| Betreff: | [Der Reisefisch Blog] Hochzeit auf Taiwanesisch |
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| Datum: | Wed, 7 Apr 2010 07:12:00 -0700 (PDT) |
| Von: | marc <ma...@kaufmahne.de> |
| An: | ma...@kaufmahne.de |
Der 2. April – der Tag der Hochzeit beginnt langsam. Und daran ist nicht unbedingt der Vorabend schuld, sondern auch das Einkostuemieren – haben die Kaufmaenner doch extra Lederhose und zwei Dirndl mitgebracht, in die sich nun bei gefuehlten 30 Grad gezwaengt wird, bevor es um 12.00 Uhr abgeht zu unserer ersten taiwanesischen Hochzeit.
Und
die sieht wie folgt aus: Mann sperrt vor einer kleinen Mehrzweckhalle
die Strasse ab, spannt eine riesige Roehre aus bunter Zeltbahn. Stellt
siebzig Tische a zehn Personen auf. Baut nebenan eine mobile Kueche auf
und karrt Lastwagenweise Seafood und Anderes an, das - direkt
zubereitet - in dreizehn Gaengen auf den Tischen der Gesellschaft
landet.
Die Gesellschaft selbst ist gemischt festlich gekleidet. Kaum Kleider aber – bis auf die Lederhosen von Henni, Martin, Hans und Marc - ueberwiegend lange Hosen. Das darf dann durchaus auch mal Jeans und T-Shirt sein.
Wir kommen an, da sind alle Tische schon besetzt. Also ran an den Fisch und los geht’s mit rotem Thunfisch als Sushi. Lecker. Dann wird es zunehmends unbestimmbarer. Schuessel an Platte an Schuessel kommt bei uns an den Tisch. Bald ist der Tisch restlos voll von Geschirr – ohne das wir auch nur annaehernd das verputzen was da steht, und ohne das das Personal Anzeichen macht abzuraeumen. Das uebernimmt Henni fuer uns. Immer wenn sie neu auftischen, geben wir eine angegessene Platte mit auf den Servierwagen.
Toni
schlaeft unter den Bose-Boxen der Band. Neben Saxophon, Querfloete und
Saengerin steht ein Familienunternehmen mit auf der Buehne. Papa am
Synthesizer, Tochter 1 und Tochter 2 in aeusserst interessantem kurzen
Kostuemchen inkl. Huetchen am Kopf auf der Buehne. Beaeugt und
kontrolliert von Mama, die am Mischpult neben der Buehne sitzt. Zum
Besten gegeben wir ueberwiegend Musik taiwanesisches Geschmacks – genau
wie beim Essen, das zunehmend Herausfordernder wird...
Unvergessen das
dampfende Etwas, das in einer mit Klarsichtfolie abgeklebten Schuessel
angeliefert wird. Klare Bruehe, mit einem grossem Stueck
undefinierbaren Schwarzen. Ich brauch einen Moment zu begreifen, was da
vor mir schwimmt: ein Huehnchen. Am Stueck. Ausser Federn all inklusive
sozusagen. Paloma
belebt mit ihrem Staebchen das Huehnchen wieder. Gekonnt greift sie es
am Nacken und laesst so den Huehnerkopf sich aus der Suppe erheben.
Dazu kraechzt sie ein wunderbar echtes Huehnerkraechzen, so dass
schnell allen anderem am Tisch ebenfalls klar ist, was da drin schwimmt…
Bei vielem anderen ist
das nicht so klar und so dauert es auch zu bestimmen, was da nach einem
Obstgang als Naechstes auf den Tisch kommt. Braune Masse. Sieht nach
Fleisch aus, ist aber viel zu wabelig. Nachdem man die Haut
durchstossen hat, kommt doch tatsaechlich ein Stueck Fleisch zum
Vorschein.
Kostprobe.
Schweinshaxe!
Und, direkt dazu gibt’s doch tatsaechlich weisse Knoedel. Cool.
Die Knoedel entpuppen sich allerdings als Fischknoedel.
Klingt komisch. Ist auch auch komisch. Macht aber nix ;-)
Neben
den Kostproben koennen wir gut sehen, wie das Brautpaar von dem
Brautvater an alle 70 Tische gejagt wird. An jedem Tisch wird
angestossen – mit beiden Haenden am Glas – ein paar Worte gewechselt,
dann geht’s weiter. Viel zu Essen gibt es so fuer das Brautpaar auf
ihrer eigenen Hochzeit auf jeden Fall nicht. Nebenbei zieht sich die
Braut nochmal um und wechselt vom weissen ins rote Kleid. Bezaubernd
sieht sie in beiden aus!
