WG: in der Süddeutschen von heute gefunden

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Christine Nordmann

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Jul 15, 2012, 4:16:18 AM7/15/12
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Bei diesem vielen Regen ein vielleicht passendes Thema?

 

SÜDDEUTSCHE, 4.7.2012: Panorama

Großes Gemüse

Nach 'Urban Gardening' kommt 'Urban Farming': Wie Firmen und Forscher mit Containergärten die Selbstversorgung der Städter planen

Von Frederik Obermaier


Die Zukunft gluckst und gluckert, und sie riecht nach Fisch. 200 graue Buntbarsche tummeln sich eng gedrängt in einem 1000-Liter-Aquarium. Die subtropischen Speisefische, im Fachjargon oreochromis niloticus, arbeiten, wenn man so will. Ihr Becken gehört zum Projekt 'Containerfarm': Ihr Aquarium steht in einem Überseecontainer, hier sollen sie fressen und wachsen. Das Wasser mit den Fisch-Ausscheidungen fließt in große blaue Behälter, wird gefiltert und ins Aquarium zurück- sowie auf das Dach des Containers geleitet, in ein Gewächshaus. Dort fließt es durch mehrere Beete, Tomatenstauden stehen darin, Basilikum, Kürbispflanzen, in einer Ecke wachsen Gurken. 'So sieht die Zukunft aus', sagt Christian Echternacht von der Firma Efficient City Farming (EFC).


Der 41-Jährige hat eine Vision: Statt auf dem Land soll das Gemüse für die Großstädter künftig in den Großstädten produziert werden. In 'Stadtfarmen', wie Echternacht die Großversion des Projekts 'Containerfarm' nennt. Pro Jahr sollen sie mehrere Tonnen Gemüse und Fisch produzieren. Es ist die Idee Schrebergarten 2.0, die New York Times spricht gar von der 'Farm der Zukunft'.


Lange schon ist Gärtnern in der Stadt nicht mehr nur Trend, sondern Alltag. Ob in München, Berlin oder Hamburg - in zahlreichen Großstädten ziehen Stadtbewohner in kleinen Gemeinschaftsgärten, auf Verkehrsinseln und Randstreifen eigene Tomaten, Salatpflänzchen und Zucchini. 'Urban Gardening' sagen viele längst, wenn sie die Gemüseproduktion für den Eigenbedarf in der Stadt meinen. Das Start-Up-Unternehmen Efficient City Farming denkt dagegen in viel größeren Dimensionen. 'Wir sind die Pro-Variante des Urban Gardening', sagt Echternacht etwas schwurbelig. Mit 'pro' meint er professionell - und schwärmt von Containerfarmen auf Flächen so groß wie Fußballfelder, von Gärten über Großparkplätzen, von Urban Gardening als Massenproduktion - oder, wie manche auch schon sagen: Urban Farming.


Echternacht nennt es etwas umständlich die 'ökologische und ökonomische Ergänzung' zur klassischen Landwirtschaft. Geht es nach dem City-Farmer, dann sollen Stadtbewohner bald selbst sehen können, wie lange es dauert bis aus einem grünen Kügelchen eine prallrote Tomate und aus einem kleinen Stängel eine Gurke geworden ist. 'Die Städter sollen wieder einen Bezug zu dem bekommen, was sie essen.' Sie sollen sehen, dass keine Pestizide verwendet werden, dass die Fische nur Biofutter bekommen. Die Metropole als Ökotraum für Selbstversorger.


Mit zwei Freunden hat Echternacht investiert, er hat Patentgebühren gezahlt, einen Prototyp der Containerfarm bauen lassen und ist mit seinem Büro in eine stillgelegte Malzfabrik im Süden Berlins gezogen. Im Hof, wo früher Malz für die Brauereien verladen wurde, steht der Überseecontainer mit Gewächshaus auf dem Dach - die 'Containerfarm'. Gurken, Salat und Tomaten hat Echternacht in diesem Jahr schon geerntet, die 'Hauptstadtbarsche', wie er die Buntbarsche im Container selbstbewusst nennt, sind allerdings noch Hauptstadtwinzlinge.


