Teil 6
DVU in Bremen
Die Wahl in Bremen 1991 ist bundesweit aufmerksam verfolgt
worden. Der gesamte Wahlkampf war davon geprägt, daß die
großen Parteien und auch die Grünen das sogenannte
Asylproblem in den Vordergrund rückten und ausnahmslos alle
repressive Maßnahmen vorschlugen. Die Wanderung von 5000 SPD-
WählerInnen zur DVU ist direkt mit der politischen Debatte
um Flüchtlinge und Asylrecht in Verbindung gebracht worden.
(Für alle, die diese Diskussion nicht im einzelnen verfolgt
haben: Bremens Bürgermeister Klaus Wedemeier (SPD) hatte
beschlossen, Asylanträge von RumänInnen und PolInnen nicht
mehr anzunehmen, mit der Begründung, die Aufnahmekapazität
Bremens sei erschöpft.)
Mit dieser Stimmungslage war das nahegelegt, was
dann auch viele getan haben: Lieber die DVU zu wählen, weil
das die besseren Vertreiber sind. Genau dort liegt nämlich
der Unterschied zu 1987, als noch weitaus mehr Themen den
Wahlkampf bestimmten, die DVU aber schon damals vor allem
über ihre ausländerfeindliche Agitation Gehör fand.
DVU
Die DVU hat in Bremen zwei- bis dreihundert Mitglieder
(Männer und Frauen). Diese Zahl entsteht durch einen Stamm
passiver Mitglieder, die zumeist nur die Zeitungen der DVU
lesen bzw. abonnieren. Aktiv sind davon nur 30-40 Personen.
Organisatorisch wird die DVU hauptsächlich von Personen aus
der NPD bzw. JN, das ist die Jugendorganisation der NPD,
getragen.
Gäste der monatlichen Treffen der DVU, den
sogenannten Frühschoppen, sind ungefähr 30, meist ältere
Personen, die z.T. aus anderen Organisationen bekannt sind.
Die DVU unterhält intensive Verbindungen, auch personeller
Art, zu Landsmannschaften, Reservistenverbänden,
Ludendorffern (eine völkisch-rassistische Sekte).
Seit 1987 hatte die DVU zwar einen Abgeordneten in
der Bremer Bürgerschaft, namentlich ist das Hans Altermann.
Dieser ist dort allerdings selten in Erscheinung getreten;
er war erst drei Monate vor der Wahl durch eine
Postwurfsendung zur DVU gekommen, hatte zuvor stets SPD
gewählt und wurde gleich als Spitzenkandidat aufgestellt.
Zudem stand er im Bremer Parlament mit seiner zwar
provokanten aber plumpen Propaganda auf einsamem Posten und
war rhetorisch schlecht.
Wahlkampf
Der Wahlkampf 1991 unterschied sich nicht von dem
vorangegangener Jahre bzw. dem anderer Bundesländer.
Öffentliche Veranstaltungen wurden vermieden. (Erwähnt
werden sollen hier nur die massenhaft aufgehängten Plakate.
Nachdem es zum Sport geworden war, diese abzureißen, und
einige DVU-Wahlhelfer, unter anderem Gerhard Frey jun.,
verprügelt wurden, waren Gruppen mit bis zu 15 Leuten
unterwegs. Es sind einige Fälle bekannt, in denen
Republikaner unter ihren eigenen Plakaten gelauert haben und
PlakatiererInnen antifaschistischer Plakate verfolgten. Bei
der Polizei wurden mehrere Anzeigen gegen Unbekannt
gestellt, es gab zahlreiche Festnahmen.)
