22. Tätigkeitsbericht zum Datenschutz mit 10 Geboten für Social Networks

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Stefan Münz

unread,
Apr 22, 2009, 4:06:52 PM4/22/09
to Webkompetenz-Forum
Hallo,

Wahrscheinlich ist noch nie so viel über Datenschutz diskutiert worden
wie in den letzten beiden Jahren. Und zwar durchaus kontrovers. Für
die einen nimmt der Datenexhibitionismus im Internet apokalyptische
Ausmaße an, für die anderen sind Datenschützer weltfremde
Geheimniskrämer von vorgestern. Die meisten Menschen bewegen sich
irgendwo zwischen diesen Meinungspolen.

Da verspricht ein Dokument trotz des trockenen Titels
"Tätigkeitsbericht zum Datenschutz für die Jahre 2007 und 2008" eine
möglicherweise interessante Lektüre zu werden. Und die gibts hier:

http://tinyurl.com/cntgul
(PDF-Dolument, URL = tiny, weil die Original-URL 171 Zeichen hat ;-)

Beim Blick in den Tätigkeitsbericht wird schnell klar, dass
Datenschutz sich nicht nur um Internet-Fragen dreht. So ist überhaupt
nur eines von 16 Kapiteln in dem 192seitigen, engbedruckten Dokument
dem Internet gewidmet. Unter den übrigen Kapiteln sind aber noch
genügend andere, die aus Normalbürgersicht relevant sind:
elektronische Ausweise, Biometrie, Videoüberwachung, Steuer-IDs,
elektronische Verkehrsüberwachung usw.

Bleiben wir beim Internet-Kapitel. Hier geht es zunächst um Geodaten
und damit verbundene Personenrechte. Es dauert nicht lange, bis der
Bericht zum meistdiskutierten Thema in diesem Bereich kommt: Google
Street View (7.2., S.90):

"In mit dem Diensteanbieter geführten Diskussionen habe ich deutlich
gemacht, dass das Unternehmen die Persönlichkeitsrechte wahren muss.
Das heißt in erster Linie, dass die Personen so verfremdet werden,
dass sie nicht identifiziert werden können. Dies gilt auch für
zufällig ins Bild geratene Personen, da auch in diesem Falle
personenbezogene Daten erhoben werden. Ein Personenbezug ist selbst
dann gegeben, wenn nur wenige Betrachter die dargestellten Personen
identifizieren können. So sind in Abhängigkeit von besonderen
Eigenschaften einer aufgenommenen Person (z. B. ein auffälliges
äußeres Erscheinungsbild) Fälle denkbar, in denen nach sozialüblichen
Maßstäben nicht ausgeschlossen werden kann, dass sogar Google einen
Personenbezug herstellen kann. Auch der Bildkontext kann die
Identifizierung erleichtern, etwa wenn eine Person in ihrem Wohn- oder
Arbeitsumfeld aufgenommen wird."

Der Datenschutzbericht bemängelt vor allem die bislang unzureichenden
Anstrengungen beim Unkenntlichmachen von Personen und Autokennzeichen
bei StreetView. Der Service als Ganzes wird jedoch nicht in Frage
gestellt.

In Abschnitt 7.3 (S.91) wirds dann richtig interessant. Dort werden
dem geneigten Leser "Die Zehn Gebote für Betreiber sozialer Netzwerke"
präsentiert. Und das sind sie:

1. Beachten Sie die Vorgaben des Datenschutzrechts
2. Klären Sie Ihre Nutzer verständlich und offen über den Umgang mit
ihren Daten auf
3. Geben Sie Ihren Nutzern mehr Kontrolle über die Verwendung ihrer
Profil- und Verkehrsdaten
4. Bieten Sie datenschutzfreundliche Standardeinstellungen an
5. Verbessern Sie kontinuierlich die Sicherheit Ihrer
Informationssysteme
6. Jedermann hat ein Recht auf Auskunft über seine personenbezogenen
Daten in einem Netzwerk – egal ob er oder sie Mitglied ist oder nicht
7. Profile müssen einfach und vollständig zu löschen sein
8. Ermöglichen Sie die Nutzung Ihrer Dienste unter Pseudonym
9. Verhindern Sie, dass Profildaten Ihrer Nutzer von Dritten kopiert
werden
10. Stellen Sie sicher, dass Daten Ihrer Nutzer von externen
Suchmaschinen nur dann gefunden werden können, wenn die Betroffenen
zuvor ausdrücklich eingewilligt haben

