Seminar "Wissen in der modernen Gesellschaft"

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Hans-Gert Gräbe

unread,
Jun 5, 2009, 8:42:50 AM6/5/09
to wak-l...@googlegroups.com, leo...@googlegroups.com
Nach unsere gestrigen spannenden Diskussion um Freie Lizenzen wird es im
Seminar "Wissen in der modernen Gesellschaft" am 11.6. um "Praxen Freier
Software" gehen. Siehe

http://www.dorfwiki.org/wiki.cgi?HansGertGraebe/SeminarWissen/2009-06-04
und
http://www.dorfwiki.org/wiki.cgi?HansGertGraebe/SeminarWissen/2009-06-11

Mit freundlichen Grüßen,
Hans-Gert Gräbe

Kurt Fleming

unread,
Jun 5, 2009, 10:25:56 AM6/5/09
to wak-l...@googlegroups.com
Lieber Hans-Gert,

da ich mich eh nicht an euren Diskussionen beteiligen kann, wäre es nett,
mich aus dem Verteiler herauszunehmen.

Herzliche Grüße, Kurt

-----Ursprüngliche Nachricht-----
Von: wak-l...@googlegroups.com [mailto:wak-l...@googlegroups.com] Im
Auftrag von Hans-Gert Gräbe
Gesendet: Freitag, 5. Juni 2009 14:43
An: wak-l...@googlegroups.com; leo...@googlegroups.com
Betreff: [wak-leipzig] Seminar "Wissen in der modernen Gesellschaft"

AG Politik- und Medienanalyse Sachsen

unread,
Jun 5, 2009, 2:35:07 PM6/5/09
to wak-leipzig
Sehr verheerter Herr Professor.

"Zurzeit baut Google - die grösste Werbeagentur der Welt mit einer
daran angehängten kleinen Suchmaschine für Internet-Recherchen - in
der 3000-Seelen-Gemeinde Krons-torf im Bundesland Oberösterreich ein
neues Serverzentrum. Vergleichbare Datenzentren von Google stehen
bislang in Belgien und in den USA in South Carolina. Es handelt sich
hierbei um riesige Industriegebäude in der Grösse von rund 10
Fussballplätzen, deren Investitionskosten auf jeweils 150 Millionen US-
Dollar geschätzt werden. Bemerkenswert ist der Stromverbrauch dieser
Googleschen Datenzentren, da sie als ebenso energieintensiv
eingeschätzt werden wie die bekanntermassen energieintensiven
Aluminiumwerke. Wie stromfressend und umweltunverträglich Google
arbeitet, zeigen jüngste Presse-äusserungen des Harvard-Physikers
Alexander David Wissner-Gross: Auf eine einfache Formel gebracht,
setzen 2 Suchanfragen bei Google 15 Gramm CO2 frei, das heisst
genausoviel, wie man zum Kochen einer Tasse Tee braucht." (Jörg
Becker)


