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Waldorf - Naturwissenschaft

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Rolf Imdahl

unread,
Oct 11, 2004, 4:45:32 AM10/11/04
to
Hallo,
seit einiger Zeit hadere ich mit den Naturwissenschaften an meiner
Waldorfschule (kommt sich daher, dass ich der Natu-Lehrer bin).
Einmal sollen Oberstufen-Schüler die heutige Welt verstehen lernen,
auch die Schrödinger-Gleichung und das Atommodell, andererseits höre
ich die Glocken läuten (ich meine innerlich, wo sonst), wenn ich
Steiners Aufzeichung lese, man soll "den Bleiprozess im Menschen" den
Schülern beibringen. Ja, wat denn nu?
Ein schlimmerer Spagat geht gar nicht - und das in drei Wochen
Unterrichtszeit (nein, nicht drei Wochen den ganzen Schulvormittag,
nur die schönen Epochenstunden = Zwei Schulstunden je Tag).

Hat einer Erfahrung (ich meine: mit diesem Thema - sonst haben hier ja
alle ihre Erfahrungen!!) und kann "mitleiden" oder einer Schüler, der
nicht "animiert" und Bomben bastelt, kann mitreden (aber nicht so
viel!?)?

Gruß
Rolf

P.S. Ich bin ja so gespannt auf das was kommen wird (ne´, Harald).

Till Walther

unread,
Oct 11, 2004, 6:24:13 AM10/11/04
to
Rolf Imdahl schrieb:

> Ein schlimmerer Spagat geht gar nicht

Dann lass den Spagat doch weg und unterrichte rein
naturwissenschaftlich. Mache ich auch so. ;)

--
http://cretatus.com

Harald Effenberg

unread,
Oct 11, 2004, 10:08:51 AM10/11/04
to
"Rolf Imdahl" <Rolf-...@t-online.de> schrieb:

> Einmal sollen Oberstufen-Schüler die heutige Welt verstehen lernen,
> auch die Schrödinger-Gleichung und das Atommodell, andererseits höre
> ich die Glocken läuten (ich meine innerlich, wo sonst), wenn ich
> Steiners Aufzeichung lese, man soll "den Bleiprozess im Menschen" den
> Schülern beibringen. Ja, wat denn nu?

Sorry, daß ich mich als Nicht-Lehrer und Nicht-Wissenschaftler (und
Nicht-Anthroposoph noch dazu) hier einmische.

Unser wunderbarer Herr Schupelius hat das IMHO sehr gut gelöst:
Die wissenschaftlichen Modelle erklärt und anschliessend erläutert,
warum das alles in Wirklichkeit gar nicht so ist bzw. man nicht wissen
kann, wie es ist.
Ob das dem "Bleiprozess" entspricht, weiß ich natürlich nicht.
Auch fand das Ganze nicht im Unterricht, sondern einem Gesprächskreis
für Eltern statt. Und das Problem, daß man erstmal die Modelle kapiert
haben muß, bevor man kapieren kann, wie unzureichend sie sind, und daß
man für Ersteres oft so viele Unterrichtsstunden braucht, daß für
Letzteres keine Zeit mehr bleibt, wurde auch ausführlich erörtert.

Falls Du sie nicht kennst, hier zwei (sehr theoretische und für Dich
wahrscheinlich nicht unmittelbar hilfreiche) Links:
http://www.cityinfonetz.de/homepages/hammerschmitt/low_hansson.html
(Überblättere den ersten Absatz einfach)
und
http://www.waldorf.net/rs.htm

Viele Grüße
Harald
--
http://cgi6.ebay.de/ws/eBayISAPI.dll?ViewSellersOtherItems&userid=haraldeffenberg

Rolf Imdahl

unread,
Oct 11, 2004, 2:10:33 PM10/11/04
to
"Harald Effenberg" <reis...@effenberg.de> schrieb:


> Sorry, daß ich mich als Nicht-Lehrer und Nicht-Wissenschaftler (und
>Nicht-Anthroposoph noch dazu) hier einmische.

