17.05.2011, 19:50 Uhr
Im Fall einer Verurteilung vor einem US-Gericht droht IWF-Chef Dominique Strauss-Kahn eine harte Strafe: Die New Yorker Justiz legt dem Top-Banker schwere Verbrechen zur Last - insgesamt wurden sechs Anklagepunkte erhoben. Auf die Taten steht eine Höchststrafe von mehr als 74 Jahren Gefängnis.
Neben versuchter Vergewaltigung und Freiheitsberaubung, wirft ihm die Justiz einen "sexuellen kriminellen Akt" vor, was im US-Strafrecht erzwungenen Oral- oder Analverkehr bezeichnet.
Zudem werden ihm "unsittliches Berühren" im Intimbereich sowie "sexueller Missbrauch ersten und dritten Grades" vorgeworfen, laut US-Strafrecht ein nicht einvernehmlicher "sexueller Kontakt" ohne Gewaltanwendung. Aus den Gerichtsunterlagen geht hervor, dass auf die Anklagepunkte eine maximale Freiheitsstrafe von 74 Jahren und drei Monaten steht.
Für die Anwälte des Bankers hat derweil die schwierige Suche nach einer überzeugenden Verteidigungsstrategie begonnen: Einvernehmlicher Sex, alles erlogen oder ein missverstandener Anmachversuch? Wenn sie ihren wegen versuchter Vergewaltigung angeklagten Mandanten beim nächsten Gerichtstermin am Freitag aus dem Gefängnis holen wollen, muss bis dahin entlastendes Material da sein. Dass der 62-jährige IWF-Chef derzeit der wohl prominenteste Häftling der Welt ist, macht die Sache nicht einfacher.
Der IWF-Chef muss zumindest bis zum nächsten Gerichtstermin in der Haftanstalt auf Rikers Island bleiben.
Seit der Anhörung am Montag liegen zumindest die ersten Ermittlungsergebnisse auf dem Tisch. Die Staranwälte um den New Yorker Promi-Verteidiger Ben Brafman haben Einsicht in die Akten und können nun daran arbeiten, die Anschuldigungen des Zimmermädchens zu widerlegen. "Sie werden wohl einen Privatermittler engagieren, um alles über die Klägerin herauszufinden", erklärte Brafmans Anwaltskollege Evan Barr der französischen Tageszeitung "Le Figaro". "Wer ist sie? Was könnten ihre Motive sein? Was war in der Vergangenheit?" All dies seien relevante Fragen.
Bislang ist kaum etwas über die Frau bekannt, die einen der mächtigsten Männer der Welt vom seinem Chefposten beim Internationalen Währungsfonds direkt ins Gefängnis brachte. 32 Jahre alt, größer als 1,80 Meter, Afroamerikanerin und Mutter einer Tochter im Teenageralter - viel mehr haben Medien bislang nicht herausgefunden. Die Polizei beschrieb sie als "sehr glaubwürdig".
Bei der Suche nach der Verteidigungsstrategie könnte sich eine erste Richtung abzeichnen: Nach Angaben des Boulevardblatts "New York Post" hat Strauss-Kahns Verteidigung die These von "einvernehmlichen Sex" ins Spiel gebracht. "Eine solche Verteidigung würde den Angeklagten zwingen, in einem Prozess auszusagen und zu erklären, was sich ereignet hat", gab Barr zu bedenken.
Am Montag hatte Strauss-Kahns Anwalt Ben Brafman bei einer Anhörung gesagt, dass die Beweise "im Widerspruch zu einem erzwungenen Treffen" stehen würden, ohne allerdings den Punkt weiter auszuführen. Die Anklage beruft sich dagegen auf eine rechtsmedizinische Untersuchung des mutmaßlichen Opfers, die auf einen sexuellen Übergriff hindeute.
Ermittler
hatten auch die Hotelsuite in New York, in der Strauss-Kahn das
32-jährige Zimmermädchen sexuell angegriffen haben soll, auf Spuren
untersucht. Der US-Fernsehsender Fox News berichtete unter Berufung auf
Polizeikreise, dass dabei neben DNA-Material auch Blut auf den Bettlaken
gefunden worden sei.
Ein schnelles Ende der Affäre wäre wohl nur dann möglich, wenn sich Strauss-Kahn zumindest in minder schweren Anklagepunkten für schuldig bekennen würde. Auf seine diplomatische Immunität kann sich der 62-Järhige in diesem Fall nicht berufen, da diese in einem Sexualstrafverfahren keine Gültigkeit habe. Seine Immunität "ist begrenzt und ist nicht auf diesen Fall anwendbar", teilte der IWF in Washington mit.
Dass die Verteidiger mit allen Tricks und Kniffen arbeiten werden, gilt als sicher. Strauss-Kahns Anwalt Brafman vertrat bereits Stars wie Michael Jackson (angeklagt wegen Kindesmissbrauchs) und Rapper Sean "P.Diddy" Combs (angeklagt wegen Bestechung und Waffenbesitzes).
1991 handelte Brafman CNN zufolge
für den gefürchteten Auftragskiller Salvatore "Sammy the Bull" Gravano
einen guten Deal aus. Sein Mandant gestand 19 Morde im Auftrag der
Mafia. Im Gegenzug für seine Aussage musste er nur fünf Jahre hinter
Gittern verbringen.