[Der Reisefischblog] Wracktauchen!

[Marc Kaufmann]

Wracktauchen!

[Tulamben 10. Januar 2012]

Bevor ich Euch jetzt mit schauerlichen Tauchgeschichten vom Wrack der US Liberty verwï¿œhne, erst noch ein biï¿œchen Werbung fï¿œr meinen balinesischen Lieblingsfahrer Wayan. Der liebe Kerl, eigentlich ja nur fï¿œr einen "Transport"von Ubud nach Tulamben gebucht, macht aus der Fahrt eine Sightseeingtour.

So komm ich weder an der Kherta Gosa, einem Kï¿œnigspalast lï¿œngst vergangener Kï¿œnige der Dewa Agung Dynastie, noch an dem Pura Goa Lawah, dem Fledermaustempel vorbei. Im Gegensatz zu der Elefantenhï¿œhle vorgestern, gibt es in diesem Tempel tatsï¿œchlich Fledermï¿œuse zu sehen.

An beiden Sehenwￜrdigkeiten schlag ich den Sarong-Verkￜufern erneut ein Schnￜppchen. Diesmal funktioniere ich das aus Mￜnchen aufgrund der kompakten Grￜￜe als Ersatzhandtuch mitgenommen Strandtuch-Souvenir aus Rio de Janeiro zum Sarong um. Das auf diesem Sarong der Corcovado sowie der Rest der Skyline der Copababana drauf ist, scheint niemanden zu stￜren. Schￜn bunt ist es ja.

Viel Zeit zum nï¿œheren Fledermaus-Watching ist nicht, der Himmel ï¿œffnet - schon wieder - seine Pforten und so mach ich mich zurï¿œck zum Auto. Von Wayan keine Spur - der Gute hat sich seinerseits beim Einsatz des tropischen Regengusses mit zwei Regenschirmen aufgemacht, damit ich einigermassen trocken zurï¿œckkomme. Was fï¿œr ein netter Kerl. Daher: Wenn Ihr mal in Bali einen Fahrer braucht. Wayan ist uneingeschrï¿œnkt zu empfehlen! Sein relativ schlechtes Englisch macht er locker mit seinen Preisen, seiner Gastfreundlichkeit und mit sich selbst wett! (hier rechts die Visitenkarte)

Letzter Zwischenstopp ist der Wasserpalast Tirta Gangga, dann ist Tulamben erreicht.
Wow! Tulamben ist eine Strasse, an der sich Tauchschule an Tauchschule drï¿œngt, sowie ein paar Stichstrassen runter zum Meer. Das wars!
Zwischen den Tauchschulen findet man sogar noch das ein oder andere Gemï¿œsefeld. Unglaublich.

Was wir zunï¿œchst nicht finden, ist mein Hotel, welches sich dann doch in einer diesen Stichstrassen direkt am Meer findet. Es giesst in Strï¿œmen. Das Hotel besteht aus 6 Bungalows und gefï¿œhlten 50 Angestellten, von denen ein Grossteil jetzt mit Schirmen aus der Rezeption eilt damit ich und mein Rucksack trocken in einen Bungalow direkt am Meer ï¿œberwechseln kï¿œnnen.

Dort angekommen, kann ich meine Kreditkarte entsperren. Das Tauchen ist gerettet. Ani bringt mich per SMS mit ihrem Bekannten zusammen, Sandy. Der ist Divemaster und hat in Tulamben eine kleine Tauchschule. Ein Anruf spï¿œter sitze ich in seinem kleinen, offenen Bï¿œro, trinke balinesischen Kaffee, rauche und fachsimple im Tauchjargon - so gut es nach 6 Jahren Pause eben geht ;-)

Sandy ist schwer - erinnert ein wenig an Israel IZ Kamakawiwo'ole (ihr wisst schon: "somewhere over the rainbow"...) - und auch schwer in Ordnung. Macht einen guten Eindruck und mir einen Ani & Wieda Freundschaftspreis: die Hï¿œlfte des ï¿œblichen :-)