Einmischung ist doch ausdrücklich erwünscht - sonst hätte ich doch das
auch in unserem "inneren Kreis" belassen können.

>Unser wunderbarer Herr Schupelius hat das IMHO sehr gut gelöst:

Mich freut es sehr, dass Herr Schupelius hoch gelobt wird, es gab eine
Zeit, in der ich an der gleichen (wohl kleinen) Waldorfschule
unterrichteten.

>Die wissenschaftlichen Modelle erklärt und anschliessend erläutert,
>warum das alles in Wirklichkeit gar nicht so ist bzw. man nicht wissen
>kann, wie es ist.

Nun zum Kern des Hinweises: Diese Vorgehensweise kann man bei
Oberstufenklassen IMHO ab der 12. Klasse anwenden, die vorherigen sind
Schüler sind da eher verwirrt, wenn ich erst etwas aufbau und es dann
wieder umschupse (apropos Schupelius). Habe ich nämlich schon versucht
und es hat so nur bei einer Klasse funktioniert. Die Schüler sind halt
doch sehr auf den Lehrer angewiesen, was der glaubt und darstellt ist
für dieselben Gesetzt (auch in Waldorfschulen). Daher rührt ja meine
innere Unruhe. Wie also erzähle ich jemandem etwas über z.B. Chemie,
der davon naturgemäß noch nichts versteht, das es etwas gibt, das
allgemein anerkannt ist, jedoch "in Wirklichkeit gar nicht so ist",
sondern (Bleiprozess) noch viel komplizierter und "mystischer".


>Ob das dem "Bleiprozess" entspricht, weiß ich natürlich nicht.

>Auch fand das Ganze nicht im Unterricht, sondern einem Gesprächskreis
>für Eltern statt. Und das Problem, daß man erstmal die Modelle kapiert
>haben muß, bevor man kapieren kann, wie unzureichend sie sind, und daß
>man für Ersteres oft so viele Unterrichtsstunden braucht, daß für
>Letzteres keine Zeit mehr bleibt, wurde auch ausführlich erörtert.

Ich wußte doch, das Herr Schupelius glücklicherweise immer noch
derselben, m.E. richtigen Meinung ist. Blöde nur, dass die
Waldorfschulen immer an dieser Messlatte gehalten werden und gesagt
wird: Naturwissenschaft kannst du an Waldorfschulen nicht erwarten.

>Falls Du sie nicht kennst, hier zwei (sehr theoretische und für Dich
>wahrscheinlich nicht unmittelbar hilfreiche) Links:
>http://www.cityinfonetz.de/homepages/hammerschmitt/low_hansson.html
>(Überblättere den ersten Absatz einfach)
>und
>http://www.waldorf.net/rs.htm

Vielen Dank für die Gedanken -
Gruß auch nach Berlin.
Rolf
>Viele Grüße
>Harald

Rolf Imdahl

unread,
Oct 11, 2004, 2:41:08 PM10/11/04
to
Till Walther <10-...@cretatus.com> schrieb:

>Rolf Imdahl schrieb:
>
>> Ein schlimmerer Spagat geht gar nicht
>
>Dann lass den Spagat doch weg und unterrichte rein
>naturwissenschaftlich. Mache ich auch so. ;)