Interessant sind finde ich die Punkte 6 und 7: Ob Facebook & Co.
jedem, auch Nichtmitgliedern, Auskunft darüber geben, was über sie bei
ihnen gespeichert ist? Und der fehlende Löschen-Button ist mir auch
schon mehr als einmal aufgefallen. Punkt 9 kommt mir dagegen wieder
etwas wie Holzmedien-Denken vor, bar aller Kenntnis über Realitäten
wie dass Daten sich bereits auf dem Rechner eines Users befinden, wenn
er sie abruft.

Die 10 Gebote werden ergänzt um folgende Aussage:

"Wichtig ist aber auch das Bewusstsein der Online-Generation im Umgang
mit ihrer Privatsphäre zu schärfen. Ermutigend ist dabei, dass im
letzten Jahr der Informationsbedarf zum Datenschutz im Internet
deutlich zugenommen hat. Dies belegt eine Sonderstudie von TNS
Infratest im Auftrag von Microsoft (www.nonliner-atlas.de)."

Was uns zum Nonliner-Atlas bringt und zu dem Thema "Deutschlands
größte Studie zur Nutzung und Nicht-Nutzung des Internets". Aber das
behandeln wir lieber ein andermal ...

Was fällt euch noch auf im Datenschutzbericht?

viele Grüße
Stefan Münz

Sky Dumont

unread,
Apr 22, 2009, 4:21:42 PM4/22/09
to webkom...@googlegroups.com
Abend,

> Was fällt euch noch auf im Datenschutzbericht?

Was fällt euch noch auf am Datenschutzbericht?
Ja, interessantes Thema, irgendwie vermurkst das Ganze. fängt schon
beim Wort an: Datenschutz.
Es geht um Informationsschutz, nicht um die Daten.
Zudem wirkt das Vorgehen deutscher Behörden hier ein wenig antiquiert, gell?

Ich kann niemandem raten persönliche Informationen im Web bereit zu
stellen, unter "Klarnamen" zu kommunizieren halte ich ebenso für
problematisch, einfachste Aussagen wie bspw. "Ich find Bayern München
arrogant", "Ich wähle SPD.", "Ich bin gegen die Schwulenehe." und "DIe
aktuelle Wirtschaftskrise ist ursächlich auf die sozialstaatliche
Maßnahme CRA zurückzufühen." kosten Kunden, Bekannte und eventuell
Freunde. Wer abhängig beschäftigt ist kann zudem mit den
Personalabteilungen und Mitarbeitern Probleme bekommen.

Hatte schon mal butterweich angefragt, lieber Stefan, wie hältst Du
das eigentlich aus?

MFG
Sky

Stefan Münz

unread,
Apr 22, 2009, 5:09:56 PM4/22/09
to Webkompetenz-Forum
Hallo Sky,

> Ja, interessantes Thema, irgendwie vermurkst das Ganze. fängt schon
> beim Wort an: Datenschutz.
> Es geht um Informationsschutz, nicht um die Daten.

Da stimme ich zu. Datenschutz klingt immer so ein wenig nach
verstaubten Datenbankinhalten, nach irgendwelchen
Identifikationsnummern, an die niemand heran kommen soll.

> Zudem wirkt das Vorgehen deutscher Behörden hier ein wenig antiquiert, gell?

Also verglichen damit, was derzeit wildgewordene Nonliner wie
Zensursula, Zypries, Schäuble und Konsorten aufziehen, nämlich eine
total unverblümte, explizite Querbeetzensur für alles Unliebsame,
verglichen damit ist der Datenschutzbericht von Peter Schaar wirklich
noch ausgewogen und sehr auf Vermittlung und Verständnis bedacht.