hier der gesamte Beitrag, durchaus lohnenswert, Herr Prof. Graebe

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Computer und Ökologie

von Prof. Dr. Jörg Becker

<<Aus der digitalen Landschaft entsteht eine neue Generation, die frei
von alten Vorurteilen ist und sich von den Beschränkungen
geographischer Nähe als einziger Basis für Freundschaft,
Zusammenarbeit, Spiel und Nachbarschaft gelöst hat. Die digitale
Technologie kann wie eine Naturgewalt wirken, die die Menschen zu
grösserer Weltharmonie bewegt.>> So schwärmte der MIT-Informatiker (MIT
= Massachusetts Institute of Technology) Nicholas Negroponte 1995 in
seinem Buch <<Total Digital>>. Ganz ähnlich klang es im selben Jahr bei
Microsoft-Chef Bill Gates in seinem Klassiker <<Der Weg nach vorn>>:
<<Der Informations-Highway wird seine Informationen und Angebote auch
über die Grenzen der hochtechnisierten Welt hinaus in die
Entwicklungsländer transportieren. Im Endeffekt werden wir weltweit
einen Anstieg des Wohlstands erleben, der sich stabilisierend
auswirken wird. Der Abstand zwischen den armen und den reichen Ländern
wird sich verringern.>> Schon dreissig Jahre vorher hatte der Kanadier
Marshall MacLuhan in seinen Medienanalysen emphatisch ausgerufen:
<<Heute, nach mehr als einem Jahrhundert elektrischer Technik, haben
wir in einer globalen Umarmung unser Zentralnervensystem selbst
ausgedehnt und dabei Raum und Zeit, soweit das unseren Planeten
betrifft, abgeschafft.>>
Wären es nicht gestandene Manager und Wissenschaftler, die vor rund 15
Jahren solche Sätze geschrieben haben, dann -müsste man solche Elogen
entweder als männlich-pubertäre Allmachtsphantasien, als Sprache von
Hochglanz-Werbeprospekten oder als Ideologie bezeichnen; Ideologie im
klassischen Sinne von Karl Marx als einerseits notwendig falsches
Bewusstsein und andererseits als Herrschaftswissen der politischen und
ökonomischen Elite zur Aufrechterhaltung und Verschleierung ihres
ausbeuterischen Klassenstatus.
Auch rein empirisch ist nichts von dem, was in diesen Zitaten steht,
richtig. Ganz im Gegenteil: Seit 15 Jahren ist die Welt instabiler
geworden, die Kluft zwischen arm und reich hat sich drastisch
erweitert, in den internationalen Beziehungen mussten die UN-Ordnung
und das Völkerrecht einem darwinistischen Recht des Stärkeren weichen,
die Klimakatastrophe nimmt immer bedrohlichere Ausmasse an
(Abschmelzen der Gletscher und Polkappen, globale Erwärmung,
zunehmende Ausdünnung der Ozonschicht), statt Hightech-Kriegen ist
eine Rückkehr zu Söldnertruppen, zu Häuser- und Nahkampf und zu
simpelstem Mord- und Totschlag zu beobachten und statt Willy Brandts
Forderung nach einem <<Mehr an Demokratie>> von 1969 geht es seit dem
11. September 2001 angesichts einer hysterischen Terrorismus- und
Sicherheitsdebatte nur noch und verstärkt um den Abbau aller
selbstverständlichsten bürgerlichen Freiheitsrechte.
Gegenüber allem zeitgeschmäcklerischem Geschwätz heisst ein Reden über
Computer und Ökologie die analytische Rückkehr zu Materie, Material,
Industrie, Rohstoffen, Produktion, Ausbeutung der endlichen Natur
durch den Menschen und Ausbeutung des Menschen durch den Menschen.

