Der Deutsche Berufsverband Soziale Arbeit Landesverband Hamburg äußert sich zur Umsteuerung in der Hamburger Jugendhilfe. Bericht entnommen und wörtlich zitiert von:
Geschrieben am 17. November 2011
Die SPD-regierten Länder („A-Länder“) wollen
gemeinsam mit den kommunalen Spitzenverbänden u. A. Rechtsansprüche auf
Hilfeleistungen für Kinder, Jugendliche und Familien abschaffen. Dieser
im KJHG (SGB VIII) festgeschriebene individuelle Rechtsanspruch soll
durch eine Gewährleistungsverpflichtung ersetzt werden. Damit verbunden
sollen die Angebote der Jugendhilfe unter dem Stichwort „Sozialraum“ mit
dem Ziel des Ausgleichs sozialer Benachteiligung an die
„Regelinstitutionen“ (frühe Hilfen, Kindertagesbetreuung und Schulen)
angebunden werden, die individuelle Einzelhilfe solle zur Ausnahme
werden. Am 4. November veranstalten die zuständigen Staatssekretäre in
Berlin einen sogenannten „Expertenworkshop“, der entsprechende
Gesetzesvorschläge erarbeiten soll. Fach- /Berufsverbände,
Wissenschaftler und Gewerkschaften kritisieren, dass Experten/innen der
Jugendhilfe aber nicht eingeladen wurden. Eine Delegation von Fachleuten
aus ganz Deutschland trifft sich morgen um 11:00 Uhr am Tagungsort der
Staatssekretäre vor der Hamburgischen Landesvertretung um Fachlichkeit
in der Kinder- und Jugendhilfe Gehör zu verschaffen.
Zum Hintergrund:
In dem entsprechenden Initiativpapier heißt es zur Begründung: „Die
Ausgestaltung des Hilfeangebots als individueller Rechtsanspruch und die
starke Stellung freier Träger bei der Ausgestaltung des Hilfeangebotes
macht dieses System immer teurer“. Daneben würde es Hinweise geben, dass
die SPFH in vielen Fällen ins Leere laufe. Dagegen könnten wirksamere
und kostengünstigere sozialräumliche Alternative nicht ausgebaut werden,
weil diese nicht als Pflichtaufgaben definiert seien. Ferner wird in
dem Papier ein „Wildwuchs freier Träger“ und eine „Dynamik zur
wirkungslosen Praxis“ beklagt.
Prof. Dr. Michael Böwer, Leiter des Fachbereich Kinder- und
Jugendhilfe im Deutschen Berufsverband für Soziale Arbeit: „Für diese
Behauptungen gibt es keine Belege. Vielerorts sind Bereiche der
Jugendhilfe soweit zurück gefahren worden, dass nur noch reaktive
Hilfestellungen angeboten werden. Die Haushaltslage vieler Kommunen hat
sich längst auf die Qualität der Kinder- und Jugendhilfen
niedergeschlagen. Da der Ausbau der Kita-Plätze für unter Dreijährige
und im Kindesschutz zu Mehrausgaben führt, springt man, rhetorisch
gezielt verpackt, auf die Kostenbremse.“
In den vergangenen Jahren haben die Kommunen bis dahin kommunale
Aufgaben ausgeschrieben und an Wohlfahrtsverbände und verstärkt auch
private Anbieter möglichst preiswert vergeben. Zugleich wurde der
Kernbereich der fallbezogenen Jugendhilfe, der ASD, personell zusehends
ausgedünnt und zudem bürokratisiert. Man sah das Heil in der
Beauftragung freier Träger, oftmals ohne partizipative
sozialpädagogische Diagnostik und kleinschrittiger Zielprüfung
beauftragter Maßnahmen. Hinzu kommt das Fehlen ausreichend konkreter
qualitativer Vorgaben in der Ausschreibung und entsprechender Dialoge –
denn auch das hätte zusätzlichen Aufwand gekostet. Als Alternative wird
nun auf Regeleinrichtungen wie Schule, Kindergärten und
Familienberatungen verwiesen, die bereits jetzt mit ihren wachsenden
Aufgaben überaus gefordert sind.
„Dass alles wissen auch die Fachleute in den Länderministerien.
Tatsächlich werden Ihnen die Rechte von Kindern, Jugendlichen und
Familien schlichtweg zu teuer. In Folge wird ein Systembruch
einkalkuliert, der uns nicht nur in Form neuer Skandale einholen wird.
Die Jugendhilfe würde zur reinen Ordnungsbürokratie zusammengestampft
und die Rechte von Kindern und Jugendlichen auf
Persönlichkeitsentwicklung außerhalb schulischer Normen hätten kaum noch
Bedeutung mehr“, kommentiert Wilfried Nodes, Pressesprecher des DBSH
den Versuch der Staatssekretäre.
Der Fachbereich Kinder- und Jugendhilfe im Deutschen Berufsverband für Soziale Arbeit fordert dagegen:
• „Wir wehren uns gegen alle Versuche, die Rechtsansprüche des
Kinder- und Jugendhilfegesetzes auszuhebeln oder umzuinterpretieren.
• Natürlich begrüßen wir eine Selbstverpflichtung der Kommunen zu
gewährleisten, dass sich die Sozialräume und vorhandene
Regeleinrichtungen besonders der Förderung von Kindern, Jugendlichen und
Familien und nicht nur ihren ursprünglichen Aufgaben stellen. Aber
weder kann dadurch der Rechtsanspruch aufgelöst werden, noch werden
dadurch individuelle und von den Betroffenen wählbare Hilfen
überflüssig.
• Will man den Sozialraum „aktivieren“, dann müssen aber ohnehin
bereits hoch geforderte Einrichtungen wie Schule und Kitas besser
ausgestattet und qualifiziert werden. Das spart erst mal kein Geld,
sondern kostet.
• Die Kollegen im „fallführenden“ ASD benötigen wieder mehr Zeit, um
die Einzelfälle zu begleiten und die richtigen Hilfen im Dialog von
Fachkräften und Betroffenen heraus zu arbeiten.
• Erst auf der Basis von fachlichen Standards und klaren
Zielsetzungen kann mit freien Trägern subsidiäre Zusammenarbeit in
Hilfen (Sozialpäd. Familienhilfe, Einzelförderung, usw.) erfolgen.
• Wir fordern, dass wir bei der Diskussion, die hier geführt wird, als sozialpädagogische Fachkräfte einbezogen werden.
• Wir fordern, dass die qualitative Struktur der Jugendhilfe wieder
so gestaltet wird, dass wir Fachkräfte angemessene Arbeitsbedingungen
vorfinden, die die eigene körperliche wie psychische Gesundheit
sichern.“
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Von Wirkungsvolle Jugendhilfe - Gegen die Ökonomiesierung der Sozialen
Arbeit am 11/22/2011 08:27:00 AM unter
Wirkungsvolle Jugendhilfe eingestellt