> Ich kann niemandem raten persönliche Informationen im Web bereit zu
> stellen, unter "Klarnamen" zu kommunizieren halte ich ebenso für
> problematisch, einfachste Aussagen wie bspw. "Ich find Bayern München
> arrogant", "Ich wähle SPD.", "Ich bin gegen die Schwulenehe." und "DIe
> aktuelle Wirtschaftskrise ist ursächlich auf die sozialstaatliche
> Maßnahme CRA zurückzufühen." kosten Kunden, Bekannte und eventuell
> Freunde. Wer abhängig beschäftigt ist kann zudem mit den
> Personalabteilungen und Mitarbeitern Probleme bekommen.

Jeder soll das so machen können wie er/sie will.

> Hatte schon mal butterweich angefragt, lieber Stefan, wie hältst Du
> das eigentlich aus?

Was meinst du? Dass ich im Web unter Klarnamen diskutiere und
publiziere? Ich habe mich einfach dran gewöhnt und kein Problem damit.
Auch ist mir noch kein bekannt gewordener Nachteil daraus entstanden.
Die URL zum Webkompetenz-Forum habe ich sogar in der Signatur für
geschäftliche Mails, und da hat mich noch niemand schief angeguckt,
nur weil ich oder andere hier vielleicht auch mal Ansichten äußern,
die nicht jeder teilt. Du weißt doch selber, dass die Insider dich
stets wiedererkennen, egal welchen neuen Nick du wählst. Sie erkennen
dich zuverlässig an anderen Dingen. Suchmaschinen schaffen das _noch_
nicht. Aber irgendwann werden auch die das wahrscheinlich können.

viele Grüße
Stefan Münz

Sky Dumont

unread,
Apr 22, 2009, 5:28:51 PM4/22/09
to webkom...@googlegroups.com
Hallo Stefan,

>> Hatte schon mal butterweich angefragt, lieber Stefan, wie hältst Du
>> das eigentlich aus?
>
> Was meinst du? Dass ich im Web unter Klarnamen diskutiere und
> publiziere? Ich habe mich einfach dran gewöhnt und kein Problem damit.
> Auch ist mir noch kein bekannt gewordener Nachteil daraus entstanden.

Du kannst bspw. keine kontroversen Themen diskutieren oder kontroverse
Meinungen ("Ich wähle SPD." ist in bestimmten Kreisen bereits
kontrovers, LOL) äussern ohne Nachteile befürchten zu müssen. Ich bin
erstaunt, dass Dir das nicht klar ist.
Wenn Du Dich natürlich grundsätzlich oberhalb der sachlichen Materie
in allgemeinen Betrachtungen ergehst und auf pointiertere
Formulierungen verzichtest, dann entsteht das Problem möglicheerweise
nicht, allerdings reduzierst Du so die sachliche Dichte des
Austausches, wie ich das einmal nennen möchte.
Es wird sich vielleicht der eine oder andere die Frage stellen, warum
Meinungen, gar kontroverse, erforderlich sind und warum Polemik die
Diskurse überhaupt bereichert, LOL, ja es gibt solche Mentalitäten.
Wer allerdings keine Probleme hat immer nett zu sein...

Grundsätzlich müssen diese Fragen jedenfalls irgendwie beantwortet
werden, ein "Datenschutz"-Apparat wird hier nicht ausreichen und
ohnehin nur irgendwie - freundlich formuliert - mässig effizient vor
sich hin arbeiten.
Dazu kommen natürlich noch die rechtsphilosophischen Überlegungen,
also wie das Web überhaupt sinnvollerweise gehandhabt werden kann.
"Zensur-Ursulas" Vorstoss wird zu beobachten sein.
Sichtbar wird die "rechtliche Lücke" jetzt an diesem Fall mit der No
Angels-Sängerin, die einstweilige Verfügung war ja recht wirkungslos
und antiquiert.

MFG
Sky

Stefan Münz

unread,
Apr 23, 2009, 6:23:21 AM4/23/09
to Webkompetenz-Forum
Hallo Sky,

> Du kannst bspw. keine kontroversen Themen diskutieren oder kontroverse
> Meinungen ("Ich wähle SPD." ist in bestimmten Kreisen bereits
> kontrovers, LOL) äussern ohne Nachteile befürchten zu müssen. Ich bin
> erstaunt, dass Dir das nicht klar ist.