Wenn das so einfach wäre. Ich denke mir dan immer, warum bist du an
eine Waldorfschule gegangen: Um der Anthroposophie eine reale Chance
zur Entfaltung zu geben. Nicht, dass ich Steiner im Unterricht
zitieren will, oder hätte. Aber ich denke, ich bin innerlich so
verpflichtet, der Sache gegenüber, dass ich das auch wahr machen
möchte, was die ursprünglich Intention war. Warum hat denn Bio-Nahrung
einen solchen Erfolg gehabt? 1920 gab es das ja schon und hat sich
langsam an das Allgemeinbewußtsein herangepirscht. Waldorfpädagogik,
entsprungen einer Zeit der Refompädagogik hat nicht nur überlebt, sie
hat sich auch noch ausgebreitet.
Nur, so finde ich, hat sich der Ansatz in der 7. - 8. Klasse
ausge"steinert". Dann wird es mau im Staate Dänemark. Hier kann
reformiert, hier kann angesetzte werden - aber wie? Kollegen von mir
sind völlig entgegengesetzt zu deiner rein naturwissenschaft
Unterrichtsmethode und verwenden in der Chemie keinerlei Formelschrift
- auch in der 12. Klasse nicht. Hier bin ich, glaube ich mehr
Zeitgenosse, für mich darf das nicht sein seitdem O2 auch ein
Handynetz ist.
Wie aber das Periodensystem nutzen ohne dessen analytische
Skeletierung aufzuzeigen? Das mag ja noch gehen und ist leicht
leistbar. Wenn aber eine Frage an mich herangetragen wird, den
"Bleiprozess im Menschen" zu unterrichten, wie kann ich dann von
Saturnzustand der Welt, dem Feuerprozess und den Geistern der Form
reden, ohne für bekoppt gehalten zu werden. Mir fehlt halt der
inhaltliche Ansatz einer wirklichen Umsetzung dieser Erkenntnisse in
die Unterrichtspraxis.
So jetzt höre ich auf, sonst verrenn ich mich noch in Einzelheiten
(was ich im übrigen schon getan habe).

Gruß
Rolf

Till Walther

unread,
Oct 11, 2004, 3:03:59 PM10/11/04
to
Rolf Imdahl schrieb:

> Mich freut es sehr, dass Herr Schupelius hoch gelobt wird,

Vor allem, weil ich erst dachte, es ginge um unseren Schupi.
Das ist aber sein Sohn. ;)

> Nun zum Kern des Hinweises: Diese Vorgehensweise kann man bei
> Oberstufenklassen IMHO ab der 12. Klasse anwenden, die vorherigen sind
> Schüler sind da eher verwirrt, wenn ich erst etwas aufbau und es dann
> wieder umschupse (apropos Schupelius).

Das andere Problem ist die Stoffmenge, die in der 12 zu Stundenplänen
mit mehr als 40 WS führt - und die beinhalten nur das, was für's Abi
gebraucht wird und halt die üblichen Waldorf- und Nichtwaldorf-
Nebenfächer. Es mag natürlich interessant sein, Bleiprozesse oder was
auch immer zu besprechen, aber höchstens am Rande. Meine Meinung.

--
http://cretatus.com

Henning Kullak-Ublick

unread,
Oct 12, 2004, 4:24:34 AM10/12/04
to
"Rolf Imdahl" <Rolf-...@t-online.de> schrieb

Lieber Rolf, ein paar Gedanken dazu von einem Klassenlehrer ...

>>> Ein schlimmerer Spagat geht gar nicht
>>
>>Dann lass den Spagat doch weg und unterrichte rein
>>naturwissenschaftlich. Mache ich auch so. ;)

Sorry, wenn du anthroposophische Gesichtspunkte nur im Gegensatz zur
Naturwissenschaft vermitteln kannst, solltest du es lassen. Lies Steiners
Buch "Von Seelenrätseln", in welchem er sich mit dem Verhältnis von
Naturwissenschaft und Geisteswissenschaft auseinander setzt. Da macht er
wissenschaftstheoretisch klar, dass es sich eben nicht um Gegensätze
handelt, sondern um ein Verhältnis, das er mit einer negativen und positiven
Photoplatte vergleicht. Wenn man soetwas wie den "Bleiprozess" nicht in ein
lebendiges Verhältnis zur Naturwissenschaft setzen kann, sollte man sehr
vorsichtig damit sein, sonst wird es nämlich schnell Ideologie - und die hat
Steiner bestimmt nicht gemeint, als er empfahl, man solle den Schülern der
Bleiprozess vermitteln.

> Aber ich denke, ich bin innerlich so
> verpflichtet, der Sache gegenüber, dass ich das auch wahr machen
> möchte, was die ursprünglich Intention war.