Wie die Zukunft aussieht, erklärt Echternacht gerne an grünen Schautafeln. Dass bis 2050 mehr als sechs Milliarden Menschen weltweit in Städten leben werden. Dass sie irgendwie mit Nahrung versorgt werden müssen, dass das Wasser immer knapper wird, dass dies ein Problem werden könnte. Echternacht erklärt aber auch, wie die Lösung in seinen Augen aussehen könnte. 'Sie heißt Aquaponik.' So wie Aquakultur (also Fischzucht) plus Hydroponik (Aufzucht von Pflanzen in Wasser): Der Ammoniak in den Fäkalien der Fische wird zu Nitrat umgewandelt, dieses fließt im Wasser durch mehrere Beete, in denen Tomaten, Gurken und Kürbisse auf Steinwollkissen wachsen. Das Wasser wird somit doppelt genutzt. Aus dem Abfall der Fischzucht wird Dünger für die Tomaten und aus dem Kohlendioxid der Fische machen die Pflanzen Sauerstoff. Am Ende können Pflanzen geerntet und Fische geschlachtet werden - mitten in der Stadt, ohne lange Transportwege.


Klingt gut, doch die Idee ist nicht neu. Bereits 2009 eröffnete die erste kommerzielle Aquaponik-Farm der USA in Milwaukee. Die Industriestadt gilt als Mekka der Aquaponik. In einer stillgelegten Kranfabrik schwimmen dort Schwärme von Barschen. Auf Barbados wird sogar an einer Aquaponik-Insel gearbeitet, in Zürich stehen Tomaten-Fisch-Container, in London produziert ein 'Farm:shop' in einem Laden frisches Gemüse und frische Krabben. Nun soll Berlin folgen - und auch zur Urban-Farm-Metropole werden.


Was im Hof der Berliner Malzfabrik gluckst und gluckert ist ein System des Berliner Leibniz-Institut für Gewässerökologie und Binnenfischerei. ASTAFpro nennen es die Wissenschaftler, es ist die Weiterentwicklung der herkömmlichen Aquaponik, ECF besitzt die exklusiven Nutzungsrechte für Europa und Amerika. Das Wasser aus der Fischzucht fließt nun nicht mehr direkt zu den Tomaten, sondern wird dosiert. 'Das sind zwei vollkommen unterschiedliche Lebensbereiche', sagt Sven Würtz vom Berliner Leibniz-Institut, 'Fische brauchen einen hohen pH-Wert, Pflanzen einen niedrigen.' Vor ASTAFpro wählten die urbanen Farmer schlicht einen Mittelwert. 'Das läuft irgendwie, aber nicht ideal.' Mit dem neuen System, so hoffen die Wissenschaftler, wird Aquaponik nun massentauglich.


Eine Containerfarm hat Efficient City Farmig für etwa 35000 Euro im Angebot. Es ist das kleinste Modell, eigentlich denkt die Firma in größeren Dimensionen. Echternacht und seine Kollegen haben die Vision von der größten Dachfarm der Welt. Sie soll auf und unter dem Dach der alten Malzfabrik entstehen, auf etwa 7000 Quadratmetern Fläche. In den Becken, in denen einst die Gerste eingeweicht wurde, soll dann exotischer Speisefisch schwimmen, daneben das Gemüse wachsen - und zwar tonnenweise. 'Pro Quadratmeter rechnen wir jährlich mit 50 Kilo Tomaten', sagt Echternacht. Pro Jahr isst der durchschnittliche Deutsche etwa 24 Kilo des Gemüses, ein Quadratmeter Aquaponik kann damit in der Theorie den Tomatenbedarf von zwei Menschen decken. Wie viele Personen mit einer Containerfarm versorgt werden können, hängt dann jedoch vom Klima und der angebauten Gemüsesorte ab.


Wissenschaftler schwärmen jedenfalls von den Möglichkeiten - oft haben sie eigene Aquaponik-Verfahren patentiert. Es lockt das große Geschäft. Und daran wollen auch Echternacht und seine zwei Teilhaber teilhaben. Auf Supermärkten möchten sie Dachfarmen errichten oder über den Parkplätzen do, auf drei Meter hohen Stelzen. 'Erste Gespräche mit dem Einzelhandel laufen schon', sagt Echternacht. In den USA hat eine Urban-Farming-Firma bereits eine Kooperation mit der Supermarktkette McCaffrey"s geschlossen - dabei geht es allerdings um schlichte Gewächshäuser, nicht um die Kombi-Version mit integrierter Fischzucht.


ECF schreibt derzeit nach eigenen Angaben an Dutzenden Machbarkeitsstudien, nach ersten Medienberichten kamen Anfragen aus China, Südafrika und Australien. Umgesetzt hat Echternachts Firma aber bislang noch kein Großprojekt. Die einzige fertige Stadtfarm der Firma ist der Überseecontainer im Hof, mit den Buntbarschen im Becken. In drei Monaten, wenn sie ein halbes Kilo schwer sind, werden sie geschlachtet, doch der Traum von einer Farm mitten in der Stadt wird wohl weiterleben.

 



Ich verwende die kostenlose Version von SPAMfighter, die bisher
6566 Spammails entfernt und mir so eine Menge Zeit gespart hat.

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