Wovon ich meine, dass es niemanden was angeht, dazu sage ich halt
nichts. Das hindert mich aber nicht weiter daran zu sagen was ich
denke, auch wenn es nicht die Ansicht der breiten Masse ist. Und was
sich jemand aus dem, was oder wann ich schreibe, an Vermutungen
ableitet, etwa darüber, welche Partei ich wähle, wann ich arbeite oder
mit welchen persönlichen Problemen ich zu kämpfen habe, ist mir
relativ egal. Ich habe eigentlich schon gegen so einiges öffentlich
nachlesbar gewettert. Aber so weit mir bekannt ist mir daraus bislang
kein Schaden entstanden. Mir ist deshalb wirklich unklar, welche
Ängste dich da verfolgen. Doch nicht etwa die Erfahrungen mit dem
SELFHTML-Forum? (Die, nebenbei bemerkt, meine Entfernung vom SELFHTML-
Projekt mit prägten)

> Wenn Du Dich natürlich grundsätzlich oberhalb der sachlichen Materie
> in allgemeinen Betrachtungen ergehst und auf pointiertere
> Formulierungen verzichtest, dann entsteht das Problem möglicheerweise
> nicht, allerdings reduzierst Du so die sachliche Dichte des
> Austausches, wie ich das einmal nennen möchte.

Ich verzichte bewusst auf Stammtisch-Sprüche der unteren Etagen, weil
ich mir darüber bewusst bin, dass öffentlich geäußerte Gedanken dem
Strafrecht unterliegen -- Nickname hin oder her. Ich habe aber auch
gar nicht das Bedürfnis danach. Auch für Abneigung, Geringschätzung
und Unverständnis versuche ich Formulierungen zu wählen, die niemand
als verbale Gewaltausübung empfindet. Wenn du das als "Ergehen in
allgemeinen Betrachtungen oberhalb der sachlichen Materie" bezeichnen
möchtest, sei dir das unbenommen. Ich habe jedenfalls nicht den
Eindruck, als ob ich durch die Verwendung meines Realnames die
"sachliche Dichte des Austauschs" verneble.

> Es wird sich vielleicht der eine oder andere die Frage stellen, warum
> Meinungen, gar kontroverse, erforderlich sind und warum Polemik die
> Diskurse überhaupt bereichert, LOL, ja es gibt solche Mentalitäten.
> Wer allerdings keine Probleme hat immer nett zu sein...

Und wer sagt, dass man sich keine Polemik mehr leisten könne, wenn man
mit "offenem Visier" im Netz diskutiert? Sieh dir beispielsweise den
gegenwärtigen Zustand der Startseite dieses Forums an:
http://groups.google.com/group/webkompetenz
Es ist deswegen noch keine Kripo hier aufgetaucht, ich habe noch keine
Beschimpfungen in meiner Mailbox vorgefunden deswegen, und noch kein
Kunde hat angerufen und mir mitgeteilt, dass eine Zusammenarbeit unter
diesen Umständen nicht mehr länger tragbar sei. Vielleicht ist das
Ganze ja auch noch nicht polemisch genug, und das, was du darunter
verstehst, ist um ein Vielfaches "böser". Dann tu dir keinen Zwang an
und gib uns eine Kostprobe -- schließlich trägst du dein Visier (oder
täuschst du uns wirklich so gründlich und bist http://de.wikipedia.org/wiki/Sky_du_Mont?
*g*)

> Grundsätzlich müssen diese Fragen jedenfalls irgendwie beantwortet
> werden, ein "Datenschutz"-Apparat wird hier nicht ausreichen und
> ohnehin nur irgendwie - freundlich formuliert - mässig effizient vor
> sich hin arbeiten.

