als HTML-Files im Netz herumfliegen? Ich nehme an,
das ist kein Zufall?

Gruß Hanno

Diana Walther

unread,
Sep 29, 2004, 2:04:04 AM9/29/04
to

Hanno Behrens wrote:
> Und wenn ich sowas lese, frage ich mich: kann es von solchen Autoren
> nicht mehr geben? Mir fallen aber nicht so viele ein. Keiner, leider,
> der heute noch für Shadowrun schreibt. Oder habe ich in letzter Zeit
> irgend ein geniales Werk verpasst? Ich gebe zu, dass ich ab Band 42 oder
> so die Nase voll hatte. Hat lang genug gedauert.
>

[...]

Hallo Hanno,

ich fand zumindest die "neueren" Sachen der deutschen SR-Autoren (Maike
Hallmann, Lare Möller, Andre Wiesler) ganz unterhaltsam Hirnnahrung fuer
zwischendurch und z.T. erheblich besser als das Zeugs von Koke, Kenson
etc. Zumindest keine unsterblichen Elfen, Drachenviecher an jeder Ecke
oder zuviel Magiekram mehr, sondern vergleichsweise normaler Aerger auf
der Strasse.

Nach allem, was ich von Dir hier gelesen habe, vermute ich allerdings,
dass Du den gesellschaftskritischen, "punkigen" Aspekt immer noch
vermissen wirst. Also ernsthafte Auseinandersetzungen mit den
Cyberpunk-Elementen in SR sind nicht dabei.

Ach ja, Cryptonomicon scheint wohl Geschmackssache zu sein. Ich hatte es
erwartungsvoll angefangen, bin aber bis heute nicht ueber S. 50
rausgekommen; irgendwie ein ganz anderer Stil als bei Snow Crash oder
Diamond Age, in den ich mich nicht richtig einlesen konnte.

MFG Diana

Hanno Behrens

unread,
Sep 29, 2004, 5:22:45 AM9/29/04
to
Diana Walther wrote:

> ich fand zumindest die "neueren" Sachen der deutschen SR-Autoren (Maike
> Hallmann, Lare Möller, Andre Wiesler) ganz unterhaltsam Hirnnahrung fuer
> zwischendurch und z.T. erheblich besser als das Zeugs von Koke, Kenson
> etc. Zumindest keine unsterblichen Elfen, Drachenviecher an jeder Ecke
> oder zuviel Magiekram mehr, sondern vergleichsweise normaler Aerger auf
> der Strasse.

Hallo Diana,

kann es sein, dass sich die Lage gebessert hat? Eigentlich war ja zu
vermuten, dass es nur aufwärts gehen kann, das wäre ja wirklich
erfreulich. Zumindest dass die Autoren anfangen, sich weniger dem
Machbaren unter Shadowrun zuzuwenden, sondern dem Sinnvollen.

Klingt auch alles nach deutschen Autoren. Schade, dass es noch nicht
wieder auf der Straße ist. Dort ist der Cyberpunk zuhaus, denke ich. Was
auch immer gut tut zu lesen, ist ein Gefühl für die
Gesellschaftsstrukturen vermittelt zu bekommen. Hab' ich bisher auch
immer vermisst, dass das möglich ist, selbst bei einer extrem komplexen
Struktur sieht man als Beispiel "Diamond Age". Und dass es tatsächlich
wichtig ist. Die Plots waren immer schrecklich abstrakt und hingen ohne
Netz und doppeltem Boden in einer Welt herum, die gar nicht zu
existieren schien. Das waren die Dinge, die mich gestört hatten.

Welche der Bücher würdest du empfehlen?

> Nach allem, was ich von Dir hier gelesen habe, vermute ich allerdings,
> dass Du den gesellschaftskritischen, "punkigen" Aspekt immer noch
> vermissen wirst. Also ernsthafte Auseinandersetzungen mit den
> Cyberpunk-Elementen in SR sind nicht dabei.

Interessanterweise wird der "Decker", das zentrale Element des
Cyberpunk, auch im Spiel sträflich vernachlässigt. Allenfalls verkommt
die Figur zu einem Handlanger und Websurfer. Nehme ich aber zum Beispiel
Gibsons "Johnny Mnemonic", sieht man, dass der eigentliche Kampf
zwischen der Kontrolle und der Freiheit der Information, der Daten,
stattfindet. Die Wissenschaftler, die die Heilung gegen das schwarze
Zittern gefunden haben, wollen, dass ihre Erkenntnisse veröffentlicht
werden. Der Pharmacon will die Kontrolle, die Macht, über diese
Information.

Da die Konzerne die Bandbreite beherrschen, gibt es für die
Wissenschaftler keine Möglichkeit, die gewaltigen Datenmengen zu
"breitbanden" und so selbst für ihren freien Zugang zu sorgen.
Sie rufen die Cyberpunks zur Hilfe. Kurz gefasst.

Einiges an der Story von Gibson ist zwar etwas kurz ausgefallen und
wirkt leicht konstruiert, aber das sind kleine Schönheitsfehler, über
die ich locker hinwegsehen kann. Die Kernpunkte sind enthalten:
asymetrische Machtverhältnisse, Kontrolle über Information,
Gesellschaftskritik, Profitstreben auf der einen Seite,
Freiheitsbewegung und Revolte auf der anderen. Gewalttätigkeit und
zynische Menschverachtung in einer Gesellschaft ohne gültige Normen,
ohne Werte und ohne jemanden, der diese zu vermitteln bereit ist. Eine
entleerte Videokultur. Und mitten drin bewegen sich unsere "Helden". Das
ist Cyberpunk pur.

Verdammt nochmal, hab ich mir immer gesagt. Wenn man sich dieses Gerüst
nimmt und einfach losschreibt, dann muss es doch auch den SR-Autoren
möglich sein, mal eine Cyberpunkgeschichte hinzubekommen? Ich hege jetzt
ja Hoffnung, dass die neuen Autoren das hinbekommen haben.

> Ach ja, Cryptonomicon scheint wohl Geschmackssache zu sein. Ich hatte es
> erwartungsvoll angefangen, bin aber bis heute nicht ueber S. 50
> rausgekommen; irgendwie ein ganz anderer Stil als bei Snow Crash oder
> Diamond Age, in den ich mich nicht richtig einlesen konnte.

Ja, ich merke, dass der Stil abweicht. Aber dazu kann ich noch nicht
viel sagen. Die Story läßt sich erstmal ganz gut an und ich bin erst im
zweiten Kapitel. Die Bewegung des Cyberpunk findet aber hier einen
seiner Ursprünge - in der Kryptographie. In der Wahrung, in der
Schaffung von digitaler Privatspähre.

Kleine Randnotiz zu Cryptonomicon. Ich hab mir nebenbei mit Solitaire
beschäftigt, den dort vorgestellten Verschlüsselungsmechanismus, der
scheint zwar ziemlich sicher zu sein auf den ersten Blick, aber er ist
viel zu langsam. Sicher genug verschlüsseln zu können, auch ohne
Computer, nur mit einem Kartenspiel als Hilfsmittel, ist an sich der
richtige Ansatz. Aber das Verfahren scheint mir viel zu lang zu dauern.
Schon das Umrechnen in Zahlen ist ein Schritt, der viel zu viel Zeit
kostet und den man wahrscheinlich viel einfacher graphisch lösen kann
(für eine per-Hand Verschlüsselung).

Gruß Hanno

Benjamin Neu

unread,
Sep 29, 2004, 9:25:42 AM9/29/04
to
Hanno Behrens wrote:

> Was ich mich ganz nebenbei frage ist, warum einige der Bücher von
> Stephenson ganz offen als HTML-Files im Netz herumfliegen? Ich nehme an,
> das ist kein Zufall?

Ganz besonders im Falle der von dir gelinkten Seite ist das kein Zufall
sondern einfach nur illegal, und nichts anderes als die diversen Filme,
Musik etc. die sich "zufällig" in den Weiten des Internets finden.
Alles was es von Stepehnson legal im Netz gibt, dürfte man über seine
Seite(n) finden, und schließlich hat Stephenson auch noch als Author ein
Interesse daran seine Bücher zu verkaufen...

VOID

unread,
Sep 29, 2004, 9:40:12 AM9/29/04
to
Hanno Behrens wrote:

> Was ich mich ganz nebenbei frage ist, warum einige der Bücher von
> Stephenson ganz offen als HTML-Files im Netz herumfliegen? Ich nehme an,
> das ist kein Zufall?

Die Frage kannst du dir hoffentlich selbst beantworten. x_X

Das ist tatsächlich kein Zufall. Das nennt sich illegale Publikation und
ist ein recht verbreitetes Phänomen. Du kannst aber gerne mal schreiben,
was du darin sonst für einen Zufall zu sehen glaubst. *g*

--
mfG,
VOID

Hanno Behrens

unread,
Sep 29, 2004, 10:39:30 AM9/29/04
to

Naja, Stephenson hat lange Zeit für "Wired" geschrieben und diese
Artikel sind komplett legal im Netz(ein ganzes "Buch"
http://www.wired.com/wired/archive/people/neal_stephenson/), werden aber
ebenfalls nicht von Stephenson auf seiner Seite verlinkt oder
veröffentlicht. Die Frage nach der Legalität stellte sich also durchaus
und ist für mich auch weiterhin nicht klar ersichtlich.

Wohl stelle ich mir aber die Frage. Wie auch immer. Ein Link ist nicht
strafbar. Verantwortung für den Inhalt von durch Links verknüpfte Seiten
muss nicht übernommen werden, solange klar ist, dass diese Inhalte
extern sind. Ich kann es auch nicht klären. Im Sinne einer News-Mail ist
das durch das Medium eh als gesichtert zu betrachten, dass sie nicht
Teil deines eigenen Beitrags sind.

Man stelle sich vor, ich linke auf eine Seite und der Herausgeber der
Seite hat ein paar Bilder benutzt, die er nicht lizensiert einfach dort
eingebunden hat. Das kann ich nicht überprüfen, will ich nicht
überprüfen und halte jeden politischen Weg in diese Richtung, geht mich
dafür verantwortlich machen zu wollen, grundsätzlich für eine Zerstörung
des Internets, wie wir es kennen und damit ist es akademisch. Darüber
hinaus in seiner Konsequenz auf andere Medien nihiliert sowas die
allgemeine Kommunikationsfreiheit. Ein Link ist ein Verweis, eine pure
Referenz.

Ich hab' hier alle Bücher von Stephenson rumliegen, einfach, weil das
Lesen am Bildschirm eine nicht gleichwertige Qualität hat, wie das Lesen
eines Buches. Genauso wie das Schreiben mit einem Kugelschreiber nicht
die selbe Qualität hat, wie das Schreiben mit einem Tintenfüller.

Zu dem Thema "Copyright" hätte ich ohnehin noch einige Takte zu zu
sagen, die aber in diesem Falle weder greifen würden, also zur Sache
beisteuern. Und das führt in diesem Sinne auch zu weit. Jedenfalls weise
ich jeden (versteckten) Vorwurf oder Unterstellung in diesem Falle
entschieden von mir.

Gruß Hanno

VOID

unread,
Sep 30, 2004, 7:12:38 AM9/30/04
to
Hanno Behrens wrote:

> Zu dem Thema "Copyright" hätte ich ohnehin noch einige Takte zu zu
> sagen, die aber in diesem Falle weder greifen würden, also zur Sache
> beisteuern. Und das führt in diesem Sinne auch zu weit. Jedenfalls weise
> ich jeden (versteckten) Vorwurf oder Unterstellung in diesem Falle
> entschieden von mir.

Was für einen Vorwurf? Es war eine naive Frage deinerseits, aber mehr
auch nicht. Was als Buch käuflich im Handel ist kann nicht legal frei im
Netz stehen. Jedenfalls ist das nicht sehr warscheinlich, denn an dem
Buch hat nicht nur der Autor Rechte, sondern auch der Verlag. Selbst
wenn also Stephenson das okay fände wäre das nicht so ohne weiteres
legal. Einen Vorwurf habe ich eigentlich nicht gemacht. Man muss sich
nicht gleich rechtfertigen und verteidigen, wenn man nichts gemacht hat.
Das sieht irgendwie komisch aus und es kommen am Ende immer irgendwelche
Leute mit dem Spruch über "betroffene Hunde, die bellen" und sowas. ;)

--
mfG,
VOID

Hanno Behrens

unread,
Sep 30, 2004, 8:55:38 AM9/30/04
to
VOID wrote:

> Das sieht irgendwie komisch aus und es kommen am Ende immer irgendwelche
> Leute mit dem Spruch über "betroffene Hunde, die bellen" und sowas. ;)

Betroffen? Hm. Wer kein mp3-File unbekannter Herkunft auf seiner Platte
hat, werfe den ersten Stein.

Nein. Es ist heutzutage fast unmöglich, gegen die komplexen,
allgegenwärtigen "Raubkopier"-Gesetze zu verstoßen. Und damit nähert
sich meiner Meinung nach prinzipiell unser Rechtssystem einem Zustand
des Chaos und der Willkür, die nicht gesund sein kann.

Ich habe eines nie wirklich am Kopierschutz verstanden. Also, wenn
jemand, sagen wir ein Musiker, hingeht und einen Song schreibt, dann
braucht er dafür vielleicht eine Woche. Vielleicht eine weitere Woche,
das einzustudieren, seien wir großzügig und geben ihm drei Wochen Zeit.
Ich kenne -gute- Musiker, wie Bob Dylan, die an einem einzigen
Nachmittag drei Songs geschrieben, einstudiert und eingespielt haben.
Also halte ich drei Wochen wirklich für eine gute Zeit.

Das ist also die Arbeit, die da drin steckt und die am Ende entlohnt
werden will. Bei einem Stundenlohn von vielleicht 50 Euro pro Stunde
(seeehr gut für einen Musiker), kommen da also etwa 6000 Euro bei raus.
Bei angenommen 15 Arbeitstagen und 8 Stunden Ackerei jeden Tag.

Wenn ich aber in einen Laden gehe und heute eine CD von, sagen wir mal
den Beatles oder den Stones kaufe, dann schaufel ich damit weiterhin
ganz beachtliches Geld auf einen Haufen, der so unwahrscheinlich hoch
geworden ist, dass man ihn gar nicht mehr fassen kann. Wieviel haben die
Beatles mit einem einzigen ihrer Songs verdient? Ein paar Millionen? Und
Leute wie Michael Jackson verdienen noch mehr.

In der selben Zeit verhungern gute Musiker oder geben ihren Job auf.

Aus dieser Aussage, möchte ich betonen, spricht kein Neid oder sowas.
Warum soll jeder das selbe verdienen? Aber aus den eben genannten
Überlegungen heraus stelle ich die -vielleicht etwas revolutionäre-
Frage: Warum gebe ich den Beatles -als Beispiel- eine fette Bezahlung an
ihrem Song, wenn ich ihre Single kaufe. Dann später noch einmal, wenn
ich ihre LP kaufe. Dann wieder, wenn ich die CD-Version kaufe, dann
nochmal, wenn ein neues Aufnahmeverfahren die digitalen Beatles
rausbringen, dann eine Aufnahme der Masterbänder und so weiter? Wie
häufig soll ich das bezahlen? Und jedesmal, wenn die Beatles im Radio
gespielt werden, bezahle ich im Prinzip schon wieder - immer noch und
wieder und wieder und wieder.

