| Betreff: | [Der Reisefisch Blog] 4/04/2010 06:58:00 PM |
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| Datum: | Sun, 4 Apr 2010 10:14:32 -0700 (PDT) |
| Von: | marc <ma...@kaufmahne.de> |
| An: | ma...@kaufmahne.de |
Jojojo. Wir sind
bereit fuer die Hochzeit des Jahres. Sepp und Chinyi.
Langsam sammelt sich die Muenchner Meute und das Hotel das Donggang mit seinen 12 Stockwerken ueberragt, wird voll.
Stehengeblieben
waren wir aber in Tainan – der aeltesten Stadt Taiwans.
Wir nutzen den Vormittag bevor man hier auscheckt – gegen 12.00h ist
die Regel – und schauen uns ein paar der vom Reisefuehrer empfohlenen
Tempel an. Auf dem Weg dahin lockt uns ein weit auf die Strasse
ragender Salatstand mitten hinein in einen von aussen absolut nicht zu
sehenden Strassenmarkt. Unscheinbarer Eingang – mit unglaublicher Tiefe.
Nach dem Salatstand verzweigen sich die Gaenge mitten hinein in das
schattige Geflecht eng aneinanderstehender Haueser.
Hier reihen sich Stande mit Uhren, T-Shirts, allerlei frittiertem
Gebaeck neben den Staenden mit frisch geschlachtetem Fleisch und Fisch
(die frisch gestopfte Wurst haengt an einem Haken von der Querstrebe,
alldieweil der Metzger eine Schweinehaxe zerstueckelt...)
Daneben ein Elefantenmensch-Kuriosum mit aufgequollenen, teilweise
eitrigen, offenen Beinen.
Auf dem Boden sitzen Haendler, die laut schreiend ihre Waren aus Kartons anpreisen in dem sie mit Teppichklopfern auf die Kartonenden schlagen.
Wir schwimmen durch die Menge – fuer mich natuerlich mit bester Uebersicht. Um uns rum brodelt es in zahlreichen Toepfen der ueberall angebotenen Speisen der Suppenkuechen. Aus dem Nichts draengt sich mitten in dem Gewuehl tatsaechlich eine der Vespas vorbei. Unglaublich. Das ganze Gedraenge scheint fuer den regulaeren Verkehr freigegeben…
Wir drehen um und raus geht’s aus dem Wust von Geruechen, Geschrei und Gedraenge. Ein paar Ecken weiter ist der Dyoungen Tempel. Hier wird laut Reisefuehrer nach wie vor mittels Medien der Kontakt mit bereits verstorbenen Familienangehoerigen gesucht. Bewacht von furchterregenden Statuen mit nagelbesetzten Keulen und langen Baerten aus echtem(?) Haar geht man in die erste Kammer. Die Kammer des „City Gods“, der Stadtgeist wacht hier vor allem ueber die Studenten die hier in Form von rosafarbenen Wunschlisten sich Glueck fuer die anstehenden Klausuren erbitten. In der zweiten Kammer findet man abgefahren abstossene Zeichnugen a la Hieronymus Bosch an der Wand. Die Zeichnungen zeugen von ueblen Hoellenqualen: Hautungen, Verbruehungen, Enthauptungen, Vierteilungen der grausamsten Art.
Es geht weiter durch den Rauch unzaehliger Raeucherstaebchen zur dritten Kammer. Laut Literatur ist das die Kammer der Herrscher der Unterwelt. Interresanterweise ist hier am meisten los. Die Leute knien auf Polstern und verneigen sich vor voll in Gold gekleideten Goetzen. Die Goetzen zeigen abstrakte Fratzen. Die Leute sprechen in zweigeteilte, halbmondfoermige Gebetskloetze aus Holz, klappen sie zusammen und schmeissen sie auf den Boden, wo sie klappernd vor meinen Fuessen zum Halten kommen.
Mich schauderts durch und durch. Im Rueckwartsgehen schiesse ich ein paar Bilder trotz dem schlechten Gefuehl mir dadurch nicht vielleicht den Unmut irgendwelcher boesen Geister auf mich oder meine Familie zu ziehen…
Hinaus in die frische Luft. Wenn man die von den Zweitaktern verpestete Luft so nennen mag.
Wir schauen uns noch
den City God Temple an, in dem ebenfalls hunderte pinkfarbene
Bittzettel von Studenten haengen...
Yes, school is hard everywhere.
Zureck
zum Hotel, auschecken, rein ins Auto, anschnallen und hin zum Fo Guan
Shan Kloster, DEM Zentrum des Buddishums in Taiwan. Da DAS Zentrum
unserem Navi nicht bekannt ist, verbringen wir einige Zeit mit der
Suche im Umkreis. So halten wir u.A. an einem wirklich monumentalen
Tempel mit bestimmt dreissig Meter hohen Tuermen – aber nicht an
besagtem Kloster.
Schliesslich finden wir das Kloster doch noch. Ueberragt von einer bestimmt 30m hohen, gold glaenzenden Buddhastatue kann man das Ding eigentlich nicht uebersehen. Man muss nur nah genug rankommen.
Wir steigen aus und
steigen den steilen Weg nach oben. Hier sind hunderte, fast manngrosse
goldenen Buddhastatuen unterhalb der riesigen, einen Statue angeordnet.
„Buddha Land“.
Alle tragen das fuer uns gewoehnungsbeduerftige Swastika, das
gespiegelte Hakenkreuz.
Wir
setzen uns in den Schatten. Nach der Tempelerfahrung heute vormittag
lass ich mich von der Weitlaeufigkeit der Anlage wieder einpendeln. Der
Unterschied ist bemerkenswert. Von eng, dunkel, weihrauchgeschwaengert
, hin zu einer freien, durchweg symmetrischen Anordnung zwischen Blumen.