Das, was man als Staatsbürger aufgezwungen bekommt, muss gesetzlich
geregelt werden, so dass man es, solange es demokratisch zugeht, in
irgendeiner Form auch wieder abwählen kann. Doch Datenschützer sind
nicht nur Lückenfüller für fehlende gesetzliche Regelungen, sondern
sprechen auch Empfehlungen für das Leben im Freiraum der Informationen
aus. Ein Bio-Lehrer kann den Aufklärungsunterricht auch nicht damit
gut sein lassen, Schaubilder von Geschlechtsorganen zu präsentieren.
Es hängt bei solchen Jobs viel an der Persönlichkeit. Was als
Schlussfolgerung bedeutet: Datenschützer sollten IT-Profis mit
Personality und gesellschaftlichem Weitblick sein.

viele Grüße
Stefan Münz

Sky Dumont

unread,
Apr 23, 2009, 9:07:24 AM4/23/09
to webkom...@googlegroups.com
> Mir ist deshalb wirklich unklar, welche
> Ängste dich da verfolgen.

Hi Stefan,

ich drücke mich einmal klar aus: Es lohnt sich einfach nicht seine
Meinung unter "Klarnamen" zu äussern, wenn Du geschäftlich eingebunden
bist; was ja die meisten sind. Das hätte Implikationen.
Schade, dass darauf aufbauend keine Diskussion hier möglich scheint.
Vielleicht ist nicht allen klar, dass Meinungen - im Web geäussert -,
dezent formuliert, eine Sonderrolle spielen

MFG
Sky

Stefan Münz

unread,
Apr 23, 2009, 10:26:06 AM4/23/09
to Webkompetenz-Forum
Hallo Sky,

ich lasse deine Argumentation einfach mal so stehen, weil es wohl
nicht allzu sinnvoll ist, weiter dagegen zu argumentieren. Wenn du
glauben willst, dass ich hier mit verkniffenem Maul hocke, weil ich
armer Teufel mit meinem echten Namen unterwegs bin, dann sei dir das
belassen.

viele Grüße
Stefan Münz

Sky Dumont

unread,
Apr 23, 2009, 10:40:41 AM4/23/09
to webkom...@googlegroups.com
Das war doch gar nicht impliziert.
Es gibt doch bspw. auch Leute, die reden wie sie schreiben, fühle Dich
bitte nicht angegriffen.

Beste Grüße!
Sky

Swen Wacker

unread,
Apr 23, 2009, 11:28:48 AM4/23/09
to webkom...@googlegroups.com
Moin,

2009/4/22 Stefan Münz <stefan...@googlemail.com>:

> In Abschnitt 7.3 (S.91) wirds dann richtig interessant. Dort werden
> dem geneigten Leser "Die Zehn Gebote für Betreiber sozialer Netzwerke"
> präsentiert.

[...]


> 9. Verhindern Sie, dass Profildaten Ihrer Nutzer von Dritten kopiert
> werden

[...]


> Punkt 9 kommt mir dagegen wieder
> etwas wie Holzmedien-Denken vor, bar aller Kenntnis über Realitäten
> wie dass Daten sich bereits auf dem Rechner eines Users befinden, wenn
> er sie abruft.

Ich denke, er meint was anderes. Oder jedenfalls verstehe ich es
anders. Ein Problem, dass unsere noch vorhandene gesellschaftliche
Hilflosigkeit mit den neuen Möglichkeiten der digitalen Recherche vs
anständigem Verhalten betrifft. Wobei ich ganz bewusst den Vergleich
moralisch ziehe und nicht rechtlich (Recht auf informationelle
Selbstbestimmtheit) - weil das Problem halt nicht nur oberflächlich
rechtlich sondern zutiefst ethisch bzw. moralisch ist.

