Vor vielen vielen Jahren, Heiligabend fiel auf einen Samstag, hatte Papas
Apotheke Notdienst.
Kurz nach 13:00 Uhr kamen noch einige "Späteinkäufer", die froh waren, dass
die Apotheke noch geöffnet war, kaufen relativ normal ein. Je später der
Nachmittag, desto ruhiger wurde es. So ruhig, dass der Apotheker nach Hause
fahren kann, sich dann die Notdienstklingel nach Hause umleiten lassen kann
und nur im Bedarfsfall in die Apotheke fährt, wurde es jedoch nicht.
Das war absehbar, also wurde beschlossen, den Heiligabend in der Apotheke
zu feiern. Manche Menschen tischen zu Heiligabend mehrgängige Menüs auf.
Nicht so bei uns, da gab es traditionell Bockwurst und Kartoffelsalat, also
Essen, das man bequem im vor Ort erwärmen kann.
So geschah es dann auch: Im Pausenraum saßen wir alle beisammen, erst
sollte es Essen geben, dann Bescherung und ich durfte meine Geschenke
auspacken, damals immer noch eine Überraschung, ob das, was ich auf den
Wunschzettel schrieb auch in der entsprechend 'richtigen' Form umgesetzt
wurde.
Dann klingelte es. Der Apotheker schloss die Tür auf, herein kam ein Paar,
das "dringend" ein Medikament für das "sterbenskranke" Kind bräuchte. Da
stellt sich die Frage, wer auf das Kind aufpasst, wenn es doch angeblich
sterbenskrank ist? Aber vielleicht gab es da Oma und Opa oder
Geschwister...
Jedenfalls brauchten die Menschen ganz dringend ein Medikament und reichten
dem Apotheker das Rezept rüber. Nun gab es da ein paar kleinere oder
größere Probleme:
Das verschrieben Medikament war schon sehr speziell, nichts, was man
normalerweise so in der Apotheke auf Lager hat, es sei denn, man hat
Patienten, die das dauernd brauchen. Hatten wir nicht.
Natürlich können Apotheken auch seltene Medikamente recht zeitnah besorgen,
dazu gibt es Apotheken-Großhandlungen, die viele Dutzend bis mehrere
Hundert Apotheken beliefern und es sich da leisten können, auch sehr
seltene Medikamente auf Lager zu haben. Allerdings funktioniert das an
gesetzlichen Feiertagen auch nicht ganz so schnell wie an normalen
Werktagen, an denen fünf Lieferungen dafür sorgen, dass bestellte
Medikamente rasch vor Ort sind.
Dann war es so, dass der verordnende Arzt genau dieses Medikament
verschrieben hatte und einen Austausch durch ähnliche Medikamente
ausdrücklich ausgeschlossen hatte. Dazu hibt es ein Feld auf dem Rezept, in
dem der Arzt ein entsprechendes Kreuz setzen oder eben nicht setzen kann.
Und wenn der Arzt (oder sein Personal) das so entschieden hat, dann ... ist
das so. Dann einfach etwas anderes abzugeben, kommt ohne Rücksprache mit
dem Arzt nicht in Frage.
Viel entscheidender war, dass das Rezept schon ein paar Wochen alt war, die
Frist zur Einlösung war somit abgelaufen, genauer, die Krankenkasse hätte
es nicht mehr erstattet. In solchen Fällen zahlt der Kunde erstmal den
Arzneimittelpreis, "tauscht" dann das alte Rezept beim Arzt gegen ein
frisches, geht damit zur Apotheke und bekommt den Kaufpreis erstattet.
Nun, das wollten die Kunden nicht. Stattdessen geb es ein Gepöbel, was das
doch für ein mieser Service war. In einer Lautstärke, die bis in den
Pauschenraum zu hören war. Auch die Drohung, man werde den Apotheker
verklagen, würde dem Kind was passieren, war deutlich zu vernehmen.
Da der Apotheker nichts für die Kunden tun konnte, zogen sie dann von
dannen, um ihr Glück woanders zu versuchen.
Eine halbe Stunde später klingelte das Telefon, ein befreundeter Apotheker
rief an, auch er hatte in dieser Nacht Notdienst und berichtete von
seltsamen Kunden, die mit einem 'uralten' Rezept ein sehr seltenes
Medikament haben wollten. Auch er hatte es nicht auf Lager. Und falls
doch, hätte er es dann nur gegen Barzahlung abgegeben.