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ZGE Prosit Neuerebertag!

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Oliver H. Herde

unread,
Oct 5, 1999, 3:00:00 AM10/5/99
to
Man schreibt das Jahr 2511 nach Horas' Erscheinen. Es der Anfang des
Wintermondes, auch der Monat der Jagd genannt - ein Aspekt, der dem
grimmigen Herrn Firun in diesem Land, nicht zu Unrecht das `Liebliche
Feld' geheißen, zu weit mehr Achtung und Ehre verhilft, als der Aspekt
des Winters.
Hier im Horasreich sind die Winter mild. Dieses Jahr ist der Winter noch
dazu viel milder als sonst. Frau Ifirn scheint den Herrn von Frost und
Eis besänftigt zu haben, oder Herr Efferd ist anderweitig zu sehr
beschäftigt, um hier für ordentliche Kälte und Schnee zu sorgen. Welchem
der unsterblichen Götter wir es auch immer verdanken; Klirrender Frost,
Schnee und Eisregen wollen sich dieses Jahr kaum für lange einstellen.
Was tagein tagaus über Wald und Wiese liegt, sind tiefhängende Wolken.
Nicht besonders dicht, gehen sie an manchen Orten dennoch fließend in
Nebelbänke über, so dass Efferds Element allgegenwärtig wird, die Luft
getränkt, Pflanze, Tier und Mensch mit Tau oder gar des Morgens mit
Rauhreif überzogen.
Auch die Sicht wird durch die feinen Wassertröpfchen in der Luft
eingeschränkt. In einer verwaschenen Mischung aus Erdtönen und Grau
liegt die Landschaft trostlos da, nun, da die Bäume ihre Blätter
abgeworfen haben und die Felder nach der letzten Ernte brach liegen.
Wolken und Dunst, oder wie man die Schwaden auch bezeichnen will, halten
die Blicke der Sterblichen in diesen Tagen die meiste Zeit von Praios'
Antlitz fern. Nur unwirklich und diffus erreicht der Schein des
Götterfürsten Sumus Leib, das Land weder wirklich erhellend noch echte
Dunkelheit zulassend. Das fahle, teils gar fehlende Licht raubt dem
Blick die Farbenfrohheit und lässt die Tage zusätzlich trist erscheinen.
Das große, fast runde Madamal ersetzt die Sonne des Nachts, doch sein
silbriger Schein erzeugt nur um so unwirklichere Farben und Formen.

Ende Hesinde hatte es zum ersten Mal geschneit, doch die weiße Pracht
war vergänglich. Kaum auf dem warmen Leib der Erdmutter angelangt,
schmolz sie schon wieder. Doch sternklare Nächte haben in den letzten
Tagen für eine starke Abkühlung gesorgt. Die zarten, weißen Flöckchen,
die sich heute am fünften Firun um die Mittagszeit herum auf die Reise
von Alveran herab machen, bleiben eine Weile liegen und überziehen das
Land wie mit einer hellen, weichen Decke. Die glitzernden, filigranen
Kunstwerke stehen in interessantem Kontrast zu dem groben, tristen Grau,
das sie umgibt. Als wollten sie mit ihrer feinen Struktur den Winter
verspotten und verhöhnen, mit hellem Glitzern das Trübe vermindern, mit
ihrer Allgegenwaertigkeit die unwirkliche Dämmerung aufhellen. Und wie
allgegenwärtig sie sind! Langsam zwar, sacht sogar rieseln die Flocken
auf Dere hernieder, klein jede einzelne, groß alleine durch ihre Anzahl.
Soweit das Auge reicht breitet sich eine helle, glitzernde Decke aus,
die ständig von oben genährt wird, doch sobald eines Reisenden Fuß oder
Huf diese berührt, vergeht die Pracht so schnell, wie sie entstanden.
Fassen, greifen lässt sie sich nicht; ihr Mysterium will sie wahren.

Aus einem kleinen Haus an einer großen, gepflasterten Straße steigt eine
Rauchwolke auf. Dunkel, was nicht weiter besonders ist dieser Tage,
dunkel also und warm, von einem heißen Feuer genährt, bahnt sie sich
ihren Weg durch die rieselnden Schneeflocken, taut die eine oder andere,
sowie die Flocken versuchen, die Rauchschwade zu verwirren, zu
zerfasern, so dass diese an Kraft verliert. Beides ist fremdes Terrain
für den jeweils anderen, und es siegt keine der zwei Parteien über die
andere. Aber es ist eine Existenzfrage, um die es geht, und so ringen
und rangeln sie, wie es ihnen nur möglich ist.

