Salve allerseits,
Michael Bode schrieb:
>> Mike Grantz <inv...@invalid.invalid> wrote:
>>
>>> Die Ukraine meldet, den Kreuzer Moskau / Moskva mit zwei
>>> Neptun-Raketen kampfuntauglich gemacht zu haben. Brände und die
>>> vollständige Evakuierung sind berichtet worden. Immerhin bestätigt
>>> russland dies ungewöhnlich zeitnah. Zwar indirekt, aber
>>> immerhin.
https://ria.ru/20220414/kreyser-1783435471.html
>>
>> Eine gute Nachricht, ja. Angeblich hat die ukrainischer
>> Eigenentwicklung Neptun 280 km Reichweite. Die Harpoon Raketen der
>> NATO die geliefert werden sollen kommen nur auf 180 km, und sind nicht
>> gerade neueste Technik- in Dienst seit den 80ern.
>
> Unfug. Das waren keine ukrainischen Raketen. Das waren ukrainische
> Dildos, die das russische Kriegsschiff gefickt haben.
>
+--- <hier abknabbern> ---
| Ihre Vibratoren bewahrt Nadine Beck im Wohnzimmer auf, nicht weit
| entfernt von dem kleinen Tisch am Fenster, an dem sie Gäste zum Kaffee
| empfängt. Es sind sechs Regale voll. "Aber das ist nicht alles", sagt
| Beck. "Ich habe noch ein paar in Kisten." Wir befinden uns in einem
| Mehrfamilienhaus in Ottensen, Altbau, ruhige Lage, hier leben Menschen,
| die ihre Fahrradanhänger im geräumigen Hausflur parken und sich Gemüse
| per Biokiste liefern lassen. In der dritten Etage wohnt die Historikerin
| Nadine Beck, Jahrgang 1976, die nun ihre Sammlung präsentiert: Rechts
| recken sich phallische Massagestäbe und fleischfarbene Dildos, links
| lagern historische Apparaturen, die teils mit Handkurbeln betrieben
| werden, Geräte mit Namen wie Vibrostat, Vibrofix und Vibro-Dux Super.
| Hinter dem Sanax, der so groß ist wie ein Föhn und vermutlich auch so
| laut, hat Beck in einem Bilderrahmen eine historische Zeitungsannonce
| platziert. "Deutsches Reichspatent", steht da, "ein außerordentlich
| brauchbarer Handvibrator für den Dauerbetrieb".
|
| Gerade hat Nadine Beck ihre Doktorarbeit verteidigt. 388 Seiten, 571
| Fußnoten, Titel: Der vibrierende Dildo. Wie jede gute wissenschaftliche
| Arbeit beginnt auch diese mit einigen Begriffsdefinitionen. "Ein Dildo",
| schreibt Nadine Beck, "ist ein penisförmiges Gebilde aus einem
| beliebigen Material (Holz, Horn, Stein, Porzellan oder ähnlichem
| Stoff)." Die ältesten bekannten Dildos stammen aus der Steinzeit. Was
| die Menschen damals mit den "penisförmigen Gebilden" angestellt haben,
| darüber können Archäologinnen und Archäologen nur spekulieren.
| Möglicherweise wurden sie als religiöse Objekte verehrt. Ab Mitte des
| 19. Jahrhunderts treten jedoch Zeichnungen und einige Jahrzehnte später
| auch Fotografien auf, die auf unmissverständliche Weise belegen, dass
| die Dildos nun auch sexuell genutzt wurden.
|
| Ein Vibrator sei hingegen ein gänzlich anderer Gegenstand, erklärt Beck,
| nämlich ein Massagegerät. Der mutmaßlich erste Vibrator wurde 1869 in
| den USA entwickelt, Beck beschreibt ihn als "dampfbetriebenen Rüttel-
| und Knetapparat", für den ein Massagetisch in einer Arztpraxis mit einem
| Dampfmotor im Nebenraum verbunden wurde. Die Entdeckung der Elektrizität
| machte vieles einfacher: Ab dem Jahr 1918 erscheinen in Zeitungen
| Annoncen für handliche, strombetriebene Vibratoren. Demnach ist der
| Vibrator eines der ersten Elektrogeräte für den Hausgebrauch, jünger als
| der Toaster, jedoch älter als der Staubsauger.