Die Verpflichtung liegt nicht in der Verbreitung der Lehre, sondern in der
Anwendung und Vertiefung der Menschenkunde. Wer immer stebend sich bemüht
...

> Wie aber das Periodensystem nutzen ohne dessen analytische
> Skeletierung aufzuzeigen?

Nimm mal Verbindung auf mit Peter Brodersen von der Flensburger
Waldorfschule. Der hat sich darüber sehr interessante Gedanken gemacht und
ein anders geordnetes Periodensystem entwickelt.

Viele Grüße, Henning


Joe Ell

unread,
Oct 14, 2004, 4:58:13 PM10/14/04
to

Was is denn der Bleiprozess im Menschen um Gottes Willen? Hab ich noch nie
was von gehört (und war in der Waldorfschule). Hätt mich glaub ich auch
nicht interessiert. Genauso komm ich mit der 1. Menschenkund nicht klar (das
mit Sonne, Mond und Sternen......... ). Ich gehe da meinen eigenen Weg im
Unterricht und vermittle das, was ich hier für richtigund angebracht
halte... und fahre gut damit. Den Waldorflehrplan schätze ich aber trotzdem
sehr, nur manches ist halt wirklich nicht mehr zeitgemäss......
Joe


Hischam A. Hapatsch

unread,
Oct 14, 2004, 4:31:30 AM10/14/04
to

Hi Harald!

On Mon, 11 Oct 2004 16:08:51 +0200, "Harald Effenberg"
<reis...@effenberg.de> wrote:

>Unser wunderbarer Herr Schupelius hat das IMHO sehr gut gelöst:
>Die wissenschaftlichen Modelle erklärt und anschliessend erläutert,
>warum das alles in Wirklichkeit gar nicht so ist bzw. man nicht wissen
>kann, wie es ist.

[...]

>Auch fand das Ganze nicht im Unterricht, sondern einem Gesprächskreis
>für Eltern statt.

Das hat er auch gut im Unterricht vermittelt: Modelle erklären und
dann ihre Grenze aufzeigen.

Alles Gute!
Hischam


--
Die Wirklichkeit ist immer anders.
http://www.littera.de

Rolf Imdahl

unread,
Oct 15, 2004, 3:49:58 AM10/15/04
to
"Henning Kullak-Ublick" <hk...@arcor.de> schrieb:

>"Rolf Imdahl" <Rolf-...@t-online.de> schrieb
>
>Lieber Rolf, ein paar Gedanken dazu von einem Klassenlehrer ...
>
>>>> Ein schlimmerer Spagat geht gar nicht
>>>
>>>Dann lass den Spagat doch weg und unterrichte rein
>>>naturwissenschaftlich. Mache ich auch so. ;)
>
>Sorry, wenn du anthroposophische Gesichtspunkte nur im Gegensatz zur
>Naturwissenschaft vermitteln kannst, solltest du es lassen.

Damit kann ich mich leider nicht zufrieden geben, den m.E. sind es
nicht nur "Gesichtspunkte", sondern es ist eine völlig andere Art,
sich mit der Welt zu verbinden. Die eine Anschauung der Welt weist
mich in das Übersinnlich, in das Geistige der Welt im Geistigen des
Menschen zu sehe, die andere Anschauung der Welt bezieht sich auf das
Untersinnliche, das versucht, stoffliche Kausalbezüge in allem zu
erkennen. Da sehe ich schon einen deutlichen Gegensatz.

>Lies Steiners Buch "Von Seelenrätseln",

Danke für die Anregung, nach den Herbstferien kann ich zu diesem
Hinweis mehr sagen (wir hatten das Buch tatsächlich in unserer
Lehrerbibliothek).

