Hallo,
" was dich an dem riesen Begriffsfeld der "Metaphysik" so stört. Was ist an Kuhns Hauptprämisse metaphysisch?"
Da liegt ein Missverständnis vor. Mich stört an Metaphysik nichts, bin sogar erklärter Methaphysiker. Kuhns Prämisse ist es, Metaphysik weg zu lassen, er lehnt sie generell ab.
Ein etwas anderes Thema: Ich bin aber auch der Meinung, dass sich bei Kuhn versteckt Metaphysik befindet, wie bei allen Skeptikern.
" Das wenige, was ich von Kuhn weiß, besagt aber, dass er es war, den den Begriff des Paradigmas in die Wissenschaft hinein getragen hat. " Die Existenz eines Paradigmas ist für Kuhn ein Zeichen reifer Wissenschaften"
Ja das hat er. Für ihn sind zwei Unterscheidungen von Paradigmata wichtig: "... in einem großen Teil des Buches der Ausdruck 'Paradigma' in zwei verschiedenen Bedeutungen gebraucht wird. Einerseits steht er für die ganze Konstellation von Meinungen, Werten, Methoden usw., die von den Mitgliedern einer gegebenen Gemeinschaft geteilt werden. Anderseits bezeichnet er ein Element in dieser Konstellation, die konkreten Problemlösungen, die, als Vorbild oder Beispiel gebraucht, explizite Regeln als Basis für Lösungen der übrigen Probleme der 'normalen Wissenschaft' ersetzen können. (Thomas S. Kuhn, Die Struktur wissenschaftlicher Revolution, S. 186)
" Paradigmas ist für Kuhn ein Zeichen reifer Wissenschaften, es ist allerdings nicht ein notwendiges Kriterium für Wissenschaftlichkeit."
Ich weiß nicht wie Wissenschaft ohne erste Axiome, in dem Sinn Paradigmen, von statten gehen soll, dem entsprechend sich auch Wissenschftlichkeit ausdrückt. Interessante Frage nebenbei; ist Kreationismus eine Wissenschaft?
"Ich denke, ob ein wissenschaftlicher Standpunkt durch eine Evolution oder eine Revolution stattfindet, hängt davon ab, ob der entsprechenden wissenschaftlichen Disziplin nicht-wissenschaftliche Interessen anhängen. Um mal zwei blöde Beispiele zu nennen: Das Paradigma, die Erde sei eine Scheibe, hat ein öffentlich/religiöses/philosophisches/astronomisches Interesse; dass Orang-Utans nachtaktiv sind, ein eher wenig gewichtiges - und deswegen kann ersteres Paradigma nur revolutioniert werden, während das zweite eine Evolution erfahren könnte."
Ich stimme mit dir insoweit überein, dass die Frage nach der Evolution. Dies wäre die zweite Verwendungsart von Paradigma bei Kuhn. So eine Evolution stößt nicht das gesamte Weltbild um, es ändert sich z.B. nichts an dem Paradigma, das Orang-Utans Primaten sind.
Ich würde bei der Revolution jedoch noch unterscheiden, wie ich schon getan habe, zwischen Makro- und Mikro- Revolution. Eine Makro Revolution macht sich dadurch bemerkbar, wie viel Mikro-Revolutionen kumulieren, und das müssen sie nicht in einem zeitlich engen Rahmen tun, z.B. können die Mikro-Revolutionen wie die Industrielle-Revolution, die Bürgerliche-Revolution (Im Politischen System), die Geistige-Revolution (Aufklärung) kumulieren zur Makro-Revolution: "Absolutismus zu Kapitalismus".
Die Interessante Frage; ist das jetzt nun eine Evolution (die Entwicklung der Menschheit hin zu etwas) oder eine Revolution, es entsteht etwas neues ohne das Alte. Ich glaube sowohl als auch. Die Geschichte der Menschheit ist eine Entwicklung, denn auch bei einer Makro-Revolution bleiben bestimmte Prämissen bestehen, und wenn es nur ist, das wir Menschen bleiben (Das bewertet aber nichts nach qualitativen Gesichtspunkten, ob die Menschheit höherwertig wird etc., das ist nicht zu sagen). Nun ist aber die Geschichte des Seins etwas anderes. Für mich ein Kreislauf ohne Anfang und Ende. Die Geschichte der Menschheit kann abrupt aufhören, die des Universums nicht. Es ist also ein Wechselspiel von Evolution und Revolution.
1.Evolution in einem Subsystem führt zur Revolution in diesem
2.verschiedene Revolutionen in Subsystemen kumulieren zur Makro-Revolution
3.verschiedene Makro-Revolutionen führen zur Evolution der Menschheit
4.Evolution der Menschheit, als Subsystem des Seins, führt zur Revolution z.b. Ende der Menschheit
5.verschieden Revolutionen in Subsystemen des Seins führt zu deren Evolution des Seins, was ein Kreislauf ist.