* * *

Die Zwistigkeiten hoch droben missachtend, kommt aus Richtung Solstono
mit ratternden Rädern ein Ochsenkarren angefahren, dunkle Spuren auf der
verschneiten Straße hinterlassend. Ist daran noch nichts Besonderes, so
fällt die Gestalt, die neben dem Wagenlenker, einem pausenlos
schwatzenden Bauernburschen, sitzt, doch ein wenig auf.
Der Magier, denn das ist diese Person zweifellos, ist in eine
königsblaue Robe aus feinstem, besticktem Brokat gekleidet. Um den Hals
liegt eine silberne Kette mit einem Amulett. In den Händen, quer über
seinen Schoß, hält der Mann einen recht kurzen Stab aus schwarzem Holz,
in den arkane Runen eingelegt sind.
Da die Robe keine Kapuze hat, ist das Gesicht gut zu erkennen. Von
schwarzem, schulterlangem Haar sowie einem Spitzbart wird ein hartes,
kantiges Gesicht, eingerahmt, das man sicherlich nicht schön, aber
durchaus respekteinflößend nennen kann. Die grünen Augen, zu anderen
Zeiten vielleicht spöttisch oder ernst, zeugen momentan von nur mühsam
unterdrücktem Äger.
Der Wagenlanker scheint sich davon die gute Laune jedoch nicht verderben
zu lassen. "Seht, Euer Gelehrtheit, schon sind wir da. Die haben sehr
gutes Essen hier, es wird Euch sicher gefallen. Und die Kutsche kommt
auch in Kürze. Ihr werdet Euch gewiss nicht langweilen. Mein Onkel sagt,
hier kommen sogar Elfen und andere Waldgeister her und mein Onkel ist
schon wirklich fast überall gewesen und... Hooo!" Mit diesem Ruf und
einem Zug an den Zügeln bringt er die Ochsen vor dem Eber zum Stehen.
"... Ja, genau, mein Onkel. Ich hab Euch ja vorhin schon von ihm
erzählt..."
Mit leicht gequältem Gesichtsausdruck lässt sich der Magier ungelenk von
dem Karren herab, ohne mit Wort oder Geste auf das Geplapper des
Burschen einzugehen. "Meine Kiste!" erinnert er diesen dann recht
ungeduldig, als der Bursche unentwegt weiterredet.
"Sicher, Herr, natürlich", plappert der Junge dienstbeflissen und lädt
mühelos eine metallbeschlagene Holztruhe ab. "Bitte sehr. Und den Segen
der Zwölf mit Euch und mögen die Götter Euch vor bösen Geistern
beschützen und..."
"Jaja, danke", unterbricht der Berobte den Jungen, drückt ihm eine Münze
in die Hand und wendet sich dann der Eingangstür des Gasthauses zu, über
der ein teilweise mit Schnee bedecktes Holzschild hängt, das dem einen
oder anderen Leser wohl bekannt ist.
Der Magus schert sich jedoch nicht weiter um das weiße Borstentier über
ihm. Aus dem Augen- beziehungsweise Ohrenwinkel bekommt er mit, wie der
Karren sich samt Kutscher wieder entfernt, was ihm einen Stoßseufzer der
Erleichterung entlockt. Entschlossen streicht er sich dann die Robe
glatt und tritt näher zur Eingangstür des Wirtshauses, um diese
schwungvoll zu öffnen und einzutreten.