Holzmedien ist das Stichwort. Die Toten von Winnenden waren noch nicht
unter der Erde, da hatten die gottlosen Bildschirmtäter zweier
einschlägiger Blätter
(http://www.bildblog.de/6494/die-amok-opfer-der-bild-am-sonntag/) ihre
digitale Leichenfledderei schon vollstreckt und sich aus den
einschlägigen Quellen Bilder der Opfer zusammengestohlen. So etwas ist
in meinen Augen eklig, unentschuldbar und gewährt uns einen Einblick
in den stinkenden Schlund der auflagen-, umsatz- und klickgeilen
Medien, denen wir ausliefert sind. Ich habe nicht gehört, dass auch
nur einer der Verantwortlichen Redakteure oder Verleger sich später
dafür entschuldigt hätte. Ich habe nicht gehört, dass etwa die
evangelische oder katholische Kirche der Bild-Zeitung nunmehr
auferlegt hätte, davon Abstand zu nehmen, für ein sogenannte
Volksbibel zu werben. Und es würde mich auch nicht wundern, wenn eine
vielleicht bald erlassene Rüge des Presserates von den beiden Blättern
(bei der Bild ja gewohnheitsmäßig) ignoriert wird.

Das hatte ich Hinterkopf als ich die Nummer 9 las - und meinen
Unglauben, dass sich grundlegende ethische Werte nachhaltig in die
Köpfe der hierfür verantwortlichen Redaktionen verpflanzen lassen. Und
wenn es denn so ist, dass die Gier mancher "Dritter" nicht gebremst
werden kann, dann ist es vielleicht wenigstens eine kleine Hoffnung
oder Genugtuung, wenn man das Kopieren solcher Bilder ein wenig
erschwert, die Bilder mit Wasserzeichen unterlegt oder etwa unter
solche Rechte stellt, die es den Betreibern der sozialen Netzwerke,
den Opfern oder deren Angehörigen oder auch jedermann ermöglichen, die
Attentäter und Amokläufer in den Redaktionen mit Leichtigkeit auf
Unterlassung, Schadensersatz, Aberkennung der bürgerlichen
Ehrenrechte, der Geschäftsfähigkeit oder sonstwas zu verklagen.

Und vor diesem Hintergrund ist der nachfolgende Absatz sicher richtig,
aber leider missverständlich.

> "Wichtig ist aber auch das Bewusstsein der Online-Generation im Umgang mit ihrer Privatsphäre zu schärfen.

Die Online-Generation sind nämlich nicht nur die in Zeiten des
Internets geborenen, sondern wir alle. Bürger, Institutionen, Firmen,
Verbände, der Staat. Wir alle müssen eine moralische Gerüst entwickeln
für die neuen Formen der Öffentlichkeit. Haben wir ein solches
moralisches Bewusstsein, dann wird kaum jemand mehr mit Blick auf
Auflagen auf die Idee kommen, schamlos
geifernd solche Schlagzeilen zu machen. Es gibt solche Medien, solche
Journalisten. Auch heute noch. In Mengen sogar. Ich habe viele in
meiner Zeit als Pressesprecher kennengelernt. Profis, denen es nie in
den Kopf gekommen wäre, ihr Wissen um ihre Ehefrauen betrügende
Minister zu veröffentlichen, weil sie nie auf die Idee gekommen wären,
dass das auch nur irgendwie eine Meldung wert sein könnte. Für eine
Seite Verantwortliche, die solche Bilder wieder rausgeworfen hätten,
ihr Stimme in der Endredaktion erhoben hätten.

Letztendlich werden wir damit umgehen müssen, dann neue Techniken neue
gesellschaftliche Umgehensweisen entstehen lassen. Alte Freiräume
verschwinden, neue hinzukommen. Eine anderes, eher belustigendes
Beispiel, wie technischer Fortschritt, jugendliche Freiräume und
Datenschutz gegeneinander spielen. Mann, Singlehaushalt, ruft erstmals
einen bestimmten Pizza-Service an und ist erstaunt, als der
Mitarbeiter, der die telefonische Bestellung aufnahm, irgendwann ein
"und wie immer eine Cola als Getränk zur Pizza, Herr XYZ" einfließen
ließ. "Wie immer?" Der Mann am Telefon erläuterte, dass die früheren
Bestellungen, der Name sowie die Anschrift unter dieser Telefonnummer
in seinem PC erfasst würden und es im Sinne der Kundenfreundlichkeit
sei, wenn er mir so aufgrund meiner bisherigen Bestellungen die eine
oder andere Ware nahelegen könne. Aber wenn es mir wichtig wäre, könne
mein Nummer davon ausgenommen werden. Nicht nötig, der Service gefalle
ja, sagte mein Freund. Blöd sei eigentlich nur, dass ich zu ersten Mal
anriefe. Des Rätsel Lösung war klar, als er darum bat, seine früheren
Bestellungen und die Tage dazu zu nennen: Seine Tochter, wenn sie bei
ihm war, bestellt sich dort ab und an was. Das war nun aber familiär
regelwidrig, weil es das Abkommen mit der Mutter/Ex-Frau gab, dass das
Kind aus übergeordneten ernährungspolitischen Erziehungidealen keine
Döner, Pizzas, Süßgetränke etc bekommen sollte ... Also meine Tochter
würde platzen vor Wut, wenn ich ihr erzählte, ich wisse durch diesen
doppelt nützlichen Service nun endlich auch, was sie sich denn so
alles bei dem Pizza-Dienst bestelle, wenn sie angeblich das Essensgeld
fürs Abendbrot im Öko-Laden ließe. Ein selbstverwalteter Jugendraum
ist verloren gegangen.