Sandy erzï¿œhlt, dass beide Mï¿œdels mit ihm - obwohl keinerlei Paddy oder CMAS Ausbildung - mehr als 25 Tauchgï¿œnge gemacht haben. Ani - so sagt sie selbst - kann nicht gut schwimmen und Wieda hat zunï¿œchst noch mit geschlossenen Augen getaucht, da sie die Blasen der Atemluft unter Wasser erst als bï¿œse Dï¿œmonen identifiziert hat :-)

Zwei Tauchgï¿œnge morgen vormittag sind also geritzt - ich geh einen Grillteller essen im Safety Stop - einem deutschen(!) Lokal an der Hauptstrasse, dann gehts mit Vorfreude und ein wenig Unsicherheit ins Bett. Wie das Tauchen nach 6 Jahren Pause morgen wohl funktioniert...?

Der nï¿œchste Tag kommt und bringt mein erstes Wrack. Die US Liberty wurde im zweiten Weltkrieg von einem japanischen Uboot torpediert und drohte zu sinken. Also wurde sie kurzerhand auf den Strand gesetzt. Ausstrï¿œmende Lava eines Ausbruchs des Vulkans in den 60ern schob sie vom Strand 20m zurï¿œck ins Meer.
Dank der fruchtbaren Lava haben sich dann 50 Jahre lang die Korallen ausgetobt und ein Bild erschaffen, das wirklich sehenswert ist. Alte Kriegstechnik, massive Bordkanonen, Flaks etc., ï¿œberwuchert von neuem, marinen Leben. Schwï¿œrme von Jackfisch, erstaunlich viele Flï¿œtenfische, Papageienfische, Pufferfische und jede Menge weitere Korallenfische schwimmen da zwischen dem auseinandergebrochenen Kriegsschiff...

Aber zunï¿œchst heisst es Hinkommen zum Wrack.

Sandy und ich steigen ï¿œber von der Brandung abgeschliffenes Vulkangerï¿œll in die Fluten und ziehen in der Brandung unsere Flossen an.

Dann Abtauchen. Luft aus dem Jacket und aus der Lunge und runter gehts.
Mich durchstrï¿œmt sofort ein Gefï¿œhl der Beklemmung und ich ziehe wie wild Luft durch meinen Regulator in die Lunge. Fast schon asthmatisch hï¿œng ich da in sich aufdrï¿œngender, beginnender Panik.
Come on, Marc! Du weisst doch wie's geht! Beruhige Dich!

Nix da. Die Schnappatmung will nicht weichen. Ich denke an nix anderes, als ausreichend Luft zu kriegen, doch davon will partout nicht genug aus der Flasche kommen.
Also wieder hoch. Konzentrieren. Und wieder runter.

Jetzt geht es schon besser, aber immer noch nicht genug um sich wirklich wohlzufￜhlen. Auch das routinemￜￜige Maske ￜffnen, mit Wasser volllaufen lassen und durch Abatmen wieder freimachen will nicht wirklich klappen.

Mann, ich geb hier einen blutigen Anfï¿œnger ab! Das kann doch nicht wahrsein!

Beim Abatmen der Maske zieh ich auch noch Wasser durch die Nase und muss unter Wasser husten. Keine gute Idee. Nochmal hoch. Beruhigen, Konzentrieren. Und wieder runter.

Wir beschliessen das ï¿œben sein zu lassen, und einfach zu tauchen.

Eine gute Idee. Sobald ich ein paar Halfterfische ("Khan" aus findet Nemo) sehe, gibts das Aha-Erlebnis. Siehe da: die Fische beruhigen mich. Natï¿œrlich! Einfach nicht aufs Atmen konzentrieren. Dann geht alles schon von alleine! Genau. Luft ist genug da – und jede Menge Weiteres zu sehen.