Toxische Produktion

Computern haftet ein Image von sauber, billig und material- und
umweltschonend an. Dieses Image gilt es öffentlichkeitswirksam zu
brechen, da gerade die Herstellung eines Computers ausgesprochen
materialintensiv ist. Nach einer UN-Studie werden allein zur
Produktion eines Arbeitsplatzcomputers mehr als 240 Kilogramm fossile
Brennstoffe wie Öl und Kohle, rund 22 Kilogramm chemische Produkte und
1500 Liter Wasser benötigt. Weder ist die Ökobilanz dieser Produktion
umweltfreundlich, noch sind es die lokalen Produktionsbedingungen.
Viele der zum Bau eines Computers benötigten Metalle sind selten
(unter anderem Kupfer, Aluminium, Nickel, Zink, Gold, Platin, Koltan,
Kobalt), kommen häufig nur in Ländern der dritten Welt vor und sind
gerade in diesen Ländern auf Grund von ausbeuterischen Niedriglöhnen
billig zu gewinnen. So wird zum Beispiel die Hälfte des weltweiten
Bedarfs an Kobalt nur in zwei Ländern gefördert, nämlich in Sambia und
im Kongo. Die in der Nähe der sambischen Kobaltminen wohnenden
Menschen leiden unter verseuchten Böden, so dass sie dort kein Gemüse
mehr anbauen können, und an verschmutztem Trinkwasser.
Noch übler sieht es mit Gesundheitsbelästigungen in den
Produktionsstätten für Computerchips aus. Die Fertigstellung von Chips
kann nur in sogenannten Reinräumen stattfinden. Reinräume sind
spezielle Räume, in denen die Partikelkontamination unterhalb streng
festgelegter Werte liegen muss und in denen höchst penible
Sauberkeitsvorschriften gelten. Dennoch kommt es bei der Chip-
Produktion seit langem zu schweren gesundheitlichen Problemen
deswegen, weil im Umgang mit vielen toxischen Lösungsmitteln
Arbeitsvorschriften nicht eingehalten oder Instrumente und Apparate
für einen giftfreien Umgang mit ihnen fehlen. In der Folge gibt es
eine erhöhte Krebsgefahr, Kopf- und Muskelschmerzen, Atembeschwerden,
Fruchtbarkeitsprobleme und erhöhte Risiken von Fehlgeburten.
Oft in steuerfreie Zonen ausgelagert, sind diese <<chemischen Fabriken>>
ein Kernbestandteil von dem, was Feministinnen wie Christa Wichterich
(<<Die globalisierte Frau>>) oft genug und gut belegt als typisch
weibliche <<Kehrseite>> einer vom Patriarchat angetriebenen und
dominierten Globalisierung beschrieben haben: Arme bäuerliche Frauen
aus Entwicklungsländern arbeiten unter menschenunwürdigen Arbeits- und
Wohnbedingungen und zu Niedrigstlöhnen in eingezäunten Sonderzonen, um
Männern der nördlichen Länder Wohlstand und Komfort zu schaffen. Dies
gilt besonders für viele Dienstleistungsindustrien wie die Software-
Industrie und outgesourcte Büroarbeit, aber auch für die Textil-,
Schuh-, Spielzeug- und eben die Chip-Industrie.
Die NGO Greenpeace International untersuchte vor nicht allzu langer
Zeit Standorte von Chip-Herstellern wie Hewlett Packard und Zulieferer
wie die US-Firmen Solectron und Fortune in China, Mexiko, Thailand und
den Philippinen. In vielen Fällen konnte Greenpeace eine erhöhte
Belastung der Böden und Grundwasser mit Metallrückständen (Blei,
Nickel, Kupfer) feststellen sowie Rückstände von Lösungsmitteln und
anderen giftigen Substanzen nachweisen.
So leiden nicht nur die Arbeiterinnen in den Chip-Fabriken, sondern
auch sämtliche Bewohner des Umlandes und hier wiederum besonders die
Frauen, da in traditionellen Gesellschaften gerade sie die soziale
Verantwortung für die gesunde Ernährung und Gesundheit der ganzen
Familie tragen.