Irgendwann habe ich genug, mich dauernd melken zu lassen.

Die ganze Handhabe des Kopierschutzes oder Kopierrechte und so weiter,
sind meiner Meinung nach vollkommen aus dem Ruder gelaufen und haben
ihren ursprünglichen Sinn, die Erschaffer eines Werkes gerecht für ihre
Arbeit zu entlohnen längst verfehlt. Die Werte, die Mitttel, die in
diesem Moloch verschwinden, fehlen dort, wo sie etwas nützliches tun
könnten. Dort, wo sie etwas erschaffen können. Aber das ausbeuterische
System -und mit nichts anderem haben wir es hier zu tun, mal Klartext
gesprochen- ist nicht erst seit dem Computerzeitalter komplett hinfällig.

Ich weiss nicht, wer sich das ausgedacht hat, aber ich halte denjenigen
für ein unglaubliches Schlitzohr. Wahrscheinlich stammen solche Gesetze
aus der hemmungslos geldmacherischen und ausbeuterischen Unternehmerzeit
des ausgehenden 19ten Jahrhundert.

Aber genug der Kritik, ich denke, ich habe meinen Punkt gemacht und bin
allgemein verstanden worden, was an diesem System nicht stimmt. Mein
Gegenvorschlag ist so radikal wie notwendig: komplettes Abschaffen des
Kopierschutzes oder das Limitieren desselben auf eine Maximalzeit von
sagen wir mal 2-3 Jahren (kürzer als ein Patent, auf jeden Fall). Das
reicht, um damit Geld zu machen und einen Song zu verkaufen. Das reicht
auch für ein Buch, eigentlich für alles.

Danach sollte sowas frei sein, genauso wie die (sehr viel teurer
erkauften) Errungenschaften in der Wissenschaft. Wenn ich persönlich
nicht viel von Copyrights halte, dann deshalb, weil ich diese ganzen
Gesetze für einen unsinnigen und vollkommen unzeitgemäßen Ausdruck von
ausbeuterischem Unternehmertum betrachte.

Ich schätze Eigentum und ich mag es auch nicht, wenn jemand mir Ideen
klaut oder sie vermarktet. Ich bin dafür, Leute für ihre Arbeit
grundsätzlich zu entlohnen. Ist dies aber geschehen, bin ich der
Meinung, ist jede weitere Geldmache über das Finanzieren eines
Verteilungssystems hinaus kompletter Schwachsinn, den ich aus tiefster
Überzeugung ablehne. (Ich sag' nur: Beatles-Cd 30 Euro... Ich könnte vor
Wut schnauben.)

Das gilt für meine eigenen Werke genauso wie für die von anderen
Autoren, Programmierern, Ideenerfindern, Musikern und so weiter. Wissen
ist Macht und alle Macht dem Volke. So etwa definiert sich unsere
Gesellschaft eigentlich. Das krude Copyright hingegen steht im
diametralen Gegensatz zu diesen Grundforderungen. Es ist asozial, es ist
ein Schlag ins Gesicht unseres Gesellschaftssystems.

Das ist der Grund, warum ich inzwischen ausschließlich freie Software
benutze und meine eigenen Sachen ebenfalls frei stelle, sobald sich ihr
Wert eingespielt hat.

Ich würde jetzt nicht auf meine Fahne schreiben wollen, dass ich diese
tiefe Überzeugung auch grundsätzlich auf alle anderen Menschen
übertragen will, aber ich habe ein deutlich vom bestehenden Rechtssytsem
verändertes Rechtsempfinden, was diese Dinge angeht. Und ich kann daran
nichts falsches finden.

Schimpft mich deswegen meintwegen einen Cyberpunk, einen
Gedankenverbrecher oder schlimmeres. Ich kann damit leben.

Hanno Behrens

unread,
Sep 30, 2004, 9:34:14 AM9/30/04
to
Hanno Behrens wrote:
> (Ich sag' nur: Beatles-Cd 30 Euro... Ich könnte vor
> Wut schnauben.)
http://www.amazon.de/exec/obidos/ASIN/B00006GEMA/qid=1096550261/ref=sr_8_xs_ap_i1_xgl/028-3708437-9196565

Ich stelle gerade fest: es ist schlimmer. Viel schlimmer.
Wenn Bits brennen würden, könnte ich das anzünden. Oh ja. Sowas macht
mich wütend. Und deshalb entschuldigt, wenn mich das Copyright mal da
kann, wo die Sonne nicht hinscheint.

Genauer gesagt verwechseln viele in diesem Falle auch Urheberrechte und
Lizenzrechte. (Im Copyright wird das gern zusammengeschmolzen.)

Ich persönlich halte es so: ich habe von allen meinen CD's mp3-Abzüge
gemacht und gebe davon meinen besten Freunden regelmäßig Kopien. Das ist
sogar innerhalb des Lizenz-Rechts, mit dem ich diese CDs erstanden habe.
Und selbst wenn es nicht so wäre, würde ich das so machen. Ich glaube,
es gibt bestimmte Gesetze, die muss ein Volk in breiter Basis derartig
mit den Füßen treten, bis jeder Ansatz davon der Realtät derartig
spottet, dass es abgeschafft wird.

Urheberrecht schön und gut. Ich möchte meinen Namen unter meinen Texten
sehen und wehe dem, der meine Sachen ohne diesen Namen verbreitet oder
noch schlimmer: unter seinem eigenen. Fänd' ich nicht witzig und es ist
gut, dass das geschützt ist. Lizenzrecht? So lange, bis es sich der
Aufwand oder die Investition eingespielt hat. Alles darüber ist
wirtschaftlicher Niedergang, ist ausbeuterisch und im großen und ganzen
schlecht für unsere Gesellschaft.

Am Beispiel Betriebssysteme sieht man das ganz gut und diejenigen, die
den Artikel von Stephenson gelesen haben (mit dem dieser Thread begann),
werden sehen, dass es auf das selbe hinausläuft.

Meine Aufgabe ist es nicht, das Lizenzrecht zu verbessern. Ich kann es
nur kritisieren, da es kaputt ist. Da es falsch ist. Da ich es als
Unrecht empfinde und rein rational betrachtet, habe ich damit
wahrscheinlich auch recht. Wie man sicher stellt, dass eine Idee
(Schrift) oder Musik oder Software auch bezahlt wird und der Autor
dieser Sache ordentlich entlohnt wird, das ist eine Aufgabe für unsere
Rechtsgelehrten, meine ich. Für irgendwas sollen die ja gut sein.

Die Lizenz würde ich jetzt aus dem Bauch heraus ablaufen lassen, sobald
ihr Herstellungsaufwand erstattet wurde. Also keine zeitliche
Begrenzung, sondern eine Begrenzung durch Vergütung. Danach muss sie
frei sein. Aber in dieser Beziehung bin ich nur ein Amateur, sicherlich.
Ich will mir nur nicht vorwerfen lassen, ich hätte keine
funktionierenden Gegenvorschläge. Kritisieren ist ja bekannlich
einfacher, als etwas konstruktives zu leisten.

Stefan Ohrmann

unread,
Sep 30, 2004, 1:44:35 PM9/30/04
to
Hallo,

Am 30.09.2004 13:12 schrieb VOID:
> Was als Buch käuflich im Handel ist kann nicht legal frei im
> Netz stehen.

Doch kann es es gibt genügend Beispiele, z.B. die Autoren von
<http://www.teamone.de/selfhtml> haben auch ein Buch herausgebracht,
obwohl auch alles frei verfügbar ist, der Herausgeber des Latexpakets
"Koma-Script" hat die Anleitung auch als Buch heraus gebracht oder die
Ganz Open-Source Reihe von O'Reilly.

MfG

Stefan

--
I taught 'im everything he knows.
- SR TCG Card: False Mentor

Florian Boecker

unread,
Sep 30, 2004, 4:58:13 PM9/30/04
to
Hanno Behrens wrote:
>> (Ich sag' nur: Beatles-Cd 30 Euro... Ich könnte vor
>> Wut schnauben.)
>
http://www.amazon.de/exec/obidos/ASIN/B00006GEMA/qid=1096550261/ref=sr_8_xs_ap_i1_xgl/028-3708437-9196565
>
> Ich stelle gerade fest: es ist schlimmer. Viel schlimmer.
> Wenn Bits brennen würden, könnte ich das anzünden. Oh ja. Sowas macht
> mich wütend. Und deshalb entschuldigt, wenn mich das Copyright mal da
> kann, wo die Sonne nicht hinscheint.

Ohne Dir jetzt zu nahe treten zu wollen: Was haben die Verdienste von
international erfolgreichen Musikern mit denen von Neal Stephenson zu
tun? Dass zumindest er kein steinreicher Musiker oder keine von der
Musikindustrie kreierte eierlegende Wollmilchsau ist, liegt auf der
Hand. Zumindest im literarischen Bereich werden die wenigsten reich.

> Genauer gesagt verwechseln viele in diesem Falle auch Urheberrechte
> und Lizenzrechte. (Im Copyright wird das gern zusammengeschmolzen.)

Stimmt.

> Ich persönlich halte es so: ich habe von allen meinen CD's mp3-Abzüge
> gemacht und gebe davon meinen besten Freunden regelmäßig Kopien. Das
> ist sogar innerhalb des Lizenz-Rechts, mit dem ich diese CDs
> erstanden habe. Und selbst wenn es nicht so wäre, würde ich das so

So kann man es auch ausdrücken. Man könnte aber auch sagen, dass eine
bestimmte von dem Urheber eingeräumte Lizenz qua Gesetz durch § 53 UrhG
begrenzt wird. Dein Nutzungsrecht durchbricht sozusagen eine eingeräumte
Lizenz.

"UrhG § 53 Vervielfältigungen zum privaten und sonstigen eigenen
Gebrauch

(1) Zulässig sind einzelne Vervielfältigungen eines Werkes durch eine
natürliche Person zum privaten Gebrauch auf beliebigen Trägern, sofern
sie weder unmittelbar noch mittelbar Erwerbszwecken dienen, soweit nicht
zur Vervielfältigung eine offensichtlich rechtswidrig hergestellte
Vorlage verwendet wird.[...]

(2) Zulässig ist, einzelne Vervielfältigungsstücke eines Werkes
herzustellen oder herstellen zu lassen
[...]
2. zur Aufnahme in ein eigenes Archiv, wenn und soweit die
Vervielfältigung zu diesem Zweck geboten ist und als Vorlage für die
Vervielfältigung ein eigenes Werkstück benutzt wird,
[...]
Dies gilt im Fall des Satzes 1 Nr. 2 nur, wenn zusätzlich
[...]
2. eine ausschließlich analoge Nutzung stattfindet oder
3. das Archiv keinen unmittelbar oder mittelbar wirtschaftlichen oder
Erwerbszweck verfolgt.
[...]
(6) Die Vervielfältigungsstücke dürfen weder verbreitet noch zu
öffentlichen Wiedergaben benutzt werden. Zulässig ist jedoch, rechtmäßig
hergestellte Vervielfältigungsstücke von Zeitungen und vergriffenen
Werken sowie solche Werkstücke zu verleihen, bei denen kleine
beschädigte oder abhanden gekommene Teile durch Vervielfältigungsstücke
ersetzt worden sind."

Du kennst http://www.internetrecht-rostock.de/urheberrecht-faq.htm ?

Solange also die CD nicht wirksam kopiergeschützt ist (§ 95a UrhG: bei
der Füllung dieses Begriffes wünsche ich den Gerichten viel Spaß!),
darfst Du durchaus (auch digitale) Kopien machen und sie "privat
gebrauchen". Dazu gehört (im Gegensatz zu Abs. (6) "verbreitet") auch
die Weitergabe an einen eng begrenzten Personenkreis, der wiederum einem
engen Lebenskreis angehört. Die Rechtsprechung schwankt dabei zwischen
3-7 Kopien insgesamt.
Insofern bist Du kein Rebell, sondern nimmt Dein Recht in Anspruch.

> machen. Ich glaube, es gibt bestimmte Gesetze, die muss ein Volk in
> breiter Basis derartig mit den Füßen treten, bis jeder Ansatz davon
> der Realtät derartig spottet, dass es abgeschafft wird.

Bitte, schalt doch mal eine Stufe runter. Das neue Urheberrecht mag
problematisch sein, der Einfluss großer Wirtschaftsunternehmen auf die
Gesetzgebung unappetitlich und die europäische Planung zu dem Thema
alarmierend, aber die Lage ist nicht ausweglos und unzumutbar genug, um
den demokratischen Weg zu verlassen, meinst Du nicht? Abgesehen davon
haben Gesetze, die offenen Auges komplett an der Realität vorbeigehen,
eh keine große Halbwertszeit oder Wirkung.

*snip*


> frei sein. Aber in dieser Beziehung bin ich nur ein Amateur,
> sicherlich. Ich will mir nur nicht vorwerfen lassen, ich hätte keine
> funktionierenden Gegenvorschläge. Kritisieren ist ja bekannlich
> einfacher, als etwas konstruktives zu leisten.

Organisieren kannst Du Dich unter http://www.privatkopie.net.

Grüße,

Florian
--
| Ich glaube an den Mensch,
| aber ich zweifle an der Menschheit.

VOID

unread,
Sep 30, 2004, 5:03:59 PM9/30/04
to
Stefan Ohrmann wrote:

> Hallo,
>
> Am 30.09.2004 13:12 schrieb VOID:
>
>>Was als Buch käuflich im Handel ist kann nicht legal frei im
>>Netz stehen.
>
>
> Doch kann es es gibt genügend Beispiele, z.B. die Autoren von
> <http://www.teamone.de/selfhtml> haben auch ein Buch herausgebracht,
> obwohl auch alles frei verfügbar ist, der Herausgeber des Latexpakets
> "Koma-Script" hat die Anleitung auch als Buch heraus gebracht oder die
> Ganz Open-Source Reihe von O'Reilly.

Das kann man als Sonderfall und Ausnahmen zur nichts destotrotz
allgemeinen Situation betrachten. Wenn ich sage, es gab nie Leben auf
dem Mond ist das allgemein betrachtet eigentlich auch korrekt und Neal
Armstrong zählt nicht wirklich als Relativierung. ;)

--
mfG,
VOID

Alexander Reißberg

unread,
Sep 30, 2004, 6:29:24 PM9/30/04
to
Peter Wernerus schrieb:

> VOID wrote:
>
> > Das kann man als Sonderfall und Ausnahmen zur nichts destotrotz
> > allgemeinen Situation betrachten. Wenn ich sage, es gab nie Leben auf
> > dem Mond ist das allgemein betrachtet eigentlich auch korrekt und Neal
> > Armstrong zählt nicht wirklich als Relativierung. ;)
>

> Der Mathematiker würde dir hier widersprechen. Die Ausnahmen widerlegt
> die Regel. Ein einzelnes Gegenbeispiel genügt um eine Aussage zu
> widerlegen.

