Am Wed, 8 Apr 2015 20:00:13 +0200 schrieb Kai Bojens:
>>> Aber in dieser zunehmend älter werdenden Republik ist das mit den
>>> Veränderungen wohl nicht mehr gerne gesehen.
>
>> Sogar Angela Merkel ist jetzt für den Atomausstieg... Deutschland arbeitet
>> an der Umstellung auf erneuerbare Energien.
>
> Dein Dan in hinkenden Vergleichen ist wohlbekannt.
Dan? Der wievielte? ;-)
Nur weil Dir meine Vergleiche nicht gefallen...
> Der Atomausstieg der Merkel ist nichts weiter als eine Reaktion auf
> Fukushima und dem daraus resultierenden öffentlichen Druck.
Gravierende (gesellschaftliche) Veränderungen passieren meistens nur auf
massiven öffentlichen Druck. Spontan fallen mir grad keine Veränderungen
von erheblicher gesellschaftlicher Tragweite ein, bei denen das anders war.
> Die ist morgen auch wieder völlig anderer Meinung bei Bedarf. Und 41%
> gefällt das offenbar
Ich bin sicher, gäbe es eine (in den Augen vieler Wähler) ernstzunehmende
Alternative zur Union, würden mehr Menschen diese Alternative wählen
wollen. Aber die Verhältnisse sind nunmal so, wie sind sind, ob es uns
gefällt oder nicht. Und es ist ja nicht die Schuld von Angela Merkel, daß
andere Parteien an der eigenen Bedeutungslosigkeit arbeiten.
>> Hätte man damals etwas -- fast hätte ich "konservativer" geschrieben --
>> weitlichtiger gedacht, hätte man sich nicht auf Atomkraft eingelassen. Aber
>> man wollte ja Veränderungen um jeden Preis und hat sich dann "billigen und
>> sauberen Atomstrom" einreden lassen.
>
>> Heute, ein paar Jahrzehnte später, stellt man fest, daß die Lagerung
>> strahlenden Abfalls nicht mal so eben aus dem Ärmel zu schütteln ist.
>
> Äh, ja und? Wegen einer Technologie, deren Folgen unterschätzt wurden,
> ist Veränderung per se kritisch und falsch? Glückwunsch! 100 Punkte auf
> der Stillstandsskala!
Das war aber schon ein wenig sopp-oid argumentiert.
Mein Punkt ist und war, ich wiederhole ihn gerne, daß man vorher(!)
nachdenken könnte sollte, ob eine neue Technik tatsächlich immer so
vorteilhaft und segensreich ist, wie sie von den Befürwortern angepriesen
wird.
Eine gesunde Skepsis schadet selten.
>> Auch andere "verblüffende Konzepte", wie der Transrapid oder CargoLifter
>> erwiesen sich als teure Spielwiese für Ingenieure. Ein wenig skeptisches
>> Nachdenken hätten viel Geld sparen können.
>
> Eben. Du gehörst ja ohnehin zu denen, die hinterher vorher schon immer
> alles gewusst und davor gewarnt haben wollen.
Der CargoLifter, ~15 Meter länger und ~25 Meter größer im Durchmesser als
die "Hindenburg", unterliegt den gleichen (luftfahrt)physikalischen
Gesetzmäßigkeiten. Und wer mal die Probleme der "Hindenburg" bei ihren
Landungen gesehen hat...
Und ich war mit meiner Meinung nun wirklich nicht alleine. Recherchier mal,
wie die Fachpresse damals die CargoLifter-Pläne kommentiert hatte. Manche
Menschen erkennen Kaisers neue Kleider, bevor sie sich komplett nackt
gemacht haben. Aber der Trend war damals eben Geld einsammeln und dann
sehen wir mal, ob was draus wird. So manche Blase ist damals geplatzt,
nicht nur die Dot-Com-Blase.
> Der Transrapid läuft in Shanghai übrigens. Und die Erkenntnisse, die man
> aus Forschung und Bau gewonnen hat, sind nicht zu unterschätzen.