"Gerade aufgrund des Fakts, dass die Kommunikation nur innerhalb Mikro-Revolutionen funktioniert, ist es unwahrscheinlich, dass eine Organisierte Makro-Revolution auf Basis der Mikro- Revolutionen stattfindet. Ich glaube Makrorevolutionen sind ausschliesslich inszeniert."
Weder behaupte ich das Revolutionen organisiert sind -sie sind einfach notwendig-, noch glaube ich, das sie inszeniert werden. Schon allein deswegen nicht, weil das meine ganze Theorie zerstören würde. Nee im Ernst. Makro-Revolutionen sind nicht wahrnehmbar, da sie sich über viele Jahren erstrecken können. Hingegen sind Mikro-Revolutionen wahrnehmbar, und das auch nicht als inszeniert. Würde ich so behaupten. Ich glaube die scheinbare Differenz zwischen uns, liegt bei einem Missverständnis begründet, was für mich Makro- und Mikro- Revolutionen sind. ich hoffe das wurde nach meiner längeren Passage oben klarer.
"Herrschaftsgebilde, wie sie sich politisch und wirtschaftlich darstellen sind in meinen Augen komplementärbilder menschlich/instinktiver Sozialordnung - und damit so, wie sie jetzt sind (und in den letzten Jahrhunderten waren) perfekt."
Stimme ich dir voll zu. Aber du sprichst von Herrschaftsgebilden im Plural, wovon ich spreche ist die Krise eines Gebildes- des Parlamentarismus.
Meine Theorie mag sicher an so manchen Stellen holpern, aber das darf sie auch, erstens weil das jede Theorie tut und zweitens weil sie noch im werden ist, ich bin daher unheimlich dankbar für diese Diskussion, möchte mich aber dennoch für das holpern entschuldigen.
Liebe Grüße
Flori
> -----Ursprüngliche Nachricht-----
> Von: "Herbert Maschke" <
thy...@gmail.com>
> Gesendet: 27.05.09 00:00:34
> An:
wak-l...@googlegroups.com
> Betreff: [wak-leipzig] Re: Nächstes Treffen am 08.06.
> ein Entschuldigung von mir für die weniger strukturierten Diskussionsbe
> iträge von mir beim letzten mal, aber mir fällt es schwer, mich auf
> das Thema (warum die LINKE) einzulassen, wenn ich mich in Gedanken
> schon mit der nächst hören Abstraktionseben beschäftige.
>
> Dieser von aussen scheinbare Konzentrationsmangel ist ein auch bei
> mir häufig vorkommendes Phänomen.
>
> Dazu habe ich letztens etwas interessantes von Thomas Kuhn gelesen ("
> Die Struktur der Wissenschaftlichen Revolutionen")
> Ihr als alte Revolutionstheoretiker seit mir da sicher schon etwas
> voraus in dem Thema, aber dennoch kurz meine Gedanken dazu, auch wenn
> es vielleicht für euch nichts neues sein mag.
>
> Wenn man Kuhns Hauptprämisse weg lässt (um jeden Preis jede Art von
> Metaphysik abzulehnen) lässt sich seine Theorie, etwas variiert gut
> verwenden.
>
> Ich bin zwar neu auf dem Gebiet der "Revolutionstheoretiker", aber
> ich möchte deinen Gedanken trotzdem gerne kommentieren. Um diesen
> aber richtig zu verstehen, musst du nochmal deutlich erklären, was
> dich an dem riesen Begriffsfeld der "Metaphysik" so stört. Was ist an
> Kuhns Hauptprämisse metaphysisch?
>
> Demnach herrschen in Wissenschaftler-Gemeinschaften bestimmte
> Paradigmen, die diese Gemeinschaften konstituieren. Kommen diese
> Paradigmen z.b. aufgrund neuer Erkenntnisse, logischer Widersprüche,
> etc. in eine Krise, werden - unterstützt durch einen Generationswechsel
> - neue Paradigmen aufgestellt. Da aber aufgrund der Vorgabe: die
> Sprache bestimmt das Weltbild, die neue Theorie in die Alte nicht zu
> übersetzten ist, findet keine Evolution sondern eine Revolution statt.
>
> Das wenige, was ich von Kuhn weiß, besagt aber, dass er es war, den
> den Begriff des Paradigmas in die Wissenschaft hinein getragen hat. "
> Die Existenz eines Paradigmas ist für Kuhn ein Zeichen reifer
> Wissenschaften, es ist allerdings nicht ein notwendiges Kriterium für
> Wissenschaftlichkeit." sagt mir bspw. Wikipedia.
>
> Ich denke, ob ein wissenschaftlicher Standpunkt durch eine Evolution
> oder eine Revolution stattfindet, hängt davon ab, ob der entsprechenden
> wissenschaftlichen Disziplin nicht-wissenschaftliche Interessen
> anhängen. Um mal zwei blöde Beispiele zu nennen: Das Paradigma, die
> Erde sei eine Scheibe, hat ein öffentlich/religiöses/philosophisches/
> astronomisches Interesse; dass Orang-Utans nachtaktiv sind, ein eher
> wenig gewichtiges - und deswegen kann ersteres Paradigma nur
> revolutioniert werden, während das zweite eine Evolution erfahren
> könnte.
