Salve allerseits,
Goetz Schultz schrieb:
> On 20/02/2024 19:52, Lars Gebauer wrote:
>> Am 20.02.2024 um 20:39 schrieb Goetz Schultz:
>>> On 20/02/2024 16:56, Lars Gebauer wrote:
>>>> Am 20.02.2024 um 17:03 schrieb Dietz Proepper:
>>>>
>>>>> Wenn es jetzt also heißt, Liefervorlaufzeiten von 48 Monaten dann
>>>>> könnte man doch einfach mal schauen, was bei den Waffenschmieden gerade
>>>>> aktuell auf dem Hofe steht
>>>>
>>>> Nichts. Oder besser: Nicht viel. Denn da geht es nicht um Tretroller
>>>> sondern um Rüstungsgüter. Sowas wird in D nicht mal eben "einfach so"
>>>> oder gar auf Vorrat gebaut. Denn das wäre mit ziemlicher Sicherheit
>>>> ein Verstoß gegegen das KrWaffKontrG und wahrscheinlich noch ein
>>>> halbes Dutzend weiterer Gesetze und Bestimmungen.
>>>
>>> Noe, da wird ganz schnöde geschaut: Können wir das verkaufen: Ja->
>>> bauen (auch auf Vorrat), Nein -> eben nicht.
>>
>> Aber nicht im Rüstungsbereich.
>
> Beleg? Ist für mich erst mal nicht nachvollziehbar.
>
+--- <hier abknabbern> ---
| Am Mittwochmorgen vergangener Woche steht Susanne Wiegand im großen
| Handelssaal der Frankfurter Börse. Triumphierend reckt die Managerin die
| Handglocke in die Luft. Hinter der Frau in dem dunkelblauen Kleid steht
| 17,50 Euro auf der Anzeigetafel. Es ist der Kurs, zu dem die Aktie des
| von ihr geführten Rüstungskonzerns Renk erstmals gehandelt wird. 17
| Prozent höher als der Ausgabepreis.
|
| Für Wiegand ist es eine Genugtuung. Lange hatte sie auf den Börsengang
| hingearbeitet. »Es war für uns ein Marathon, der nun ein glückliches
| Ende genommen hat«, sagt die Renk-Chefin. Vermutlich aber beginnt die
| Erfolgsgeschichte des Panzergetriebe-Fabrikanten gerade erst. Seit
| Donald Trump am vergangenen Wochenende angekündigt hat, dass die USA im
| Falle seiner Wiederwahl als Präsident säumige Nato-Partner nicht gegen
| einen russischen Angriff unterstützen würden, ist die Renk-Aktie auf
| über 25 Euro gestiegen.
|
| Auch die Papiere anderer europäischer Rüstungsfirmen erleben derzeit
| einen Höhenflug. So verstört die europäische Politik auf Trumps Ausfall
| reagiert – die Anleger an der Börse sehen darin ein Konjunkturprogramm
| für Europas Rüstungsindustrie. Denn wer, wenn nicht Renk, Rheinmetall
| und Co. soll Europa in die Lage versetzen, sich allein zu verteidigen?
|
| Seit dem Einmarsch Russlands in die Ukraine im Februar 2022 füllen sich
| die Auftragsbücher. Umsätze und Gewinne klettern, weil der Bund wieder
| deutlich mehr Geld für Rüstungsgüter ausgibt. Im Jahre 2022 sprang das
| Budget von 7,3 auf 8,7 Milliarden Euro, im vergangenen Jahr dann auf
| 16,2 Milliarden, wovon 8,4 Milliarden aus dem Sondervermögen stammen,
| das Bundeskanzler Scholz drei Tage nach Kriegsausbruch ausgelobt hatte.
|
| Doch die Industrie startet von niedrigem Niveau. Nach dem Mauerfall
| strich der Staat die Ausgaben für Kriegsmaterial zusammen. Von einer
| Massenproduktion ist die Branche deshalb weit entfernt. In den Fabriken
| geht es eher zu wie in einer Manufaktur. Zu wenig, um ein Land wie die
| Ukraine gegen einen übermächtigen Feind auszurüsten. Zu wenig erst
| recht, um zugleich Deutschland wieder kriegstüchtig zu machen.