Bitte hilf mir auf die Sprünge: Welche Erkenntnisse waren das doch gleich?
Die Teflon-Bratpfanne verdanken wir der Raumfahrt :-)
>> Ich bin für Veränderungen. Aber bitte nicht um ihrer selbst Willen. Besteht
>> wirklich ein Bedarf? Und dann bitte mit Sinn und Verstand geplant, gebaut
>> und betrieben. Noch ein paar Bahnhöfe a la Stuttgart S21 und Fluchhäfen wie
>> BER können wir uns nicht leisten. Hat hier grad jemand "Elbphilharmonie"
>> gesagt?
>
> S21, BER und die Elbphilharmonie sind BAUPROJEKTE und keine
> Veränderungen von gesellschaftlicher Auswirkung, oder von disruptiven
> Technologien, die Einzug gehalten und uns massiv verändert haben
> (Facebook, Smartphones, Streaming etc.). Du vergleichst hier mal wieder
> Dinge, die überhaupt nichts miteinander zu tun haben.
Es sind Beispiele für ... wir machen erstmal und denken dann drüber nach.
Und Zwischendurch spielen wir an den Anforderungen...
Nehmen wir ein anderes Beispiel: Uber. Soll ja den Personentransport sowas
von ins 21. Jahrhundert beamen. Kann man so sehen. Kann man auch ganz
anders sehen.
Viele Vorteile umwälzender technologischer Veränderungen sind, sieht man
mal genauer hin, keine.
Denken wir uns einen Chemiekonzern. Um (sichtbare) Kosten zu sparen, werden
die Server nun aus Far-far-away betreut. Kann man so machen. Ändert sich
was an der Infrastuktur, wird ein Drucker Modell 4711 gegen den Nachfolger
4713 getauscht, braucht man einen geänderten Druckertreiber, haben das die
Admins früher schnell selbst gemacht. Nun schreibt man einen Antrag (dauert
länger als den Job mal eben selbst zu machen und erzeugt unsichtbare
Kosten) und nach Ende des Monsuns macht das dann ein Mensch in
Far-far-away. Wird in Summer nicht einfacher und nicht billiger.
Bei Chmiekonzernen sind viel Know-How und viele Materialien Dual-Use-fähig,
man darf nicht mal eben so Wissen nach Far-far-away exportieren. Ups, also
DARAN konnte ja niemand denken...
Ich sehe ganz allgemein, daß einfach zu wenig VORHER nachgedacht wird,
welche Auswirkungen das eigene Handeln NACHHER haben wird.
Du nennst etwas weiter oben Atomkraft eine "Technologie, deren Folgen
unterschätzt wurden", was eine ziemliche Untertreibung sein dürfte. Die
Halbwertszeiten von radioaktivem Abfall waren bekannt. Man hat einfach die
Augen fest geschlossen und gehofft, daß, wenn das Thema Müll akut werden
würde, $IRGENDWER schon $IRGENDWANN $IRGENDEINE Lösung würde aus dem Hut
zaubern können. Leider kam die Fee nicht vorbei und erfüllte auch keine
Wünsche. Schade aber auch. Nun haben wir Müll, den wir die nächsten sagen
wir mal 100.000 Jahre sicher lagern müssen. Wie weiß nur noch niemand.
Mal ehrlich, würdest Du eine weite Autofahrt unternehmen, könntest Du nicht
sehr sicher sein, unterwegs tanken zu können? Oder genauer: Fährst Du los,
wenn Dir klar ist, daß Dir unterwegs garantiert der Sprit ausgehen wird?
Nun ersetzen wir mal ein paar Vokabeln und schon sind wir bei einer
"Technologie, deren Folgen unterschätzt wurden".
>> All diese 'prima' Veränderungen haben den Steuerzahler viel Geld gekostet.
>> Also Dich und mich.
>
> Blafasel.