Exorbitante Energiekosten

Zurzeit baut Google - die grösste Werbeagentur der Welt mit einer
daran angehängten kleinen Suchmaschine für Internet-Recherchen - in
der 3000-Seelen-Gemeinde Krons-torf im Bundesland Oberösterreich ein
neues Serverzentrum. Vergleichbare Datenzentren von Google stehen
bislang in Belgien und in den USA in South Carolina. Es handelt sich
hierbei um riesige Industriegebäude in der Grösse von rund 10
Fussballplätzen, deren Investitionskosten auf jeweils 150 Millionen US-
Dollar geschätzt werden. Bemerkenswert ist der Stromverbrauch dieser
Googleschen Datenzentren, da sie als ebenso energieintensiv
eingeschätzt werden wie die bekanntermassen energieintensiven
Aluminiumwerke. Wie stromfressend und umweltunverträglich Google
arbeitet, zeigen jüngste Presse-äusserungen des Harvard-Physikers
Alexander David Wissner-Gross: Auf eine einfache Formel gebracht,
setzen 2 Suchanfragen bei Google 15 Gramm CO2 frei, das heisst
genausoviel, wie man zum Kochen einer Tasse Tee braucht.
Ganz allgemein kommen verschiedene Studien zum Stromverbrauch von
Rechenzentren zu verheerenden Ergebnissen. So gehen Schätzungen der
Stanford University davon aus, dass 2005 der Stromverbrauch aller
Rechenzentren weltweit 20 Millionen Megawattstunden betrug und damit
doppelt so hoch lag als noch fünf Jahre zuvor. Anders ausgedrückt: Er
war genauso hoch wie der der Spielerstadt Las Vegas und damit des
weltweit grössten Stromverbrauchers. Ebenso alarmierend sind die
Ergebnisse einer Studie des US-amerikanischen Chip-Herstellers
Advanced Micro Devices (AMD). Danach arbeiten weltweit 14 Kraftwerke
der 1000-Megawatt-Klasse ausschliesslich dafür, alle Rechenzentren der
Welt mit Strom zu versorgen. Allein in Deutschland verbrauchten die
Rechenzentren 2008 die ungeheuerliche Gesamtsumme von rund 10
Terrawattstunden. Dies entspricht der Leistung von vier mittelgrossen
Kohlekraftwerken. Man kann den Energieverbrauch solcher Grossrechner
aber auch folgendermassen drastisch und salopp auf den Punkt bringen:
Ohne Internet-Nutzung könnte sich Deutschland den Betrieb von 2
Atomkraftwerken ersparen!
Addiert man zu den Netzen und Geräten der Computer- und
Informationstechnologiebranchen noch die der Massenmedien hinzu,
dynamisiert sich der Stromverbrauch dieser konvergenten Industrien ins
schier Unermessliche. Wird gegenwärtig der neue
Riesenfernsehbildschirm von Panasonic mit einer Bilddiagonalen von
1,65 Meter im Normalbetrieb bereits 720 Watt verbrauchen - das
entspricht der Energie von 34 sehr hellen Energiesparlampen -, so soll
zukünftig der Energiebedarf aller elektronischen Geräte in privaten
Haushalten sogar noch drastisch ansteigen. Die britische Non-Profit-
Organisation Energy Saving Trust schätzt ihn in ihrer Studie mit dem
bezeichnenden Titel <<Das Ampère schlägt zurück>> für das Jahr 2020 auf
satte 45 Prozent aller im Haushalt verbrauchten elektrischen Energie!
Als wenn all diese Stromkosten noch nicht genug wären, sind in diesen
Überlegungen noch nicht die Stand-by-Kosten für Fernsehgeräte,
