Achim H. Pollert (*), Journalist und Fachautor,
über einen Aspekt beim Ghostwriting
"Ghostwriting" - es gibt den Ausdruck in verschiedensten Branchen.
Politiker und Konzern-Geschäftsführer haben ihre Redenschreiber.
Mittlere Manager lassen sich von Assistenten und Sekretärinnen ihre
Texte schreiben. Viele Sachbuchautoren beauftragen professionelle
Lektoren, um ihr Deutsch auf Vordermann zu bringen. Vereinzelt soll es
Liebeskranke geben, die sich von berufenen Lyrikern Briefe und
Gedichte für das Objekt ihrer Begierde verfassen lassen.
Stellungsuchende lassen sich CVs und Bewerbungsschreiben erstellen.
Richter lassen sich Urteilsbegründungen von Assessoren fertig
ausformulieren (dort bemerkt man es oft noch am ehesten). Desgleichen
soll sich so mancher gestandene Professor seine Vorlesungen und
Publikationen von Assistenten verfassen lassen (um sie dann allenfalls
über Jahre und Jahrzehnte hinweg zu verwenden).
IT-Ingenieure lassen sich Gebrauchsanleitungen schreiben für ihre
Software. Und mittelständische Unternehmer bemühen PR-Berater für ihre
Pressedokumentationen.
Irgendwo steht immer drauf, Mister X. habe das geschrieben, während es
in Wirklichkeit so ist, dass Mister Y. gegen Bezahlung zumindest
intensiv den Text überarbeitet hat.
Das Ganze ist etwas verpönt, obwohl es durchaus gängige Praxis im
Geschäftsalltag ist. Mehr noch: Wir sind geneigt, die Einzelfälle
durchaus entspannter zu sehen. So finden wir vielleicht nicht allzu
viel Verwerfliches an der gekauften Bewerbungsunterlage, während viele
Leute etwa bei der gekauften akademischen Diplomarbeit durchaus empört
die Nase rümpfen.
DIE ANFRAGE
Unlängst erhielt ich eine Anfrage aus der Redaktion eines privaten
Fernsehsenders.
Man bereite einen Beitrag über Studenten vor, die ihre Diplomarbeiten
von einem Ghostwriter verfassen lassen anstatt sie selbst zu
schreiben. Ich wäre da nun vom Fach, so die Anfrage, und ob ich da
also bereit wäre, entsprechendes Hintergrundmaterial zu liefern.
Zum Abschluss hiess es dann noch in dieser Anfrage, man würde mir
natürlich absolute Vertraulichkeit zusichern. Schliesslich wäre das
Thema ausgesprochen heikel.
Sehr zum Erstaunen der Redaktion erklärte ich denen, ich würde auch
unter Nennung meines Namens ohne weiteres in einer Fernsehsendung
auftreten und live Auskunft geben. Man konnte sich wohl gar nicht
erklären, wie so jemand wie ich ganz entspannt in der Oeffentlichkeit
auftreten und von seinem Metier erzählen könnte.
So als müsste ich, der Ghostwriter, mich ein wenig schämen und mich
ein wenig in Acht nehmen.
Wäre dem so, dann müsste sich mancher mittlere Bankangestellte schämen
für die eine oder andere Leistung, für die sich Ackermann & Co. in
aller Oeffentlichkeit feiern lassen (und sich Millionengagen
genehmigen).
DAS UMGEKEHRTE VORZEICHEN
Ganz im Gegenteil: Heikel und mit Risiken behaftet ist Ghostwriting
viel eher für den Kunden als für denjenigen, der die Leistung
erbringt.
Während es für Top-Manager eher ungewöhnlich wäre, überhaupt einen
Text selber zu verfassen, während es auch für Redaktionsleiter noch
eher die Ausnahme darstellt, einen spezifischen Fachbeitrag selber zu
schreiben, ist im akademischen Bereich doch einige Vorsicht geboten.
Immerhin regen wir uns nicht allzu sehr darüber auf, dass Politiker
ihre Reden schreiben lassen. Und wer wäre schon sehr überrascht davon,
wenn herauskäme, dass auch legendäre Aussprüche letztlich nicht aus
der Feder des betreffenden Staatsmannes stammen? Natürlich behaupte
ich das hier nicht. Aber würde etwa herauskommen, dass die Rede vom
"Ruck" letztlich nicht von Roman Herzog selbst verfasst wurde, dann
wäre man möglicherweise nicht einmal enttäuscht, aber wohl kaum
sonderlich empört. Ebenso wie bei der Regierungserklärung von Willy
Brandt, in der er "mehr Demokratie wagen" wollte.