Ja, nicht nur der Mathematiker. Entgegen dem Volksmund bestätigt die Ausnahme
keine Regel. Sie bestätigt gar nicht, sie widerlegt (wie du oben schreibst)

Mana Burn, der auch mal eine Bestätigung und nicht nur Widerspruch schreiben
wollte.

Hanno Behrens

unread,
Sep 30, 2004, 6:36:12 PM9/30/04
to
VOID wrote:
>>> Was als Buch käuflich im Handel ist kann nicht legal frei im Netz
>>> stehen.
>> Doch kann es es gibt genügend Beispiele, z.B. die Autoren von
>> <http://www.teamone.de/selfhtml> haben auch ein Buch herausgebracht,
>> obwohl auch alles frei verfügbar ist, der Herausgeber des Latexpakets
>> "Koma-Script" hat die Anleitung auch als Buch heraus gebracht oder die
>> Ganz Open-Source Reihe von O'Reilly.
> Das kann man als Sonderfall und Ausnahmen zur nichts destotrotz
> allgemeinen Situation betrachten. Wenn ich sage, es gab nie Leben auf
> dem Mond ist das allgemein betrachtet eigentlich auch korrekt und Neal
> Armstrong zählt nicht wirklich als Relativierung. ;)

In diesem Zusammenhang fällt mir besagter Essay von Stephenson ein, der
ebenfalls als Buch erschienen ist, aber definitiv frei erhältlich (unter
anderem auf Stephenson's Website).

Wenn man sich einmal durchliest, was Stephenson selbst zu diesen Fragen
schreibt, habe ich kein Zweifel daran, dass er mir bei meiner
Einschätzung, dass ein Werk frei gegeben werden sollte, sobald der Autor
angemessen für seine Arbeit entlohnt wurde, zustimmen würde. (Ist
natürlich nur eine Vermutung von mir.) Mich würde es deshalb nicht
wundern, wenn es von Stephenson mit Absicht gemacht wurde.

Andererseits wenn ich an das SFD denke, erinnere ich mich gut daran,
dass es mir persönlich wenig geschmeckt hat, als ich plötzlich den einen
Monat nicht unerhebliche Download-Kosten an der Backe hatte und war
froh, dass die Files danach nicht mehr über meinen Server verteilt
wurden, sondern über andere.

Zudem darf man auch nicht vergessen, dass die Freigabe von Werken im
Netz definitiv zu der Popularität beiträgt und kostenlose Werbung ist.
Diesen Effekt anders zu erhalten, würde in der Regel weit mehr Geld
kosten, als die paar Bücher einbringen, die nach der Freigabe vielleicht
nicht mehr verkauft werden.

Zudem kaufen viele Leute auch deshalb Bücher, um zum Beispiel bestimmte
Sammlungen zu vervollständigen, oder weil sich ein Buch besser in der
U-Bahn liest, als etwa ein Internet-File. Und die Leute, die durch die
Freigabe auf ein Buch aufmerksam werden, kommen zudem noch als Käufer
hinzu.

Es gibt also einen ganzen Haufen guter Gründe, seine Sachen zu befreien.
Dass es von rechts wegen ebenfalls mit Sinn behaftet ist, hatte ich ja
schon ausgeführt.

Gruß Hanno

VOID

unread,
Sep 30, 2004, 11:42:22 PM9/30/04
to
Hanno Behrens wrote:

> Wenn man sich einmal durchliest, was Stephenson selbst zu diesen Fragen
> schreibt, habe ich kein Zweifel daran, dass er mir bei meiner
> Einschätzung, dass ein Werk frei gegeben werden sollte, sobald der Autor
> angemessen für seine Arbeit entlohnt wurde, zustimmen würde. (Ist
> natürlich nur eine Vermutung von mir.) Mich würde es deshalb nicht
> wundern, wenn es von Stephenson mit Absicht gemacht wurde.

Schreib ihm doch eine E-Mail und frage ihn. Dann hast du Gewissheit.

> Zudem darf man auch nicht vergessen, dass die Freigabe von Werken im
> Netz definitiv zu der Popularität beiträgt und kostenlose Werbung ist.
> Diesen Effekt anders zu erhalten, würde in der Regel weit mehr Geld
> kosten, als die paar Bücher einbringen, die nach der Freigabe vielleicht
> nicht mehr verkauft werden.

Äh? Also wenn etwas vollständiges frei verfügbar ist, dann ist das in
erster Linie Werbung für das frei verfügbare und das bringt dann auch
bei ganz toller Werbung durch freie Verfügbarkeit nichts.

> Es gibt also einen ganzen Haufen guter Gründe, seine Sachen zu befreien.
> Dass es von rechts wegen ebenfalls mit Sinn behaftet ist, hatte ich ja
> schon ausgeführt.

Nur haben die meisten garkein Interesse daran ihre Arbeit "zu befreien"
und freuen sich ganz sicher nicht, wenn andere ihnen ungefragt dazu
verhelfen.

--
mfG,
VOID

Diana Walher

unread,
Oct 1, 2004, 12:45:52 AM10/1/04
to

Hanno Behrens wrote:


[...]


> Welche der Bücher würdest du empfehlen?
>

Gruss,
"Pesadillas" von Maike Hallmann fand ich eigentlich ganz ok, zumindest
hat es mich damals erfolgreich vom Schreiben ner Hausarbeit abgehalten
und damit seinen Zweck als "Unterhaltung" erfuellt.

> Gibsons "Johnny Mnemonic", sieht man, dass der eigentliche Kampf
> zwischen der Kontrolle und der Freiheit der Information, der Daten,
> stattfindet. Die Wissenschaftler, die die Heilung gegen das schwarze
> Zittern gefunden haben, wollen, dass ihre Erkenntnisse veröffentlicht
> werden. Der Pharmacon will die Kontrolle, die Macht, über diese
> Information.


Wobei man erwaehnen sollte, dass die "Heilmittel"-Idee eine bloße Zutat
fuer den gleichnamigen Film war; wahrscheinlich, um die ca. 100 Min.
Sendezeit irgendwie zu fuellen und noch eine Nebenhandlung neben der
Sache mit den Sachen in Johnnys Kopf zu erfinden.

In Gibsons Kurzgeschichte findet sich nichts dergleichen; man kann also
annehmen, dass fuer Gibson das Merkmal des Kampfes Informationsfreiheit
gg. Konzerninteressen nicht das wichtigste Merkmal war. Was Gibson viel
mehr zu interessieren scheint, ist das Ueberleben von Anachronismen in
der nahen Zukunft, ein Thema, welches sich in vielen seiner Romane
findet - i.e. das Ueberleben von scheinbar alten, ueberkommenen,
unzeitgemaessen, nicht-integrierten Individuen oder Gruppen (z.B. die
Tessier-Ashpools in "Neuromancer", Herr Virek in "Mona Lisa Overdrive",
die Bewohner der Bruecke in "Virtual Light") in einer ungemein
zerbroeselten Welt ohne staatliche oder autoritaere Strukturen. Dass
seine Helden sich dabei auch mit Konzernen anlegen, liegt in der Natur
der Sache, aber den meisten ist das nicht das Ziel ihres Handelns,
sondern nur ein weiteres Uebel.

Deine Beschreibung, was Cyberpunk sein soll, ist mir persoenlich ein
bisschen zu politisch. Die Mechanismen moegen wie von Dir beschrieben
funktionieren (Machtverhaeltnisse etc.), aber ich glaube, es waere sehr
schade und wuerde das Genre u. vor allem, die Menschen, die dargestellt
werden, zu sterilen Propagandisten machen, wuerde man jeden Hacker auf
das Klischee des romantischen Vorkaempfers gegen Konzernfeudalismus und
fuer freie Informationsverteilung reduzieren. Falls das konsequent
durchgezogen wuerde, haettest Du am Ende Propagandaschinken.

Damit will ich nicht bestreiten, dass es nicht
a) innerhalb der Gruppe der Leute, die heute oder 2040 oder sonstwann
das technische Hintergrundwissen u. die Faehigkeiten mitbringen, "echte"
Cyberpunks zu sein, Menschen gibt, die quasi als politisches Ziel den
Kampf gegen Konzerne, Kapitalismus etc. verfolgen und sich Gedanken
ueber die gesellschaftlichen Folgen ihres Tuns machen, oder dass es
b) Schriftsteller gibt, die ein ebensolches Weltbild in ihren Buechern
etc. einbauen, die dann im weitesten Sinne als "Cyberpunk" verkauft
wurden/werden.

Ich glaube aber, dass ein Grossteil der Menschen - ganz egal, ob heute
oder 20XX, einfach nur die Miete bezahlen, einen Job, der Spass macht,
und ein bisschen angenehme Freizeit haben wollen, ganz unabhaenigig
davon, ob das sinnvoll ist o. nicht. Warum sollen dazu nicht auch jede
Menge Hacker/Decker gehoeren?

Und vergiss nicht, dass - z.B. bei "Neuromancer" - Case kein irgendwie
gearteter Aktivist ist. Der will eigentlich nur zurueck in die Matrix
bzw. spater sein kleines Drogenproblem loesen. Er interessiert sich ja
nichtmal grossartig fuer KIs und landet sehr unfreiwillig in der
Geschichte.

> [...] Gewalttätigkeit und

> zynische Menschverachtung in einer Gesellschaft ohne gültige Normen,
> ohne Werte und ohne jemanden, der diese zu vermitteln bereit ist. Eine
> entleerte Videokultur. Und mitten drin bewegen sich unsere "Helden". Das
> ist Cyberpunk pur.

Das allein beschreibt aber nicht nur CP. Das ist aber gleichzeitig auch
"Film Noir", nur ohne die Videokultur. So neu ist das Thema ja nicht.
Bei CP gibt es eben nur mehr Neonbeleuchtung, bessere Waffen und private
Cops, das Spiel ist immer noch das Gleiche. ;-)

> [...]
> Gruß Hanno
MFG Diana
--
Anything that can be done to a rat can be done to a
human being. And we can do most anything to rats.
[Bruce Sterling, "Cybepunk in the Nineties"]

Hanno Behrens

unread,
Oct 1, 2004, 5:16:49 AM10/1/04
to
Diana Walher wrote:
> [...]
>
>> Welche der Bücher würdest du empfehlen?
>>
> Gruss,
> "Pesadillas" von Maike Hallmann fand ich eigentlich ganz ok, zumindest
> hat es mich damals erfolgreich vom Schreiben ner Hausarbeit abgehalten
> und damit seinen Zweck als "Unterhaltung" erfuellt.

Pesadillas, gleich notiert.

>> Gibsons "Johnny Mnemonic", sieht man, dass der eigentliche Kampf
>> zwischen der Kontrolle und der Freiheit der Information, der Daten,
>> stattfindet. Die Wissenschaftler, die die Heilung gegen das schwarze
>> Zittern gefunden haben, wollen, dass ihre Erkenntnisse veröffentlicht
>> werden. Der Pharmacon will die Kontrolle, die Macht, über diese
>> Information.
>
> Wobei man erwaehnen sollte, dass die "Heilmittel"-Idee eine bloße Zutat
> fuer den gleichnamigen Film war; wahrscheinlich, um die ca. 100 Min.
> Sendezeit irgendwie zu fuellen und noch eine Nebenhandlung neben der
> Sache mit den Sachen in Johnnys Kopf zu erfinden.

Stimmt allerdings.

> In Gibsons Kurzgeschichte findet sich nichts dergleichen; man kann also
> annehmen, dass fuer Gibson das Merkmal des Kampfes Informationsfreiheit
> gg. Konzerninteressen nicht das wichtigste Merkmal war. Was Gibson viel
> mehr zu interessieren scheint, ist das Ueberleben von Anachronismen in
> der nahen Zukunft, ein Thema, welches sich in vielen seiner Romane
> findet - i.e. das Ueberleben von scheinbar alten, ueberkommenen,
> unzeitgemaessen, nicht-integrierten Individuen oder Gruppen (z.B. die
> Tessier-Ashpools in "Neuromancer", Herr Virek in "Mona Lisa Overdrive",
> die Bewohner der Bruecke in "Virtual Light") in einer ungemein
> zerbroeselten Welt ohne staatliche oder autoritaere Strukturen. Dass
> seine Helden sich dabei auch mit Konzernen anlegen, liegt in der Natur
> der Sache, aber den meisten ist das nicht das Ziel ihres Handelns,
> sondern nur ein weiteres Uebel.

Ich habe die wahren Helden der Geschichte von Virtual Light immer in
genau diesen Brückenbewohnern gesehen, dem Widerstand, den LoTeks oder
wie auch immer sie genannt werden. Obwohl es streng genommen in Gibsons
Geschichte keine Helden gibt. Es gibt Protagonisten, aus deren Augen wir
die Welt sehen, aber Helden sind sie nicht. Molly ist ein Protagonist,
aber keine Heldin. Sie schwimmt in dieser Welt, bewegt sich darin, aber
sie will nichts erreichen. Diese Passivität trägt seine Message bereits
in sich.

Die Anachronsimen in dieser Welt sind für mich immer Ausdruck einer
Entfremdung gewesen, eines immer größer klaffenden Zwischenraums
zwischen den Bewohnern dieser Welt. Es gibt buchstäblich keine
Verbindung mehr zwischen den T-A und der Welt. Ebenfalls sind die
Bewohner der Brücke weit weg, sind fast losgelöst aus der Welt um sie
herum.

Die Konzerne und Verbrecherorganisationen haben in dieser Welt die
staatliche Macht übernommen. Und sie erfüllen diese auch.

Das Genre arbeitet viel mit Entfremdung, einer Technik, mit der heutige
Zustände durch das Versetzen in einen anderen Kontext neue Bedeutung
gewinnt. Ich sehe darin eine klare politische Aussage aber dazu unten mehr.

> Deine Beschreibung, was Cyberpunk sein soll, ist mir persoenlich ein
> bisschen zu politisch. Die Mechanismen moegen wie von Dir beschrieben
> funktionieren (Machtverhaeltnisse etc.), aber ich glaube, es waere sehr
> schade und wuerde das Genre u. vor allem, die Menschen, die dargestellt
> werden, zu sterilen Propagandisten machen, wuerde man jeden Hacker auf
> das Klischee des romantischen Vorkaempfers gegen Konzernfeudalismus und
> fuer freie Informationsverteilung reduzieren. Falls das konsequent
> durchgezogen wuerde, haettest Du am Ende Propagandaschinken.

Nicht jede politische Stellungnahme ist gleich Propaganda. Ich fände im
Gegenteil, ohne den klaren politischen Drive wäre das ganze Genre
lustlos und unambitioniert, ich würde also deine Argumentation lieber
auf den Kopf stellen und die Sache anders herum angehen.

Was wäre der Cyberpunk ohne die Politik? Du darfst nicht vergessen,
Gibson war (und ist?) ein Hippie, zumindest hat er diese Ideale gelebt
und verkörpert. Die 68er Generation ist sehr stark politisiert und
Gibson würde ich an dieser Stelle nicht ausnehmen wollen. Sie sind viel
stärker politisch motiviert, als es die heutigen Generationen sind, auch
als ich selbst es bin.