Danke, Khan :-)

Die Zuversicht kommt zurï¿œck. Das Tarieren unter Wasser ist kein Problem und wir tauchen in einen riesigen Schwarm von Jackfish ab. Mehrere hundert, wenn nicht tausend unterarmlange Fische kreisen hier, wie eine Windhose um uns herum. Woooowww!

Im Auge des Unterwassertornados ein riesiger Jackfish, wohl 4 mal so gross, wie seine Artgenossen. Ohne Frage der Boss.

Im Schwarm lï¿œuft mir dann schon wieder die Maske voll mit Wasser. Aber diesmal weiss ich mir zu helfen und schiess das eingetrene Wasser mit einem Luftstoss aus der Nase wieder raus aus der Maske. Maske frei. Geht doch! Es kann weiter gehen.

Wir tauchen weiter ab. Auf 18m kommt das Wrack in Sichtweite. Wir tauchen vom Heck das Wrack an. Sandy zeigt mir das Ruder des auf der Seite liegenden Schiffes. Dann gehts durch einen groï¿œen Riss in den Laderaum hinein und oben durch eine weitere Abbruchkante wieder hinaus. Grossartig!

Wir schwimmen ï¿œber ein Feld Korallenrï¿œhrenaale, die sich in dem das Schiff anschmiegenden Lavasand ihre Hausrï¿œhren gebuddelt haben. Auf dem Feld verschwinden bei unserem Auftauchen 2/3 der Aale in ihren Rï¿œhren. Das restliche Drittel bleibt drauï¿œen und wiegt sich weiter elegant in der schwachen Strï¿œmung.

Beim Safety Stop auf 3m machen wir der Rest der ï¿œbungen problemlos durch. Masken tauschen. Regulator tauschen etc. kein Problem mehr.

Wir quatschen 1h am Strand beim heissen Tee und schauen zu, wie die Taucher-Tagesausflï¿œgler ankommen. Sandy erzï¿œhlt allerhand lustiges. Der Bursche ist ein Original mit mehr als 7000 geloggten Tauchgï¿œngen. Seit er 2005 sein Logbuch verloren hat, hat er aufgehï¿œrt zu zï¿œhlen. Inzwischen dï¿œrften es 8000 sein.

Beeindruckt schau ich zu, wie Sandy's kleine zarte Angestellte unsere neuen Flaschen bringt. Die Kleine hat zwei 12l Aluminiumflaschen + Ausrï¿œstung auf dem Kopf. Gewicht bestimmt 40kg. Und das Mï¿œdel wiegt selbst bestimmt nur knapp 50kg. Halejulia.

Runter zum zweiten Tauchgang. Diesmal gehts vom Bug in das Schiff. Wir tauchen um die enorme Bordkanone – ebenfalls vollstï¿œndig mit Korallen bedeckt – und tauchen durch einen engen Riss in den Maschinenraum des Schiffes. Wow, Sandy muss ja ganz zuversichtlich sein, also schein ich mich inzwischen garnichtmehr so blï¿œd anzustellen.

Und – you know what – es macht wieder tierisch Spass. Das Tarieren ist wie fliegen. Wir "fliegen" an nem riesen Grouperfish vorbei, der uns gelangweilt an-"blubbt". Kleines und Feines gibt es auch zu sehen. An zwei Eisenstreben haften "Nudi Branch" – ein winziger, wie ein zweirotoriger Helikopter (wer damals "Ein Trio mit 4 Fï¿œusten" gesehen hat, weiss, was ich meine) geformtes etwas, kommt uns da entgegen.

Beim Safety Stop schichtet Sandy ein wenig Gerï¿œllgestein um und macht damit ein einsiedlerartiges, daumennagelgrosses Spinnenmischmasch sichtbar. Eine Mischung aus Kreuzspinne und Box Jellyfish ("Mars attack"-mï¿œssige Wasserkopfkratur – wenn wir schon bei Filmvergleichen sind). Dazu eine seltene Seenadel. Niccceee!