Aber nach wie vor neigt man dazu, mit Fingern auf Akademiker zu
zeigen, selbst wenn die sich nichts weiter haben zuschulden kommen
lassen, als etwa den deutschen Schreibstil einer vorhandenen Arbeit
von professioneller Hand etwas aufpolieren zu lassen.
Und zwar sowohl beim Dozenten wie auch beim Diplomanden oder
Doktoranden.
Wer sich im akademischen Bereich auf diese Weise helfen lässt, geht
darüber hinaus ein nicht unbeträchtliches Risiko ein. Kommt das Ganze
nämlich heraus, dann läuft man Gefahr, die akademischen Würden
aberkannt zu bekommen - selbst Jahre später und auch, wenn man sich
inzwischen auf dem einen oder anderen Gebiet in unabhängiger Leistung
ohne weiteres profiliert hat.
Man denke nur etwa an die Gerüchte, die seinerzeit umhergingen, die
Doktorarbeit von Helmut Kohl wäre unauffindbar. Dergleichen fanden die
Menschen erwähnenswert, als der schon omnipotenter Weltpolitiker war
und schon langsam auf das Ende seiner politischen Laufbahn zuhielt.
Also Gefahr für den Kunden!
Für den Ghostwriter ist es gleichgültig, ob er nun für einen Politiker
eine Regierungserklärung oder für einen Studenten die Semesterarbeit
verfasst. In aller Regel geht es für den Schreiber bei solchen
Arbeiten ohnehin eher um die Einfassung des Ganzen in einen lesbaren
Sprachstil und weniger um den Inhalt selbst. Letzterer, die
eigentliche Aussage mit ihrer Begründung und den dazugehörigen
Recherchen, macht bekanntlich in aller Regel der Kunde selbst.
Und so wird dann überhaupt erst klar, wie problematisch es ist, wenn
man im Zusammenhang mit Ghostwriting von "Betrug" redet...
Betrug immerhin würde voraussetzen, dass durch Täuschung jemand
geschädigt wird.
ABSICHERUNG FUER DEN KUNDEN
Damit kommen wir zunächst einmal zum springenden Punkt: Wer überhaupt
die Dienste eines Ghostwriters in Anspruch nehmen will, braucht sich -
nach meinem Dafürhalten - dadurch nicht in besondere persönliche
Gewissensnöte bringen zu lassen - ob Student oder nicht. Er tut
nichts, was andere nicht auch täten. Und einen Schaden im engeren
Sinne fügt er auch niemandem zu.
Aber das ist wohlgemerkt etwas, was jeder Mensch mit sich selbst
klären muss. Persönliche Bedenken und moralische Vorbehalte fallen in
den Gefühlsbereich des einzelnen. Oft ist es sogar schwierig für
Dritte, solche Vorbehalte überhaupt nachzuempfinden (beispielsweise
auch beim Doping im Sport).
Darüber hinaus sollte sich jeder Auftraggeber eines Ghostwriters
darüber im klaren sein, dass NICHT etwa - wie offenbar als Meinung
vielfach verbreitet - der Ghostwriter selber sich in Gefahr bringt.
Vielmehr ist es der Kunde, der sich absichern sollte. Denn ihm ist
mehr als dem Ghostwriter daran gelegen, dass das Ganze nachträglich
auf sich beruhen bleibt.
Wer zu viele Krimis gesehen hat, der macht sich nun schon die ersten
bangen Gedanken. Da wird die verkrachte Journalisten-Existenz in ihrer
Dachkammer gezielt erschossen. Und die wackere Tatort-Kommissarin
ermittelt gegen den aufstrebenden Professor, der kurz vor der
Erteilung des Nobelpreises steht. Ergebnis ist dann, dass der
Nobelpreisträger vom Ghostwriter erpresst wurde, weil der sich vor
zwanzig Jahren die Doktorarbeit von dem hatte schreiben lassen.
Gewiss: Es gibt heute viele durchaus ernstzunehmende Menschen - sogar
Juristen -, die den Unsinn aus den TV-Krimis selber für bare Münze
nehmen.
Aber fragen wir uns im Ernst. Was könnte eigentlich passieren? Wogegen
müsste man sich wirklich absichern?
