Psychiatrie in der DDR
Torsten
Die Psychiatrie in der DDR war total verrusst.
Nicht nur, daß Zustände wie in Sibirien herr-
schten, nein, auch die ärztliche Behandlung,
das Personal, die Therapien, bauliche Sub-
stanz usw. waren an der "erfolgreichen und
überlegenen" sowjetischen Psychiatrie ori-
entiert. In den 60ern gab es sowas wie einen
deutschen Aufbruch in der Behandlung von
Neurosen, Persönlichkeitsstörungen und
psychosomatischen Erkrankungen.
Es gab Unterschiede in den Krankenhäusern
und Stationen. Eins hatten sie alle gemein-
sam. Sie waren in schlechten baulichen
Zustand und viel zu eng für Patienten und
Personal.
Die Psychosomatie im sächsischen Puls-
nitz war noch vor der Wende gut in Schuß.
Die Geschlossene in Erfurt ("B") war ein
Stiefkind des Klinikums. Dementsprechend
schlecht waren die Bedingungen für alle.
Die Zimmer wurden überbelegt, der Spei-
seraum war gleichzeitig Fernsehraum,
Aufenthaltsraum und Besucherraum.
Bis in die 60er Jahre gab es einen Schlaf-
saal für 16 Patienten. Die DDR-Pharma-
industrie schaffte es, z.B. Lithium, Halo-
peridol, Clozapin (Leponex) und Diazepan
bereitzustellen.
Zur Frage, ob Oppositionelle in die Psy-
chiatrie verbracht wurden, läßt sich schwer
was sagen. Fakt ist, daß es unter ihnen
wahrscheinlich genausoviel Kranke gab,
wie im Schnitt der Bevölkerung.
Andererseits neigen Kranke, die mit ihrer
Krankheit an den Rand der Gesellschaft
gestellt wurden, verstärkt zur Opposition.
Es wird in der DDR keine geschlossene
Station gegeben haben, auf der nicht
Oppositionelle eingewiesen wurden.
Dann gibt es die Fälle Gesunder, was
nicht immer festgestellt wird. Meist jedoch
wird dies erkannt und die Entlassung
erfolgt innerhalb 3 Tagen.
Wer sich mehr für dieses Thema interes-
siert, dem empfehle ich die Krankenhaus-
serie "Die Anstalt - Zurück ins Leben",
welche zur Zeit auf Sat1 im Nachtprogramm
von Sonntag auf Montag ausgestrahlt wird.
Die Deutsche Psychiatrie ist besser als
ihr Ruf. Bedauerlicherweise sind solche
Aspekte wie Fixierung, Zwangseinweisung
und Entmündigung im Bewußtsein der
Bevölkerung mehr negativ, sonderbar und
komisch verankert als in jeder anderen
medizinischen Fachrichtung. Es wird Zeit,
daß sich daran etwas ändert.
Torsten