Die Harmonie stellt sich automatisch ein.
Bleib hier stehen und du findest auch die Harmonie in dir. Klingt ziemlich plakativ, ich weiss. Geht mit aber gerade so.
Wir laufen durch die
Anlage. Die neu gewonnene Harmonie wird ein wenig irritiert durch die
Kaffee- und Getraenkeautomaten die sich hier tummeln.
Vorbei geht es am „Bamboo Garden“ – einem Hotel. Mitten im Kloster.
Bevor wir uns
aufmachen nach Donggang, staerken wir uns noch im „Water Drop“ Teahouse
des Klosters mit einem ueppigen Mahl. Nicht vegetarisch, obwohl hier
auf dem gesamten Gelaende Fleisch – laut Anschlagtafel – streng
verboten ist, wohlgemerkt. Vielleicht liegt es daran, das das Steak
eher einer geschredderten Wurst gleicht.
Toni schmeckts. Ziel erfuellt. Weiter nach Sueden.
Nach Donggang. Hier steigt in zwei Tagen die taiwanesische Hochzeit von Sepp und Dschinyin „Joe“ Held. Der Grund, warum wir uns ueberhaupt Taiwan anschauen.
Das Navi fuehrt uns ohne Probleme nach Donggang, wenige Kilometer suedlich von Kaoshiung, danach muessen wir auf Altbewaehrtes umsteigen, da hier weder englische Strassenschilder existieren noch die mitgebrachtete Karte gross Orientierung bringt.
Sprich: wir fragen.
Und: uns wird geholfen. Mit 2 Vespaeskorten werden wir in die
entsprechende Strasse gefuehrt. Mit einem universellen Laecheln
bedanken wir uns - und genauso werden wir verabschiedet.
Teile der Familie sind bereits da und Joe’s Oma – kurz vor der 90 – hat
alle Haende voll zu tun, uns mit Gutem aus ihrem Garten zu verkosten.
Beeren, Nuesse, Saft. Bis wir abwinken und zum Hotel zurueckfahren.
Auf dem Weg zurueck blitzen uns tatsaechlich die Titten
Amerikas an. Und so gibt es fuer die gesamte Familie „K“aufmann
heute Fritten, Hackfleischsemmeln und Besatzerbrause – Ronald MacDonald
bringt uns mit Fastfood ins Bett.
Am naechsten Tag
schauen wir uns die ein paar Kilometer westlich gelegene Insel Lyu Chui
an. Hier lebt noch ein Teil von Joes Familie. Abgekoppelt von dem
ganzen Vorhochzeitstress in dem sich die Zwei jetzt befinden setzen wir
ueber und stolpern mit dem uns typischen Reiseglueck in die Haende
eines Tourguides der mit seinen zwei kleinen Kindern und seinem
klapprigen Toyota Minivan auf Kundschaft wartet.
Zusammen
mit drei hochgestylten chinesischen Maedels mit Nikons und riesigen
Teleobjektiven lassen wir uns so gemächlich ueber die Inseln
kutschieren. Die Insel selbst glaenzt mit interessanten
Felsformationen. Sehr fotogen – nicht nur fuer die Maedels.
An den wenigen
Straenden auf der Insel sind massig tote Korallenbaeume angespuelt. Was
ich als Taucher unter Wasser tunlichst nicht beruehre, liegt hier in
grossen Massen tot am Strand…
Ich sammele ein paar ein und lass sie nachdenklich durch die Finger
gleiten. Wie das hier wohl vor 2,3, 5, 10 Jahren aussah? War garantiert
ein Paradies unter Wasser...
Am naechsten Tag – inzwischen ist es nur noch ein Tag bis zur Hochzeit – schauen wir uns den Strand von Donggang an. Leider total verwahrlost, zugemuellt, mit starker unberechenbarer Stroemung bleiben wir lieber auf dem Betondeich sitzen.
Am Abend troepfelt der Rest der Muenchner Hochzeitgesellschaft ein und es wird ein lustiges Eingestimme in einem lokalen Fischrestaurant. Bestellung und Bezahlung liegt fest in der Hand von Joes Vater. Ich kann bei Weitem nicht alles benennen, was ich da esse. Aber ich kann sagen dass alles bis auf die Ingwerknolle die ich in einem Topf erwische, mir wirklich gut schmeckt. Sushi, Tintenfisch, karamelisierte Kartoffeln, Calamari so zart fritiert, wie ich sie noch nie gegessen habe. Dazu Sea shell, Meerschnecken. Toll.
Toll neben dem Essen
anzuschauen ist auch der Kindermix und das gemeinsame Spiel. Kinder aus
Belgien, Schwaben, Bayern und – natuerlich - Taiwan brauchen keine
gemeinsame Sprache um sich zu verstehen. Was zum Abkucken fuer die
Erwachsenen.
Was fuer mein taiwanesische Vokabular gibt’s auch: „Kampai!“ – „Boden hoch!“ was soviel wie ex und hopp bedeutet. Was fuer uns trinkfeste Deutsche aus den schnappsglass-grossen Bierglaesern kein Problem bedeutet. (Zumindest wie ich hier sitze und diese Zeilen schreiben). Wobei ich mir noch nicht ganz sicher bin, was ich von der Trinkfestigkeit der zarten, taiwanesischen Maedels halten soll, die uns nach dem Fischrestaurant noch an ein Strassencafe am Wasser ausfuehren. Hier gibt es nur Heineken zum Trinken. Ein unbedachter Kommentar von mir verursacht einen Telefonanruf - und Minuten spaeter ist eine Freundin mit einer Tuete voll mit 0,6l Humpen Gold Medal Taiwan Beer zur Stelle…
Prost.