Dagegen etwa, später erpresst zu werden, braucht man sich nicht allzu
sehr abzusichern. Denn in einer solchen Konstellation würde sich vor
allem der Ghostwriter in Schwierigkeiten bringen. Er würde durch
Drohung mit einem erheblichen Nachteil versuchen, sich einen
Vermögensvorteil zu verschaffen. Damit riskierte der Ghostwriter
selber eine Bestrafung wegen Nötigung oder Erpressung.
Die ursprüngliche "Tat" des Kunden jedoch - wie auch immer sie
rechtlich zu werten ist - dürfte in den meisten solcher Fälle schlicht
verjährt sein, so dass unser Nobelpreisträger aus dem Tatort seinen
Text-Berater nicht umbringen müsste, sondern ihn ohne jedes Risiko bei
der nächsten Polizeidienststelle würde anzeigen können.
Dass der Ghostwriter später also "auspackt" oder wenigstens mit dem
"Auspacken" droht, diese Gefahr ist eher theoretisch und irreal - und
wird mit einigen Jahren Abstand dann wirklich minimal.
Real ist dagegen für den Kunden eines Ghostwriters eine ganz andere
Gefahr. Und die droht nicht nur denen, die sich bei der einen oder
anderen akademischen Arbeit haben ein wenig helfen lassen, was nicht
herauskommen soll. Vielmehr droht diese Gefahr allen, die sich von
einem anderen einen Text schreiben lassen.
In der Praxis ist das Problem nicht so sehr, dass ein Ghostwriter mit
einer Straftat droht und dabei selber Kopf und Kragen riskiert.
Vielmehr könnte ein solcher Ghostwriter - wenn nichts sonst vereinbart
ist - nachträglich möglicherweise ganz legal SEINE RECHTE einklagen.
PROBLEMKREIS URHEBERRECHT
Immerhin könnte ein Ghostwriter nachträglich ganz normal vor Gericht
sein Urheberrecht an dem erstellten Text geltend machen. Und eine
Gerichtsverhandlung hätte als solche schon einmal die unausweichliche
Folge, dass alles herauskommen würde.
Ob ein Gericht sich dann auch wirklich dazu durchringen würde, dem
Autor die Urheberrechte zuzusprechen, ist natürlich ein anderes Thema.
Aber die Gefahr immerhin besteht.
Und das Urheberrecht hat es in sich, was die Fristen angeht.
Da verjährt so schnell gar nichts. So spricht man bei literarischen
Werken von Schutzfristen von 50 oder gar 70 Jahren, durchaus auch nach
dem Ableben des Urhebers.
Und wenn es nun etwa so ist, dass sich eine Medienberühmtheit von
einem Autor nach genauen Angaben eine Biographie erstellen lässt, um
sie unter eigenem Namen zu veröffentlichen, dann könnte eben die
Verlockung für den Autor gross sein, hier auf sein Urheberrecht zu
klagen, sollte sich beispielsweise das veröffentlichte Buch als
Bestseller erweisen.
Ergebnis eines solchen Verfahrens könnte dann etwa sein, dass der
Kunde des Ghostwriters SAEMTLICHE RECHTE AN SEINER ARBEIT VERLIERT!
Also beileibe nicht nur, "dass es herauskommt"...
Das Herauskommen wäre hier eher der mehr oder weniger unangenehme
Nebeneffekt des Ganzen.
Der Verlust der Rechte an dem Werk hätte dann eine lange Reihe von
schwerwiegenden Folgen. Im Falle der wirtschaftlichen Auswertung
drohen etwa Rückzahlungspflichten - möglicherweise für Gelder, die man
selber schon seit langem ausgegeben hat.
Somit muss man sich vor allem gegen diese Gefahr absichern.
Und da gibt es einen ganz einfachen und trockenen Passus, den jeder
Vertrag zwischen Auftraggeber und Texter enthalten sollte. Im Vertrag
sollte festgehalten werden, dass mit dessen abschliessender Erfüllung
sämtliche Rechte an dem Werk auf den Auftraggeber übergehen.
Mit einer solchen Klausel im Vertrag wäre dann ausgeschlossen, dass
man vom beauftragten Text-Berater zu einem späteren Zeitpunkt noch
einmal unter dem Urheberrecht in Anspruch genommen wird.
Und es versteht sich von selbst, dass ein seriöser Texter und
Ghostwriter eine solche Klausel ohne weiteres gerne unterschreiben
wird.
(*) Achim H. Pollert ist freier Journalist, Fachautor und Ghostwriter
http://www.piazza.ch/de/inserat/2426961/ghostwriter_-_zuverlaessig_diskret_preiswert.html