|
| "Diese Vibratoren waren medizinische und kosmetische Geräte", sagt
| Nadine Beck. "Zumindest wurden sie so beworben." Sie hat Werbeanzeigen
| aus den Zwanziger- und Dreißigerjahren gesammelt, in denen sich Menschen
| Vibratoren wie den Sanax an den Rücken oder ins Gesicht halten. Die
| Massage sollte Muskelverspannungen lösen oder das Doppelkinn zum
| Verschwinden bringen. "Sexualwissenschaftliche Umfragen zeigen, dass
| Vibratoren durchaus auch in den 'niederen Regionen‹ eingesetzt wurden",
| sagt Beck. "Generell herrschte auf dem Gebiet eine gewisse Kreativität."
| Diese Anwendung ist aber nur anekdotisch belegt, das Statistische
| Bundesamt etwa hat nie erfasst, wie viele Menschen die
| Doppelkinnvibratoren zweckentfremdeten, womöglich handelte es sich bei
| der sexuellen Nutzbarkeit um eine Art Geheimwissen.
|
| Dann, so schildert es Beck, tauchte im Frühjahr 1969 etwas Neues auf. Im
| Versandkatalog von Beate Uhse wurde ein vibrierender Dildo angeboten,
| den auch die Medien der antiautoritären Bewegung bewarben, etwa konkret
| oder die St. Pauli Nachrichten. Wie er benutzt werden sollte, war kaum
| misszuverstehen. Es konnte aber dennoch nicht ohne Risiko ausgesprochen
| werden, denn in der Bundesrepublik drohte Paragraf 184 des
| Strafgesetzbuchs allen mit einer Geld- oder Freiheitsstrafe, die
| "unzüchtige Schriften" verbreiteten oder "Gegenstände, die zu
| unzüchtigem Gebrauche bestimmt sind", anpriesen. "Es war eine Zeit, in
| der Pornografie verboten war und Masturbation tabuisiert", sagt Beck.
| "Aber es war auch eine Zeit im Umbruch. Was ist unsittlich, was illegal,
| wie sieht das die Gesellschaft, wie die Staatsanwaltschaft – das wurde
| fast monatlich neu ausgehandelt."
|
| Nadine Beck bezeichnet den vibrierenden Dildo deshalb als einen
| "Diskursträger", einen Gegenstand, der die damaligen Debatten und
| Konflikte sichtbar macht. Er ebnete zudem den heutigen Vibratoren den
| Weg, die längst nicht mehr nur "penisförmig" sind, sondern oft klein und
| diskret oder bunt und verspielt. Wie sehr sich in den vergangenen 50
| Jahren die Sexspielzeuge verändert haben – und mit ihnen die
| Gesellschaft –, das zeigte sich eindrucksvoll an Weihnachten.
|
| *Vibratoren werden heute von Popstars beworben und im "Tatort" gezeigt*
|
| Am Abend des 26. Dezember 2021, als viele in ihren Wohnzimmern saßen und
| sich über die Langeweile der Feiertage nicht besser zu helfen wussten,
| als zur Fernbedienung zu greifen, strahlte die ARD eine neue Folge des
| Tatorts aus. Die Kommissarin Charlotte Lindholm, gespielt von Maria
| Furtwängler, macht darin Urlaub im Hotel Atlantic. Im Foyer des Hotels
| am Alsterufer findet zeitgleich ein Treffen von Menschen statt, die sich
| als Udo Lindenberg verkleiden, der echte Udo läuft ebenfalls durchs
| Bild, außerdem wird ein Mord begangen, es ist alles sehr unübersichtlich.
|
| *Sextoys stehen heute für feministisches Empowerment*
|
| Als zwei Polizisten die Ermittlungen aufnehmen, verdächtigen sie
| zunächst Lindholm und durchsuchen ihr Reisegepäck. Sie entdecken darin
| aber keine Tatwaffe, bloß einen Schlüsselbund, eine Zahnbürste und dann
| – zwei, drei Sekunden lang im Bild – ein kleines, pinkes Gerät mit
| weißem Saugkopf. Einen Vibrator. Und keinen von der Sorte, mit der man
| ein Doppelkinn behandelt. Es handelte sich um dasselbe Modell, das auch
| von Budni verkauft und von der Popsängerin Lily Allen beworben wird.
| Jetzt erlebte es seine ultimative Enttabuisierung: in der ARD, zur
| besten Sendezeit, an Weihnachten.