Politik, das ist der Wunsch und das Streben, die Welt verändern,
vielleicht auch zu verbessern, scheint beim Cyberpunk überall durch.
Cyberpunk ist eine scharfe Satire unserer Gesellschaft, zeigt auf, wie
unsere Welt aussehen wird, wenn bestimmte Bestrebungen nicht unterbunden
werden, wenn bestimmte Strukturen zerfallen. Während Gibson in meinen
Augen klar der politischere ist, ist Stephenson mehr auf der sozialen
Ebene aktiv. Stephenson kümmert sich sehr viel um das große ganze von
Gesellschaften und Kulturen zueinander, was bei Gibson wenig Gewicht hat.

Aber politisch sind sie -in meinen Augen- beide. Das hängt schon am
Genre. Das schöne am Cyberpunk ist ja gerade, dass es aufhört von tollen
Raketen und Reisen zu fremden Sternen und den Jetsons zu faseln, sondern
die Zukunft auf die Erde zurückholt, fast in greifbare Nähe und
unmittelbar.

Ich wäre mit dem Wort "Propaganda" deshalb an dieser Stelle sehr viel
vorsichtiger. Ich meine nämlich, zur Propaganda gehört eine stark
vereinfachte Weltsicht, bloße Schematiken, schwarz-weiß-Darstellungen
und dergleichen. Den moralischen Zeigefinger findet man aber bei beiden
Schriftstellern in dieser Art und Weise nicht, dennoch enthalten
eigentlich alle ihre Gesichten eine unübersehbare moralische Message. Es
ist leider heute so, dass politisches Interesse und Engagement von jedem
gleich in einfache Schubladen gepresst wird und ignoriert oder gar nicht
erst wahr genommen. Das Interesse für Politik ist aber eben nicht gleich
Propaganda, sondern ist einer der wichtigen Aufgaben jeder Generation
(besonders in einer Demokratie wie der unseren).

Stephenson vielleicht sogar noch deutlicher als Gibson. Dazu sollte man
sich vielleicht auch nochmal die Worte durchlesen, die Stephenson selbst
zu seinen Werken sagt, auf seiner Website, http://www.cryptonomicon.com
etwa. Genau diese politische Stellungnahme ist nach seinen Worten (ein
wenig frei von mir zitiert) einer seiner Hauptmotivationen.

Natürlich ist Cyberpunk kein politisches Traktat, da hast du am Ende
natürlich recht. Aber ohne politische Basis, meine ich, wäre er hohl und
aussagelos und würde auf das aalglatte und unbedeutende "Jetsons"-Niveau
zurückfallen, mit dem die meiste SciFi heute zu kämpfen hat.

Ohne den klaren politischen Drive würde ich das Zeug nicht lesen.

> Damit will ich nicht bestreiten, dass es nicht
> a) innerhalb der Gruppe der Leute, die heute oder 2040 oder sonstwann
> das technische Hintergrundwissen u. die Faehigkeiten mitbringen, "echte"
> Cyberpunks zu sein, Menschen gibt, die quasi als politisches Ziel den
> Kampf gegen Konzerne, Kapitalismus etc. verfolgen und sich Gedanken
> ueber die gesellschaftlichen Folgen ihres Tuns machen, oder dass es
> b) Schriftsteller gibt, die ein ebensolches Weltbild in ihren Buechern
> etc. einbauen, die dann im weitesten Sinne als "Cyberpunk" verkauft
> wurden/werden.

Die Grundgesellschaftsstruktur des Cyberpunk (nach Gibson, Stephenson)
ist die Informationsgesellschaft. Durch die globale Information hat eine
Auslöschung der nationalen und kulturellen Identitäten stattgefunden und
ihre Geschichten spiegeln diese Welt (wie sie sich entwickelt haben
könnte).
Die Cyberpunkbewegung (die "echte", die der Datenbefreier, der Hacker,
der Kryptographen, der digitalen Bürgerrechtler, alles im höchsten Maße
politisch übrigens) und das Genre gehen an dieser Stelle Hand in Hand.
Ohne direkt zusammenzuhängen, inspirieren sie sich gegenseitig,
befruchten sich und das Genre findet häufig in den Leuten, die den
Cyberpunk leben ihre größten Anhänger und die Stammleserschaft.

Ich würde nicht so weit gehen wollen, jeden Shadowrun-Spieler gleich
einen Cyberpunker zu nennen und die meisten Charaktere sind streng
genommen keine Cyberpunks, aber die Welt in der sie, von der sie leben,
ist das Produkt der Entwicklung, wenn die Cyberpunkbewegung versagt,
wenn sie in den Untergrund gedrückt wird (was sie teilweise bereits ist
und nur mühsam von Zeit zu Zeit ihren Kopf rausstreckt).

Die Meinungsmache in den Medien steht häufig im diametralen Gegensatz zu
der Wirklichkeit im Netz und zu den Zielen dieser Bewegung. Das Thema
Kopierschutzgesetze ist da ein Beispiel, was in den anderen Zweigen des
Thread geführt wird.

Es ist ja auch nicht mehr so mit der Politik, mit den politischen Zielen
des Cyberpunk, dass man sowas sagt wie: "wir hier unten, die da oben,
wir gut, die schlecht" oder dergleichen, wie es vielerorts vielleicht
tatsächlich stattfindet. Das wäre zu platt. Und wohin solches Denken
führt und geführt hat, haben wir in den letzten Jahrzehnten ja auch zur
Genüge mit ansehen dürfen.

Wenn etwas auffällig ist an der Welt von Gibson, etwa, ist es die
explizite Abwesenheit von Politik und direktem politischem Statement in
einer Welt, in der diese Aussage dringend notwendig wäre. Und ich denke,
genau das ist sein wichtigstes Statement. Es nämlich nicht zu sagen,
sondern es von den Charakteren leben zu lassen.

> Ich glaube aber, dass ein Grossteil der Menschen - ganz egal, ob heute
> oder 20XX, einfach nur die Miete bezahlen, einen Job, der Spass macht,
> und ein bisschen angenehme Freizeit haben wollen, ganz unabhaenigig
> davon, ob das sinnvoll ist o. nicht. Warum sollen dazu nicht auch jede
> Menge Hacker/Decker gehoeren?

Ich kenne einen Haufen Hacker und keiner ist von denen unpolitisch.
Keiner. Die Ideen mögen teilweise etwas schräg sein oder nicht sehr klar
formuliert, aber jeder Hacker, der aus dem ersten halben Jahr der
technischen Begeisterung hinweg ist, tut das, was er tut, aus
politischer Überzeugung. (Ich rede nicht von den Crackern, die das was
sie tun aus wirtschaftlichem Profit tun, wie etwa das hier:
http://www.heise.de/newsticker/meldung/51689 )

Sicher. Nicht jeder, der am Computer sitzt und in einem IRC klappert,
ist gleich ein Hacker. Das ist sogar genau genommen einer der
Unterscheidungsmerkmale (nicht das einzige): die Politisierung.

Der Hacker aber ist die zentrale Figur des Cyberpunks, ist der
"Datenkrieger", aus seiner Subkultur sind die Schiebernetzwerke
entstanden, die schwarzen Bretter, die Agentennetze des Untergrunds.
Schon heute gibt es solche Strukturen und schon heute versuchen
wirtschaftliche und politische Interessengruppen, diese zu nutzen. (Das
peinliche Beispiel war Karl Koch und der KGB-Hack. Das positive Beispiel
war der NASA-Hack von '84, als alles anfing) Heute gibt es ganze Firmen
in Südostasien, die nichts weiter machen als Reverse Engineering, die
elektronische Geräte von namhaften Herstellern auseinandernehmen und
billig nachproduzieren, die ganze Abteilungen von Crackern
beschäftiggen, die in Firmennetzwerke eindringen und Daten stehlen. Das
ist schon lange keine Fiktion mehr.

Ein Teil meiner Familie arbeitet bei einem deutschen Großkonzern und ich
durfte gerade neulich dem wütenden Fluchen "über diese Piraten"
beiwohnen, als rausgekommen ist, dass diese Leute einen Schaltschrank
einer ihrer Geräte geklaut, auseinandergenommen und zwei Monate später
sowohl Wartungsservice als auch Ersatzteile angeboten haben und damit
den Konzern unterboten.

Auf einem anderen Blatt steht dann, dass genau diese vitalen Daten genau
dieses Konzerns mit nicht mehr als einem dreistelligen Passwort vor
Datenräubern gesichert sind. Das ist die Wirklichkeit.

Das ist heute bereits geläufige Praxis, will ich damit sagen.

> Und vergiss nicht, dass - z.B. bei "Neuromancer" - Case kein irgendwie
> gearteter Aktivist ist. Der will eigentlich nur zurueck in die Matrix
> bzw. spater sein kleines Drogenproblem loesen. Er interessiert sich ja
> nichtmal grossartig fuer KIs und landet sehr unfreiwillig in der
> Geschichte.

Das ist richtig. Aber warum will er zurück in die Matrix? Was hat er da
vorher getan? Ist er bloß süchtig? Seine übergeordnete Motivation steht
die ganze Zeit im Raum. Er ist wie ein Partisan mit einer
Beinverletzung, der zurück will an die Seite seiner Genossen (um es mal
"rot"-gefärbt auszudrücken). Aber genau genommen gibt es im Cyberpunk
kein "rot" oder "schwarz" oder welche Farbe auch immer mehr. Die
Ideologien sind weg, statt dessen müssen die Kämpfer in dieser Zeit sich
der Wirklichkeit stellen. Daher keine wehenden Fahnen. Das wäre auch zu
einfach.

>> [...] Gewalttätigkeit und zynische Menschverachtung in einer
>> Gesellschaft ohne gültige Normen, ohne Werte und ohne jemanden, der
>> diese zu vermitteln bereit ist. Eine entleerte Videokultur. Und mitten
>> drin bewegen sich unsere "Helden". Das ist Cyberpunk pur.
>
>
> Das allein beschreibt aber nicht nur CP. Das ist aber gleichzeitig auch
> "Film Noir", nur ohne die Videokultur. So neu ist das Thema ja nicht.
> Bei CP gibt es eben nur mehr Neonbeleuchtung, bessere Waffen und private
> Cops, das Spiel ist immer noch das Gleiche. ;-)

Stimmt. Der Cyberpunk hat viel vom "Film Noir" ausgeliehen, genau die
Helden dieses Genres sind auch die Vorgänger des typischen Cyberpunks.
Die Antihelden von Dashiell Hammett
(http://members.aol.com/MG4273/hammett.htm) etwa, die zerlumpten
Privatdetektive wie seine berüchtigte Figur Sam Spade, gescheiterte
Existenzen und ebenfalls frühe "Datenkrieger" auf der Suche nach
Information. Der Decker und der Privatdetektiv, das sind zwei Schatten
von ein und derselben Person. Nur ihre Methoden unterscheiden sich
etwas, aber das ist vor allem zeitlich bedingt.

Der Cyberpunk hat nicht nur den Mord wieder zurückgebracht auf die
Straße, wo die Menschen noch wirklich was von Mord verstehen (statt
Butler und Gärtner), sondern auch das ganze andere menschliche Elend.
Aber es ist entstaubt, es ist nicht mehr das vergilbte
schwarz/weiss-Foto aus den 20ern oder 30ern, es ist neonschrill, bunt
und brandaktuell. Aber der Cyberpunk ist mehr als das. Mehr als eine
einfache Detektivstory. Und diese Tiefe ist das, was mich so fasziniert
am Genre.

Gruß Hanno

vwm

unread,
Oct 2, 2004, 2:39:07 AM10/2/04
to
Hi,

Hanno Behrens <Hanno....@gmx.de> schrieb:

>Nein. Es ist heutzutage fast unmöglich, gegen die komplexen,
>allgegenwärtigen "Raubkopier"-Gesetze zu verstoßen.

Ich glaube, da fehlt ein "nicht" (liegt mir fern, Tippfehler zu
krittisieren, will nur sicherstellen, das ich Dich richtig verstehe)

>Ich habe eines nie wirklich am Kopierschutz verstanden. Also, wenn
>jemand, sagen wir ein Musiker, hingeht und einen Song schreibt, dann
>braucht er dafür vielleicht eine Woche. Vielleicht eine weitere Woche,
>das einzustudieren, seien wir großzügig und geben ihm drei Wochen Zeit.
>Ich kenne -gute- Musiker, wie Bob Dylan, die an einem einzigen
>Nachmittag drei Songs geschrieben, einstudiert und eingespielt haben.
>Also halte ich drei Wochen wirklich für eine gute Zeit.

[...Zahlenbeispiel...]

Sorry, aber die Rechnung ist mindestens so blöd, wie die behauptung
der "Gegenseite", jedes Runtergeladene MP3 wäre eine verkaufte Single
weniger.
Deine Rechnung vergisst, das längst nicht jedes Lied einen Käufer
findet. Auf jedes erfolgreiche Lied kommen zig Fehlversuche. Die
bezahlt der Käufer des Hits irgendwie mit, ob er nun will oder nicht.
So ähnlich wie die Entwicklungskosten in der Fertigung.

Dazu kommt noch, der ganze Kram der mit der Musik eigentlich nichts zu
tun hat, aber ohne den es dennoch nicht richtig geht: Manager,
Produzenten, Werbung, CD Herstellung, Vertrieb... Der Laden, in dem Du
die Scheibe kaufst lebt überraschenderweise auch davon.

Natürlich, über das Internet fällt viel davon weg. Deshalb sind IMHO
auch die ganzen (legalen) Internetvertriebe unverschämt teuer.


>Frage: Warum gebe ich den Beatles -als Beispiel- eine fette Bezahlung an
>ihrem Song, wenn ich ihre Single kaufe. Dann später noch einmal, wenn
>ich ihre LP kaufe. Dann wieder, wenn ich die CD-Version kaufe, dann
>nochmal, wenn ein neues Aufnahmeverfahren die digitalen Beatles
>rausbringen, dann eine Aufnahme der Masterbänder und so weiter? Wie
>häufig soll ich das bezahlen? Und jedesmal, wenn die Beatles im Radio
>gespielt werden, bezahle ich im Prinzip schon wieder - immer noch und
>wieder und wieder und wieder.

Gegenfrage, warum kaufst Du denn den ganzen Dreck? Angebot und
Nachfrage, schon mal was davon gehört? Offensichtlich gibt es Leute,
die bereit sind, für ein und die selbe Scheibe mehrfach zu bezahlen.
Pech gehabt, selber Schuld. Die Preise regelt der Markt.

Der Markt wird auch die Internetvertriebe früher oder später zu
vernünftigen Preisen zwingen.

Aus dem Radio kannst Du übrigens soweit ich weiß noch immer legal
aufnehmen - solange das Radio nicht wirksamm kopiergeschützt ist ;-)

Es ist nicht so, das ich das neue Gesetz und die Kampanien der
Musik/Filmindustrie gut finden würde. Im Gegenteil. Die Werbekampanie
"Hart aber Gerecht" finde ich ausgesprochen Geschmacklos. Der Fokus
liegt viel zu sehr auf den Privatanwendern, die sogar noch
Urheberrechtsabgaben für CDR's, Brenner, usw. zahlen.