Wahlen
28.668 Männer und Frauen haben 1991 im Land Bremen
faschistische Parteien (NF/DVU/REP) gewählt, doppelt so
viele wie noch 1987. Die DVU kam in Bremen auf 6,2%, in
Bremerhafen auf 10,1%. Damit bekam die DVU sechs Sitze in
der Bürgerschaft und elf Mandate in Stadtteilbeiräten. Die
veröffentlichten Statistiken liefern allerdings keine
Einschätzung. "Das Statistische Landesamt behauptet, daß der
rasche Anstieg der Ausländerzahlen (...) einen
Stimmungsumschwung in davon betroffenen Gebieten bewirkt
hätte. Für eine solche Behauptung gibt es allerdings keine
erkennbaren (...) Beweise in der Statistik. Eine Korrelation
zwischen der Nachbarschaft und beispielsweise Wohnheimen für
Flüchtlinge und rechtsextremistischem Wahlverhalten entbehrt
jeder Grundlage. Feststellen können wir nur eines:
Offensichtlich konnte reaktionärer Fremdenhaß, unabhängig
von der realen Anwesenheit von Ausländer(innen) besonders
gut in der sozialdemokratischen Stammwählerschaft auf
fruchtbaren Boden fallen." (Kassiber Nov. 1991)
Antifaschistische / Antirassistische Politik
Es gab in der Zeit vor den Wahlen (und bewußt zu diesem
Zeitpunkt) "antifaschistische Aktionswochen", die
Ausstellung "Männer für's Grobe - der schlagende Arm der
rechten Bewegung" tourte durch verschiedene
Jugendfreizeitheime, zusammen mit einem Rahmenprogramm von
Veranstaltungen, Filmen etc. Solche Aktivitäten hatten
allerdings kaum Resonanz. Mehr Wirbel gab es bei der
Blockade einer Schönhuber- bzw. Republikaner-Veranstaltung,
wie auch bei der Blockade von DVU-Bussen. Und am Wahlabend,
als viele Leute nach Bekanntwerden der Wahlergebnisse an
einer Demonstration teilnahmen. Diese verschiedenen Formen
von "auf die Straße gehen" entstanden aber mehr aus der
Motivation, präsent zu sein, weniger aus einer entwickelten
Strategie gegen die DVU, Antworten auf DVU-Argumentationen
(oder ähnlicher Beschäftigung mit faschistischem Potential).
In der darauf folgenden Zeit gab es einige
Angriffe, Besuche u.ä. bei Abgeordneten (nicht nur) der DVU.
Als Reaktion traten Stadtteilbeiräte in Gröpelingen, Walle
und Huching zurück und/ oder aus der DVU aus. Seit Sommer
1992 bildeten sich Stadtteilgruppen, die ihren Schwerpunkt
vor allem auf antirassistische Arbeit legten. Es soll hier
nicht darum gehen, die Positionen der verschiedenen Parteien
zu differenzieren. Angesichts dieser Positionen wird
allerdings deutlich, warum der antifaschistische Kampf sich
nicht nur gegen die Politik der DVU und anderen
faschistischen Organisationen richtete, sondern auch gegen
die Politik der bürgerlichen Parteien. So hat beispielsweise
eine Kampagne verschiedener politischer Gruppen die Rolle
der Polizei in staatlicher Flüchtlingspolitik zum Thema
gemacht.
DVU in Bremen - Teil II
Zur Erinnerung: Im September 1991 zog die Deutsche
Volksunion (DVU) als Fraktion in das Bremer Parlament ein,
die Regierung bildete die sogenannte "Ampelkoalition", eine
Koalition aus Grünen, SPD und FDP. Damals, bei sechs DVU-
Abgeordneten im Parlament, denen z.B. in den
unterschiedlichen Deputationen (Arbeitsausschüssen)
Möglichkeiten zur Einflubnahme gegeben waren, war der Sturm
von Entrüstung und Abgrenzung von dieser Partei und ihrer
Politik enorm. (Was sich aber angesichts dessen, dab dies
niemanden davon abhalten konnte, gegen die Angriffe einiger
beherzter AntifaschistInnen die gemeinsame demokratische und
"gewaltfreie" Grundlage mit der DVU zu versichern, als nicht
mehr als ein Lippenbekenntnis entpuppte.) Jetzt, nachdem
zwei Jahre vergangen sind, läbt sich sagen, dab die DVU
keine der Befürchtungen, sie werde in die Politik des
Bremischen Parlamentes mit ihrem Stimmanteil eingreifen/
mitwirken wollen, bestätigt hat. Im Sinne der anderen
Parteien hat die DVU in diesen zwei Jahren ein Armutszeugnis
ihrer Politik demonstriert.