Ich finde es also gut, dass der Datenschutzbeauftragte nicht
holzhammermäßig alle sozialen Netzwerke verdammt und abschaffen will,
sondern an uns appelliert, neues Bewusstsein zu wecken, neue
Verantwortlichkeiten zu akzeptieren und neue Grenzen zu ziehen.


Ansonsten finde ich in dem Bericht noch viel berufliches. Als
Mitarbeiter in der Buchhaltung einer Behörde mit sicher mehr als 25
Millionen Zahlungsvorgängen im Jahr kann ich reichlich Ansatz- und
Problempunkte aus der täglichen Arbeit wiederfinden sowie mich noch an
einige mehr erinnern - zumal der hiesige Datenschutzbeauftragte, zu
meinem beruflichen Leid aber eben zum gesellschaftlichen Wohl, seine
Aufgabe sehr genau nimmt.

Gruß

Swen

Swen Wacker

unread,
Apr 23, 2009, 11:49:53 AM4/23/09
to webkom...@googlegroups.com
Moin,

2009/4/22 Sky Dumont <skyf...@gmail.com>:

>> Was meinst du? Dass ich im Web unter Klarnamen diskutiere und
>> publiziere? Ich habe mich einfach dran gewöhnt und kein Problem damit.
>> Auch ist mir noch kein bekannt gewordener Nachteil daraus entstanden.
>
> Du kannst bspw. keine kontroversen Themen diskutieren oder kontroverse
> Meinungen ("Ich wähle SPD." ist in bestimmten Kreisen bereits
> kontrovers, LOL) äussern ohne Nachteile befürchten zu müssen. Ich bin
> erstaunt, dass Dir das nicht klar ist.

Ich habe in einer bewussten Entscheidung von Beginn einen eher
öffentlichen Umgang mit mir gepflegt. Meine Krankheiten, meine
Suchterfahrungen, meine politischen Einstellungen habe ich nicht nur
einmal "veröffentlicht", ohne das sich je Nachteile erlitten hätte.
Ich bin es allerdings auch seit jeher bewusst so eingestellt gewesen
und hätte mich eher verstellt, wenn ich im Netz anders agiert hätte.

Bei manchem (z.B. im) SELFHTML-Forum war erkennbar, dass sie sich der
Tragweite ihrer Äußerungen nicht bewusst waren. Spätere Löschbitten
aus dem Archiv waren an der Tagesordnung. Ich bin anderseits so
eingestellt, dass ich dann nicht unerbittlich als "Da musst jetzt mit
Leben"-Sheriff herumlaufen wollte und finde solche Löschungen dann
okay. Es macht aber klar (siehe oben) dass da noch viel
Medienkompetenz wachsen muss, bis es späteren Generationen leichter
fällt, von Beginn an bewusster zu agieren,

Andererseits will ich meine Gehabe nicht als Maßstab gelten lassen. Es
kann und darf auf der anderen Seite nicht erstrebenswert sein, dass
jeder sich nicht öffentlich nackig machen will, allein deshalb unter
Verdacht gerät, etwas verbergen zu wollen.