Aber in der Enteignung der Künstler sehe ich keine Lösung. Weder nach
3 Jahren, noch nach einer buchmäßigen Abschriebung der Titel. Da Lohnt
es sich einfach nicht mehr, Musik zu machen. Über "30 Jahre nach
Erscheinen" oder so könnte man noch verhandeln (derzeit: 60 Jahre nach
Tod des Künstlers ?!) evt. auch 20 oder sogar 15. Aber weniger ist
echt nicht fair.

Im alten Urheberrecht gab es eine Regelung, dass das Kopieren länger
vergriffener Werke auf Anfrage genemigt werden muss, sofern keine
triftigen Gründe dagegen sprechen. Das finde ich auch ok (weiß
allerdings nicht, ob das noch gilt).

C U

Alexander

Peter Wernerus

unread,
Oct 2, 2004, 3:41:52 PM10/2/04
to
vwm wrote:

> Aus dem Radio kannst Du übrigens soweit ich weiß noch immer legal
> aufnehmen - solange das Radio nicht wirksamm kopiergeschützt ist ;-)

Naja, aber welches Radio spielt schon einen Song in voller Länge und ohne
zwischengeplapper?

> Es ist nicht so, das ich das neue Gesetz und die Kampanien der
> Musik/Filmindustrie gut finden würde. Im Gegenteil. Die Werbekampanie
> "Hart aber Gerecht" finde ich ausgesprochen Geschmacklos. Der Fokus
> liegt viel zu sehr auf den Privatanwendern, die sogar noch
> Urheberrechtsabgaben für CDR's, Brenner, usw. zahlen.

Das ist sowieso der Hit, dass man auch noch alle doppelt und dreifach
Zahlen soll und es dann doch nicht darf. Beknackt.

> Aber in der Enteignung der Künstler sehe ich keine Lösung. Weder nach
> 3 Jahren, noch nach einer buchmäßigen Abschriebung der Titel. Da Lohnt
> es sich einfach nicht mehr, Musik zu machen. Über "30 Jahre nach
> Erscheinen" oder so könnte man noch verhandeln (derzeit: 60 Jahre nach
> Tod des Künstlers ?!) evt. auch 20 oder sogar 15. Aber weniger ist echt
> nicht fair.

70 Jahre nach Tod des Künstlers. Wieso die Famile nach dem Tod des
Künstlers noch zwei bis drei Generationen davon pofitieren soll, ist mir
aber nicht ganz klar.

> Im alten Urheberrecht gab es eine Regelung, dass das Kopieren länger
> vergriffener Werke auf Anfrage genemigt werden muss, sofern keine
> triftigen Gründe dagegen sprechen. Das finde ich auch ok (weiß
> allerdings nicht, ob das noch gilt).

Weißt du denn, was triftige Gründe wären?

Grüße,
Peter Wernerus

Florian Boecker

unread,
Oct 2, 2004, 6:25:02 PM10/2/04
to
Peter Wernerus wrote:

> vwm wrote:
>> Es ist nicht so, das ich das neue Gesetz und die Kampanien der
>> Musik/Filmindustrie gut finden würde. Im Gegenteil. Die Werbekampanie
>> "Hart aber Gerecht" finde ich ausgesprochen Geschmacklos. Der Fokus
>> liegt viel zu sehr auf den Privatanwendern, die sogar noch
>> Urheberrechtsabgaben für CDR's, Brenner, usw. zahlen.
>
> Das ist sowieso der Hit, dass man auch noch alle doppelt und dreifach
> Zahlen soll und es dann doch nicht darf. Beknackt.

Dass die Kampagne geschmacklos ist, darf als gesichert gelten.
Nebenbei ist der Slogan "Raubkopierer sind Verbrecher" schlichtweg
falsch.
Wenig überraschend ist, dass die agressive Kriminalisierung
unrechtmäßigen Verhaltens auf unterster Schwelle (oder gar rechtmäßigen
Verhaltens!) der Musikindustrie momentan ganz gewaltig auf die Füße
fällt.
Wer "bösen Raubkopierern" schadenfreudig Vergewaltigung im Knast oder
Anzeige durch die eigene Freundin in Aussicht stellt, muss besoffen
sein, wenn er sich davon Sympathien für seine Sache verspricht.

> 70 Jahre nach Tod des Künstlers. Wieso die Famile nach dem Tod des
> Künstlers noch zwei bis drei Generationen davon pofitieren soll, ist
> mir aber nicht ganz klar.

Aus dem selben Grund, warum Erben von einem Bankguthaben profitieren.
Der Erblasser hat mit seinem Werk Ansprüche aus dem Urhebergesetz, die
sowohl vermögenswert sind als auch die nähere Ausgestaltung von
Nutzungsrechten betreffen. Wieso in aller Welt sollen diese Anspruche
mit dem Tod enden?!
-> §§ 28-30 UrhG
Insofern trägt § 64 UrhG (Erlöschen nach 70 Jahren) der besonderen Natur
des Urheberschaftsrechts Rechnung.

>> Im alten Urheberrecht gab es eine Regelung, dass das Kopieren länger
>> vergriffener Werke auf Anfrage genemigt werden muss, sofern keine
>> triftigen Gründe dagegen sprechen. Das finde ich auch ok (weiß
>> allerdings nicht, ob das noch gilt).


Eine Genehmigung ist nicht erforderlich.

> Weißt du denn, was triftige Gründe wären?

Ein Blick ins Gesetz erleichtert die Rechtsfindung ;)
http://bundesrecht.juris.de/bundesrecht/urhg/index.html

UrhG § 53 Vervielfältigungen zum privaten und sonstigen eigenen Gebrauch

(4) Die Vervielfältigung
a) graphischer Aufzeichnungen von Werken der Musik,
b) eines Buches oder einer Zeitschrift, wenn es sich um eine im
wesentlichen vollständige Vervielfältigung handelt,
ist, soweit sie nicht durch Abschreiben vorgenommen wird, stets nur mit
Einwilligung des Berechtigten zulässig oder unter den Voraussetzungen
des Absatzes 2 Nr. 2 oder zum eigenen Gebrauch, wenn es sich um ein seit
mindestens zwei Jahren vergriffenes Werk handelt.

(6) Die Vervielfältigungsstücke dürfen weder verbreitet noch zu
öffentlichen Wiedergaben benutzt werden. Zulässig ist jedoch, rechtmäßig
hergestellte Vervielfältigungsstücke von Zeitungen und vergriffenen
Werken sowie solche Werkstücke zu verleihen, bei denen kleine
beschädigte oder abhanden gekommene Teile durch Vervielfältigungsstücke
ersetzt worden sind.


Vergriffen ist ein Werk, wenn es nicht mehr über die üblichen
Vertriebswege (auch nicht in anderer Form, bspw digitalisiert)
erhältlich ist. Die antiquarische Beschaffungsmöglichkeit zählt dabei
nicht.

Wenn ich es auf den ersten flüchtigen Blick richtig beurteile, ergibt
sich eine (planvolle) Lücke hinsichtlich vergriffener Musik und Filme.

Aber aufpassen:

UrhG § 71 Nachgelassene Werke

(1) Wer ein nicht erschienenes Werk nach Erlöschen des Urheberrechts
erlaubterweise erstmals erscheinen läßt oder erstmals öffentlich
wiedergibt, hat das ausschließliche Recht, das Werk zu verwerten. Das
gleiche gilt für nicht erschienene Werke, die im Geltungsbereich dieses
Gesetzes niemals geschützt waren, deren Urheber aber schon länger als
siebzig Jahre tot ist. Die §§ 5, 15 bis 24, 26, 27, 45 bis 63 und 88
sind sinngemäß anzuwenden.

(2) Das Recht ist übertragbar.

(3) Das Recht erlischt fünfundzwanzig Jahre nach dem Erscheinen des
Werkes oder, wenn seine erste öffentliche Wiedergabe früher erfolgt ist,
nach dieser.

mfG

Alexander Reißberg

unread,
Oct 2, 2004, 7:22:52 PM10/2/04
to
Florian Boecker schrieb:

> Peter Wernerus wrote:
> > vwm wrote:
> >> Es ist nicht so, das ich das neue Gesetz und die Kampanien der
> >> Musik/Filmindustrie gut finden würde. Im Gegenteil. Die Werbekampanie
> >> "Hart aber Gerecht" finde ich ausgesprochen Geschmacklos. Der Fokus
> >> liegt viel zu sehr auf den Privatanwendern, die sogar noch
> >> Urheberrechtsabgaben für CDR's, Brenner, usw. zahlen.
> >
> > Das ist sowieso der Hit, dass man auch noch alle doppelt und dreifach
> > Zahlen soll und es dann doch nicht darf. Beknackt.
>
> Dass die Kampagne geschmacklos ist, darf als gesichert gelten.
> Nebenbei ist der Slogan "Raubkopierer sind Verbrecher" schlichtweg
> falsch.
> Wenig überraschend ist, dass die agressive Kriminalisierung
> unrechtmäßigen Verhaltens auf unterster Schwelle (oder gar rechtmäßigen
> Verhaltens!) der Musikindustrie momentan ganz gewaltig auf die Füße
> fällt.
> Wer "bösen Raubkopierern" schadenfreudig Vergewaltigung im Knast oder
> Anzeige durch die eigene Freundin in Aussicht stellt, muss besoffen
> sein, wenn er sich davon Sympathien für seine Sache verspricht.

Da hast du vollkommen recht, aber böse Autofahrer werden auch schon
kriminalisiert, wenn ich mich an das Ende von "Fast and the Furious" auf RTL
erinnere. So geschnitten, das es aussieht der (eigentliche) Hauptdarsteller
geht in den Knast. Oder bei "Gone in 60 seconds" wird halt der Spruch, der
andeutet, Autos klauen würde Spaß machen (wird mit Sex verglichen)
geschnitten, obwohl der ganze Film nur ums Klauen von Autos geht. Wenn
Autodiebstahl so böse ist, dann darf ich den ganzen Film nicht zeigen.

Ordnungswidrigenkeiten und relativ geringwertige Verbrechen werden
kriminalisiert, während Kinderschänder und Vergewaltiger nach 2 Jahren
wieder Freigang bekommen. Das das deutsche Recht diese Punkte nicht unter
Kontrolle hat ist doch bekannt. Und bei Raubkopien geht es um Geld. Das
zählt viel mehr als ein Menschenleben. Geld kann man nämlich schätzen. Was
ist schon ein Menschenleben wert? Oder wer kann den Wert schätzen?

Mana Burn

Hanno Behrens

unread,
Oct 3, 2004, 6:02:20 AM10/3/04
to
vwm wrote:

>>Nein. Es ist heutzutage fast unmöglich, gegen die komplexen,
>>allgegenwärtigen "Raubkopier"-Gesetze zu verstoßen.
>
> Ich glaube, da fehlt ein "nicht" (liegt mir fern, Tippfehler zu
> krittisieren, will nur sicherstellen, das ich Dich richtig verstehe)

Tippfehler, klar. Du hast mich schon richtig verstanden.

>>Ich habe eines nie wirklich am Kopierschutz verstanden. Also, wenn
>>jemand, sagen wir ein Musiker, hingeht und einen Song schreibt, dann
>>braucht er dafür vielleicht eine Woche. Vielleicht eine weitere Woche,
>>das einzustudieren, seien wir großzügig und geben ihm drei Wochen Zeit.
>>Ich kenne -gute- Musiker, wie Bob Dylan, die an einem einzigen
>>Nachmittag drei Songs geschrieben, einstudiert und eingespielt haben.
>>Also halte ich drei Wochen wirklich für eine gute Zeit.
>
> [...Zahlenbeispiel...]
>
> Sorry, aber die Rechnung ist mindestens so blöd, wie die behauptung
> der "Gegenseite", jedes Runtergeladene MP3 wäre eine verkaufte Single
> weniger.
> Deine Rechnung vergisst, das längst nicht jedes Lied einen Käufer
> findet. Auf jedes erfolgreiche Lied kommen zig Fehlversuche. Die
> bezahlt der Käufer des Hits irgendwie mit, ob er nun will oder nicht.
> So ähnlich wie die Entwicklungskosten in der Fertigung.

Also -äh- wenn ich dich jetzt richtig verstehe, meinst du, ein Stück
Musik muss so bezahlt werden, dass es alle Scheissstücke, die der
Musiker vorher verbrochen hat, trägt? Also das kommt mir vor wie ein
Schreiner, der 200 dreibeinige Tische gebaut hat und erst beim 201 auf
die Idee kommt, ein viertes Bein anzubauen. Und wenn ich diesen Tisch
dann kaufen will, muss ich alle Arbeit, die er in die anderen 200 Tische
gesteckt hat, bezahlen.

Ich will mich an dieser Stelle gar nicht auf eine Pro-Contradiskussion
zu so sowas einlassen. Ich sage einfach, dass die Welt so nicht
funktioniert. Nie funktioniert hat und nie funktionieren wird. Das gilt
für einen Schreiner genauso wie für einen Musiker.

Mach etwas, was die Leute kaufen wollen -hören wollen- und du kannst es
verkaufen. Wenn du davon leben willst, darfst du keine Sachen
produzieren, die keiner haben will.

Das ist eine ziemlich Absurde, wenn auch amüsante Ansicht, die du da
vertrittst.

> Dazu kommt noch, der ganze Kram der mit der Musik eigentlich nichts zu
> tun hat, aber ohne den es dennoch nicht richtig geht: Manager,
> Produzenten, Werbung, CD Herstellung, Vertrieb... Der Laden, in dem Du
> die Scheibe kaufst lebt überraschenderweise auch davon.

Oh ja. Der sinnvolle Aufschlag im Handel beträgt bei Produkten in der
Regel irgendwas zwischen Faktor 1.5 bis Faktor 2. Also eine Kartoffel,
die auf dem Markt pro Kilo irgendwas kostet, ist im Laden durch
Vertrieb, Handel und so weiter ein wenig teurer.

Natürlich kann man sagen: ha! Aber Werbung, Image, Hastenichtgesehn.
Klar. Vielleicht hat sowas ja tatsächlich Erfolg und die Musiker können
es versuchen, ihre Stücke entsprechend bekannter und teurer zu machen.
Solange es auch "weiße" Musik gibt, also Musik, die es einfach irgendwo
herunterzuladen gibt, ohne das ganze Brimborium. Da zeigt sich dann, was
besser ist - Werbung mit hüpfenden halbnackten Mädchen und bartlosen
Jünglingen in weißen Anzügen und irgendwelche entseelte Diskomampfe oder
ein paar schlichter Musiker, die ihre Instrumente spielen und ohne den
Quatsch auskommen.

Ich vermute, für beides wird es einen Markt geben. Aber ich meine, die
Zeit der monopolistischen Musikindustrie, der strengen Hierarchie, wo
irgendwelche Plattenbosse ganz oben stehen und Musiker ganz am Boden der
Futterkette, diese Zeit ist jetzt vorbei.

Es wird Zeit, die Hierarchien ein wenig gesundzuschrumpfen. Aber nur,
weil ein paar fette Bosse ihren Stuhl zu verlieren drohen, lass ich mir
dafür noch lange nicht in die Tasche greifen.

> Natürlich, über das Internet fällt viel davon weg. Deshalb sind IMHO
> auch die ganzen (legalen) Internetvertriebe unverschämt teuer.

Ganz meine Meinung. Die Preise, die dort genommen werden, sind
schwachsinnig teuer.