>in welchem er sich mit dem Verhältnis von Naturwissenschaft und Geistes

> -wissenschaft auseinander setzt. Da macht er wissenschaftstheoretisch klar,


> dass es sich eben nicht um Gegensätze handelt, sondern um ein Verhältnis,
> das er mit einer negativen und positiven Photoplatte vergleicht.
> Wenn man soetwas wie den "Bleiprozess" nicht in ein
> lebendiges Verhältnis zur Naturwissenschaft setzen kann, sollte man sehr
> vorsichtig damit sein, sonst wird es nämlich schnell Ideologie - und die hat
>Steiner bestimmt nicht gemeint, als er empfahl, man solle den Schülern der
>Bleiprozess vermitteln.

Hier stimme ich dir vollständig zu, nicht eine "versteinerte"
Ideologie darf, so meine ich, über die Lippen des Lehrers, auch bei
den "Großen" nicht, denn wir sprechen ja immer noch von Menschen, die
zwischen 14 und 19 Jahren alt sind.

>Die Verpflichtung liegt nicht in der Verbreitung der Lehre, sondern in der
>Anwendung und Vertiefung der Menschenkunde. Wer immer stebend sich bemüht
>...

Ich habe die Waldorfschule nie für eine Ausbildungsstätte für
"Kleinanthroposophen" gehalten. Aber für mich ist Waldorfschule ein
Ort, an dem anthroposophische Geisteswissenschaft betrieben wird -
also dein Hinweis auf die Menschenkunde - aber eben auch eine Ort, an
dem, um hier auch mal mit einem Schlagwort zu antworten,
goetheanistische Wissenschaft betrieben werden kann. Wenn ich als
Lehrer nicht ein aktiver Forscher bin, und dabei ist es m.E. einerlei,
ob goetheanistisch oder nicht, dann fehlt etwas, um nicht in ein
ewiges Ableiern des einmal Erworbenen zu kommen.

>> Wie aber das Periodensystem nutzen ohne dessen analytische
>> Skeletierung aufzuzeigen?
>
>Nimm mal Verbindung auf mit Peter Brodersen von der Flensburger
>Waldorfschule. Der hat sich darüber sehr interessante Gedanken gemacht und
>ein anders geordnetes Periodensystem entwickelt.

Danke für den Hinweis.

Liebe Grüße an alle.

Rolf


Rolf Imdahl

unread,
Oct 15, 2004, 3:57:40 AM10/15/04
to
"Joe Ell" <e...@debitel.net> schrieb:

>
>Was is denn der Bleiprozess im Menschen um Gottes Willen? Hab ich noch nie
>was von gehört (und war in der Waldorfschule).

Ich glaube, das ist auch gut so, denn dieser Bleiprozess beschäftigte
eine ganze Reihe von Lehrern, die zunächst auch nicht wußten, was denn
hier gemeint war.

>Hätt mich glaub ich auch nicht interessiert.

Das glaube ich nicht, der ist nämlich sehr spannend und hätte mit dir
zu tun gehabt.

> Genauso komm ich mit der 1. Menschenkund nicht klar (das
>mit Sonne, Mond und Sternen......... ). Ich gehe da meinen eigenen Weg im

>Unterricht und vermittle das, was ich hier für richtig und angebracht


>halte... und fahre gut damit.

Ich denke, wenn man hinter eine Sache steht, dann kann man damit gut
fahren; für mich bleibt trotzdem der Anspruch, den damals gemachten
Hinweise zumindest einmal nachzugehen.

>Den Waldorflehrplan schätze ich aber trotzdem
>sehr, nur manches ist halt wirklich nicht mehr zeitgemäss......

Hier denke ich ähnlich, und ich meine das hätte Steiner auch. Warum
wurde das Weben in der ersten WS unterrichtet? Weil in Stuttgart
soviele Webereien waren. Warum wurde die Straßenbahn im
Physikunterricht der 8. Klasse so intensiv besprochen? Weil die
Schüler mit derselben zur Schule kamen - also was besprechen wir heute
: handy, mp3-Player, . . .