|
| *Mangel an Stahl und Sprengmitteln*
|
| Es mangelt an Produktionsstätten und Fachkräften, selbst an Grundstoffen
| wie Stahl und Sprengmittel. Es mangelt aber auch an politischer Führung.
| Denn in einem sind sich fast alle einig: Es braucht eine europäische
| Konsolidierung. Mit kleinen Mittelständlern in jedem Mitgliedsland wird
| der Kontinent nicht wehrfähig.
|
| »Viele unserer Unternehmen haben teilweise auf eigenes Risiko
| Anstrengungen unternommen, um die Ausrüstung der Bundeswehr
| schnellstmöglich zu verbessern«, sagt der Hauptgeschäftsführer des
| Bundesverbands der Sicherheits- und Verteidigungsindustrie, Hans
| Christoph Atzpodien. Doch sein Stolz auf die Leistung der vergangenen
| zwei Jahre mischt sich mit der Sorge, dass es mit der Aufrüstung nicht
| weitergeht.
|
| Es sei bedauerlich, dass die Bundesregierung nicht dem Ruf nach einer
| Erhöhung des regulären Verteidigungsbudgets gefolgt sei, sagt Atzpodien.
| »Denn voraussichtlich spätestens 2027 wird das
| 100-Milliarden-Sondervermögen verbraucht sein.« Man benötige mehr
| Verlässlichkeit und vor allem konkrete Aufträge. Um die Fertigung
| hochzufahren, brauche es zeitlichen Vorlauf. »Je eher bestellt wird,
| umso schneller kann geliefert werden«, sagt der Rüstungslobbyist.
|
| *Modernisierungsrückstau von 1,6 Billionen Dollar*
|
| Ähnlich sehen das die Unternehmensberater von McKinsey. In einer neuen
| Studie zur europäischen Verteidigungsstrategie kommen sie zwar auf
| beeindruckende Zahlen. »Auf Basis angekündigter Militärausgaben werden
| sich die Verteidigungsbudgets in Europa zwischen 2022 und 2028 um 700
| bis 800 Milliarden Euro erhöhen«, heißt es da. Das sei ein deutlicher
| Anstieg gegenüber früheren Ausgabenniveaus, »aber es wird möglicherweise
| nicht reichen, um den Rückstau von Jahrzehnten mit niedrigeren
| Investitionen auszugleichen«.
|
| Die McKinsey-Analysen zeigen, dass die europäischen Nato-Staaten in den
| letzten drei Jahrzehnten 1,6 Billionen Dollar weniger ausgegeben haben
| als es dem 2014 vereinbarten Zweiprozentziel der Nato entsprochen hätte.
| Weite Teile der europäischen Rüstungssysteme seien veraltet. Bei den
| Landsystemen, also etwa Panzern und Haubitzen, wurden etwa 50 Prozent
| aller Systeme in Europa vor 1990 in Betrieb genommen, bei landgestützten
| Luftsystemen, der Flugabwehr etwa, seien es bis zu 80 Prozent.
|
| Schuld an der Misere ist laut McKinsey auch die zersplitterte
| Unternehmenslandschaft. Sie habe dazu geführt, dass zwei- bis dreimal so
| viele europäische Anbieter bei Flugzeugen, Panzern und Schiffen
| konkurrieren als in den Vereinigten Staaten. Europas führende
| Rüstungsfirmen erzielten nur etwa 30 Prozent des Umsatzes eines
| durchschnittlichen US-Konkurrenten und seien weniger profitabel.
|
| In der Größe liegt die Kraft. Doch die europäische Rüstungsbranche
| konsolidiert sich kaum. Das liegt in Deutschland auch an zwei großen
| Firmen, die sich seit je her in Feindschaft gegenüberstehen: Rheinmetall
| und Krauss-Maffei Wegmann. Beide verfolgen unterschiedliche Wege, um zu
| globalen Spielern zu werden.