Tatsache ist, dass ich, wenn ich heute ein Musikstück kaufe (die
Wiedergaberrechte daran erwerbe), nicht nur den Ferrari des Musikers
bezahle, sondern auch noch von dessen Manager, Imageberater,
Plattenboss, und so weiter. Um es mal etwas überspritzt auszudrücken.
Sind so teuer, dass man sich schon gut und gern
Der Musikszene geht es blendend. Nur innerhalb der Szene ist die
Geldverteilung einfach schwachsinnig organisiert. Ich betrachte das aber
als ein Problem von denen. Und in der Wirtschaft hat sich gezeigt, dass
die beste Methode, um eine Industrie wieder gesundzuschrumpfen und
Wanzen zu entfernen ist, dass sie in eine Krise stürzen und für eine
zeitlang nicht mehr die Mittel haben, diese kranken Strukturen aufrecht
zu erhalten.

Eine Modernisierung in diesem Bereich ist ohnehin dringend notwendig.

>>Frage: Warum gebe ich den Beatles -als Beispiel- eine fette Bezahlung an
>>ihrem Song, wenn ich ihre Single kaufe. Dann später noch einmal, wenn
>>ich ihre LP kaufe. Dann wieder, wenn ich die CD-Version kaufe, dann
>>nochmal, wenn ein neues Aufnahmeverfahren die digitalen Beatles
>>rausbringen, dann eine Aufnahme der Masterbänder und so weiter? Wie
>>häufig soll ich das bezahlen? Und jedesmal, wenn die Beatles im Radio
>>gespielt werden, bezahle ich im Prinzip schon wieder - immer noch und
>>wieder und wieder und wieder.
>
>
> Gegenfrage, warum kaufst Du denn den ganzen Dreck? Angebot und
> Nachfrage, schon mal was davon gehört? Offensichtlich gibt es Leute,
> die bereit sind, für ein und die selbe Scheibe mehrfach zu bezahlen.
> Pech gehabt, selber Schuld. Die Preise regelt der Markt.

Es gibt nur keinen freien Markt, ohne die Musikmafia. Hast du schon
einen Anbieter im Netz gefunden, der Musik als MP3 zu annehmbaren
Preisen anbietet? Der nicht an der Musikmafia hängt mit tausend
verschiedenen Händchenaufhaltern wie der GEMA und anderen
Organisationen? (Die sich am Ende nur selbst finanzieren, übrigens.)

Für mich leisten diese Organisationen keinen ersichtlichen Nutzen, ich
kenne keinen Musiker (und ich kenne einige), die von der GEMA auch nur
einen Pfennig bekommen haben (obwohl einige Stücke bei der GEMA gemeldet
haben). Das Hauptquartier der GEMA steht hier bei mir um die Ecke (22145
Hamburg, Schierenberg 4x oder so). Toller, moderner, verglaster
Prunkbau. Vergoldetes "GEMA"-Zeichen an der Wand. Neubau. Vor dem Haus
stehen: Ferrari, Mercedes, Mercedes, Mercedes, Audi A6, BMW, ...

Schon klar. Voll notwendig, der Laden. Und denen geht es wahnsinnig
schlecht. Verstehe. Der Fahrradständer bei denen, jedenfalls, ist leer.
Die armen Schweine können sich nicht mal ein Fahrrad leisten. Mir egal,
wie deren Bücher aussehen. Aber keiner meiner (mittellosen)
Musikerfreunde hat von denen je einen Cent gesehen und schlecht kann es
diesem Haufen wirklich nicht gehen. Die verwalten sich vor allem selbst.

Nur eine Vermutung von mir.

> Der Markt wird auch die Internetvertriebe früher oder später zu
> vernünftigen Preisen zwingen.

Wenn es einen freien Markt gäbe, ja. Aber ich vermute, die Preise sind
nicht nach Angebot und Nachfrage erstellt, sondern nach Preisabsprachen.
Da stehe ich übrigens nicht allein mit da. Entsprechende Ermittlungen
sind am Laufen, werden wieder eingestellt, neue aufgenommen, ein Freund
von mir arbeitet als Jurist bei der Behörde, Kartellamt, neh, wie hieß
das gleich? Egal. Jedenfalls ist denen schwer was nachzuweisen, weil das
meist international ist. Und das deutsche Kartellamt kann nur nationale
Kartelle unterbinden. Vermutlich läuft das unter der Hand, aber wie
gesagt, ganz schwer nachzuweisen, das wird noch eine Weile dauern.

Tatsache ist, dass die Musikindustrie stark unterwandert von "mafiösen"
Strukturen ist. Also Preisabsprachen, pseudo-Gewerkschaften, Geldfonds
und dergleichen. Nichts gegen die Musikindustrie an sich. Aber ich
glaube, da hängen ein paar faule Äpfel am Ast.

> Es ist nicht so, das ich das neue Gesetz und die Kampanien der
> Musik/Filmindustrie gut finden würde. Im Gegenteil. Die Werbekampanie
> "Hart aber Gerecht" finde ich ausgesprochen Geschmacklos. Der Fokus
> liegt viel zu sehr auf den Privatanwendern, die sogar noch
> Urheberrechtsabgaben für CDR's, Brenner, usw. zahlen.

Dass ich für meine CDs nun GEMA-Gebühren bezahlen muss, obwohl diese CDs
hauptsächlich mit Software bespielt sind und praktisch überhaupt nicht
mit Musik, ist ebenfalls eine Entwicklung, die ich nicht besonders
witzig finde.

> Aber in der Enteignung der Künstler sehe ich keine Lösung. Weder nach
> 3 Jahren, noch nach einer buchmäßigen Abschriebung der Titel. Da Lohnt
> es sich einfach nicht mehr, Musik zu machen. Über "30 Jahre nach
> Erscheinen" oder so könnte man noch verhandeln (derzeit: 60 Jahre nach
> Tod des Künstlers ?!) evt. auch 20 oder sogar 15. Aber weniger ist
> echt nicht fair.

Die Künstler sind auch nicht das Problem. Die Rechtslage ist das Problem
und die Rechtslage hilft nicht den Künstlern, sondern vor allem der
Industrie. Enteignung finde ich auch den unpassenden Begriff, denn der
Musiker wird ja nicht seinen Urheberrechten enthoben. Nur dass jeder
Bürger gleich kriminalisiert wird, wenn er Musik kopiert, die vor 50
Jahren aufgenommen wurde, das finde ich schädlich. Wir sind dann am Ende
alle Verbrecher und der freie Mann unterscheidet sich vom Sträfling dann
nur noch dadurch, dass beim Sträfling einer hingeguckt hat und beim
freien Mann nicht.

In so einem Fall gibt es dann nämlich keine Freiheit mehr.

Was ich vorgeschlagen habe, ist nicht Enteignung, sondern ein
beschränktes Lizenzrecht. Mein Gott! Wenn der Musiker von Musik leben
will, dann soll er gefälligst Musik machen. Dann kann er auch davon
leben. Aber auch ein Schreiner kriegt nicht jedes mal, wenn sich einer
auf seinen Stuhl setzt, sein Leben lang'ne Mark. Was ist das bloß für
ein Schwachsinn. Wer hat sich das ausgedacht?

> Im alten Urheberrecht gab es eine Regelung, dass das Kopieren länger
> vergriffener Werke auf Anfrage genemigt werden muss, sofern keine
> triftigen Gründe dagegen sprechen. Das finde ich auch ok (weiß
> allerdings nicht, ob das noch gilt).

Das reicht meiner Meinung nach nicht aus.

Gruß Hanno,
der selbst Musiker ist (nicht hauptberuflich!), aber kein Geld damit
verdient (hat)

Peter Wernerus

unread,
Oct 3, 2004, 9:19:49 AM10/3/04
to
Florian Boecker wrote:


>> 70 Jahre nach Tod des Künstlers. Wieso die Famile nach dem Tod des
>> Künstlers noch zwei bis drei Generationen davon pofitieren soll, ist
>> mir aber nicht ganz klar.
>
> Aus dem selben Grund, warum Erben von einem Bankguthaben profitieren.

Das der Künstler ja noch zuätzlich vererbt.

> Der Erblasser hat mit seinem Werk Ansprüche aus dem Urhebergesetz, die
> sowohl vermögenswert sind als auch die nähere Ausgestaltung von
> Nutzungsrechten betreffen. Wieso in aller Welt sollen diese Anspruche
> mit dem Tod enden?!

Weil der Künstler seine Kohle schon verdient hat und dann eben diese
verebt. Wie wird eigentlich der Vermögenswert einse Urheberrechtes
gemessen?

> -> §§ 28-30 UrhG
> Insofern trägt § 64 UrhG (Erlöschen nach 70 Jahren) der besonderen
> Natur des Urheberschaftsrechts Rechnung.

Warum wird da eigentlich der Tod des Künstlers und nicht des
Erschaffungs- oder Erscheinungsdatum verwendet? Da können ziemlich
ungerechte Ergebnisse bei rauskommen.

> (4) Die Vervielfältigung
> a) graphischer Aufzeichnungen von Werken der Musik, b) eines Buches
> oder einer Zeitschrift, wenn es sich um eine im
> wesentlichen vollständige Vervielfältigung handelt, ist, soweit sie
> nicht durch Abschreiben vorgenommen wird, stets nur mit Einwilligung des
> Berechtigten zulässig oder unter den Voraussetzungen des Absatzes 2 Nr.
> 2 oder zum eigenen Gebrauch, wenn es sich um ein seit mindestens zwei
> Jahren vergriffenes Werk handelt.

Dann gilt das nur für Printmedien. Schade.

> Vergriffen ist ein Werk, wenn es nicht mehr über die üblichen
> Vertriebswege (auch nicht in anderer Form, bspw digitalisiert)
> erhältlich ist. Die antiquarische Beschaffungsmöglichkeit zählt dabei
> nicht.
>
> Wenn ich es auf den ersten flüchtigen Blick richtig beurteile, ergibt
> sich eine (planvolle) Lücke hinsichtlich vergriffener Musik und Filme.

Das soll was genau heißen?

> Aber aufpassen:
>
> UrhG § 71 Nachgelassene Werke
>
> (1) Wer ein nicht erschienenes Werk nach Erlöschen des Urheberrechts
> erlaubterweise erstmals erscheinen läßt oder erstmals öffentlich

Erlaubterweise? Wer muss denn das erlauben, wenn das Urheberrecht
erloschen ist?

Warum können Juristen nicht einfach Deutsch reden. ;-)

Grüße,
Peter Wernerus

Alexander Reißberg

unread,
Oct 3, 2004, 9:52:15 AM10/3/04
to
> Florian Boecker wrote:
>
> >> 70 Jahre nach Tod des Künstlers. Wieso die Famile nach dem Tod des
> >> Künstlers noch zwei bis drei Generationen davon pofitieren soll, ist
> >> mir aber nicht ganz klar.
> >
> > Aus dem selben Grund, warum Erben von einem Bankguthaben profitieren.
>
> Das der Künstler ja noch zuätzlich vererbt.
>
> > Der Erblasser hat mit seinem Werk Ansprüche aus dem Urhebergesetz, die
> > sowohl vermögenswert sind als auch die nähere Ausgestaltung von
> > Nutzungsrechten betreffen. Wieso in aller Welt sollen diese Anspruche
> > mit dem Tod enden?!
>
> Weil der Künstler seine Kohle schon verdient hat und dann eben diese
> verebt. Wie wird eigentlich der Vermögenswert einse Urheberrechtes
> gemessen?

Naja, ein Unternehmen wird ja auch zusätzlich zum Bankguthaben vererbt. Und
erwirtschaftet danach noch immer Gewinne (naja, zumindest sollte es das) Der
Vermögenswert des Urheberrechtes ist interessant, ja, denn für die
Erbschaftssteuer müßte man den messen.

> Warum können Juristen nicht einfach Deutsch reden. ;-)

Weil sonst jeder wüßte, wovon sie reden und keiner mehr Juristen brauchen
würde ;-P

Bis denne

Mana Burn

VOID

unread,
Oct 3, 2004, 2:25:48 PM10/3/04
to
Peter Wernerus wrote:

>>Aus dem selben Grund, warum Erben von einem Bankguthaben profitieren.
>
> Das der Künstler ja noch zuätzlich vererbt.

Dann also das Extrembeispiel:
Künstler schreibt 100 Songs und stirbt dann anschliessend ohne einen
Pfennig Geld in der Tasche. Im Laufe der nächsten 10 jahre nach seinem
Tod spielen diese Songs plötzlich in Massen Geld ein. Weshalb sollten
die Erben keinen Anspruch auf dieses Geld haben, wenn sie ihn hätten
würde der Opa noch lange genug leben es selbst zu bekommen?

> Weil der Künstler seine Kohle schon verdient hat und dann eben diese
> verebt.

Hat er es denn bereits bekommen? Das ist wohl in diesem Fall eher ein
Anspruch, der auf die Erben übergeht. Sie bekommen ja nichts, was der
Künstler nicht auch selbst bekommen hätte.

--
mfG,
VOID

vwm

unread,
Oct 3, 2004, 6:06:41 PM10/3/04
to
Hi,

>> Deine Rechnung vergisst, das längst nicht jedes Lied einen Käufer
>> findet. Auf jedes erfolgreiche Lied kommen zig Fehlversuche. Die
>> bezahlt der Käufer des Hits irgendwie mit, ob er nun will oder nicht.
>> So ähnlich wie die Entwicklungskosten in der Fertigung.
>
>Also -äh- wenn ich dich jetzt richtig verstehe, meinst du, ein Stück
>Musik muss so bezahlt werden, dass es alle Scheissstücke, die der
>Musiker vorher verbrochen hat, trägt? Also das kommt mir vor wie ein
>Schreiner, der 200 dreibeinige Tische gebaut hat und erst beim 201 auf
>die Idee kommt, ein viertes Bein anzubauen. Und wenn ich diesen Tisch
>dann kaufen will, muss ich alle Arbeit, die er in die anderen 200 Tische
>gesteckt hat, bezahlen.

Klingt komisch, ist aber trozdem so. Wenn der Schreiner in den Tisch
drei Jahre Entwicklungsarbeit steckt, wird er versuchen, sich die
danach auch bezahlen zu lassen. Wenn der Tisch Designerpreise bekommt,
besonders Ergonomisch ist usw. mag das sogar klappen. Wenn ein anderer
Schreiner ein geichwertiges Modell (keine Kopie!) auf Anhieb schafft,
kann er es günstiger anbieten, und der erste Schreiner hat ein
Problem.

Wenn Dir das mit dem Schreiner nicht Plausiebel erscheint, dann denk
doch mal an Arzeneimittel, Matterialien, usw. Also Zeug, in dem
wirklich Entwicklungsaufwand steckt. Natürlich zahlt der Kunde da
irgendwo auch für die Fehlversuche. Klar, eigentlich zahlt man, weil
das Produkt nützt. Man zahlt nicht freiwillig, weil etwas Kosten
verursacht. Aber auf Dauer kann "es" nur Kostendecken angeboten
werden, oder garnicht.

Zurück zum Musiker:

>Wenn der Musiker von Musik leben
>will, dann soll er gefälligst Musik machen. Dann kann er auch davon
>leben.

