Sogenannte Reichsbürger seien radikaler geworden, sagt der oberste Verfassungsschützer in Thüringen. Nach dem Tod eines Polizisten durch einen bewaffneten "Reichsbürger" sammeln die Sicherheitsbehörden Informationen über diesen Personenkreis. Besonderes Augenmerk gilt dem möglichen Besitz von Schusswaffen.
von Stefanie Gerressen, MDR AKTUELL
Die einen weigern sich vielleicht nur, Strafzettel zu bezahlen. Andere gehen gezielt auf Behörden los, randalieren, greifen Kommunalbeamte an. Stephan Kramer, der Chef des Thüringer Verfassungsschutzes, sagt, es sei in Thüringen auch schon vorgekommen, dass Gerichtsvollzieher von Scheinpolizisten verhaftet worden seien. Sogenannte Reichsbürger seien insgesamt gewaltbereiter geworden, bekräftigt er. Das betreffe aber nicht nur diesen Personenkreis, sondern die gesamte Gesellschaft:
Die Gewaltbereitschaft und die Radikalisierung haben zugenommen. Das alles lässt uns nicht entspannt zurücklehnen. Wir müssen uns eher Sorgen machen.
Von den bisher rund 650 erfassten "Reichsbürgern" in Thüringen hat etwa jeder zehnte eine Waffenbesitzkarte, mehr als 20 dieser Personen besitzen eine Schusswaffe.
Diese müssen sie jetzt abgeben - freiwillig oder mithilfe der Polizei.
Eine zeitliche Vorgabe, bis wann alle Waffen eingesammelt sind, gebe es
nicht, sagt Stephan Kramer. Denn die Zahl an Hinweisen über den
Personenkreis wachse ständig.
Dabei geht es vor allem um legale
Waffen. Weil Reichsbürger den Staat und seine Gesetzgebung nicht
anerkennen, ist es aber naheliegend, dass manche auch illegale Waffen
besitzen. Kramer weist darauf hin, dass für den Umgang mit
"Reichsbürgern" erschwerend hinzukomme, dass sie keine organisierte
Bewegung seien.
Reichsbürger umfassen ein weites Spektrum - von Verrückten und Bekloppten, die eher einen Arzt brauchen, bis hin zu Rechtsextremisten und Verschwörungstheoretikern.
Der Verfassungsschutz konzentriert sich dabei hauptsächlich auf Personen aus dem rechtsextremen Spektrum. Von den 650 erfassten "Reichsbürgern" in Thüringen gelten aber nur rund 50 als rechtsextrem.
Verfassungsschützer Kramer findet, "Reichsbürger" beobachten und ihnen die Waffen entziehen, sei das eine. Das andere sei, dass man endlich zur Ursachenforschung übergehe: "Wie kommt es dazu, dass jemand in dieser Gesellschaft keine Perspektive mehr sieht und deswegen zu extremistischen Gruppen neigt und dort sein Heil sucht?" Dazu gehöre es auch, sich den jungen Menschen zu widmen, so Kramer weiter. Denn diese würden von derlei Szenen angezogen.
Wenn man auf der einen Seite 2.000 neue Polizeibeamte fordert, müsste man auf der anderen Seite auch 2.000 neue Sozialarbeiter fordern.
Der Verfassungsschutz selbst könne nur die Lage erfassen und beschreiben, sagt Kramer. Letztlich sei die Politik gefragt - aber auch die Gesellschaft.