|
| Wer dieser Tage zu Rheinmetall will, muss erst mal an zwei Männern mit
| Maschinengewehren vorbei. Seit einiger Zeit hat die Polizei in
| Düsseldorf einen festen Posten vor der Konzernzentrale aufgestellt. Über
| den Grund will Vorstandschef Armin Papperger nicht im Detail reden.
| Nicht jeder möge Rheinmetall, scherzt er, damit müsse er leben.
|
| Papperger hat einiges im Angebot, was sowohl die Ukraine als auch die
| Bundeswehr dringend braucht. In Deutschland dominiert Rheinmetall den
| Markt für Munition aller Art – von 155-Millimeter-Granaten für die
| Artillerie, Kaliber 120 für Kampfpanzer oder 35-Millimeter-Geschosse für
| die Gepard-Flugabwehrpanzer, die in der Ukraine unersetzlich beim Kampf
| gegen Drohnenschwärme sind.
|
| Der Rheinmetall-Boss gehört zu den Gewinnern der Krise. Der Aktienkurs
| stand vor dem russischen Einmarsch noch bei 90 Euro. Diese Woche, zum
| Spatenstich für ein neues Artillerie-Munitionswerk im niedersächsischen
| Unterlüß, ist er auf 360 Euro geklettert. Gut 20 Milliarden Euro an
| Aufträgen hat Papperger im vergangenen Jahr ergattert. Für 2024 strebt
| er 28 bis 36 Milliarden an.
|
| Mit dem neuen Werk in Unterlüß allein aber könnte Papperger sein Ziel
| nicht erreichen. Schon 2025 will er 700.000 Schuss Artilleriemunition
| herstellen, dazu hat er auch die Kapazitäten seiner anderen Werke in
| Europa hochgefahren. Zudem baut er eine eigene Sprengstoffproduktion
| aus. Geht alles glatt, wäre Rheinmetall zumindest bald komplett autark
| bei der Artilleriemunition, vom Zündhütchen bis zur Patronenhülse.
|
| *Wie ein Händler auf dem Basar*
|
| Papperger will einen internationalen Rüstungskonzern schaffen, aus
| eigener Kraft. Schon vor Jahren kaufte er Unternehmen etwa in Italien
| oder in Südafrika, auch um damit die restriktiven
| Rüstungsexportkontrollen der Bundesregierung zu umgehen. Wenn Papperger
| seinen Alltag beschreibt, klingt er ein wenig nach einem Händler auf dem
| Basar, der von seiner Kundschaft belagert wird. Fast jeden Tag bekomme
| er neue Anfragen für Munition – aus der Ukraine, von der Bundeswehr aber
| auch aus den USA oder Spanien.
|
| Folglich muss Rheinmetall mit der Entscheidung für die
| Werkserweiterungen in Deutschland und im Ausland nicht auf
| Abnahmegarantien der Bundeswehr warten. Ein Handschlag von
| Verteidigungsminister Pistorius, manchmal auch nur eine SMS, reiche ihm
| als Sicherheit, sagt Pappberger. Und die Munitionswerke sind nicht das
| einzige Großprojekt, das Rheinmetall angeht. In Ungarn, aber auch in der
| Ukraine will Pappberger bald Panzer herstellen, Rheinmetall hat sich
| deswegen an lokalen Rüstungsunternehmen beteiligt.
|
| Der Gegenspieler von Armin Papperger heißt Frank Haun. Die beiden
| verbindet allenfalls der Ehrgeiz, ihren Konzern zum Rüstungsriesen zu
| machen, der weltweit mithalten kann. Haun ist Chef des
| deutsch-französischen Joint-Ventures KNDS, eines Zusammenschlusses von
| Krauss-Maffei Wegmann aus München und dem französischen Staatskonzern
| Nexter bei Lyon.
|
| Der Zusammenschluss soll vom Panzer über Artillerie und Munition bis zur
| Haubitze praktisch alles im Angebot haben, um einen Landkrieg zu führen.
| »Nur ein europäisches Unternehmen kann die Herausforderung bewältigen,
| vor der dieser Kontinent gerade steht«, sagt Haun. Und nur so könne
| künftig sichergestellt werden, dass die Waffensysteme in den Armeen der
| europäischen Mitgliedstaaten einsetzbar und austauschbar seien.