Die Luft reicht knapp 50min – auch am folgenden Tag, an dem wir am Tulamben Reef Drop Off tauchen. Der Drop Off ist ein Korallengarten, der steil abfï¿œllt. Die heute deutlich stï¿œrkere Brandung macht es schwierig mit der Ausrï¿œstung an ï¿œber das Gerï¿œll rein ins Wasser und dann auch runterzukommen. Die Brandung schmeisst uns fast wieder zurï¿œck aufs Gerï¿œll. Schnell runter. Auf 2m Tiefe zwischen den Steinen viele Seeigel. Da will ich nicht reinkrachen und geb ein wenig zuviel Luft in die Tarierweste...

...und krach in die Flossen eines Tauchers ï¿œber mir. Nanu, wo kommt der denn her?

Die Brandung sorgt fï¿œr weniger gute Sicht bei beiden Tauchgï¿œngen heute. Die Korallen leuchten nicht so wie gestern – dafï¿œr die Papageienfische. Einen riesigen Napoleonsfisch und einen Mantarochen scheint das allerdings nicht zu stï¿œren. Mehrere Grouper und Snapperfische. In einer Korallennische verstecken sich ein Haufen Lionfische. Zwei grosse Barracudas sagen Hallo und auch Nemo begrï¿œsst mich in einer Seeanemone. Schee ists in dem groï¿œen Aquarium.

Nach den Tauchgï¿œngen bringt mich Sandy in Kontakt mit einem Freund von ihm, der Speedboattrips zu den Gilis organisiert. Heisst ï¿œbrigen Wayan, wie kï¿œnnte es anders sein... ;-)

Am Nachmittag regnets erneut. Stï¿œrt mich nicht, nach dem Tauchen pennts sich nï¿œmlich wunderbar :-). Als ich aufwache regnets immer noch, so dass ich mich auf die Nachbarveranda setze und mit Titziana aus Italien und Jen aus Australien quatsche, die Bali auf ihren Scootern bereisen. Beide reisen daher mit wenig Gepï¿œck: als Unterwï¿œsche halten zum Beispiel nur zwei paar Bikinis her. Amï¿œsiert muss ich an meinen, nur zu deutsch gepackten 17kg Rucksack denken...

Abends ist in Tulamben tote Hose und so finde ich mich bei den balinesichen Jungs der an das Hotel angegliederten Tauchschule wieder. Die Buben trinken Arak aus ner riesigen 1,5l Wasserflasche. Arak wird, so wie ich das verstanden hab aus Palmensamen gebrannt und hat ordentlich Volt. Das scheint Jen nicht zu stï¿œren. Das zarte Mï¿œdel kann saufen. Mein lieber Scholli. Bei den Baliboys bin ich mir da nicht ganz so sicher. Lustig ist es allemal. Wir lernen indonesisch und die Jungs Deutsch und australische Sprichwï¿œrter. Wer da besser abschneidet, kï¿œnnt ihr euch denken. (Ich bin so eine Null im Sprachen lernen: kann mich jetzt schon nicht mehr an das indonesische Pendant fï¿œr Prost entsinnen, und das, obwohl es an dem Abend so oft fï¿œllt ;-))

Am nï¿œchsten Morgen hab ich nicht nur meinen Rucksack, sondern auch einen enormen Arakschï¿œdel auf, als es auf das Speedboot zu den Gilis geht. Obwohl das Meer relativ flach ist, peitscht das Speedboat sich auf jeder Wellen hoch und kracht mit Wucht in das folgende Wellental. Ein Gedicht fï¿œr meine Bandscheiben und eine Freude fï¿œr meinen Schï¿œdel...

Nach 1h Fahrt sind wir auf Gili Trawangan angekommen und das Speedboat wird – genauso wie beim Start in Amed – einfach auf den Strand gesetzt. Wozu braucht man einen Pier? Ich wade durch das tï¿œrkisfarbene Wasser und mach mich auf die Suche nach meiner nï¿œchsten Unterkunft.

Die Gili Experience kann beginnen.