Würde sich der Magier umsehen, bevor er den Eber betritt, wäre ihm
sicherlich ein Reiter aufgefallen, der sich aus Richtung Solstono im
Schrittempo dem Grünen Eber nähert. Während das Pferd dank seiner
rötlich-braunen Farbe im Schnee recht gut auzumachen ist, würde es die
glitzernd weiße Bekleidung des Reiters schon deutlich schwieriger
machen, ihn zu erkennen, wären nicht an Stirn, Oberarmen und
Oberschenkeln lange, leuchtend rote Bänder befestigt.
Im Näherkommen fällt an dem Reiter das Fehlen jeglicher Winterkleidung
auf, obwohl der Atem - sowohl der des Reiters als auch der des Pferdes -
deutliche Dampfwolken in der winterlichen Kälte erzeugt. Hinter dem
Reiter sind am Sattel zwei Bündel verschnürt.
Endlich ist der Reiter so nah, dass man gut erkennen kann, dass es sein
Haar ist und nicht irgendeine Mütze, das im gleichen Weiß wie die
Kleidung die Konturen des Gesichtes auf lange Strecke zur
Unkenntlichkeit verwischt hat.
Nun, in der Naehe des Ebers, steigt der Reiter ab und fuehrt sein Pferd
zielstrebig ums Haus herum in Richtung Stall, ganz so, als würde er sich
hier auskennen.
Er ist 9 Spann und 2 Finger groß, hat langes, silberweißes Haar und ein
(typisch elfisches) dreieckiges Gesicht mit grauen Augen.
Er kleidet sich - ungewöhnlich im Winter - in ein Hemd und eine Hose aus
einem merkwürdigen, silberweißen Material, das der Haarfarbe zu gleichen
scheint. Auch sonst zeichnet er sich durch eine erstaunliche
Farblosigkeit aus: Seine Haut ist blass, die Augen sind grau, seine
Lederstiefel waldelfischen Stils tragen ein helles Beige zur Schau,
ebenso der Waffengürtel und der Köcher an der rechten Hüfte. Um so mehr
erregen fünf leuchtendrote Seidentücher die Aufmerksamkeit des
Betrachters: Je eines ist um Oberarme und Oberschenkel mit einem
einfachen Knoten gebunden, so dass die Enden etwa fünfzehn Finger weit
frei hängen, und eines ist im gleichen Stil hinter dem Kopf geknotet, so
dass Stirn und Ohren bedeckt sind und die Enden im silberweißen Haar
gleichsam zu baden scheinen. Ein dunkler Fleck: An der linken Hüfte
hängt in einer beigen Lederscheide ein Wolfsmesser aus schwarzem Metall.
Mit raschen Schritten biegt dieser farblose Reiter mit seinem Pferd um
die Ecke auf den Hof und verschwindet wieder aus dem Sichtfeld, das der
Magier gehabt hätte, wenn er vor dem Eber verweilt wäre.

Da jener nun aber eingetreten ist, sind es andere Dinge, die er sieht:
Ein Schankraum mit einigen Tischen, einem Kamin und einer Theke. Eine
Treppe und einige Türen führen in andere Teile des Gebäudes, doch ist in
dem Halbdunkel hier drin kaum mehr auszumachen. Im Kamin knistert und
prasselt ein Feuer, auf den Tischen und der Theke stehen einzelne
Kerzen, um die Schatten aus dem Zwielicht zu vertreiben.
Düfte nach Honig, Ruß, Holz, heißem Würzwein und Gegartem steigen dem
Blauberobten in die Nase, ungewohnt warm und intensiv nach der
frostigen, kalten Luft draußen, als er sich weiter umsieht.
Zwei Wirtsleute, ein dicker Mann und eine hagere, kleine Frau, stehen
hinter der Theke, drei Gäste sitzen im Schankraum.

Der Erste ist tief ueber ein Pergament gebeugt. Um einigermaßen sehen zu
können, hat er den Tisch am Kamin gewählt und sich zwei Kerzen
dazugestellt. Der noch junge Mann hat kurze, braune Haare und macht
einen eher schlichten Eindruck. Er ist in eine dunkle Stoffhose
gekleidet, trägt ein helles Hemd und darüber eine braunes Wams, welches
von einem Gürtel zusammengehalten wird.
Die Kleidung wirkt recht einfach, fast bäuerlich, wenn nicht ein wenig
Schmuck, ein kleiner Ohrring und ein silberner Ring an der rechten Hand
wären. An dem Gürtel hängt ein Dolch.
Bei genauerem Hinsehen passen die interessierten braunen Augen nicht
ganz zu dem Erscheinungsbild.
Vor ihm steht eine dampfende Kartoffelsuppe, ein kleines bisschen
weggeschoben, als wäre sie ihm im Moment noch zu heiß zum essen.