Wie viele Bands kennst Du, die nur einen Erfolg in ihrem Leben hatten?
Obwohl sie es vorher schon jahre lang probiert haben und oder
hinterher auch noch? Dein Vorschlag, ihnen die Verwertungsrechte zu
lassen, bis sie für die Zeit im Tonstudio wieder drin haben, lässt die
ziemlich im Regen stehen. Macht nichts? Der Schreiner kann sich auch
nicht auf seinem ersten Stuhl ausruhen? Mag sein.

Aber ich glaube, wenn es nach Deinem System ginge, würden nicht so
viele Musiker bis zu ihrem ersten Hit durchhalten. Oder es nicht erst
versuche, da der Traum vom Reichtum dann fehlt. Was übrig bleibt kann
ich nur Spekulieren. Wahrscheinlich vor allem das Zeug, das nach einem
Jahr bzw. abgelaufenem Uhrheberrecht (je nachdem, was früher eintritt)
sowiso niemand mehr hören will. Ich glaube, es würde mir nicht
gefallen.
Da zahle ich lieber auch nach dreizig Jahren Geld für das Lied. Wenn
ich es gut finde. Für die Rente des Künstlers so zu sagen. Oder für
die Schreinerlehre seiner Erben.


>Mach etwas, was die Leute kaufen wollen -hören wollen- und du kannst es
>verkaufen. Wenn du davon leben willst, darfst du keine Sachen
>produzieren, die keiner haben will.

Klar, das ist auch so einfach. In drei Wochen kann eigentlich jeder
einen Hit schreiben, einstudieren und aufnehmen. Muss an den
Star-Allüren liegen, das die sich alle so viel Zeit lassen.

>Natürlich kann man sagen: ha! Aber Werbung, Image, Hastenichtgesehn.
>Klar. Vielleicht hat sowas ja tatsächlich Erfolg und die Musiker können
>es versuchen, ihre Stücke entsprechend bekannter und teurer zu machen.
>Solange es auch "weiße" Musik gibt, also Musik, die es einfach irgendwo
>herunterzuladen gibt, ohne das ganze Brimborium.

Es gibt Musiker, die Ihre Werke (alle oder ausgewählte) umsonst
anbieten, ohne Brimborium. Genau wie es einige Texte von Stephenson,
viele Zeitungen, viel Software usw, legal umsonst gibt.
Wir werden sehen, ob die es schaffen, die etablierten Label zu
verdrängen. Schade fände ich das nicht.

Aber ganz ohne das drum herum funktioniert es aber nicht, glaube ich.
Irgendwie sehen die Massen lieber "halbnackten Mädchen und bartlosen
Jünglingen in weißen Anzügen" als abgehalfterte Straßenmusiker. Selbst
wenn erstere musikalisch nichts drauf haben. Um so mehr, wenn sie gut
Promotet sind. Das schaft den Promotern ein gewisses Existenzrecht.

Mal ganz ehrlich, wolltest DU völlig auf die täglichen skandälchen
"unserer" Sternchen verzichten? Damit wären die Medien gezwungen, sich
völlig auf die skandälchen um Sportler zu konzentrieren...


Insgesammt sehe ich es ähnlich, was Musikindustrie, GEMA (Ha, eine
Intressenvertretung. Und quasi Monopolist. Was kann man da schon
erwarten?), Krimminalisierung von Kunden usw. angeht. Nur Deine
Schlussfolgerungen finde ich zu extrem. Daher nun ein versönlicher
Link:

http://www.ccc.de/campaigns/boycott-musicindustry?language=de

>Gruß Hanno,
>der selbst Musiker ist (nicht hauptberuflich!), aber kein Geld damit
>verdient (hat)

Gruß Alexander, der aus langer Weile schon Handüklingeltöne
komponiert, aber nie Vermarktet hat.

Peter Wernerus

unread,
Oct 4, 2004, 2:09:07 AM10/4/04
to
VOID wrote:

>> Weil der Künstler seine Kohle schon verdient hat und dann eben diese
>> verebt.
>
> Hat er es denn bereits bekommen? Das ist wohl in diesem Fall eher ein
> Anspruch, der auf die Erben übergeht. Sie bekommen ja nichts, was der
> Künstler nicht auch selbst bekommen hätte.

Dann setz halt, anstatt des Todesdatum des Künstlers, das
Erschaffungsdatum oder meinetwegen auch das Erscheinungsdatum an.
Sonst profitiert der eine Künstler (bzw. seine Familie) von 170 Jahren
verkaufen, und der andere von 70 Jahren.

Grüße,
Peter Wernerus

Hanno Behrens

unread,
Oct 4, 2004, 4:34:55 AM10/4/04
to
vwm wrote:
>>Also -äh- wenn ich dich jetzt richtig verstehe, meinst du, ein Stück
>>Musik muss so bezahlt werden, dass es alle Scheissstücke, die der
>>Musiker vorher verbrochen hat, trägt? Also das kommt mir vor wie ein
>>Schreiner, der 200 dreibeinige Tische gebaut hat und erst beim 201 auf
>>die Idee kommt, ein viertes Bein anzubauen. Und wenn ich diesen Tisch
>>dann kaufen will, muss ich alle Arbeit, die er in die anderen 200 Tische
>>gesteckt hat, bezahlen.
>
>
> Klingt komisch, ist aber trozdem so. Wenn der Schreiner in den Tisch
> drei Jahre Entwicklungsarbeit steckt, wird er versuchen, sich die
> danach auch bezahlen zu lassen. Wenn der Tisch Designerpreise bekommt,
> besonders Ergonomisch ist usw. mag das sogar klappen. Wenn ein anderer
> Schreiner ein geichwertiges Modell (keine Kopie!) auf Anhieb schafft,
> kann er es günstiger anbieten, und der erste Schreiner hat ein
> Problem.

Ist in Ordnung, wenn der in den Tisch drei Jahre investiert hat. Aber
jeder Song ist ein Original. Es gibt nun mal gute und schlechte. Und ich
will nicht die "schlechten" kaufen. Bei einem Song ist das eh immer
relativ vom Betrachter aus gesehen. Was der eine gut findet, ist für den
anderen grottig.

Wenn ich einen Song kaufe, kaufe ich diesen Song. Nicht die Jahre
vorher, die der Mann in seine persönliche Entwicklung gestecket hat.
Sowas gibt's nicht. Mir bezahlt auch niemand die Studienjahre, die ich
damit verbracht, habe, Informatik zu lernen. Oder die Zeit, die ich
damals mit dem C64 verbracht habe und und und. Das ist alles sehr schön
für mich, aber ich kann mir das nicht bezahlen lassen. Und ich bezahle
es auch nicht anderen. Nicht so.

> Wenn Dir das mit dem Schreiner nicht Plausiebel erscheint, dann denk
> doch mal an Arzeneimittel, Matterialien, usw. Also Zeug, in dem
> wirklich Entwicklungsaufwand steckt. Natürlich zahlt der Kunde da
> irgendwo auch für die Fehlversuche. Klar, eigentlich zahlt man, weil
> das Produkt nützt. Man zahlt nicht freiwillig, weil etwas Kosten
> verursacht. Aber auf Dauer kann "es" nur Kostendecken angeboten
> werden, oder garnicht.

Einen Song zu schreiben, der Leuten Spaß macht (sowas habe ich schon
getan), kostet etwa ein bis zwei Stunden Zeit. Dazu noch ein bisschen
Einüben. Das war's. Sicherlich kann man mehr Arbeit in Musik stecken.

Jedes Stück Software, sei es noch so minimal verbraucht dagegen ein
vielfaches des Aufwands.

Wenn sich jemand hinsetzt und sich die Mühe macht, ein Jahr lang an
einer Sinfonie zu schreiben, ist es etwas anders, als wenn
Pop-Trällerchen einen Supa-Song "Ich hab dich lieb und will mit dir
ficken" singt. Wenn einer fünfzig solcher Songs schreibt und als
einundfünfzigsten dann einen, den man hören kann und möchte, dann kann
er sich die ersten fünfzig trotzdem in Torf einlegen und als
Kaminanzünder wiederverwerten. Der kann nicht erwarten, dass ich ihm
dafür auch nur einen Euro geben will.

Und wenn er beim einundfünfzigsten Song das wirklich von mir erwartet,
dann bleibt er auf diesem letzten Song auch noch sitzen. Denn es gibt
Musiker, die ihren Job ernst nehmen, die einen guten Song nach dem
anderen produzieren können. Nicht alles Chart-Hits, aber wer steht schon
auf Chart-Hits?

Ich rede von Musik, nicht von Industrieware.

Meiner Meinung nach ist es eine gefährliche und unnatürliche
Einstellung, dass ein Musiker das Recht hat, sich für seinen ganzen
Lebensstil entlohnen zu lassen, wenn er es auch nur schafft, einen
brauchbaren Song zu produzieren. Musik schreiben ist etwas natürliches,
das macht man nebenbei oder auch Hauptberuflich, meinetwegen. Dann ist
das trotzdem viel Arbeit.

Ich verstehe nicht, warum ein Musiker, weil er einen einzigen guten Song
geschrieben hat, sein leben lang danach Ferrari fahren können soll?! Der
ganze Ansatz ist irgendwie krank, ist verzerrt. Und zwar von einem
Eindruck verzerrt, den die Musikindustrie seit Jahren in unseren Köpfen
erzeugt hat.

Wünschenswert ist eigentlich etwas völlig anderes: nämlich dass die
millionenschweren Dinosaurier endlich verschwinden und statt dessen die
kleine, freche Band vom Proberaum nebenan ihren Song ins Internet
stellt, dass sie ein paar tausendmal den Song verkaufen und dabei
vielleicht ein paar Euro machen. Danach ist der Song frei und sie
arbeiten an etwas neuem.

Musik war einmal frei und sollte wieder frei werden. Da greife ich jetzt
mal auf den CCC-Link vorweg. Den Kommerzkack kann man am Ende eigentlich
nur ablehnen. Ich habe neulich auch einen meiner Songs "verkauft". Also
der Typ ruft hier an, fragt, ob er einen meiner Songs "Fightermage" auf
seine CD aufnehmen kann. Ich sage: "Klar, ist aber nicht gerade einer
meiner besseren Songs." War ihm egal. Also Abmachung war, falls sie
damit irgendwie Geld verdienen, geben sie mir was davon ab. Aber war mir
klar, dass sie damit nicht viel Geld verdienen werden, so hab ich dafür
nichts gesehen. ("Die Galgenvögel", ma...@fantasticartworks.de) (Ich bin
übrigens der Meinung, dass sie den Kernpunkt des Fightermage dabei knapp
verfehlt haben, immerhin interessante, bereichernde Interpretation.)

Musik macht man nicht, weil man stinkreich werden will. Das ist einfach
nicht wahr. Ich mache keine Musik, weil ich mir davon auch nur einen
Cent verspreche und ich halte auch von den Musikern, die das nur machen
wegen des Geldes überhaupt nichts. Das heißt nicht, dass ich dabei gern
über den Tisch gezogen werden würde, aber der Song ist ja noch nichtmal
durch sowas wie Arbeit entstanden. Den habe ich rausgewürgt, wie meine
Katze einen Fellklumpen.

Ansonsten habe ich noch dreißig oder vierzig Songs hier rumliegen,
keinen davon habe ich jemals aufgenommen oder auch nur erwogen, ihn zu
Geld zu machen. Und die meisten davon sind besser als der Fightermage.
Das war eigentlich nur als Gag gedacht, nichtmal als echter Song. Alle
diese Songs habe ich mindestens einmal in der Öffentlichkeit vor
größerem Publikum aufgeführt (größeres Publikum ist für mich > 100
Zuschauer). Geld habe ich nie gesehen und hab nie danach gefragt. Will
ich nicht, ich glaube sogar, dass Geld die Kunst tötet in letzter
Konsequenz. (Was nicht heißt, dass alle Künstler hungern sollen,
wohlgemerkt.) Aber Ferrari fahren ist wirklich scheisse. Das ist keine
Perspektive. Und die ganzen "Karrieremusiker" haben sich einen falschen
Beruf gewählt. Musik macht man nicht der Karriere und des guten
Einkommens wegen. Das ist völlig das falsche Gleis.

Und ich wage es einfach mal, mich selbst einen Musiker zu nennen.

>>Wenn der Musiker von Musik leben
>>will, dann soll er gefälligst Musik machen. Dann kann er auch davon
>>leben.
>
> Wie viele Bands kennst Du, die nur einen Erfolg in ihrem Leben hatten?

Zu wenige. Dafür scheffeln einige wenige unmengen an Kohle für Scheisse.
Diese Fehlverteilung des finanziellen Erfolges ist Ergebnis der
Industrialisierung der Musik. Der Markt für den einfachen Musiker ist
einfach weggedröhnt durch die megalomanischen Dinosaurier. Vielleicht
erleben wir es ja nochmal, dass sie endlich aussterben und den
leidenschaftlichen Musikern wieder Luft zum atmen bleibt?

Freie Musik (so wie freie Software) zeichnet sich bereits am Horizont ab
und ich erhoffe mir davon eine deutliche Besserung der Lage. Die
Musikindustrie muss weg. Es kann ihr nicht schlecht genug gehen.

> Obwohl sie es vorher schon jahre lang probiert haben und oder
> hinterher auch noch? Dein Vorschlag, ihnen die Verwertungsrechte zu
> lassen, bis sie für die Zeit im Tonstudio wieder drin haben, lässt die
> ziemlich im Regen stehen. Macht nichts? Der Schreiner kann sich auch
> nicht auf seinem ersten Stuhl ausruhen? Mag sein.
>
> Aber ich glaube, wenn es nach Deinem System ginge, würden nicht so
> viele Musiker bis zu ihrem ersten Hit durchhalten. Oder es nicht erst
> versuche, da der Traum vom Reichtum dann fehlt. Was übrig bleibt kann
> ich nur Spekulieren. Wahrscheinlich vor allem das Zeug, das nach einem
> Jahr bzw. abgelaufenem Uhrheberrecht (je nachdem, was früher eintritt)
> sowiso niemand mehr hören will. Ich glaube, es würde mir nicht
> gefallen.
> Da zahle ich lieber auch nach dreizig Jahren Geld für das Lied. Wenn
> ich es gut finde. Für die Rente des Künstlers so zu sagen. Oder für
> die Schreinerlehre seiner Erben.

Der Musiker gibt nicht auf Musik zu machen, nur weil er keinen Ferrari
fährt. Der will für seinen Gig bezahlt werden, der will den Aufwand für
das Schreiben des Songs bezahlt bekommen und dann ist gut. Mehr will
eigentlich kein Arbeiter - den gerechten Lohn für seine Arbeit - nur das
bisherige System läßt dem Durchschnittsmusiker eben gar kein Geld übrig,
statt dessen konzentriert sich das alles auf zwei oder drei Kübelböcks.
Ich könnte kotzen. Wie schlecht kann ein Verteilungssystem eigentlich
noch sein?!

Es ist gescheitert, war schon immer schlecht. Es muss zerstört werden,
nicht nicht zerstört, es muss vernichtet werden und alles was danach
kommt, kann nur besser werden. So sehe ich das.