|
| Doch seit dem Start des Joint-Ventures vor fast zehn Jahren läuft es
| zäh. Zu unterschiedlich sind die Firmenkulturen. Hier das deutsche
| Familienunternehmen, da der französische Staatskonzern. Erst allmählich
| kommt Fahrt in das Firmenkonstrukt, was auch daran liegt, dass die
| Umsätze auf deutscher wie französischer Seite steigen. KNDS investiert
| derzeit in neue Fabriken und fährt die Produktion von Munition hoch,
| unter anderem in Frankreich, Belgien und Spanien.
|
| Sein wohl größter Coup gelang Haun kurz vor Weihnachten. Da
| unterzeichnete er eine Absichtserklärung mit dem italienischen
| Rüstungskonzern Leonardo, einem weltweiten Schwergewicht. Die Italiener
| könnten mit 20 Prozent bei KNDS einsteigen. Das würde den deutschen und
| französischen Einfluss zurückdrängen, was Haun nur recht wäre. Er hofft,
| so die Blockade im Konsortium aufzulösen.
|
| Zudem will die Regierung in Rom mindestens 125 Leopard-Panzer der
| neuesten Generation bestellen und in Italien fertigen. Hauns
| Auftragsvolumen, derzeit rund 17 Milliarden Euro, soll dicker werden.
|
| In Deutschland geht für den Panzerbauer dagegen wenig. Gut 300
| Kampfpanzer besitzt Deutschland. Viel zu wenig, findet Haun. Fest
| bestellt sind lediglich weitere 18 Stück als Ersatz für die an die
| Ukraine gelieferten Leoparden. Litauen bestellt, Slowenien greift zu.
| Nur Verteidigungsminister Pistorius zaudert. Hauns Angebot an den
| deutschen Verteidigungsminister lautet: in diesem Jahr bestellen, in
| zwei Jahren geliefert bekommen. Produktion, Komponenten, Rohstoffe –
| alles sei zu beschaffen. Allerdings nur, wenn Berlin sich jetzt
| entscheide.
|
| *EIn entscheidender Aktiendeal*
|
| Vor einer Woche machte Haun einen weiteren Schritt in Richtung eines
| europäischen Rüstungsriesen. Und der hat mit dem Börsengang von Renk zu
| tun. Der KNDS-Boss hat für 100 Millionen Euro 6,7 Prozent der Anteile an
| dem Panzerbauer erworben. Als Ankeraktionär wolle er verhindern, dass
| fremde Mächte zugreifen, heißt es aus Unternehmenskreisen, und sich den
| Zugriff auf die wichtigen Panzergetriebe sichern.
|
| Renk-Chefin Wiegand hat wie Haun eine klare Vorstellung davon, wie sich
| die europäische Rüstungsindustrie verändern muss, um den Kontinent zur
| Not auch ohne amerikanische Unterstützung verteidigungsbereit zu machen.
| »Wir brauchen einheitliche Standards, Geld, Skalierung und
| industrialisierte Prozesse«, sagt Renk. Das Wichtigste sei, die
| Anforderungen für Panzer, Haubitzen oder Flugabwehrsysteme zu
| vereinheitlichen. Das gelte auch für Zulassungsverfahren und Exportregeln.
|
| Bei McKinsey heißt es: Fehlende Zusammenarbeit und getrennte Beschaffung
| führten zu Doppelarbeit bei Forschung und Entwicklung und begrenzten
| mögliche Größenvorteile. Mit dem Effekt, dass jede neue Haubitze und
| jeder neuer Lenkflugkörper zu viel kostet. Angesichts begrenzter
| Verteidigungsbudgets ist das ein Problem.
|
| Ist der Einstieg von KNDS bei Renk also nur der erste Schritt zu einer
| Komplettübernahme? Das weist Wiegand von sich. Renk habe großes
| Interesse, unabhängig zu bleiben. Schließlich beliefere man fast jeden
| Panzerhersteller der Welt.
+--- </hier abknabbern> ---
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