Klaus Meinhard schrieb:
> Am 11.02.2024 um 00:18 schrieb Ulrich D i e z:
>
>>>> Der, der
>>>> Haarspalterei betreibt, weiß ja ganz genau, was gemeint ist.
>
>> Die Gläser, die vor dem Austausch mit dem Brillengestell verbunden
>> sind, sind vorher Gläser, die mit dem Brillengestell verbunden sind.
>> Nach dem Austausch sind sie keine Gläser mehr, die mit dem
>> Brillengestell verbunden sind, sondern etwas anderes - nämlich
>> Gläser, die nicht mit dem Brillengestell verbunden sind.
>>
>> Also verändern sie sich. Sonst könnten sie nach dem Austausch
>> nicht etwas anderes sein als vor dem Austausch.
>
> Das ist schon grammatisch falsch. Die Gläser haben sich nicht verändert
> (wie auch?), bestenfalls wurden sie verändert.
Auch mit dieser Sichtweise kann ich mich anfreunden.
Wenn man das Merkmal, mit einem Brillengestell verbunden zu sein,
oder nicht mit einem Brillengestell verbunden zu sein, auch als
Eigenschaften der betreffenden Gläser betrachtet, dann kann man
sagen, die Gesamtheit der Eigenschaften der Gläser ist nach dem
Gläserausbau im Vergleich zu vor dem Gläserausbau verändert.
Bzw., kürzer, die Gläser sind verändert.
Inwieweit man davon ausgeht, dass die Gläser *sich* wegen der
Einwirkung *ändern*, die der Austausch darstellt, oder durch
die Einwirkung *geändert werden*, ist auch eine
philosophische Frage.
> Wenn Du geschlagen wirst,
> sagst Du auch nicht "ich habe mich geschlagen" , sondern "ich wurde
> geschlagen".
Huch! Den Schlag mag ein anderer verabreicht haben.
Es stellt sich die Frage, wie man in diesem Zusammenhang
Implikationen und Kausalitäten sprachlich darstellt, bzw.,
ob vielleicht
- dieser andere dadurch mich verändert.
- der Schlag mich verändert.
- ich mich wegen des Schlages verändere.
Worauf ich bezogen auf das Initialposting hinaus möchte:
Haarspalterei muss nicht immer auf bösem Willen beruhen.
Mitunter wird sie auch tatsächlich deshalb betrieben, weil man
verschiedene Perzeptionen/Apperzeptionen übereingebracht
sehen möchte anstatt welche davon komplett überfahren zu sehen.
Ob sie unbedingt beim Augenarztbesuch betrieben werden muss,
ist eine andere Frage.
Ich denke, dass es nicht immer schadet, wenn Arzt und
Patient einander kennenlernen und eine nicht allzu unzutreffende
Vorstellung davon entwickeln, wie sie welche Aspekte in ihrem
Bewusstsein zuordnen, bzw., was sie wie aufnehmen.
> Und selbst philosophisch betrachtet haben sich in Deinem Beispiel nicht
> die Gläser verändert, sondern deren Umgebung. Du bist immer noch Du,
> auch wenn Du von Wohn- ins Schlafzimmer gehst :-)
Bevor ich ins Schlafzimmer gehe, bin ich jemand, bei dem
besagter Gang ins Schlafzimmer zeitlich vor ihm liegt.
Nachdem ich ins Schlafzimmer ging, bin ich jemand, bei dem
besagter Gang ins Schlafzimmer zeitlich hinter ihm liegt.
Also kann man hinsichtlich dessen, was für einer ich jeweils bin,
eine Änderung feststellen, denn zum früheren Betrachtungszeitpunkt
bin ich einer, bei dem besagter Gang ins Schlafzimmer zeitlich vor
ihm liegt, und zum späteren Betrachtungszeitpunkt bin ich einer,
bei dem besagter Gang ins Schlafzimmer zeitlich hinter ihm liegt.
Panta rhei. Derzeit ist bei mir konstant, dass ich derzeit
ständig Änderungen durchlaufe.
Ab wann bin ich nicht mehr ich wenn ich mich ändere?
Ich begreife derzeit mein Ich bzw. das, was mein Selbst
ausmacht, auch als ein System, das ich nicht ganz durchschaue,
bei dem ich aber feststelle, dass da ein Vorgang bzw. ein
Prozess abläuft, den ich meinen Selbst-Prozess nenne.
Bei diesem System sind system- und prozessverändernde Eingriffe/
Einwirkungen denkbar. Auch in Form von Selbststeuerung.
Diese können sich zum Beispiel auf meine Befindlichkeit auswirken.
Auch denkbar ist, dass das System und der damit in Zusammengang
stehende Prozess sich in Reaktion auf Einwirkungen ändern oder
durch Einwirkungen geändert werden.
Was unter anderem die Frage aufwirft, was alles man unter
Einwirkung subsumiert.
Ich zähle auch das Nagen des Zahns der Zeit dazu. ;-)
Ich vermute, dass, wenn ich sterbe, mein Selbstprozess terminiert
oder vielleicht vom Diesseits in ein Jenseits "verlagert" wird.
Vielleicht terminiert er, und manche der übrigen Aspekte meines
Selbst werden in ein Jenseits "verlagert", "wo" eine Initiierung
eines neuen Selbstprozesses erfolgt. Bezüglich dessen man sich
fragen kann, wie der dann verläuft - z.B., ob zeitlich oder irgendwie
"außerzeitlich"...
Es gibt ja in vielen Weltanschauungen/Religionen Vorstellungen
davon, dass in einem Jenseits ein Selbstprozess läuft, der in
einem Bezug steht zu dem Selbstprozess, der im Diesseits zeitlich
verläuft.
Mit freundlichem Gruß
Ulrich