|
| Als sie vor zehn Jahren mit ihrer Forschung anfing, sei nicht absehbar
| gewesen, dass Sextoys diesen Siegeszug antreten würden, sagt Nadine
| Beck. Damals arbeitete sie bereits als Historikerin, nicht an einer Uni
| oder im Museum, sondern auf dem freien Markt. Unweit des Bahnhofs Altona
| leitet Beck die Hamburger Niederlassung einer Agentur, die sich auf die
| Recherche von Unternehmensgeschichte spezialisiert hat. "Meistens rufe
| ich die Firmen an, lasse mich zur Abteilung für
| Unternehmenskommunikation oder Marketing durchstellen und sage: 'Sie
| haben in drei bis vier Jahren ein Jubiläum. Wollen wir da nicht was
| machen?'"
|
| Im besten Fall bekommt Beck dann den Auftrag, eine Festschrift zu
| schreiben oder eine Ausstellung zu gestalten. Dann reist sie zu den
| Firmensitzen, wühlt sich durch Archive, die oft irgendwo in alten
| Kartons lagern, oder befragt Zeitzeugen. Die Projekte gehen quer durch
| alle Branchen: 150 Jahre Aurubis. 400 Jahre Pflegen & Wohnen. Und – das
| war ihre Idee – 69 Jahre Beate Uhse.
|
| Die in Flensburg ansässige Beate Uhse AG betrieb die ersten Sexshops der
| Welt, außerdem einen Versandhandel und einen Pornosender im Pay-TV. 1999
| war das Unternehmen an die Börse gegangen, doch bald befand sich die
| Aktie im freien Fall. Das Wertpapier war für 19,50 Euro ausgegeben
| worden – im Jahr 2011, als Nadine Beck dort anrief, war es keine 50 Cent
| mehr wert. Die Beate Uhse AG hatte nicht nur die Digitalisierung und die
| Internetpornografie verpasst, sondern auch den sich wandelnden
| Zeitgeist. Während Sextoys anderswo bereits als Produkte für einen
| gesunden Lifestyle und feministisches Empowerment vermarktet wurden,
| gelang es den Flensburgern nicht, ihr Schmuddelimage loszuwerden.
|
| Das vielleicht traurigste Beispiel dafür war das Privatmuseum der 2001
| verstorbenen Unternehmensgründerin. Beate Uhse, die sich in ihrer
| Autobiografie Mit Lust und Liebe als "mutige Tabubrecherin" vorstellt,
| sammelte erotische Kunst aus allen Epochen und Weltregionen –
| französische Malerei, japanische Farbholzschnitte –, um zu beweisen,
| dass sexuelle Darstellungen nicht anrüchig seien. Ihre Firma aber zeigte
| die Sammlung in schlecht beleuchteten Räumen, die man nur durch einen
| Sexshop betreten konnte. "Die Begleiterscheinung war, dass Ihnen als
| Frau dort ständig Männer hinterherschlichen", sagt Beck. "Die
| Videokabinen im Laden lockten ein Publikum an, das nicht unbedingt
| museal interessiert war."
|
| Beck sollte ein Konzept für eine Neugestaltung des Museums schreiben,
| erzählt sie. Am Ende half sie, die Kunstwerke in Kisten zu verpacken.
| Nach der zweiten Insolvenz der Beate Uhse AG landete die Sammlung 2020
| im Auktionshaus und ist heute unwiederbringlich verloren. Aber immerhin:
| Der Nachlass von Beate Uhse hat sich erhalten. Er lagert in einem Keller
| im Grindelviertel.
|
| *Beate Uhses Sexshop entstand aus der Not – viele wussten nichts über*
| *Verhütung*
|
| "Schauen Sie mal", sagt Kirsten Schaper, "das ist die Schrift X." Die
| Archivarin der Forschungsstelle für Zeitgeschichte in Hamburg (FZH)
| sitzt in ihrem Büro nahe dem Uni-Campus und schiebt eine Mappe über den
| Schreibtisch. Darin liegen mehrere lose, leicht vergilbte Blätter mit
| Schreibmaschinenschrift, jedes einzelne ist sorgsam in Schutzpapier
| eingeschlagen. Die Schrift X war die erste Veröffentlichung von Beate
| Uhse, verfasst kurz nach dem Zweiten Weltkrieg. Uhse war damals Mitte
| 20, vor den Russen aus Ostpreußen geflohen und wie viele andere
| Flüchtlinge in Schleswig-Holstein gelandet, in Braderup, einem Ort kurz
| vor der deutsch-dänischen Grenze.