Gruß
Rolf

Ekkehard Domning

unread,
Oct 16, 2004, 6:47:12 AM10/16/04
to
Hallo Rolf,
Die Kernfrage der Schüler im Physikleistungskurs war immer: "Gibt es die Atome
wirklich, ist das auch wirklich Wahr?". Der spannendste Teil des Unterrichtes
sollte dann der Weg zu dieser Wahrheit sein. Für mich war z.B. der
Millikan-Versuch ein echtes Erlebnis, das die Größe der Elementarladung
erlebbar machte. Philosophisch handelt es sich um den Weg zur
Erkenntnistheorie und man ist dann sehr schnell bei der "Philosophie der
Freiheit".
Wichtig erscheint mir auch noch, dass Waldorfschule eine Schule auf der
Grundlage der Pädagogik Rudolf Steiners ist, aber keine Anthroposophie
unterrichtet. Insofern glaube ich auch nicht das die Frage nach dem
"Bleiprozess im Menschen" unterrichtsrelevant ist.
Gruß Ekkehard

Rolf Imdahl

unread,
Oct 18, 2004, 3:33:08 AM10/18/04
to
Ekkehard Domning <e...@domis.de> schrieb:

>Wichtig erscheint mir auch noch, dass Waldorfschule eine Schule auf der
>Grundlage der Pädagogik Rudolf Steiners ist, aber keine Anthroposophie
>unterrichtet. Insofern glaube ich auch nicht das die Frage nach dem
>"Bleiprozess im Menschen" unterrichtsrelevant ist.

Lieber Ekkehard,
ich stimme dir in vielen Punkten zu. Auch in dem oben genannten Sinn,
dass Anthroposophie nicht unterrichtet werden soll.
Was mir aber die Sache immer schwer gemacht hat ist, dass die
Menschenkunde eine Sache ist, die aus der Anthroposophie heraus
entwickelt wird. Man geht z.B. sehr gerne auf die "Inkarnation der
Ästralleibes" ein, wenn man von den Schülern der 9. Klasse spricht.
Man (ich) realisiere den Bezug zu geistigen Größen, die hier wirksam
sind. Nun gibt es aber neben der Pädagogik in den Schulen immer noch
den Unterrichtsstoff. Auch hier kann man sagen, dass aus der
Menschenkunde heraus der Unterricht gestaltbar wird, immer im Blick
auf die Schüler, die man vor sich hat. Das ist pädagogische Praxis der
Waldorfschule. Nun kommen wir aber zu den Inhalten - wie und was zeige
ich? Der Millikan-Versuch ist meiner Ansicht nach auch sehr bestechend
(bespreche den auch in der Chemie) - solange er in der Theorie stehen
bleibt. Wir haben den besagten Apparat und können also Öltröpfchen im
elektrischen Spannungsfeld hin und her schieben, theoretisch. Mein
Kollege versicherte mir, dass dies nicht so einfach ist, wie es immer
dargestellt wird. dazu noch: Was ist Elektrizität, Spannung, daraus
entwicklete Elementarladung? Greifbar? Muss ein solches Phänomen
greifbar gemacht werden, um zu beweisen, dass alles andere, was man
modellhaft sich vorstellt auch stimmig ist?
Unterrichtsrelevant ist der "Bleiprozess im Menschen" erst dann, wenn
ich ihn verstanden habe. Dann kann ich den auch unterrichten und die
Schüler glauben mir, was ich vorstelle. Um in zu verstehen muss ich
aber völlig in die anthroposophische Ansicht hinein und die Qualität
dieses Prozesses in der "Weltenentwickelung" begreifen. Also doch
Anthroposophie in den Inhalten und nicht nur in der Pädagogik, oder
nicht?
Entschuldige die Menge der Antwortzeilen (kann mich scheinbar nicht
kurz fassen).

Gruß an alle
Rolf

Ekkehard Domning

unread,
Oct 18, 2004, 3:53:27 PM10/18/04
to
Hallo Rolf,

Rolf Imdahl schrieb:


> Der Millikan-Versuch ist meiner Ansicht nach auch sehr bestechend
> (bespreche den auch in der Chemie)

Warum denn in der Chemie? Es handelt sich um die allereinste Physik!

