Am 28.11.22 um 09:19 schrieb Ruediger Lahl:
Weilheim (Kreisstadt südlich von Landkreis Starnberg, wir kaufn dort
regelmäßig ein) und Holzkirchen waren es, wo die Bürger nun GEGEN
Umgehungsstrassen gestimmt haben:
https://www.sueddeutsche.de/bayern/bayern-holzkirchen-buergerentscheid-umfahrung-1.5700356
Ob das wirklich nur der Umweltschutzgedanke war, glaube ich nicht. Man
sieht schon auch was passiert mit Ortschaften die umgangen werden.
Verfall, Leerstand. Nix "Begegnung".
Nahe bei Weilheim z.B. Pähl. Da stammt der Fußballer Thomas Müller her.
Der ist nun aber auch schon weggezogen...
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Umweltschutz kommt vor Beton
22. November 2022, 6:54 UhrLesezeit: 3 min
Nach den Weilheimern haben sich nun auch die Holzkirchner gegen eine
weitere Ortsumfahrung ausgesprochen. Immer öfter fragen Bürgermeister
und Gemeinderäte vor größeren Projekten lieber gleich die Leute.
Von Florian Fuchs, Matthias Köpf und Christian Sebald,
Holzkirchen/Marktoberdorf
Dass die Holzkirchner zuletzt über eine weitere Umfahrung für ihre
Marktgemeinde abgestimmt hatten, ist schon 19 Jahre her. Fast drei
Viertel derjenigen, die 2003 mitstimmten, hatten sich damals für eine
Südumfahrung ausgesprochen. Gebaut wurde die neue Straße in der
Zwischenzeit jedoch nicht, und aus heutiger Sicht ist das offenbar gut
so. Denn am Sonntag waren die Holzkirchner nach einem von den
Gemeinderäten beschlossenen Ratsbegehren abermals aufgefordert, über
eine Südumgehung zu befinden. Mehr als die Hälfte der 13 000
Wahlberechtigten haben abgestimmt, ein hoher Wert für einen
Bürgerentscheid - zumal für einen, der nicht gleichzeitig mit einer Wahl
stattfand. Noch deutlicher aber war am Sonntagabend die Entscheidung:
59,42 Prozent wollen im Jahr 2022 von einer Holzkirchner Südumfahrung
über die grüne Wiese nichts mehr wissen, 70,15 Prozent lehnen die
anschließende Umfahrung um Großhartpenning und Kurzenberg ab.
Damit folgen die Holzkirchner dem Beispiel, das die Einwohner der
oberbayerischen Kreisstadt Weilheim vor vier Wochen gegeben haben:
Immerhin acht Varianten für eine Umfahrung waren dort zur Debatte
gestanden, doch eine klare Mehrheit von 54,6 Prozent hatte überhaupt
keine dieser vielen Varianten verwirklicht sehen wollen. In beiden
Fällen könnten die Bürger mit ihren Entscheidungen jahrzehntelange
Planungen beendet haben, denn beide Male hatten die zuständigen Bauämter
zuvor beteuert, das Ergebnis akzeptieren zu wollen. Sind also die Zeiten
vorbei, in denen Lokalpolitiker Umfahrungen als Allheilmittel für
sämtliche Verkehrsprobleme fordern konnten und die Behörden schnell mit
großzügigen Planungen zur Stelle waren?
Die beiden Bürgerentscheide in Holzkirchen und Weilheim liegen
jedenfalls im Trend. Das sagen sie sowohl beim Verein "Mehr Demokratie"
in Bayern, der die direkte Demokratie und damit Bürger- und
Volksbegehren stärken will, als auch beim Gemeindetag und in der
Umweltszene. Zwischen 2020 und 2022 habe es deutlich mehr
Bürgerentscheide für mehr Umweltschutz in der Verkehrspolitik der
bayerischen Kommunen gegeben als noch 20 Jahre zuvor, sagt Simon
Strohmenger von Mehr Demokratie. Außerdem gingen die jeweiligen
Entscheide deutlich öfter zugunsten des Umweltschutzes aus als früher.
Zwar seien aktuell noch vergleichsweise viele Verfahren offen. Aber von
den 16 abgeschlossenen seien zwölf für mehr Umweltschutz ausgegangen,
nur vier seien gescheitert. Vor 20 Jahren hätten sich die erfolgreichen
und die gescheiterten Entscheide in etwa die Waage gehalten.