Der Zweite hat sich, um genug Platz zu finden, am größten Tisch der
Schankstube niedergelassen. Es ist ein schwarzhaariger, sehr beleibter
Mann von knapp einem Schritt und vier Spann Größe und sicher weit mehr
als einhundert Stein Gewicht.
Er trägt eine weit geschnittene Robe aus dunkelgrüner Seide unter einem
Mantel aus schwerem, gold-durchwirktem Damast in noch dunklerem Grün. An
jedem Finger prangt mindestens ein Ring aus schwerem Gold, mit edlen
Steinen verziert, auf seinem Kopf tront ein seidener Turban. Waffen
besitzt er auf den ersten Blick keine, wenn man von einem Schmuckdolch
absieht.
Seine Kleidung und die hellbraune Haut lassen vermuten, dass es sich bei
ihm um einen Tulamiden handelt. Er mag um die dreißig Götterläufe erlebt
haben, den größten Teil davon nicht den Strahlen des Praios ausgesetzt.
Dunkle Augen strahlen aus einem freundlich lächelnden, rundlichen
Gesicht hervor, das von einem gepflegten, gezwirbelten Schnurrbart
geziert wird. Zusammen mit den Lachfältchen und seiner markanten
Hakennase macht es einen seltsamen, aber recht sympathischen Eindruck,
als er sich heftig gestikulierend um die Aufmerksamkeit der Wirtsleute
bemüht.

Der Dritte an dem kleinen Tisch bei der Treppe scheint sich im Gegensatz
zu dem Tulamiden an dem Wetterchen draußen nicht zu stören.
Offensichtlich ist es ein Thorwaler, 100 Finger groß und wohl 100 Steine
schwer, mit blonden, langen Haaren, die er geflochten zum Kriegerzopf
seiner Heimat trägt. Seine Augen funkeln in einem fahlen Eisgrau, ein
Amulett hängt ihm um den Hals. Seine langen, kräftigen Beine stecken in
schwarzen, kniehohen Stiefeln, die entlang des oberen Randes mit Nieten
besetzt sind. Eine braune Lederhose ist zu sehen, eine Krötenhaut
schützt den Torso, die Arme sind nackt bis auf ein paar breite schwarze
Lederbänder um die Handgelenke. Ein schwarzer Ledergürtel mit einer
breiten Schnalle, auf der zwei Kämpfer einander im Kampf gegenüber
stehen, und ein wollener roter Umhang über dem Stuhl sind noch zu
entdecken, sowie neben seinem Bier ein Helm auf dem Tisch liegt und eine
mächtige Waffe, eine Barbarenstreiaxt, hinter ihm an der Wand lehnt.

Was für eine seltsame Mischung, und das hier, im Winter des Lieblichen
Feldes! Die schlechte Laune des Magiers hebt sich bei diesem Anblick
bereits ein wenig. Kopfschüttelnd lenkt er seine Schritte von der Tür
fort...

Antje Steinborn und andere

# # #

Nunmehr also sind geschlagene 44 Monate ins Land gegangen, und das
Wirtshaus `Zum Günen Eber' erfreut sich noch immer ungebrochener
Beliebtheit. Die Schnapszahl (eigentlich vielmehr der neue, 4. Ebertag,
welcher mit obigem Texte kürzlich eingeläutet wurde) war uns 4
Spielleitern Anlaß, den Gasthof in neuem Glanze erstrahlen zu lassen
(sowie dafür auch mal wieder die Werbetrommel zu bemühen). Denn auch
aventurisch sind nun 4 Monde vergangen, und wir erleben einen milden
Winter im Lieblichen Felde.
Was haben sich bereits für illustre Gäste angemeldet! Aus allen Teilen
Aventuriens strömen sie herbei. Und ein jeder kann ihrer lustigen und
traurigen, spannenden und anregenden Erlebnisse, welche ihrer wie unser
aller harren, teilhaftig werden. Manchen von Euch mag es bald gar selbst
in diese oft so ungewöhnliche Schenke ziehen. Drum besuchet alle den
Grünen Eber, welcher unter der Adresse
http://cs.tu-berlin.de/~ohherde/zge.htm
an der Seneb-Horas-Straße gelegen einem jeden eine offene Tür, einen
warmen Kamin und vorzügliche Käsetörtchen bietet!

Oliver H. Herde

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