Trotz Snowden: Uni Rostock und BND kooperieren bei Internet-Überwachung
Im Frühjahr hatte Hans-Jürgen von Wensierski, Dekan der Philosophischen
Fakultät der Uni Rostock und treibende Kraft hinter dem Ansinnen, dem
Ex-Geheimdienstmitarbeiter und "Whistleblower" Edward Snowden die
Ehrendoktorwürde zu verleihen, in einem Zeitungs-Interview noch davon
gesprochen, sich gegen Massenüberwachung auflehnen zu wollen: "Ich will
die NSA wahrlich nicht mit der Stasi gleichsetzen, aber ich will meinen
Teil dazu beitragen, mich gegen Massenüberwachung aufzulehnen." (
Hähnig, Anne: Ehrensache Snowden. In: Die Zeit, 26/2014. Im Internet
unter:
http://www.zeit.de/2014/26/edward-snowden-ehrendoktor ). Würde
der Dekan solche Sätze ernst meinen, hätte er jetzt eine gute
Gelegenheit, für die er nicht einmal weit fahren müsste. Denn
ausgerechnet die "Snowden-Universität" Rostock ist an den aktuellen
Internet-Überwachungsplänen der Bundeswehr und des als
"Bundesnachrichtendienst" (BND) verharmlosten Geheimdienst beteiligt.
300 Mio für Überwachung
Konkret wollen die deutschen Militärs und der BND 300 Millionen Euro
investieren, um Facebook, Foren, Blogs und Twitter in Echtzeit
überwachen und auswerten zu können. Die dazu notwendige Software wird
laut dem Innenministerium u.a. ein Start-Up der Rostocker Universität
liefern. Dies ergab eine sog. Kleine Anfrage des Bundestagsabgeortneten
Andrej Hunko.
Überwachung mit Forschungsergebnissen der Uni Rostock
Konkret geht es um die Software "Textrapic". Diese wird von einem
"Institut für grafische Wissensorganisation (GRAWIS)" mit Adresse am
Dierkower Damm in Rostock vertrieben. Die Kooperation zwischen GRAWIS
und der Uni ist so eng (u.a. gemeinsame Pressearbeit mit
Universitätslogo
http://idw-online.de/de/news490713 ), dass laut Antwort
des Innenminsteriums die staatlichen Stellen davon ausgehen, direkt mit
der Uni zu kooperieren (
https://netzpolitik.org/wp-upload/2014-07-22_BMI_WeroQ.pdf ).
Universitärer Ideenwettbewerb ehrt Überwachungssoftware
Entgegen den offensichtlich fehlerhaften Angaben des Innenministeriums
handelt es sich bei GRAWIS nicht um ein Institut der Uni Rostock,
sondern um eine Ausgründung. Für das Start-Up sind Stefan Pforte,
ehemaliges Vorstands-Mitglied der Rostocker Piratenpartei und Annika
Walter verantwortlich. Zusammen mit Konrad Jacobi hatten die drei den
universitären Ideenwettbewerb 2011 gewonnen (
http://www.rostock-heute.de/ideenwettbewerb-2011-uni-rostock/27216 ) und
das Preisgeld von 15.000 Euro nach eigenen Angaben in das Marketing
ihres Unternehmens gesteckt (
http://www.gruender-mv.de/news/archiv/gruender_archiv/2011/1129.html?listurl=%2Fnews%2Farchiv%2Fgruender_archiv%2Findex.html%3FcurrPage%3D4
).
Verknüpfungen für die Geheimdienste
Eine Investition, die sich nun scheinbar auszahlt. Denn die Bundeswehr
und der Geheimdienst sind auf das eigentlich für die Auswertung großer
wissenschaftlicher Texte entwickelte Programm gestoßen. Laut den
Darstellungen auf der Grawis-eigenen Internetpräsenz analysiert
"Textrapic" große Textmengen und bereitet diese dann u.a. graphisch zu
übersichtlichen Mind-Maps auf. So kann auf den ersten Blick dargestellt
werden, um was sich ein Text dreht oder welche Wörter häufig in
Beziehung zueinander stehen. Darüber hinaus kann das Programm
offensichtlich auch Texte geographisch "verorten" und Inhalte und Orte
verknüpft darstellen.