>>Mach etwas, was die Leute kaufen wollen -hören wollen- und du kannst es
>>verkaufen. Wenn du davon leben willst, darfst du keine Sachen
>>produzieren, die keiner haben will.
>
> Klar, das ist auch so einfach. In drei Wochen kann eigentlich jeder
> einen Hit schreiben, einstudieren und aufnehmen. Muss an den
> Star-Allüren liegen, das die sich alle so viel Zeit lassen.

Ich habe meistens gar keinen Bock drauf, meine Seele zu strippen. Das
mache ich persönlich ein oder maximal zweimal im Jahr. Demnächst habe
ich vor ein paar Auftritte in einer Kneipe zu machen, hier in Hamburg.
Aber leider nicht mit deutschen Songs, sondern englischsprachig (ist
halt ein irischer Pub). In Englisch bin ich einfach scheisse im
Vergleich zur deutschen Sprache. Ich hoffe, sie werfen mich nicht raus.

Du willst jeden Tag in der Woche einen Song von mir? Ich schreibe ihn
dir. Will für jeden Song den fairen Tageslohn mit 50 Euro die Stunde und
die Sache läuft. Allerdings würde ich mir dann nochmal eine bessere
Gitarre kaufen und neue Saiten. Meine Finger sind schon wieder
durchgesäbelt von den rostigen Drähten.

>>Natürlich kann man sagen: ha! Aber Werbung, Image, Hastenichtgesehn.
>>Klar. Vielleicht hat sowas ja tatsächlich Erfolg und die Musiker können
>>es versuchen, ihre Stücke entsprechend bekannter und teurer zu machen.
>>Solange es auch "weiße" Musik gibt, also Musik, die es einfach irgendwo
>>herunterzuladen gibt, ohne das ganze Brimborium.
>
>
> Es gibt Musiker, die Ihre Werke (alle oder ausgewählte) umsonst
> anbieten, ohne Brimborium. Genau wie es einige Texte von Stephenson,
> viele Zeitungen, viel Software usw, legal umsonst gibt.
> Wir werden sehen, ob die es schaffen, die etablierten Label zu
> verdrängen. Schade fände ich das nicht.

Dito. Das ist jedenfalls der richtige Weg. Musik befreien.

> Aber ganz ohne das drum herum funktioniert es aber nicht, glaube ich.
> Irgendwie sehen die Massen lieber "halbnackten Mädchen und bartlosen
> Jünglingen in weißen Anzügen" als abgehalfterte Straßenmusiker. Selbst
> wenn erstere musikalisch nichts drauf haben. Um so mehr, wenn sie gut
> Promotet sind. Das schaft den Promotern ein gewisses Existenzrecht.

Genau genommen ist das auch gar keine Musik. Ich nennen es Kommerzkack,
aber es gibt bestimmt auch passendere Ausdrücke dafür. Es gibt ja
bekanntlich die E-Musik, die U-Musik und der Kommerzkack ist die
sogenannte K-Musik.

> Mal ganz ehrlich, wolltest DU völlig auf die täglichen skandälchen
> "unserer" Sternchen verzichten? Damit wären die Medien gezwungen, sich
> völlig auf die skandälchen um Sportler zu konzentrieren...

Stimmt. Das stürzt unsere Presse natürlich dann in eine nachhaltige
Krise, weil sie endlich mal ernsthaften Journalismus betreiben müssten
und ihre Klatschspalten schließen. Ich sehe das Problem. Am Ende
vernichten wir die opiummäßige Unterhaltungsindustrie durch das freie
Kopieren von mp3's in Tauschbörsen und wie ein Dominowerk bricht das
ganze Konstrukt in sich zusammen und unsere Kinder kommen in die Gefahr
wieder auf die Straßen zu gehen und zu spielen. Dieses Risiko wäre
eigentlich zu groß. Es könnte zu einer selbstdenkenden Generation
führen, die sich nicht die große Comedyshow auf Pro7 im Abendprogramm
reinzieht oder die "Große 80er Show" oder andere Medienkriegsverbrechen.

Medienkriegsverbrecher werden übrigens immer noch nicht vor Den Haag
zitiert. Wieder eine Ungerechtigkeit. ;-)

> Insgesammt sehe ich es ähnlich, was Musikindustrie, GEMA (Ha, eine
> Intressenvertretung. Und quasi Monopolist. Was kann man da schon
> erwarten?), Krimminalisierung von Kunden usw. angeht. Nur Deine
> Schlussfolgerungen finde ich zu extrem. Daher nun ein versönlicher
> Link:
>
> http://www.ccc.de/campaigns/boycott-musicindustry?language=de

Der Link spricht mir aus der Seele. Wusste gar nicht, dass sich der CCC
dafür engagiert. Aber liegt natürlich nahe. Ich bin ja wohl geistig mit
denen irgendwie verschwägert oder zumindest entfernt verwandt.

Gruß Hanno, dessen Handy selbstkomponiert seit dem ersten Tag, da er es
hat, ihn mit "Joe Hill" begrüßt. Jamba is' nich'. Originalität läßt sich
nicht kaufen.

VOID

unread,
Oct 4, 2004, 9:25:16 AM10/4/04
to
Hanno Behrens wrote:

> Einen Song zu schreiben, der Leuten Spaß macht (sowas habe ich schon
> getan), kostet etwa ein bis zwei Stunden Zeit. Dazu noch ein bisschen
> Einüben. Das war's. Sicherlich kann man mehr Arbeit in Musik stecken.

Und sicherlich muss man das mitunter auch. Schliesslich hast du in
diesen 1-2 Stunden vermutlich keinen Hit geschrieben.

> Wenn sich jemand hinsetzt und sich die Mühe macht, ein Jahr lang an
> einer Sinfonie zu schreiben, ist es etwas anders, als wenn
> Pop-Trällerchen einen Supa-Song "Ich hab dich lieb und will mit dir
> ficken" singt. Wenn einer fünfzig solcher Songs schreibt und als
> einundfünfzigsten dann einen, den man hören kann und möchte, dann kann
> er sich die ersten fünfzig trotzdem in Torf einlegen und als
> Kaminanzünder wiederverwerten. Der kann nicht erwarten, dass ich ihm
> dafür auch nur einen Euro geben will.

Musst du doch auch garnicht. Wenn du sie weder hören, noch spielen
möchtest zahlst du ihm auch kein Geld dafür.

> Ich verstehe nicht, warum ein Musiker, weil er einen einzigen guten Song
> geschrieben hat, sein leben lang danach Ferrari fahren können soll?!

Wo hast du denn diese absurde Vorstellung her???
Zumal das auch noch vollkommen unglaubwürdig ist. Wenn es, wie du ja
sagst, so furchtbar leicht ist einen Song zu schreiben, der Leuten Spaß
macht, dann könntest du doch einfach mal einen guten Song schreiben und
dann auch Ferrari fahren. Dann machen das alle und alle fahren Ferraris.
Eigentlich komisch, das die meisten Songwriter sich nur dann einen
Ferrari leisten können, wenn sie jahrelang Song auf Song produzieren und
mehrere davon erfolgreich werden. Irgendwie würde sich das sonst auch
mit der Zahl existenter Ferraris beissen, wenn du verstehst was ich meine.

> Wünschenswert ist eigentlich etwas völlig anderes: nämlich dass die
> millionenschweren Dinosaurier endlich verschwinden und statt dessen die
> kleine, freche Band vom Proberaum nebenan ihren Song ins Internet
> stellt, dass sie ein paar tausendmal den Song verkaufen und dabei
> vielleicht ein paar Euro machen. Danach ist der Song frei und sie
> arbeiten an etwas neuem.

Das die Plattenindustrie in der medialen Zukunft eigentlich nicht mehr
den Stellenwert hat und haben sollte, den sie früher hatte ist ja
bekannt und mit der Grund für ihren verzweifelten Existenzkampf.

> Musik war einmal frei und sollte wieder frei werden. Da greife ich jetzt
> mal auf den CCC-Link vorweg. Den Kommerzkack kann man am Ende eigentlich
> nur ablehnen. Ich habe neulich auch einen meiner Songs "verkauft". Also
> der Typ ruft hier an, fragt, ob er einen meiner Songs "Fightermage" auf
> seine CD aufnehmen kann. Ich sage: "Klar, ist aber nicht gerade einer
> meiner besseren Songs." War ihm egal. Also Abmachung war, falls sie
> damit irgendwie Geld verdienen, geben sie mir was davon ab. Aber war mir
> klar, dass sie damit nicht viel Geld verdienen werden, so hab ich dafür
> nichts gesehen.

Naja, aber wenn der Song gut gewesen wäre, dann hättest du jetzt ja
einen Ferrari, den du garnicht haben möchtest. Da kannst du dich doch
glücklich schätzen. ;)

> Aber Ferrari fahren ist wirklich scheisse. Das ist keine
> Perspektive. Und die ganzen "Karrieremusiker" haben sich einen falschen
> Beruf gewählt. Musik macht man nicht der Karriere und des guten
> Einkommens wegen. Das ist völlig das falsche Gleis.

Das wiederspricht sich aber irgendwie grotesk. Warum haben sie den
falschen Weg gewählt, wenn sie deinen Worten folgend genau das
erreichen, was sie wollten? Dann haben sie es doch eigentlich genau
richtig gemacht.

Die Tatsache, dass es ja so leicht ist einfach mal einen guten Song zu
schreiben und dann in Saus und Braus zu leben müsste ja auch eigentlich
den ganzen kleinen Bands das Überleben ermöglichen. Dann schreiben die
einfach mal einen guten Song und haben dann soviel Geld, das sie ihr
Leben lang danach spielen können, was sie wollen. :o

> Und ich wage es einfach mal, mich selbst einen Musiker zu nennen.

Das kannst du sicherlich machen. Immerhin kannst du ja recht passabel
Guitarre spielen. Das können eine Menge Menschen schliesslich nicht.
Die Allgemeinheit definiert einen "Musiker" aber vermutlich etwas
komplexer und umfassender.

> Zu wenige. Dafür scheffeln einige wenige unmengen an Kohle für Scheisse.

Sagst du! Wenn es sich verkauft, dann mögen es scheinbar viele Menschen.
Wer bist du zu beurteilen, dass das dann Scheisse ist? Vielleicht
gefällt es dir nicht und vielleicht stimmen dir da andere sogar zu, aber
das ist keine sehr objektive Betrachtung.

> Freie Musik (so wie freie Software) zeichnet sich bereits am Horizont ab
> und ich erhoffe mir davon eine deutliche Besserung der Lage. Die
> Musikindustrie muss weg. Es kann ihr nicht schlecht genug gehen.

Dem stimme ich fast vorbehaltslos zu.

http://www.chumbawamba.tv/media/Chumbawamba-RockPass.mp3

> Der Musiker gibt nicht auf Musik zu machen, nur weil er keinen Ferrari
> fährt. Der will für seinen Gig bezahlt werden, der will den Aufwand für
> das Schreiben des Songs bezahlt bekommen und dann ist gut. Mehr will
> eigentlich kein Arbeiter - den gerechten Lohn für seine Arbeit - nur das
> bisherige System läßt dem Durchschnittsmusiker eben gar kein Geld übrig,
> statt dessen konzentriert sich das alles auf zwei oder drei Kübelböcks.

Was ist denn der gerechte Lohn für Kunst? Das ist doch ausgesprochen
Subjektiv. Auf der einen Seite lötet jemand eine Tolle Metallschrott
zusammen und verkauft es für eine Million Euro und auf der anderen Seite
verarmt ein talentierter Maler. Wenn ich jetzt aber der Meinung bin,
dass der Metallschrott ein Kunstwerk ist, dann ist der Preis vielleicht
gerechtfertigt, denn ein Künstler braucht ja auch Budget um wachsen zu
können. Vielleicht will er ja eine noch grössere Metallschrottskulptur
machen. So ist das letztlich auch in der Musik. Man kann nicht so
einfach beurteilen, was Schrott ist und was nicht.

> Du willst jeden Tag in der Woche einen Song von mir? Ich schreibe ihn
> dir. Will für jeden Song den fairen Tageslohn mit 50 Euro die Stunde und
> die Sache läuft. Allerdings würde ich mir dann nochmal eine bessere
> Gitarre kaufen und neue Saiten. Meine Finger sind schon wieder
> durchgesäbelt von den rostigen Drähten.

Da ich bezweifle, dass sich die dann für Ferraris eintauschen liessen
wäre das aber vermutlich für den Zwischenhändler kein lohnendes Geschäft.

> Stimmt. Das stürzt unsere Presse natürlich dann in eine nachhaltige
> Krise, weil sie endlich mal ernsthaften Journalismus betreiben müssten
> und ihre Klatschspalten schließen. Ich sehe das Problem. Am Ende
> vernichten wir die opiummäßige Unterhaltungsindustrie durch das freie
> Kopieren von mp3's in Tauschbörsen und wie ein Dominowerk bricht das
> ganze Konstrukt in sich zusammen und unsere Kinder kommen in die Gefahr
> wieder auf die Straßen zu gehen und zu spielen. Dieses Risiko wäre
> eigentlich zu groß. Es könnte zu einer selbstdenkenden Generation
> führen, die sich nicht die große Comedyshow auf Pro7 im Abendprogramm
> reinzieht oder die "Große 80er Show" oder andere Medienkriegsverbrechen.

Das zäumt das Pferd von der falschen Seite auf. Ein kritischer Geist
wählt selbst, was er sich anschaut. Die Masse der Menschen zu
kritischen, gebildeten und wählerischen Individualisten machen zu wollen
ist absolute Utopie, die man vielleicht mit Genmanipulation und
Neuroimplantaten erreichen könnte.

--
mfG,
VOID

Sebastian "SeBB" Giese

unread,
Oct 4, 2004, 12:18:30 PM10/4/04
to
VOID wrote:

> Was ist denn der gerechte Lohn für Kunst? Das ist doch ausgesprochen
> Subjektiv. Auf der einen Seite lötet jemand eine Tolle Metallschrott
> zusammen und verkauft es für eine Million Euro und auf der anderen Seite
> verarmt ein talentierter Maler. Wenn ich jetzt aber der Meinung bin,
> dass der Metallschrott ein Kunstwerk ist, dann ist der Preis vielleicht
> gerechtfertigt, denn ein Künstler braucht ja auch Budget um wachsen zu
> können. Vielleicht will er ja eine noch grössere Metallschrottskulptur
> machen. So ist das letztlich auch in der Musik. Man kann nicht so
> einfach beurteilen, was Schrott ist und was nicht.

Du warst mal aufm Platz vor der Hauptmensa in Jena? ;)

> Die Masse der Menschen zu
> kritischen, gebildeten und wählerischen Individualisten machen zu wollen
> ist absolute Utopie, die man vielleicht mit Genmanipulation und
> Neuroimplantaten erreichen könnte.

Zumal man damit lediglich die Statistik etwas verschiebt. Im Prinzip
bleibst bei ner Normalverteilung, mit allen Konsequenzen.
Dass die vielleicht bei absoluten Auspraegungen anders gelagert ist,
duerfte dabei nicht wirklich was aendern, da wir ehh subjektiv und in
der Regel relativ zu anderen wahrnehmen...

SeBB

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