Salve allerseits,
Walter Brill schrieb:
> Am 17.02.24 um 13:45 schrieb Dr. Joachim Neudert:
>> Peter Veith <
ve...@snafu.de> wrote:
>>
>>> Deutschland und Frankreich, könnten dagegen Schritte unternehmen,
>>> um ihre Investitionen in die kollektive Verteidigung zu verringern, als
>>> Reaktion auf Meinungsverschiedenheiten über die Nachkriegsstrategie."
>>
>> In der Realität schaut es im Gegenteil so aus, daß Deutschland zur
>> Atommacht werden muss. Das wird wenige im Osten wie im Westen erfreuen,
>> aber es ist wohl notwendig wenn wir den US Atomschirm verlieren.
>
> Das wurde heute Vormittag im DLF auch live diskutiert:
> *Müssen Europa und Deutschland kriegstüchtig werden*
>
+--- <hier abknabbern> ---
| *SPIEGEL*: Herr Maitra, Donald Trump hat vergangene Woche erklärt, dass
| er nicht bereit sei, europäische Nato-Partner gegen Russland zu
| verteidigen, solange die nicht ihre »Rechnungen« bezahlen. Können wir
| davon ausgehen, dass die Nato tot ist, sollte Trump wiedergewählt werden?
|
| *Maitra*: Das ist eher unwahrscheinlich. Kein Präsident kann allein den
| Nato-Vertrag ändern. Trump sagt viel und seine Worte mögen vor allem an
| seine Bewunderer gerichtet gewesen sein. Aber sein Instinkt ist richtig,
| dass insbesondere die westeuropäischen Länder mehr für die Nato leisten
| müssen und dass sich die Nato selbst auf ihre Hauptaufgabe konzentrieren
| sollte: die Verteidigung Europas. Der eigentliche Schock für die
| Europäer wird kommen, wenn sich die USA vollkommen auf Asien fokussieren
| – etwa dann, wenn es zu einem Krieg um Taiwan kommt. Wir alle sollten
| hoffen, dass es bis dahin einen vernünftigen Kompromiss für eine neue
| Sicherheitsarchitektur in Europa gibt.
|
| *SPIEGEL*: Was Trump macht, ist neu: Er knüpft die Bereitschaft der USA,
| einzelne Nato-Länder zu verteidigen, direkt an deren
| Verteidigungsausgaben.
|
| *Maitra*: Es ist richtig, dass das Beistandsversprechen der Nato nicht
| ausgehöhlt werden sollte. Aber dafür muss Europa seine
| Verteidigungsausgaben erhöhen. Viele Europäer widersprechen gar nicht,
| wenn Trump beklagt, dass die Vereinigten Staaten ausgenutzt werden. Sie
| sehen, dass die Amerikaner eine überproportional große Last tragen. Mein
| Vorschlag einer »ruhenden Nato« ist deshalb ein fairer Kompromiss.
|
| *SPIEGEL*: Inwiefern?
|
| *Maitra*: In meinem Konzept würden die USA die Rolle einer
| ausgleichenden Macht von außen spielen. Sie würden garantieren, dass
| Europa nicht von der See her angegriffen wird. Und sie würden weiterhin
| ihren Nuklearschirm über die europäischen Nato-Staaten spannen – aber
| nur über diese. Die Europäer müssten sich um Infanterie, Logistik und
| all diejenigen Dinge kümmern, für die sie ohnehin zuständig wären.
| Deutschland müsste einfach zurückgehen zum Zustand im Jahr 1988, als die
| Bundeswehr über zwölf aktive Divisionen mit knapp 500.000 Mann und 2000
| Leopard-2-Kampfpanzer verfügte. Die Briten müssten ihre Navy so
| ausbauen, dass sie wieder auf dem Stand vor dem Ende des Kalten Kriegs
| wäre.
|
| *SPIEGEL*: Ihr Plan wäre keine Neuverteilung der Lasten innerhalb der
| Nato, sondern die fast vollständige Abwälzung der Lasten auf Europa.
|
| *Maitra*: Ich kann nicht erkennen, was daran so kontrovers sein soll.