Wegen der No-Angels-Sängerin-Geschichte:
Klar, vielleicht ist die Geschichte so, wie sie in den Medien steht,
gewesen und vielleicht muss zu dann auch zu Recht bestraft werden.
Aber vielleicht ist die Wahrheit dann auch irgenwie anders. Dann darf
die Ehre aber nicht unwiderruflich futsch sein:
http://www.bildblog.de/die-verlorene-ehre-des-andreas-tuerck/

Sky

unread,
Apr 23, 2009, 6:22:11 PM4/23/09
to Webkompetenz-Forum
Hallo Swen,

Du bist halt ein ziemlich offener Typ, wie ich auch, allerdings möchte
ich nicht immer die Folgen meiner Meinungsäusserungen bedenken müssen
und so zu sagen eine Akzeptanzschicht einziehen müssen.
Die Nachteile der namentlichen Kommunikation sind bekannt,
Personalabteilungen interessieren sich für so etwas, Arbeitskollegen
und Kunden erst recht.

Finde es gut, dass das Du das als mögliches Problem bearbeitest, der
Unterschied zu früher ist halt, dass das Web ein ziemlich gutes
Gedächntnis hat und der "Stammtisch" (gemeint: nicht ganz gare
Meinungsäusserungen in kleinerer privater oder "halbprivater" Runde)
auf einmal offen liegt.
So mancher Kommentator und Blogger hat sich schon gewundert, wenn er
ein paar Wochen später Post erhält, ein RA-Schreiben oder gleich etwas
vom Staatsanwalt.

Stefan hat an anderer Stelle ein Plädoyer gehalten für mehr Offenheit,
so wie es jetzt auch viele im Web - bewusst oder im Unklaren über die
möglichen Konsequenzen - handhaben, dem ich mich eigentlich
anschliesse,

Allerdings beissen sich die Konzepte. Hier gibt es für die
Rechtspflege und natürlich auch i.p. Webkompetenz der Einzelnen noch
viel zu tun.
Zudem sind die "Datenschutz"-Konzepte anzupassen, das nationale Recht
greift nicht mehr so recht. Weiss auch nicht wie das Recht auf
informationelle Selbstbestimmung (dem ich skeptisch gegenüberstehe,
das aber Norm ist) hier noch durchgesetzt werden kann. Yasni und
andere intelligente Meta-Suchmaschinen sind schon recht unangenehm.

MFG
Sky

Swen Wacker

unread,
Apr 24, 2009, 12:48:24 AM4/24/09
to webkom...@googlegroups.com
Moin,

2009/4/24 Sky <skyf...@gmail.com>:

> Finde es gut, dass das Du das als mögliches Problem bearbeitest, der
> Unterschied zu früher ist halt, dass das Web ein ziemlich gutes
> Gedächntnis hat

Nene, ich sehe das nicht als Problem, sondern sehr fatalistisch als
Tatsache, mit der wir lernen müssen, umzugehen. Es gab immer wieder
mal Erfindungen im Bereich der Medien, die nicht nur allein
Kommunikationsverhalten verändert haben, sondern (mittelbar) zu
enormen gesellschaftlichen Umwälzungen geführt haben (der Telegraph
z.B. hat das "Heute" internationalisiert, vorher gab es den Begriff
"Heute hat..." doch allenfalls im Wohnumfeld)

> Yasni und andere intelligente Meta-Suchmaschinen sind schon recht unangenehm.

Anders herum ermöglichen solche Dienste Selbstüberprüfung. Yasni oder
so hat mir mal offenbart, dass es bei amazon eine öffentliche
Wunschliste von mir gibt, von der ich echt nichts (mehr) wusste.
Amazon (das ist das eigentliche Problem) liefert seinen Kunden nicht
so ohne weiteres einen Überblick über "das sind die Daten, die wir von
Ihnen veröffentlichen". Einen solchen Möglichkeit, sich Überblick zu
verschaffen, verbunden mit sehr großen Lösch-Buttons, halte ich bei
jedem online-Dienstleister für notwendig.

Gruß

Swen

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