>
> Die Krise bei evolutionsfähigen Wissenschaften wäre dann der
> methodische Zweifel.
>
> Soweit Kuhn. Ich finde aber, dass durchaus Übersetzung auch unter der
> Vorgabe: die Sprache bestimmt das Weltbild, möglich ist. Solange man
> sich auf etwas Metaphysik einlässt, dass allen Menschen etwas eigen
> ist, dass sie Menschen sind z.B. (vgl. Descartes).
> Aber richtig; Übersetzungen zweier verschiedener Sprachen bedarf
> etwas Drittes, Vergleichendes. In der Physik kann das die Mathematik
> sein, in der Wissenschaft die Ethik, etc.
>
> Das Paradigma, dass die Sprache unser Weltbild bildet, würde ich noch
> verschärfen, und behaupten, dass sie unser gesamtes Bewusstsein
> bildet - aber das Thema gehört nicht in diese Diskussionsgruppe...
>
> Jetzt kommt etwas Luhmann in's Spiel. Geht man von verschieden
> Systemen (ich nenne sie Stränge) in der Gesellschaft aus, dann kann
> man während einer Revolution in einem Strang, mittels der anderen
> Stränge kommunizieren (die Theorie durchaus im Gegensatz zu Luhmann,
> der von der Abgeschlossenheit der System ausging und einer ausschließli
> ch internen Kommunikation). Diese Revolutionen in den Strängen sind
> Mikro-Revolutionen (vgl. HGG). Treten aber mehrere Mikro-Revolutionen
> gleichzeitig auf, kann es zu einer Makro-Revolution kommen, die die
> gesamte Gesellschaft betrifft, da nicht genügend "intakte" Stränge
> vorhanden sind, um eine gesamtgesellschaftliche Kommunikation
> stattfinden zu lassen.
>
> Ich wäre da skeptisch. Gerade aufgrund des Fakts, dass die Kommunikatio
> n nur innerhalb Mikro-Revolutionen funktioniert, ist es unwahrscheinlic
> h, dass eine Organisierte Makro-Revolution auf Basis der Mikro-
> Revolutionen stattfindet. Ich glaube Makrorevolutionen sind
> ausschliesslich inszeniert.
>
> Meiner Meinung nach befinden sich mehrere Stränge gegenwärtig in
> einem Revolutionsprozess, bzw. in einer Krise. Das ist eine
> Wirtschaftskrise, eine Wissenschaftskrise, eine Kulturkrise, und eine
> Demokratiekrise. Dies müsste zwangsläufig in eine Makro-Revolution
> münden.
>
> Es müsste zwangsläufig bald wieder eine Makro-Revolution inszeniert
> werden, richtig.
>
> Ich finde es daher wenig sinnvoll darüber zu spekulieren, warum DIE
> LINKE nicht von "der Krise" profitiert, wenn sie durch die Krise,
> aufgelöst wird, insofern es sich um die Partei handelt. Das
> gegenwärtige System ist durch pareiendemokratischen Parlamentarismus
> geprägt. Eine Krise und daraus resultierende Revolution dürfte dieses
> System nicht überstehen.
>
> "dieses System" wird durch die "nächste" Revolution nur weiter
> gefestigt.
>
> Auch auf die Gefahr des Eklektizismus hin; Lässt sich Hannah Arendts
> Erklärung für Antisemitismus (Für Antisemitismus finde ich ihn wenig
> geeignet, aber auf die Politikerkaste bezogen, ist er hinreichend gut.
> Vgl. "Elemente und Ursprünge totaler Herrschaft") verweden. Demnach
> wird nicht gehasst, was Reichtum besitzt, sondern was Reichtum
> besitzt und keine dazugehörige Macht. Auf Politiker/ Parteien trifft
> dies zu, sie profitieren materiell von dem jetzigen System, geben
> aber immer und überall zu verstehen, dass sie keine Macht haben, sei
> es aufgrund der berühmten Sachzwänge, oder weil sogenannte Experten
> von den Spezialgebieten ohnehin mehr Ahnung haben. Politiker
> entmachten sich permanent selber, und werden so als parasitär
> wahrgenommen. Die Konsequenz wäre die Abschaffung des pareiendemokratis
> chen Parlamentarismus.
>
> Herrschaftsgebilde, wie sie sich politisch und wirtschaftlich
> darstellen sind in meinen Augen komplementärbilder menschlich/
> instinktiver Sozialordnung - und damit so, wie sie jetzt sind (und in
> den letzten Jahrhunderten waren) perfekt.
>
> mfg
> Herbert
>
> >
>
>
--
"Der, den ich liebe
Hat mir gesagt
Daß er mich braucht.
Darum
Gebe ich auf mich acht
Sehe auf meinen Weg und
Fürchte von jedem Regentropfen
Daß er mich erschlagen könnte"
(Bertolt Brecht)
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