"Gerade in der jüngeren Generation sind die Themen Umweltschutz,
Flächenfraß und Klimakrise voll angekommen", meint auch Wilfried Schober
vom Bayerischen Gemeindetag, "aber auch unter den älteren Leuten sagen
inzwischen viele, dass immer neue Umgehungsstraßen nichts gegen den
immer stärkeren Autoverkehr ausrichten können." Auch er selbst höre
immer öfter die Forderung, "dass man endlich das Übel an der Wurzel
packen und den Autoverkehr reduzieren muss" - sei es, indem man den
öffentlichen Nahverkehr stärkt oder mehr auf alternative Verkehrsmittel
wie E-Bikes setzt.
Viele Räte schrecken vor Projekten zurück
Zugleich machen sie im Gemeindetag die Erfahrung, dass sowohl manche
Bürgermeister als auch ganze Gemeinderäte davor zurückschrecken, sich
auf ein großes Infrastrukturprojekt festzulegen, und lieber erst einmal
die Bevölkerung dazu befragen. "So ein Planungsprozess ist ja etwas sehr
Aufwendiges, das betrifft das Personal ebenso wie die Kosten und den
Zeitaufwand", sagt Schober. "Da wollen Kommunalpolitiker immer öfter das
Risiko vermeiden, dass ihnen das alles hinterher per Bürgerentscheid
wieder zerschossen wird."
Genau das aber macht die Bürgerentscheide aus der Sicht des
Gemeindetagspräsidenten Uwe Brandl (CSU) zum Problem. "Denn es sind ja
die Anlieger an der Durchgangsstraße, die leiden und die Umgehung
wollen", sagt Brandl, der auch Bürgermeister im niederbayerischen
Abensberg ist. "Gemessen an der Gesamtbevölkerung einer Gemeinde sind
sie allerdings in der Minderheit und werden leicht überstimmt." Auch
Gemeindetagssprecher Schober sagt, "eigentlich sind es ja der
Bürgermeister und der Gemeinderat, die über solche Projekte entscheiden
und dabei die unterschiedlichen Interessen in der Bevölkerung abwägen
sollten".
Wie auch immer: Bei den Umweltverbänden ist die Freude jedenfalls groß
über den Ausgang der Abstimmungen in Holzkichen und in Weilheim. "Wir
sind offenkundig nicht mehr alleine mit unserer Forderung nach einer
neuen Verkehrspolitik", sagt der Vorsitzende des Bundes Naturschutz
(BN), Richard Mergner. "Immer mehr Menschen verlangen sie ebenfalls."
Dazu zählt Mergner ausdrücklich auch die Landwirte. "Wenn es gegen eine
unsinnige Straße geht, kommt es inzwischen immer häufiger vor, dass sich
auf unseren Veranstaltungen gleich nach mir eine Kreisbäuerin oder ein
Vertreter des Bauernverbands gegen den Flächenfraß ausspricht",
berichtet Mergner. Für ihn ist auch der immense Zuspruch zum
9-Euro-Ticket in diesem Sommer ein starker Beleg dafür, dass "die
Menschen eine Verkehrswende wollen".
Da und dort wollen die Menschen freilich auch immer noch gerne
Umfahrungen. Durch einen neuen, 600 Meter langen Tunnel bei
Bertoldshofen im Ostallgäu etwa zuckten am Wochenende bunte Lichter.
Tausende kamen zur Tunnelparty, um die Einweihung zu feiern. Dabei waren
viele Besucher noch gar nicht geboren, als die ersten Diskussionen über
Ortsumfahrungen für Bertoldshofen und Marktoberdorf losgingen - vor mehr
als 30 Jahren. Die letzten Klagen gegen die Trassenführung wies der
Bayerische Verwaltungsgerichtshof 2016 ab. Nun ist der Tunnel fertig und
soll noch vor Weihnachten für den Verkehr freigegeben werden. 100
Millionen Euro investiert der Bund in die Infrastruktur rund um
Marktoberdorf, allein 52 Millionen davon entfallen auf den Tunnel.
Kritik an einem der größten Verkehrsprojekte in Schwaben war schon
länger nicht mehr zu vernehmen.
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