Und dann ist auf einmal Schluss. Die Musik spielt noch ein Lied waehrend die Leute am Nebentisch die Tueten zuecken und anfangen die gesamten auf den Tischen verbliebenen restlichen Speisen einzupacken. Auch die Suppen werden in durchsichtige Tueten gegossen und so schwimmen sie dahin, die Huehnchen, die Fischknoedel und alles was noch so auf dem Tisch – inklusive dem Brauttisch – stand, in transparenten Tueten.
Cool.
Dann beginnt das Aufraeumen. Waehrend wir noch am Tisch sitzen, packt die Band zusammen, die Tische werden jetzt in unglaublicher Geschwindigkeit vom Geschirr befreit, die Tische zusammengeklappt, und auch die riesige Roehre aus Zeltbahn ist in weniger als 20min komplett zusammengepackt und verladen. Wie ein Bienenschwarm brummt es um uns herum. Von Fest keine Spur mehr. Um nicht unnoetig im Weg rumzustehen, gehen wir nach draussen und sehen ueberall hektische Betriebsamkeit. Die Teller werden von unzaehligen Leuten per Hand mitten auf der Strasse gespuelt, verpackt und genauso wie der Pavillion der mobilen Kueche auf einen Laster verladen. Wahhaahnnsinn.
Bei uns geht’s deutlich ruhiger zu. Wir latschen in unserer Tracht durch Donggang in unser Hotel zurueck – und werden begafft wie Aliens. Gut. Gewissermassen sehen wir so ja auch aus.
Richtig
gechillt wird es am Abend an der Hafenmole. Neben imposanten
Wellenbrecher gibt es Barbequeue. Wir sitzen an
Tischen, die alle ueber eine Aussparung in der Mitte einen Grill
eingelassen haben, in dem die Grillkohle bereits ordentlich fuer Hitze
sorgt. Es gibt allerfeinstes an verschieden Spiessen zum selber
drauflegen. Raclette auf taiwanesisch sozusagen. Anstatt Kaese hier vor
allem Seafood: Tintenfisch, Squid, Fischkekse, Schnecken, Muscheln,
Austern, Aal aber auch Rind, Schinkenroellchen und verschiedenes
Gemuese findet man.
Fies
sind die lebenden Krebse, die man draufwirft und bei lebendigem Leibe
garbruzelt – da ist auch durch verzweifeltes Zucken der Scheren kein
Entrinnen mehr drin.
Cool auch die Muscheln. Geschlossen auf den Grill gelegt, signalisieren
sie den perfekten Genusspunkt selbst: sie ploppen auf. Warm, salzig und
saftig gehen sie den Gaumen runter. Mmmmhh…
Dazu gibt es natuerlich Taiwan Bier aus 0,6l Humpen in 0,125l Eierbechern. Zeit fuer mein Taiwanesisch: „Kampai“.
Nervig ist nur die unveraendert starke Fotolust an der Toni. Hat man das kleine Energiebuendel endlich mal ruhig am Tisch ist das staendige Angetippe, Abgelenke und Geblitze einfach unangebracht. Caroline Held, die achtjaehrige Nichte von Sepp – selbst blond – spannt beim Spiel mit der Toni einen Regenschirm als Fotoschutz auf. Der wird rigoros weggestossen. Manchmal reichts dann auch. Die anderen kleinen Helds – Fritz (5, blond) und Georg (4, rote Haare) – haben laengst ihre Fotopose drauf: Zunge raus zum Blitz.
Randvoll gefuellt
bitte ich um einen Schnaps – und bekomme den beruechtigten Gauliang.
Das ist einer, aus Kinmen stammender, aus Reis gebrannter Schnaps. Kinmen,
das ist die taiwanesische Insel direkt am chinesischen Festland.
Militaerisch schon immer bedeutsam ist die Insel voll mit Soldaten –
und Gauliang der Schnaps der Soldaten.
Und so schmeckt er dann auch.
Es geht zurueck ins Hotel. Packen fuer den Inseltrip morgen nach Liuchiu.
Das erzaehl ich Euch im naechsten Blog. Dann wieder aus Muenchen, denn die Zeilen gibt es im Moment aus der Businesslounge im Flughafen von Hongkong. Wir sind bereits wieder auf dem Rueckweg und haben niedliche acht Stunden Aufenthalt in Hongkong.
Es gibt noch einiges zu berichten, von den Motoboys auf Liuchiu oder taiwanesischem Springbreak in Kenting zum Beispiel. Bleibt dran. Es lohnt sich.