Videorecorder, DVD-Spieler, Stereo-Anlagen usw. enthalten. Experten
schätzen diese stillen Stromkosten für nicht benutzte Geräte in der EU
auf 4,8 Milliarden Euro; das entspricht einem Ausstoss von 180
Millionen Tonnen CO2 und damit der Hälfte des Klimaschutzziels der EU
im Rahmen des Kyoto-Protokolls.


Toxische Entsorgung

Im Oktober 2008 veröffentlichte das Magazin Wissen der <<Süddeutschen
Zeitung>> einen erschütternden Bericht über die Verschrottung von
europäischem Computermüll in Ghana. Unter dem Titel <<Im Höllenfeuer
der Hightech-Welt>> wird dort das Leben afrikanischer Jugendlicher
beschrieben, die auf einer Mülldeponie hinter dem Agbogbloshie-Markt
in Ghanas Hauptstadt ihr Leben fristen. Dieser Markt ist der grösste
Elektroschrottplatz Ghanas. Von seinen Abfällen leben Tausende von
Menschen, insbesondere auch Kinder ab einem Alter von fünf Jahren. Sie
sortieren den Elektroschrott nach wieder brauchbaren Metallen und
können damit pro Tag einen Verdienst von 2 Euro erreichen, um damit
die Schulgebühren zahlen zu können. Eine Greenpeace-Untersuchung des
Bodens rund um diesen afrikanischen Markt kam zu folgenden
Ergebnissen: Der Bleigehalt übertrifft die Normalverteilung an anderen
Stellen -Accras um das 100fache, die Konzentration anderer
Schwermetalle und Gifte liegt um ein Dutzendfaches über den
Grenzwerten, und Boden und Wasser sind verseucht mit sogenannten
Phthalaten, also Weichmachern für Kunststoffe wie PVC. Für die auf und
vom Agbogbloshie-Markt lebenden Menschen führen diese Giftstoffe zu
Kopfschmerzen, Atembeschwerden, Unfruchtbarkeit, Diabetes, Krebs,
Herz-, Leber-, Lungen- und Nierenschäden, Gehirnschwellungen und
Muskelschwund.
Nach Schätzungen des Umweltprogramms der UN (Unep) fallen weltweit
jährlich rund 50 Million Tonnen an giftigem Computerschrott an -
allein in Deutschland rund 1 Million. Und da die mörderische Dynamik
eines Technoturbokapitalismus zu einer sich immer schneller drehenden
Spirale von jeweils kürzeren und neuen Produktzyklen drängt, wächst
der weltweite Berg von solchem E-Schrott jährlich enorm an. In der EU
werden nur 25 Prozent der in der EU verkauften Computer und TV-
Bildschirme auch innerhalb der EU recycelt. Der grössere Anteil von 75
Prozent landet als Schrott in der dritten Welt. Zwar verbietet eine
spezielle Basler UN-Konvention zur <<Kontrolle der
grenzüberschreitenden Verbringung gefährlicher Abfälle und ihrer
Entsorgung>> von 1989 den Export von giftigem Müll in
Entwicklungsländer, doch da es juristisch keinen sauberen Unterschied
zwischen Müll und Gebrauchtware gibt, deklarieren amerikanische und
europäische Exporteure ihr Gift völlig legal einfach als
Gebrauchtware. Da übrigens 80 Prozent des globalen Computerschrotts
nur aus den USA kommen, ist dieses Land <<praktischerweise>> der Basler
Konvention nie beigetreten.
Für die auf Schrotthalden der dritten Welt lebenden Menschen heissen
diese Mechanismen frei nach der britischen Rockgruppe Queen und ganz
zynisch nur: <<The show must go on!>>