|
| "*Oh mein Gott, ich kann ja einen Orgasmus haben*!"
|
| Beate Uhse schreibt über diese Zeit und über ihre Freundinnen in ihrer
| Autobiografie: "'Beate', sagte erst Lisa, dann Bettina, dann Hertha,
| 'eine Katastrophe ist geschehen.' Allen dreien war das Gleiche
| zugestoßen: Der Mann war aus dem Krieg nach Hause gekommen.
| Riesenfreude. Und drei Monate später kündigte sich das Baby an. Keine
| Wohnung, keine Arbeit, keine Perspektive. Unter solchen Umständen
| empfanden tatsächlich viele Paare ein Kind als Katastrophe. Sie wussten
| nicht weiter. Sie wollten zum Engelmacher. Und sie wollten wissen, wie
| sie sich in Zukunft besser schützen könnten. Kondome gab es damals nicht."
|
| Vor dem Krieg war Beate Uhse in einem liberalen Elternhaus aufgewachsen,
| als Tochter einer Ärztin. Die Mutter hatte ihr Knaus-Ogino erklärt, eine
| Verhütungsmethode, bei der es darum geht, fruchtbare und unfruchtbare
| Tage zu unterscheiden. Die Methode gilt heute als unsicher, damals war
| sie besser als nichts. Uhse recherchierte in Fachliteratur, die in der
| Bibliothek von Niebüll den Krieg überstanden hatte, und verfasste eine
| leicht verständliche Erklärung, die sie drucken ließ und für 20 Pfennig
| pro Exemplar verkaufte. Es war der Anfang ihres Unternehmens.
|
| Ein Exemplar hat sich in der FZH erhalten. Und nicht nur das. Im Keller
| steht der Raum 1/029 heute so voll mit Regalen, dass man kaum die Tür
| öffnen kann. 36 laufende Meter, pro Meter etwa 13 Stehordner, macht Pi
| mal Daumen mehr als 450 Ordner. Abgeheftet sind etwa juristische Akten,
| denn Beate Uhse hatte immer wieder mit der Staatsanwaltschaft zu tun, es
| gibt aber auch Fotoalben, Mappen mit Presseberichten und Fanpost. "Das
| ist eine ganz tolle Sammlung", schwärmt die Historikerin Nadine Beck.
|
| Als klar wurde, dass die Beate Uhse AG zum 69. Firmenjubiläum keine
| aufwendig recherchierte Unternehmensgeschichte in Auftrag geben würde,
| war Nadine Beck der Faszination dieses Forschungsgegenstands längst
| erlegen – und beschloss, daraus eine Doktorarbeit zu machen. Sie widmete
| sich dem vibrierenden Dildo, jener Erfindung, die von Beate Uhse auf den
| deutschen Markt gebracht wurde.
|
| Beck interessiert sich weniger für die Frage, wie ein bis heute
| unbekannter Tüftler auf die Idee gekommen war, den Dildo mit dem
| Vibrator zu vereinen. Was sie reizte, waren die gesellschaftlichen
| Folgen dieser Erfindung: Wie es ein Gerät, das einst als "unzüchtig"
| galt, binnen eines halben Jahrhunderts bis in die Mitte der Gesellschaft
| schaffte, in die Drogeriemärkte und – nach Abgabe ihrer Doktorarbeit –
| sogar in den Tatort. Für Nadine Beck ist es eine Erfolgsgeschichte, auch
| im Sinne der Gleichberechtigung. Sie sagt: "Überall in Deutschland haben
| Frauen festgestellt: 'Oh mein Gott, ich kann ja einen Orgasmus haben!'"
|
| Ihre Doktorarbeit ist abgeschlossen, doch die Vibratoren werden Nadine
| Beck noch länger beschäftigen. Gerade schreibt sie ein Aufklärungsbuch
| für einen Hamburger Jugendbuchverlag, zusammen mit der Betreiberin eines
| feministischen Sexshops. Außerdem hat Beck ein Sachbuch zu ihrer
| Forschung veröffentlicht, Plug + Play.
+--- </hier abknabbern> ---
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https://www.zeit.de/2022/18/sexspielzeug-dildo-nadine-beck-geschichte/komplettansicht>
M.f.G.
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wird praktisch nie gelesen. Das MausNet ist nicht tot – es riecht nur
etwas komisch... ;-)