Stunde der Technokraten - jW-Artikel

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Kornelia Richter

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Feb 23, 2012, 9:44:04 AM2/23/12
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Der Artikel von Helga Spindler ist sehr verdienstvoll, einerseits, weil sie in konzentrierter Form die repressiv undemokratischen Schritte des Sozialabbaus im Rahmen der Hartz-Gesetze der letzten 10 Jahre Revue passieren lässt, andererseits aber auch, weil sie das ganze Dilemma des unmarxistischen Geschichtsbildes nicht nur der rechten, sondern auch der linken Strömungen aufzeigt.

Die Geschichte auch von Hartz IV ist nach bürgerlichem Verständnis vor allem ein Werk gewissenloser, egoistischer und karrieristischer Eliten, die den  Arbeitslosen immer neue Grausamkeiten aufbürden, nur um mit halbseidenen Geschäften, gemeiner Heimtücke und bösartigen Sanktionen ihre Kassen zu füllen. Die Politik und der Wille einzelner Menschen bestimmen also den Weltenlauf, wenn sich nicht die gequälten Volksmassen zur Gegenwehr erheben. Das ist die eine schmutzige Seite der Wahrheit des Kapitalismus. Die andere Seite der Wahrheit, nämlich  die ökonomische und technologische Realität, kommt aber bei Helga Spindler nur mit einem einzigen Satz ins Spiel: „Nun begannen die Herren aber, ihre Arbeiter zu entlassen, weil sie wegen ihrer Maschinen viele nicht mehr brauchten oder billigere Arbeitskräfte jenseits des großen Meeres fanden.“ Dass deshalb „die Herren“ und auch Damen der Elite neben ihrer Unmoral vor allem auch Getriebene ökonomisch-technologischer Zwänge sind, die mit einem neuartigen Problem, nämlich dem Heraustritt von immer mehr Menschen aus der Produktion und damit aus den primitiven kapitalistischen Ausbeutungsverhältnissen fertig werden müssen, wollen vor allem linke Kräfte nicht sehen. Doch schon Marx hat gerade den Gedanken, dass immer das Sein das Bewusstsein bzw. die jeweiligen konkret historischen ökonomisch-technologischen Rahmenbedingungen das Streben der Menschen determinieren, genial zur philosophischen Methode erhoben.

Es ist nun mal eine unabänderliche Tatsache, dass die alte Industriewelt und mit ihr die primitive Vollbeschäftigung stirbt. Damit stirbt aber nicht nur der fremdgesteuerte Lebenssinn für immer mehr Menschen, sondern auch die Möglichkeit, Menschen profitträchtig zu manipulieren und auszubeuten. Damit verschwindet aber auch für immer mehr Unternehmer und Unternehmen die Profitquelle, denn nicht die Arbeit von Maschinen, sondern nur die Güter produzierende Arbeit von Menschen erschafft das Geld in Form von Löhnen, die dann die produzierten Waren auch kaufen können. Deshalb: Je weniger Löhne gezahlt werden, desto weniger Kaufkraft, desto weniger Profit, desto weniger Unternehmer! Aber auch desto weniger Sozialabgaben und Steuereinnahmen! Hartz IV war eine notwendige Anpassung an das Riesenarbeitslosenheer! Und die Abschaffung der Arbeitslosenhilfe war zudem  auch ein Akt der Gerechtigkeit, denn die Menschen, die nicht mehr arbeiten, sollen alle gleich viel oder wenig Sozialunterstützung, allerdings sanktionsfrei!, erhalten. Weil ein Manager mal Tausende verdient hat, während eine Putzfrau nur ein paar Hundert bekam, ist es gerecht, dass auch der Manager nach dem Arbeitslosengeldanspruch nur Hartz IV und als Rentner auch nur eine bestimmte Summe wie alle anderen Rentner bekommt ebenso wie die ehemalige Putzfrau, ein Abgeordneter, Beamter  oder der junge Diplomingenieur, der noch nie eine leistungsgerecht bezahlte Stelle innehatte. Die technologisch getriebene Ausweitung von Hartz IV wird trotz aller Gemeinheiten des Sparens an den „kleinen Leuten“ durch Sozialabbau, aber auch durch die neue gerechte Gleichmacherei im Elend das Kollabieren des Gewinnmachens und damit des Geldsystems nicht aufhalten, weil auch das gemeinste Sparen das Verschwinden der primitiven Massenindustrieproduktion und ihrer Absatzmärkte nicht aufhalten kann.

Humanistische Kräfte könnten aber in der heutigen Siechphase des Geld- und Ausbeutungssystems neben der sozialen Absicherung für alle! Menschen auch dafür kämpfen, für die Arbeitslosen einen wachsenden freiwilligen, kreativen, unproduktiven parallelen Beschäftigungssektor aufzubauen, in dem die kulturvollen Arbeiten vorgedacht und getan werden, die von den Menschen gewollt sind, die ökologisch und sozial nötig sind und die sich deshalb nicht mehr am Gewinnprinzip orientieren.  Aus der menschenfeindlichen Janusköpfigkeit des Kapitalismus kommen wir nur human heraus, wenn wir mit vereinten Kräften eine geldlose solidarische Zukunft wollen, konzipieren und bewusst ansteuern.

 

Kornelia Richter, Schkeuditz    

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