Realistische Technologiefolgen-abschätzung statt profitorientierter
Jubelprognosen

Bevor man nach den politischen Konsequenzen solcher Strukturen fragt,
muss klar sein, dass die hier behandelten Themen nur die Spitze eines
Eisberges darstellen, dass viele Aspekte nicht berührt wurden, dass
beispielsweise die wissenschaftlich nachgewiesenen
Gesundheitsgefährdungen durch Elektrosmog bei der Nutzung von UMTS-
Netzen (Mobile) aussen vor gelassen wurden. Was also ergibt sich aus
einem kritischen Nachdenken über die ökologischen Konsequenzen der
Informationsgesellschaft, und was bleibt zu tun?
Zuerst sei in diesem Kontext an die <<Göttliche Komödie>> des grossen
Dante -Alighieri aus dem 14. Jahrhundert erinnert, denn im zwanzigsten
Gesang seines ersten Buches schickt er alle Wahrsager einfach in die
Hölle. Dort dürfen sie sich nur noch mit nach hinten verdrehtem
Gesicht fortbewegen: <<Schau, wie er rückwärts schreitet, rückwärts
sieht, weil er zuweit vorauszusehen dachte.>> Mit anderen Worten: Das
prognostische Geschwätz selbsternannter Propheten wie Marshall Mac
Luhan, Nicholas Negroponte, Bill Gates und zahlreicher anderer muss
sozial geächtet werden. Nochmals mit anderen Worten: Dringend und um
des Überlebens willen gilt es, politisch eine interdisziplinäre und
antizipative Technologiefolgenabschätzung im Stadium einer jeweiligen
Technikgenese zu fordern und endlich auch praktisch, politisch und
gesetzgeberisch umzusetzen. Denn die Mechanismen, die hier beschrieben
wurden, perpetuieren und dynamisieren sich sonst bei jeder weiteren
zukünftigen Technologie. Jüngstes Beispiel dafür ist die mit
Milliardenbeträgen geförderte Nanotechnologie, über deren
gesundheitliche Schäden - mangelnde Immunkraft des menschlichen
Körpers gegen Objekte in einer Grössenordnung von einem Milliardstel
Meter (10-9 m) - man erst jetzt, nach einer unkritischen Förderdauer
von rund zwanzig Jahren, anfängt nachzudenken und zu forschen.
Zweitens lehrt gerade die gegenwärtige Finanz- und Wirtschaftskrise
genau das, was eigentlich jeder kritische Kopf sowieso weiss: Der
Markt versagt als Regelungsinstanz bei vielen Konflikten. So wie der
japanische Gesetzgeber ineffiziente Waschmaschinen und so wie die EU-
Kommission bestimmte ineffiziente Glühbirnen ab 2009 verbieten,
genauso müssen vielzählige Computer-Produkte einfach verboten werden.
Es kann nicht länger angehen, dass Technologiefirmen Gewinne
privatisieren, während die Allgemeinheit die ökologischen Folgekosten
zahlen muss.
Drittens sind viele Aktionen denkbar, die den politischen Druck auf
Unternehmen und Regierungen, endlich zu handeln, erhöhen können. Zu
erwähnen ist hier das Umweltranking von Greenpeace, das
vierteljährlich eine Liste veröffentlicht, in der die
Elektronikhersteller nach der Intensität der in ihren Produkten
enthaltenen gefährlichen Inhaltsstoffe aufgelistet sind und
angeprangert werden, oder die Kampagne für fair produzierte Computer
der beiden schweizerischen kirchlichen Entwicklungshilfeorganisationen
<<Brot für alle>> und <<Fastenopfer>>.
Viertens muss der Umweltschutzjournalismus - gerade in Deutschland
nicht gut entwickelt! - intensiviert werden. Ein leuchtendes Vorbild
in diesem Sinne ist der 1962 geborene ghanaische Journalist Mike
Anane, Präsident der ghanaischen League of Environmental Journalists,
Autor eines Buches über Umweltschutzjournalismus und unbequemer
Kritiker der nachlässigen Umweltpolitik seiner eigenen Regierung.
Fünftens muss das Theorem einer entmaterialisierten New Economy, gar
einer Wissensgesellschaft, nachhaltig und kräftig in Frage gestellt
werden. Die sogenannte New Economy entpuppt sich bei näherem Hinsehen
als eine Prolongierung der alten kapitalistischen Ökonomie mit ihrer
festen Verankerung in einem ausbeuterischen Umgang mit materiellen und
natürlichen Gütern, die allemal endlicher Natur sind. Mal wieder steht
der Kaiser völlig nackt in der Gegend.
Schliesslich und letztlich ist ein radikales ethisches und politisches
Umdenken bei jeglicher Politik nötig, so wie es der katholische
Theologe Hans Küng bereits 1990 in seinem berühmten Buch <<Projekt
Weltethos>> gefordert hat. Küng stellte damals fünf Sicherheitsregeln
für zukünftige Politik auf:
1. Problemlösungsregel: Viele technologische Fortschritte schaffen
grössere Probleme als Lösungen.
2. Beweislastregel: Wer eine technologische Innovation in Gang
setzt, muss selber nachweisen, dass er keinen sozialen, kulturellen
oder ökologischen Schaden anrichtet.
3. Gemeinwohlregel: Gemeinwohlinteresse hat Vorrang vor
Individualinteresse.
4. Dringlichkeitsregel: Der dringlichere Wert (Überleben eines
Menschen oder der Menschheit) hat Vorrang vor dem an sich höheren Wert
(Selbstverwirklichung eines Menschen oder einer bestimmten Gruppe).
5. Ökoregel: Das Ökosystem, das nicht zerstört werden darf, hat
Vorrang vor dem Soziosystem (überleben ist wichtiger als besser
leben).

http://www.zeit-fragen.ch/ausgaben/2009/nr22-vom-262009/computer-und-oekologie/


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On 5 Jun., 14:42, Hans-Gert Gräbe <h...@hg-graebe.de> wrote:
> Nach unsere gestrigen spannenden Diskussion um Freie Lizenzen wird es im
> Seminar "Wissen in der modernen Gesellschaft" am 11.6. um "Praxen Freier
> Software" gehen. Siehe
>
> http://www.dorfwiki.org/wiki.cgi?HansGertGraebe/SeminarWissen/2009-06-04
> undhttp://www.dorfwiki.org/wiki.cgi?HansGertGraebe/SeminarWissen/2009-06-11

Hans-Gert Gräbe

unread,
Jun 6, 2009, 1:56:16 AM6/6/09
to wak-l...@googlegroups.com
Lieber Herr Nitschke

AG Politik- und Medienanalyse Sachsen schrieb:
> Sehr verheerter Herr Professor. ...