Verschwendetes Steuergeld ist für Dich "Blafasel"? Na, dann solltest Du
deutlich mehr und ich dafür deutlich weniger Steuern zahlen. Dann isses
nicht mehr mein Geld, was da vergeudet wird.
> Mangelnder Veränderungswillen einer Gesellschaft macht sich in anderen
> Dingen fest. Etwa, wenn es um gleichgeschlechtliche Ehen geht,
An der Nichteinführung gleichgeschlichtlicher Ehen ist "noch niemand
gestorben". Oh, dummes Argument? Wo und von wem hörte ich das unlängst?
> die Öffnung von Bildung,
Bildung ist doch ziemlich offen. Jeder Schüler kann sich auf den Hosenboden
setzen und einen Schulabschluß (nach)machen. Und dann studieren gehen.
Klar. Kostet eigene Zeit, kostet eigene Energie, kostet auch eigenes Geld.
Aber geht.
Natürlich kann man Abitur auch als Klorollendiplom verteilen und wer will,
darf sich einen "Zettel" von der Rolle abreißen. Wird es dadurch besser?
Werden Studenten besser, wenn angehende Ingineure noch nicht mal einen
Dreisatz beherrschen?
> die Akzeptanz neuer Technologien und Ähnlichem.
> Und das ist in einer Gesellschaft, die im Schnitt zur zweitältesten der
> Welt zählt (hinter Japan) zunehmend weniger zu erwarten.
Verschlechtern wir das Gesundheitssystem, machen wir Autos unsicherer,
schaffen wir die Gurtpflicht ab, dann verjüngst sich die Gesellschaft ;-)
> Ältere Menschen (ab 30) sind risikoavers, zunehmend konservativ und wenig
> für abrupten Wandel zu begeistern. Das ist zutiefst menschlich -- lähmt
> aber auch eine Gesellschaft, die zunehmend vergreist.
Nicht mehr jede Katze im Sack kaufen zu wollen und sich nicht immer ein X
für ein U vormachen lassen zu wollen(!), hängt offenbar auch mit
zunehmender Lebenserfahrung zusammen.
> Und das irre Festhalten an UKW mit abstrusen Argumenten ("sieht doof aus
> im Auto", "Brauche ich nicht!") ist ein schönes Beispiel dafür.
Mal ehrlich, warum soll ich mir etwas häßliches ins Auto einbauen, was ich
nicht brauche? Hast Du ein Piercing im Gesicht? Warum nicht? "Sieht doof
aus" und "Brauche ich nicht" sind offenbar manchmal sehr überzeugende
Argumente menschlichen Handelns.
> Das ist im Kern der Dreiklang von "Das haben wir noch nie so gemacht. Das
> haben wir schon immer so gemacht, und da könnte ja jeder kommen!".
Sind ja auch sehr passende 'Weisheiten', sofern sie mit Sinn und Verstand
eingesetzt werden.
"Haben wir schon immer so gemacht" kann man übersetzen mit "weil es sich so
bewährt hat". Der Elektriker der schon immer den Strom abgeschaltet hat,
bevor er an elek. Anlagen arbeitet, hat gute Chancen, sein Wissen zu
tradieren.
Allerdings kann und sollte sich die Frage stellen, ob es Bedarf zu
VerBESSERUNG gibt. Eine Veränderung nur um der Veränderung willen, bringt
selten Vorteile. Oder dekorierst Du Deine Wohnung alle paar Wochen um? Ich
auch nicht. Aber wenn ein Kind dazu kommt, dann sollte man die Nutzung der
Räume überdenken.
"Haben wir noch nie so gemacht" kann man überstzen mit "hat sich (bislang)
nicht bewährt".
Und "Da könnte ja jeder kommen" kann man übersetzen mit "Welche
Auswirkungen hat eine bestimmte Handlung, wenn (ausreichend) viele Menschen
sie machen?". Oder etwas technischer ausgedrückt: "Wie skaliert das?" und
dann ist es eine oftmals sehr berechtigte Frage.
Nik