| Wie kann ein amerikanischer Präsident einen bettelarmen Wähler in Ohio
| oder West Virginia davon überzeugen, dass es im vitalen Interesse der
| USA ist, Belgien zu verteidigen – einen Staat, der vergleichsweise hohe
| Sozial- und mit die niedrigsten Verteidigungsausgaben innerhalb der Nato
| hat? Warum sollte er es überhaupt versuchen? Ich kann die Hysterie nicht
| verstehen. Haben die Europäer wirklich geglaubt, dass die alte
| Sicherheitsarchitektur der Nato auf ewig Bestand haben wird? Trotz der
| Warnung des damaligen US-Verteidigungsministers Robert Gates, der schon
| im Jahr 2011 gesagt hat, es sei inakzeptabel, dass einige Nato-Länder
| alle Vorzüge der Allianz genießen, ohne die Kosten zu tragen? Selbst
| Barack Obama hat gesagt, der Tag werde kommen, an dem sich die Nato
| ändern muss. Dieser Tag ist jetzt da. Meine Befürchtung ist: Wenn sich
| mein Vorschlag einer ruhenden Nato nicht durchsetzt, werden viel
| radikalere Kräfte zum Zug kommen.
|
| *SPIEGEL*: Trumps ehemaliger Sicherheitsberater John Bolton sagt, Trump
| werde sich in einer zweiten Amtszeit nicht mehr davon abhalten lassen,
| ganz aus der Nato auszutreten.
|
| *Maitra*: Natürlich sollten die Europäer besorgt sein. Niemand kann in
| Trumps Kopf hineinschauen. Aber gerade diejenigen, die einen
| Nato-Austritt der USA fürchten, sollten sich darum bemühen, Europas
| Verteidigungsfähigkeit zu stärken.
|
| *SPIEGEL*: Die USA haben derzeit rund 100.000 Soldaten in Europa
| stationiert. Wie soll sich Europa ohne diese Truppen gegen ein
| revanchistisches Russland zur Wehr setzen?
|
| *Maitra*: Ich sage nicht, dass sich die USA völlig aus Europa
| zurückziehen sollten. Die Luftwaffenstützpunkte würden bleiben, auch die
| Kooperation der Geheimdienste. Aber es wäre lächerlich anzunehmen, dass
| die Europäer nicht in der Lage wären, das Baltikum, das Wladimir Putin
| zweifellos als seine Einflusszone betrachtet, allein zu verteidigen. Die
| Europäische Union hat zusammen fast 500 Millionen Einwohner und eine
| Wirtschaftsleistung von rund 18 Billionen Dollar. Russland hat 143
| Millionen Einwohner und ein Bruttoinlandsprodukt von rund 1,8 Billionen
| Dollar. Selbst wenn Putin versuchen würde, einen baltischen Staat zu
| destabilisieren, haben die Europäer alle Möglichkeiten, dies zu stoppen:
| mit Polizeimaßnahmen, mit Truppenverlegungen, mit Spionageabwehr. Alles
| Dinge, für die es die Vereinigten Staaten nicht braucht.
|
| *SPIEGEL*: Selbst wenn man anerkennt, dass die USA entlastet werden
| müssen – viele Europäer empfinden die Worte Trumps nicht als harte
| Debatte unter Freunden, sondern als versuchte Schutzgelderpressung.
|
| *Maitra*: Es gibt einen einfachen Weg, nicht wie ein Protektorat
| behandelt zu werden: sich nicht so zu verhalten, als sei man ein
| Protektorat. Die Nato ist kein Sozialverein. Sie ist auch keine
| Universität, wo es eine spezielle Förderung für Studenten aus
| benachteiligten Gruppen gibt. Die Nato wird definiert von engen
| nationalen Interessen. Das gilt für die USA, aber auch für die
| europäischen Nato-Länder. Die Europäer tun so, als würden sie die
| gleichen Interessen verfolgen. Das stimmt nicht. Deutschland hat andere
| Interessen als Polen, Griechenland andere Interessen als die Türkei. Der
| einfachste Weg, diese Inkohärenz zu überwinden, ist, sich auf das
| kleinste gemeinsame Sicherheitsinteresse zu einigen. Dazu gehört auch,
| dass wir aufhören, den Klub ständig zu erweitern. Eine ständig wachsende
| Allianz hat kein stabiles Interesse.
|
| *SPIEGEL*: War die Nato-Osterweiterung aus ihrer Sicht ein Fehler?