Trotz ihres offenkundigen "Niederganges" steht zu
befürchten, dab die Menschen, die die DVU wählten, dies
weiterhin tun werden.
Die Politik der DVU in der Bremer Bürgerschaft /
Hetzkampagnen
Für die anderen bürgerlichen Parteien hat die DVU in der
Bürgerschaft "einen Skandal nach dem anderen produziert", so
steht es in einer Studie, die im Auftrag der Grünen erstellt
wurde. Hintergrund dieser Aussage ist das Verhalten der DVU,
das so beschrieben wird: "Insbesondere der Umgang mit
Fraktions- und Gruppenzuschüssen dokumentiert, dab die DVU
nach wie vor mit parlamentarischer Arbeit nichts im Sinn
hat. Dieser Umgang (...) hat Methode: Die DVU hat alles
getan, Fraktionsgelder jenseits der Zweckbestimmung zu
verwenden (...) Mibbrauch des Parlaments ist der Kern des
politischen Handelns der DVU (...) Die DVU versteht die
Bürgerschaft weiterhin als Bühne für Reden zum Fenster
hinaus (...); mit der Arbeit an Sachfragen hat sie nichts im
Sinn." Innerhalb der DVU kam es zu "Linienstreits". Einmal
war sich die DVU selbst nicht einig, wie sie in der
Bürgerschaft arbeiten sollte. Sie schwankten von der
bewubten politischen Teilhabe am Parlament bis hin zu einem
reinen "oppositionellen" Status. Führenden Leuten von der
einen Seite, die sich selbst als gemäbigte Rechte
bezeichnen, war daran gelegen, die politische
Begrifflichkeit der eigenen Partei über die "Asylfragen"
hinaus zu erweitern und das autoritäre Grundkonzept
Parlament anzuerkennen. Der anderen Seite, den Vertrauten
Freys, lag mehr daran die politische Arbeit der
"Altparteien" zu diffamieren und sich streng an das zentrale
Konzept aus München zu halten. Insgesamt mub gesagt werden,
dab die DVU weder in der einen noch in der anderen Art eine
Politik im Sinne der Bremer Bürgerschaft machen konnte.
Die Abgeordneten der DVU
Die DVU hat inzwischen ihren Status als Fraktion verloren.
Sie besteht nur noch als Gruppe, die Zahl ihrer Abgeordneten
hat sich auf die Hälfte reduziert. Karl-Heinz Vorsatz, NPD-
Mitglied und in der DVU mit dem Ziel, die Rechten zu
vereinigen, starb im September 1992.
Hans Altermann, schon 1987 als einziger Abgeordneter der
DVU in die Bremer Bürgerschaft gewählt, trat kurz nach der
Wahl wieder aus.
Peter Nennstiel, Gründungsmitglied der Bremer DVU,
trat im Januar 1993 aus der Partei aus.
Klaus Blome, ebenso Gründungsmitglied der Bremer
DVU, war im Juni 1993 ausgetreten, hatte aber diesen Schritt
wegen des groben Drucks der DVU nach drei Tagen wieder
zurückgenommen bis er im Oktober 1993 endgültig ausgetrat.
Alle drei schlossen sich der Gruppe der
Nationalkonservativen an, die einige Zeit der "Deutschen
Liga für Volk und Heimat" des Europaparlamentsabgeordneten
Harald Neubauer nahestand, Hans Altermann trat hier im Juli
1993 wiederum aus. Gründe dieser Austritte waren vor allem
parteiinterne Konflikte. Peter Nennstiel und Klaus Blome
wehrten sich gegen das Ansinnen der Münchner Parteizentrale,
als ihre Marionetten zu fungieren. Auch die plumpe
Propaganda der DVU, die Reduzierung auf das "Asyl- und
Ausländerthema", wurde von ihnen kritisiert. Übrig bleiben
noch Marion Blohm, die Fraktionsvorsitzende der Bremer
Partei und Hans-Otto Weidenbach, der Landesvorsitzende der
NPD. Beide stehen der Linie des Parteichefs Frey nahe, sie
haben diese in den parteiinternen Konflikten ebenso wie nach
auben propagiert (und ihren Vorteil daraus geschlagen).
Bremer AntifaschistInnen
Teil 6 Ende
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