Ob's wirklich so verheert ist, sei dahingestellt. Ich bin der Ansicht,
dass die von Ihnen aufgeworfene Thematik ohne einen freizügigen Zugang
zu den Wissensressourcen der Gesellschaft nicht zu lösen ist, wenn wir
nicht auf Steinzeitniveau zurückfallen wollen. Und das ist das
Rahmenthema dieses Seminars.

Ob wir es _mit_ einem freizügigen Zugang zu den Wissensressourcen
schaffen werden, ist für mich offen, aber ohne wird's nicht gehen.

Sie können aber gern einmal die Ihnen am Herzen liegende Thematik im
Seminar vortragen und zur Diskussion stellen. Durchaus auch noch in
diesem Semester.

Ingo Groepler-Roeser

unread,
Jun 6, 2009, 10:34:23 AM6/6/09
to wak-l...@googlegroups.com
Sehr geehrte Damen und Herren ;-),

ich bin anderer Auffassung. Einerseits ist dem Anliegen zuzustimmen, eben solche Wissensressourcen freizuschalten bzw. ihnen den ungehinderten Weg in die Schulwissenschaft einzuräumen - und das betrifft mithin sogar "übersinnliche" Themengebiete, von denen ich u.a. Geomantie als ein sehr wesentliches, die "Ressource" Erdkunde betreffend da einzuordnen wüßte.

Andererseits kann ich die Resignation nachvollziehen, die Hrn. Nitschke bewegt, da er doch selbst erfahren mußte, daß Ideen relativ zügig von sich als Innovatoren ausgebenden Eliten gefressen werden; das ist der Maßstab der Neo-Eliten, denen es um "ihre eigene" Veränderung geht. (vgl. hierzu Christoph Spehr, 99, Die Aliens...), und die zu diesem Zwecke eine Art des Demokratiespielchens für sich dominieren, die, die gerade gespielt wir und die ich generöse Diktatur nennen würde.
Daraus entwickelt sich - berechtigt - die Befürchtung einer Inanspruchnahme der Veränderung als Akt mit dem Ziel einer Umdeutung (machttypisch).

Neuerdings erklärt gerade eben jener Christoph Spehr erstaunlicherwiese die emanzipatorische Bewegung zum ~ismus und widerspricht seit einigen Tagen in praxi seinen eigenen Thesen von '99. Das ist mit der "großen Wende" in Mode gekommen - bis hin zu unerklärlichen Führerkulten ohne jede Substanz. Das Bild, was sich da mir eröffnet, sieht so aus:

Die Wissenschaftler und Akademiker haben ausgezeichnete technologische Ansätze bis hin zur Vermittlung solcher Innovationen ins tlw. spezifisch interessierte Gemeinwissen und -wesen hinein. In aller Regel aber übernehmen die Tumben und inhaltslosen Politiker die Sache irgendwann und gebrauchen sie nach ihrem Gusto. Die gehypten Fachleute (Experten) werden ausgesucht und jenen entgegengesetzt, die etwas völlig anderes bezwecken wollten.

Wo ist Susanne Wiest inzwischen?
Was haben die Parlamentarier in bspw. Leipzig aus dem Bürgerbegehren gemacht?
usw. usf.

Der Diskurs von Gorz u.a.zum Thema ist völlig sang- und klanglos zum Eigenleben einer parlamentarischen Elite verkommen. (Agnoli, Bordieu, Gramsci) - allesamt nur noch höchst delikat zitierte Staffagen einer sich alles "grabbenden" und äußerst lernfähigen Herrschaftsklasse. Die Konsequenzen sind bereits jetzt schon verheerend und die Oberflächlichkeit in der Verwertung der angeblich demokratischen Methoden und Elemente nimmt rasant zu. Die grünen Spitzen in der AAKW-Bewegung oder in der Friedensbewegung? Wozu? DIE LINKE. in der Sozialprotestbewegung? Warum?

Die Selbstausbeutung und die Ausbeutung der Bürgerbewegungen durch sog. alternative Parlamentarier ist das Kreuz, solange die Ergebnisse mühevoller "Sacharbeit" und Forschung immer wieder Formblätter erzeugt.

Ein Beispiel aus der Wissenschaft:

http://www.bundestag.de/wissen/analysen/2008/LHC-Projekt.pdf

- der völlig verbogene Wissenschaftler zugunsten einer "irgendwie" fortschrittlichen Politik?