> - solange er in der Theorie stehen
> bleibt. Wir haben den besagten Apparat und können also Öltröpfchen im
> elektrischen Spannungsfeld hin und her schieben, theoretisch. Mein
> Kollege versicherte mir, dass dies nicht so einfach ist, wie es immer
> dargestellt wird.

Waldorflehrer haben doch sooo viel freie Zeit (12 Wochen Ferien im Jahr!),
da kannst Du sicher ein paar Stunden (z.B. Donnerstags nach der Konferenz)
entbehren und den Versuch mal ausprobieren ;-)
Im Ernst: Damit Versuche klappen muss man wissen wie's geht und die
entsprechende
Übung haben unbedingt vorher selber probieren und verstehen.


> dazu noch: Was ist Elektrizität, Spannung, daraus
> entwicklete Elementarladung? Greifbar? Muss ein solches Phänomen
> greifbar gemacht werden, um zu beweisen, dass alles andere, was man
> modellhaft sich vorstellt auch stimmig ist?

Ich finde den Millikan-Versuch gerade wegen seiner intuitiven Erlebbarkeit
genial: Alles in unsere Sinneswelt kann beliebig geteilt werden, selbst unter
dem Mikroskop kannst Du aus 'großen' Brocken 'kleine' machen. Mit Strom
genauso,
egal wie klein Du die Differenz machst, es gibt immer noch einen Wert
dazwischen.
Und jetzt bugsierst Du die Öl-Kügelchen in das elektrische Feld und justierst
dessen
Stärke (ganz analog mit Poti) so dass das beobachtete Kügelchen stillsteht
(=elektrisches
Feld ist gleichstark wie die Schwerkraft). Und ließt den Spannungswert ab.
Wenn Du dass
ein paar mal an unterschiedlichen Kügelchen gemacht hast stelltst Du fest: Es
gibt
nur ganzzahlige Verhältnisse der eingestellten Spannungen, niemals etwas
dazwischen!!!
Du kanst also unmittelbar die granularität der elektrischen Ladung 'sehen'.


> Unterrichtsrelevant ist der "Bleiprozess im Menschen" erst dann, wenn
> ich ihn verstanden habe.

Hmm... jetzt muss ich zugeben das ich etwas gemogelt habe, ich muss das
erstmal selber
lesen :-)

> Also doch
> Anthroposophie in den Inhalten und nicht nur in der Pädagogik, oder
> nicht?

Wenn Deine Pädagogik sich aus der Anthroposophie speißt dann solltest Du das
verstanden haben (oder reicht auch das Bemühen??), im Unterricht solltest Du
es
aber m.E. nicht zeigen.

> Entschuldige die Menge der Antwortzeilen (kann mich scheinbar nicht
> kurz fassen).

Gauß: Meine Doktorarbeit hat 500 Seiten, noch einige Jahre mehr Arbeit und ich
könnte sie auf 100 Seiten bringen...

>
> Gruß an alle
> Rolf
Dto. Ekkehard

Rolf Imdahl

unread,
Oct 27, 2004, 7:15:49 AM10/27/04
to
"Henning Kullak-Ublick" <hk...@arcor.de> schrieb:

>Lieber Rolf, ein paar Gedanken dazu von einem Klassenlehrer ...
>
>>>> Ein schlimmerer Spagat geht gar nicht
>>>
>>>Dann lass den Spagat doch weg und unterrichte rein
>>>naturwissenschaftlich. Mache ich auch so. ;)
>
>Sorry, wenn du anthroposophische Gesichtspunkte nur im Gegensatz zur
>Naturwissenschaft vermitteln kannst, solltest du es lassen. Lies Steiners
>Buch "Von Seelenrätseln", in welchem er sich mit dem Verhältnis von
>Naturwissenschaft und Geisteswissenschaft auseinander setzt. Da macht er
>wissenschaftstheoretisch klar, dass es sich eben nicht um Gegensätze
>handelt, sondern um ein Verhältnis, das er mit einer negativen und positiven
>Photoplatte vergleicht. Wenn man soetwas wie den "Bleiprozess" nicht in ein
>lebendiges Verhältnis zur Naturwissenschaft setzen kann, sollte man sehr
>vorsichtig damit sein, sonst wird es nämlich schnell Ideologie - und die hat
>Steiner bestimmt nicht gemeint, als er empfahl, man solle den Schülern der
>Bleiprozess vermitteln.