Komplette Internetüberwachung dank Forchungen aus Rostock
Und das hat der deutsche Geheimdienst nun offensichtlich mit dem
Internet vor. "Laut der Süddeutschen Zeitung verweist der deutsche
Auslandsgeheimdienst im Gespräch mit Parlamentariern ausgerechnet
darauf, dass befreundete Nachrichtendienste aus dem Ausland methodisch
viel weiter seien als der BND, insbesondere der amerikanische Dienst NSA
und der britische Geheimdienst GCHQ. Wenn nicht bald strategisch digital
aufgerüstet werde, drohe der BND noch hinter den italienischen und den
spanischen Geheimdienst zurückzufallen (
http://www.sueddeutsche.de/digital/auslandsgeheimdienst-bnd-will-soziale-netzwerke-live-ausforschen-1.1979677
). "Diese freche Verdrehung der Lehren aus den Snowden-Enthüllungen
zeigt deutlich, dass Geheimddienste strukturell permanent die
Freiheitsrechte bedrohen" kommentiert dies Frank_a Schmidt, SprecherIn
der Rostocker Studierenden-Initiative "Kritische Uni".
Werden in Rostock "Snowden-Inhalte" gelebt?
Dabei hatten der Gießener Politikwissenschaftler Claus Leggewie und der
Bundestagsabgeordnete Christian Ströbele, beides Unterstützer des
Ehrendoktor-Ansinnens, im Anschluss an die Propaganda-Podiumsdiskussion
im Januar 2014, Herrn Wensierski stellvertretend für die Uni Rostock
noch mahnende Worte mit auf den Weg gegeben. "Wer Snowden ehrt, muss
auch Snowden-Inhalte leben", sagte Leggewie damals. Auch Ströbele war
damals der Ansicht, dass die Universität mit der Initiative für eine
Snowden-Ehrung hohe Ansprüche an sich selbst formuliere. "Eine kritische
Befragung von wissenschaftlichen Inhalten (...) muss an Universitäten
immer möglich und willkommen sein", sagte er damals.
http://www.presseportal.de/pm/59019/2645176/neues-deutschland-snowden-ehrung-leggewie-und-stroebele-mahnen-uni-rostock-zu-mehr-offenheit
"Eher wird das neu Fakultätsgebäude fertig!"
"Falls Herr Wensierski es mit der Auflehnung gegen die Massenüberwachung
jemals ernst gemeint haben sollte, dann hätte er jetzt eine gute
Gelegenheit dazu" sagte Frank_a Schmidt. Die aufgrund ihres Engagements
vom Inlandsgeheimdienst überwachte (
http://kritischeunihro.blogsport.de/2014/08/11/hro-inlandsgeheimdienst-beobachtet-kritische-studierenden-initiative/
)Initiative "Kritische Uni" habe ihn bereits im Januar auf verschiedene
Auswüchse von Zensur, Überwachung und Geheimdienstkooperationen an der
Uni Rostock vergeblich hingewiesen (
http://kritischeunihro.blogsport.de/2014/01/19/ehrendoktor-fuer-edward-snowden-zensur-und-ueberwachung-an-der-uni-rostock/
). "Bevor Herr Wensierksi die Courage hat, sich zu Zensur und
Überwachung an seiner eigenen Universität öffentlich zu äußeren, wird
wahrscheinlich eher das neue Fakultätsgebäude fertig".
Mehr Infos:
Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage des Abgeordneten
Andrej Hunke:
http://www.andrej-hunko.de/7-beitrag/2152-wie-der-bundesnachrichtendienst-und-die-bundeswehr-das-internet-ausspaehen-wollen
Nur das pdf:
https://netzpolitik.org/wp-upload/2014-07-22_BMI_WeroQ.pdf
HRO: Inlandsgeheimdienst überwacht Studierenden-Initiative:
http://kritischeunihro.blogsport.de/2014/08/11/hro-inlandsgeheimdienst-beobachtet-kritische-studierenden-initiative/
Überwachung und Zensur an der Uni Rostock:
http://kritischeunihro.blogsport.de/2014/01/19/ehrendoktor-fuer-edward-snowden-zensur-und-ueberwachung-an-der-uni-rostock/
Der Geschäftsführer des GRAWIS, Stefan Pforte, erklärt die
Überwachungs-Software Textrapic:
https://idw-online.de/pages/de/news455291
http://www.das-ist-rostock.de/artikel/48225_2012-09-14_die-ideen-sind-da-man-muss-sie-nur-finden/
Stefan Pforte in der Piraten-Partei:
Schatzmeister im Vorstand bis 2013:
http://wiki.piratenpartei.de/MV:Kreisverband_Rostock
Aktuell im Landes-Schiedsgericht:
http://piratenpartei-mv.de/schiedsgericht/
Gemeinsame Pressearbeit von Uni Rostock und GRAWIS mit Uni-Logo:
http://idw-online.de/de/news490713
https://idw-online.de/pages/de/news455291
Kontakt: Frank_a Schmidt
01575-2855482
kritis...@riseup.net
http://www.kritischeunihro.blogsport.de