"wahrscheinlich", "aller Voraussicht nach", "eventuell" (...)

Der Kritiker:
http://www.wissensnavigator.com/documents/enrico.pdf
R. Plaga u.a.: http://lhc-concern.info/wp-content/uploads/2008/12/lhc-kritik-cern-1-auesserung-18908.pdf

Der Leiter des Kommitees für Elementarteilchenphysik (KET), Peter Mättig ließ 2008 im rbb in einem Interview verlauten:
"Die Mehrheit der Menschen findet es gut, was wir da im CERN machen."

Tatsache aber ist: Die "Mehrheit" der Menschen weiß nicht, worum es überhaupt geht.

Es gibt unzählige Beispiele einer völlig verquasten Degenerierung von Wissenskomplexen zugunsten der in diesem sektor überflüssigen politischen Maschine ...

R. Nitschke

unread,
Jun 8, 2009, 4:16:00 AM6/8/09
to wak-leipzig
Guten Morgen.

Zu dem was hier behandelt/diskutiert wird kann ich leider nur wenig
beitragen, der Hinweis auf den obigen Artikel (Computer und Ökologie)
schien mir aber erwähnenswert.

Zu den "Wegen aus dem Kapitalismus":Arnold Schölzel in der jw heute:
"Mag die Bundesregierung Schritt für Schritt das realisieren, was die
Linke längst vorgeschlagen hat, als treibende Kraft wird letztere
nicht wahrgenommen. Es sieht so aus, als ob diese Absenz mit dem
Fehlen eines Gesamtkonzepts zu tun hat. Damit ist nicht unbedingt ein
Programm gemeint, das kann es auch sein, sondern ein theoretisch
fundierter Begriff vom gegenwärtigen Kapitalismus, den Ursachen der
Krise und Schritten zur deren Überwindung. "

Ja, ja. Warum ist es so schwer, sich auf einen Grundkonsens zu
einigen??? Finanzmarktgetriebener digitaler Kapitalismus, oder
bessser: finanzmarktgetriebene Echtzeit-Scheinökonomie, weil viele
(volkswirtschaftliche und selbst bürgerliche buchhalterische)
Handels- und Wirtschaftsprinzipien durch eine umfassende Bilanz-und
Statistikverfälschung, und durch Manipulation der notwendigen
Informationen, versucht werden (erfolgreich) außer Kraft zu setzen?
Die Quantität dieser Finanzmarktinstrumente (Derivate) und der
kreditgeschöpften Blasen wird zu einer neuen Qualität, die auf ihren
Begriff noch wartet. Diese real existierende Ökonomie könnte gar nicht
funktionieren, bei einem umfassenden (oder sagen wir: hinreichenden)
Informationstand der Bürger, der beteiligten Wirtschaftsakteure. In
diesem SUMPF von halbwaren, gefälschten, verzerrten erfundenen
Informationen geht zu allererst das Vertrauen und die Orientierung
verloren. Die politische Haltung/Weltanschauung wird abgekoppelt von
der realen Wirtschaftspolitik. Letzteres führt ein latentes aber
machtvoles Eigenleben, durch Personen und Strukturen, zu denen
Linke, Die Linke, keinen ZUGANG haben. Es fehlt vermutlich tatsächlich
die realitätstaugliche Vorstellung von dem was vorgeht. Was z.b. ist
eine weltweit agierende US-Anwaltskanzlei(z.b. Freshfields Bruckhaus
Deringer) mit 10 000 oder 30000 Mitarbeitern? Ein Konzern, mit
sicherlich einer Firmenphilosophie, einer eignen Agenda, einer lobby,
und personellen Vernetzungen in das politische Establishment... diese
Kanzlei schreibt Bundes-Gesetze, berät Banken(HRE,...), wickelt
Fusionen und Übernahmen ab, macht CBL/PPP-Verträge. Warum? Was weiß
die Linke von diesen Vorgängen?

R.Nitschke


On 6 Jun., 16:34, Ingo Groepler-Roeser
> R. Plaga u.a.:http://lhc-concern.info/wp-content/uploads/2008/12/lhc-kritik-cern-1-...
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