Lieber Hennig,

nun habe ich's gelesen. Dabei muss ich sagen, dass es sich um den
ersten Aufsatz im besagten Buch handelt: "Anthropologie und
Anthroposophie". Steiner geht hier auf das Verhältnis der seine
Mehtode ablehnende Naturwissenschaft (genannt "Anthropologie") ein.
Für ich sind die letzen beiden Seiten in unserer Betrachtung die
entscheidenden:

" Sind die beiden Wege, der anthroposophische und der
anthropologische, in rechtmäßiger Art durchwandert, so treffen sie in
einem Punkt zusammen. Die Anthroposophie bringt bei diesem
Zusammentreffen das Bild des lebendigen Geistmenschen mit, und zeigt,
wie dieser durch das Sinnensein das zwischen Geburt und Tod bestehende
Bewußtsein entwickelt, indem das übersinnliche Bewußtseinsleben
abgelähmt wird. Die Anthropologie zeigt bei dem Begegnen das Bild des
im Bewußtsein sich selbsterfassenden Sinnesmenschen, der aber
aufragend in das geistige Dasein in dem Wesen lebt, das über Geburt
und Tod hinausliegt. Bei diesem Zusammenfreffen ist eine wirklich
fruchtbare Verständigung zwischen Antroposophie und Anthropologie
möglich"

Diese Tatsache dachte ich schon verstanden zu haben, leider bemerke
ich aber, dass ich es nicht so klar habe. Meine Aufgabe bestünde also
darin, das was heutige Naturwissenschaft ist, also alle atomare,
subsatomare Prozesse auf ihr geistiges Dasein zu überprüfen, um klar
zu haben, was wirkliche "Anthropologie" ist. Dann erst wären mir
Möglichkeiten gegeben, ein Zusamentreffen fruchtbar zu machen. Ich
muss sagen, dass das aber sehr viel verlangt ist und kaum als
Einzelperson erreichbar ist. Da kann nur einer (Lehrer) vom anderen
profitieren und sich korrigieren lassen, um nicht in persönliche
"Bewußtseinsstufen" zu kommen. Diese Miteinander vermisse ich aber
schon lange - auch wenn es Fachkonferenzen in Stuttgart und anderswo
gib, denn hier bemerke ich doch immer die eigene Auslegung von
"rechtmäßiger Art" des Durchwanderns der Naturwissenschaft. Wo bleibt,
gerade bei Waldorfs der Gemeinschaftssinn? Die Aufgabe ist doch zu
groß, Unterricht zu geben, gerechte Zeugnisse abzugeben,
Selbstverwaltung zu betreiben, anthroposophisch auf der Höhe zu sein
(um zum Beispiel die anthroposophischen Schmankernl älterer Kollegen
auf den steinerschen Fußboden zu holen) , naturwissenschaftlich
sowieso auf dem Laufenden zu bleiben und dann auch noch den Geist oder
Ungeist zu erkennen.

Wat nu, liebe Lehrer

Gruß Rolf Imdahl

Henning Kullak-Ublick

unread,
Oct 31, 2004, 4:19:47 AM10/31/04
to
"Rolf Imdahl" <Rolf-...@t-online.de> schrieb

<Steiner:> " Sind die beiden Wege, der anthroposophische und der

Lieber Rolf, leider weiß ich darauf keine Antwort außer der, die du schon
selbst gegeben hast: Seid fruchtbar in der Zusammenarbeit. Warum
inaugurierst du nicht mal ein Kolloquium zu diesem thema? Wenn es dir hilft,
kann ich gerne unsere Flensburger Schule dafür gewinnen (zum Ausrichten des
Treffens) - fachlich bin ich leider nicht kompetent genug.
Herzlich, Henning


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