|
| *Maitra*: Es war richtig, Länder wie Polen, Ungarn oder Tschechien in
| die Nato aufzunehmen. Aber dann lief die Erweiterung wie auf Autopilot,
| weil Russland so schwach war. Mit jeder Erweiterungsrunde wurden die
| Russen ärgerlicher. Es gab ernst zu nehmende Stimmen in den USA, die
| gewarnt haben. George Kennan etwa, der ehemalige US-Botschafter in der
| Sowjetunion. Er sagte, die Osterweiterung würde antiwestliche und
| nationalistische Stimmungen schüren. Verstehen Sie mich richtig: Ich
| rechtfertige nicht, was Russland getan hat und tut, insbesondere in der
| Ukraine. Aber ich bin Realist und sehe die Welt durch die Brille von
| Interessen. Und es kann kein Zweifel daran bestehen, dass Putin durch
| das Heranrücken des Bündnisses russische Interessen bedroht sah.
|
| *SPIEGEL*: Wenn die Europäer nicht länger ein Protektorat der USA sein
| wollen: Müssen sie dann nicht eine nukleare Abschreckung aufbauen, die
| unabhängig von den USA funktioniert?
|
| *Maitra*: Natürlich können die Europäer über einen gemeinsamen
| Nuklearschirm nachdenken. Die Frage ist, wie realistisch das ist.
| Frankreich und Großbritannien haben eigene Atomwaffen. Aber können sie
| abgestimmt aufeinander eingesetzt werden? Nein. Liefern sie den gleichen
| Schutz wie die US-Atomwaffen? Nein. Gibt es die Chance, dass Europa
| einen Nuklearschirm aufbaut und sich darauf einigt, wie er eingesetzt
| werden kann? Ganz sicher nicht. Mein Rat wäre also: Kümmert euch um
| Dinge, die lösbar sind: den Aufbau einer effektiven Rüstungsindustrie
| oder die Abstimmung der verschiedenen Waffensysteme. Ein Beispiel: Die
| USA haben ein zentrales Kampfpanzermodell, die Europäer Dutzende. Es
| geht nicht nur darum, dass europäische Nato-Länder mehr Geld für Rüstung
| ausgeben. Es muss auch sinnvoll ausgegeben werden.
|
| *SPIEGEL*: Sollte Trump wiedergewählt werden: Wie sollen die Demokratien
| der Welt einem Mann vertrauen, der nicht einmal bereit war, seine eigene
| Wahlniederlage gegen Joe Biden zu akzeptieren?
|
| *Maitra*: Ich hoffe, sie tun es nicht! Sie sollten sich nicht auf Worte
| verlassen, sondern ihren Interessen folgen. Damit wäre allen am besten
| gedient.
|
| *SPIEGEL*: Sie und andere versuchen, eine zweite Präsidentschaft Trumps
| inhaltlich vorzubereiten. Aber viele, die mit ihm gearbeitet haben,
| sagen, Trump kenne nur ein Programm: sich selbst.
|
| *Maitra*: Ich glaube, dass das falsch ist. Trump hat gute Instinkte. Er
| möchte eine gut geschützte Grenze. Er will nicht von Staaten ausgenutzt
| werden, die er als Trittbrettfahrer betrachtet. Er hat eine sehr
| merkantilistische Sicht auf die Welt. In den Achtzigerjahren hat er sehr
| kritisch auf Japan geblickt, weil es damals hinter den USA die
| zweitgrößte Wirtschaftsnation war. Was die Außenpolitik betrifft: Trump
| würde niemals in die Welt ziehen, um Bösewichte zu bekämpfen. Aber
| manchmal ist es notwendig, einen Krieg zu führen, um die Interessen der
| USA zu schützen. Die Vereinigten Staaten würden es niemals zulassen,
| dass sich in Europa ein Hegemon bildet, der den ganzen Kontinent
| beherrscht.
|
| *SPIEGEL*: Warum ist es Trump in seiner ersten Amtszeit so
| schwergefallen, sein Programm umzusetzen?
|
| *Maitra*: Der Grund war, dass einige Leute mit der Überzeugung in die
| Regierung eingezogen sind, dass sie Trump stoppen müssen. Sie verstanden
| sich als eine Art Opposition in der Regierung, und da war der Konflikt
| vorprogrammiert. Es kann auf Dauer nicht gut gehen, wenn an
| entscheidenden Stellen der Regierung Leute sitzen, die die Überzeugungen
| des Präsidenten nicht teilen.
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https://www.spiegel.de/ausland/donald-trumps-plaene-fuer-eine-zweite-amtszeit-der-rechte-stratege-sumantra-maitra-ueber-die-usa-und-europa-a-5e748b6b-0b7c-4823-bee0-bef213a369bc>
M.f.G.