Auszug aus Heinrich Manns Roman Der Atem:
Es war der 1. September 1939, der Tag, als Nazi-Deutschland in Polen
einfiel.
Drinnen in dem bewachten Zimmer standen Direktor und geheimer Agent
einander gegenüber.
"Sie, ein Bankdirektor, können nicht unbeteiligt zugesehen haben. Ihre
kleinsten Angestellten... versuchten, dahinter zu kommen, Sie nicht?"
Der Agent, ein Mitglied des Deuxième Bureau oder Aufklärungsdienstes,
sprach knapp, unter dem Vorwand der Geradheit. Monsieur Frédéric
Conard sah ihn offen an... "Können Sie mir sagen, welche anderen
Tatsachen noch mitzählen, wenn die alleräußerste eintritt: der Krieg?"
"Die Tatsache, daß er beschlossener Weise verloren werden soll."...
"...Warum überfällt jeder der will, Frankreich? Ich habe richtig
gehört; Sie sagten, es sei von uns beschlossen, ihnen nicht zuvor zu
kommen, vielmehr ihnen die volle Aktion zu überlassen; uns, bevor wir
es sind, geschlagen zu geben."
"Richtig. Wenn auch nicht jeder eingelassen würde, und nicht wir alle
einig mit dem Feind sind. Ce n'est pas la France. C'est une clique...
Verzeihung, Conard, für mein Mißtrauen. Sie sind kein Synarque."
"Was ist das? Ah! Die Verschworenen mit ihrer Philosophie des
Synarchismus..."
Léon Jammes: "Den Trustmagnaten persönlich wird allerdings weder das
eine noch das andere nachzuweisen sein. Sie haben nicht gesprochen,
sie handeln nicht. Die Morde des Synarchismus stehen fest. Beachten
Sie, Conard, daß ein Polizist es sagt. Aber sie auszuführen dienen die
kleinsten seiner Agenten. Diese sind der Exekutive unbekannt. Andere
Agenten, die ihr näher stehen, haben die Täter bestimmt und
abgeschickt. Aber diese Synarchen gehobenen Ranges werden nur
gebraucht, nicht eingeweiht."
Frédéric Conard: "Lieber Jammes, ich habe den besten Willen, ihnen zu
folgen. Gestehen Sie, daß Sie es mir schwer machen! Kein Mensch weiß
etwas Ganzes, aber alle betreiben die gemeinsame Herrschaft, le
synarchisme. Hat wenigstens einer ihn erfunden?"
Léon Jammes: "Für welchen Unfug, welches Verbrechen der Mächtigen
finden sich nicht Schriftsteller, die sie in Gedanken kleiden? Den
Lohn empfangen nicht die Urheber, sondern die praktischen Vermittler,
wenn sie die Mächtigen auf ihren Weg bringen, ihn rechtfertigen gegen
Zweifel und hiervon gut leben, bis sie zuviel geredet haben, worauf
einer oder zwei verschwinden. Hier beginnen die unverlangten
Nachforschungen des Polizisten, und führen furchtbar weit."
Frédéric Conard: "Unverlangt, ich verstehe: unerwünscht. Mit Recht
unerwünscht. Leute, die einander nicht einmal dem Namen nach kennen,
und ich weiß von keinem, - wollen gemeinsam die Macht übernehmen. Ce
synarchisme-là a tout l'air d'être d'une blague."
Léon Jammes: "Vous n'y êtes pas. Die Macht gehört im Synarchismus den
Trusts allein. Es ist nicht die Rede davon, daß ausgehaltene Schlucker
an ihr beteiligt werden: dies war der Parlamentarismus, der bei den
Verschwörern Anarchie heißt. Jede noch so indirekte, überdies
verfälschte Einflußnahme der arbeitenden Nation bedeutet nach dieser
Lehre Anarchie. Le synarchisme ist die gemeinsame Beherrschung aller
Nationen durch ihre verbündeten Trusts, die für sich keine nationalen
Grenzen kennen. Dem Volk bleiben sie erhalten."
Frédéric Conard: "Das wäre Landesverrat."
Léon Jammes: "Ist es seit 1922, dem Gründungsjahr des Synarchisme..."
Quelle: http://www.solidaritaet.com/neuesol/2003/36/mann.htm
Definition des Synarchismus:
"Synarchismus" ist die im 20. Jahrhundert angenommene Bezeichnung für
eine geheime Freimaurersekte, die sog. Martinisten, die der Tradition
von Kaiser Napoleon Bonaparte anhing. Von den 20er Jahren des 20.
Jahrhunderts bis 1945 klassifizierten amerikanische und andere
Geheimdienste sie unter der Rubrik "Synarchismus: Nazi/Kommunistisch",
weil sie scheinbar gegensätzliche prokommunistische und rechtsradikale
Kräfte gleichzeitig einsetzte, um Regierungen einzukreisen. Alle
faschistischen Bewegungen des 20. Jahrhunderts und danach sind, ebenso
wie die meisten terroristischen Bewegungen, Schöpfungen des
Synarchismus.
Synarchismus war das wichtigste Merkmal der Organisation der
faschistischen Regierungen in Italien, Deutschland, Spanien, Vichy-
und Laval-Frankreich und verbreitete sich auch über spanische Kanäle
der Nazis von Mexiko aus nach ganz Mittel- und Südamerika. Die
mexikanische Partei PAN entstand als Auswuchs dieser Unterwanderung.
Typisch sind die heutigen Anhänger von Leo Strauss und Alexandre
Kojève.
Auf dieses Netzwerk stößt man in nominell linken wie rechten Kreisen,
wie etwa der Redaktion des Wall Street Journal, der
Mont-Pèlerin-Gesellschaft, des American Enterprise Institute und des
Hudson-Instituts sowie den sog. integristischen extremen Rechten in
der katholischen Kirche. Die Macht dahinter ist ein Netz privater
Banken nach dem Vorbild der mittelalterlichen venezianischen fondi.
Die synarchistische Verschwörung der Banque Worms in den 40er Jahren
während des Krieges ist nur ein Beispiel für die Rolle solcher
Bankeninteressen hinter den verschiedenen faschistischen Regierungen
jener Zeit.
Faktisch entsprangen die Synarchisten dem unmittelbaren Umkreis
Napoleon Bonapartes; Veteranen der napoleonischen Feldzüge
verbreiteten die Praktiken der Martinisten um die Welt. G.W.F. Hegel,
ein leidenschaftlicher Bewunderer Napoleons, lieferte als erster eine
faschistische historische Staatslehre. Nietzsche erweiterte Hegels
Theorie um die These eines von "Tiermenschen" entfesselten
dionysischen Terrors, wie er von den faschistischen Bewegungen und
Regimes im 20. Jahrhundert dann auch tatsächlich praktiziert wurde.
Die bemerkenswertesten faschistischen Ideologen der akademischen Welt
nach dem Zweiten Weltkrieg sind Leo Strauss von der Universität
Chikago (der Vordenker der heutigen neokonservativen Ideologen in den
USA) und dessen Gesinnungsgenosse Alexandre Kojève in Paris.
Quelle: http://www.solidaritaet.com/neuesol/2003/35/synarchie.htm