Salve allerseits,
Michael Bode schrieb:
+--- <hier abknabbern> ---
| Im Verkehrssektor sind die Herausforderungen für den Klimaschutz
| besonders groß. Im Jahr 2019 hat der Verkehr 165 Mio Tonnen (t) CO2
| ausgestoßen. Damit liegen die Emissionen nahezu auf dem gleichen Niveau
| wie 1990 und machen rund ein Fünftel der energiebedingten
| Treibhausgasemissionen in Deutschland aus. 2020 sind die
| Treibhausgasemissionen auf 145 Mio t CO2 gesunken, denn durch die
| Corona-Pandemie ist der Verkehr zurückgegangen. Ein Teil dieser Effekte,
| u.a. durch mehr Homeoffice und weniger Dienstreisen, ist auch 2022 noch
| zu beobachten. Allerdings bedeutet dies noch keine generelle Trendwende:
| 2022 sind die Emissionen im Verkehr wieder leicht gestiegen, auf nun 148
| Mio t CO2. (UBA 2023a) Damit wird das Jahresziel des Klimaschutzgesetzes
| um 9 Mio t überschritten. Bis 2030 ist nach den dort rechtlich
| verbindlich festgelegten Klimazielen ein Rückgang auf 85 Mio t
| notwendig. Damit ist in einem Jahrzehnt nahezu eine Halbierung der
| Emissionen nötig, nachdem diese drei Jahrzehnte lang nicht
| zurückgegangen sind. Dies macht die Größe der Herausforderung einer
| Verkehrswende deutlich.
|
| Ursache für die hohen Emissionen ist das größtenteils mit Erdöl
| betriebene, von Auto und Lkw dominierte Verkehrssystem. 96 % der
| Treibhausgasemissionen des Verkehrs in Deutschland macht der
| Straßenverkehr aus – knapp 61 % entfallen auf Pkw, fast 36 % auf Lkw.
| Dazu kommen erhebliche Emissionen des grenzüberschreitenden Luftverkehrs
| von rund 31 Mio t CO2, die in der nationalen Klimabilanz nicht
| auftauchen. Anders als Luftschadstoffe wie Feinstaub oder Stickoxiden
| lässt sich das Treibhausgas CO2 nicht aus dem Abgas "herausfiltern" – je
| verbranntem Liter Kraftstoff entsteht bei jedem Verbrennungsfahrzeug
| eine konstante Menge CO2.
|
| Zudem ist der Verkehrsaufwand, also die zurückgelegten Kilometer je
| Person oder Tonne im Güterverkehr, in den letzten Jahren immer weiter
| gewachsen, die Fahrleistungen von Pkw und Lkw stiegen zwischen 1990 und
| 2018 um rund 30 %, der besonders klimaschädliche Luftverkehr ist allein
| in den letzten 10 Jahren um rund 40 % gewachsen. Zwar werden die
| Fahrzeuge technisch effizienter und verbrauchen weniger Kraftstoff.
| Jedoch werden diese Effizienzgewinne größtenteils durch das
| Verkehrswachstum "aufgefressen", so dass die Emissionen insgesamt kaum
| zurückgehen. Immer größere, schwerere und PS-stärkere Pkw, insbesondere
| SUV tragen dazu bei, dass der Kraftstoffverbrauch der Autos nicht
| deutlicher sinkt. Zwischen 2008 und 2018 haben sich die Zulassungszahlen
| von SUV und Geländewagen mehr als vervierfacht, inzwischen machen sie
| rund ein Drittel der Neuzulassungen aus. Im Zeitraum von 1995 bis 2020
| ist der spezifische Kraftstoffverbrauch von PKW im Schnitt von 8,8 auf
| 7,4 Liter zurückgegangen (Umweltbundesamt, 2022). Allerdings ist zu
| beachten, der Verbrauch im realen Fahrbetrieb um 39 % (Stand: 2017)
| höher liegt als die angegebenen Testverbräuche, welche im Labor
| ermittelt werden und für die Kaufentscheidung sowie die
| Flottenverbrauchsermittlung maßgeblich sind (Tietge et al., 2019).
|
| Elektrofahrzeuge machen einen zunehmenden Anteil der Fahrzeugzulassungen
| aus – fast 30 % der in Deutschland neu zugelassenen Autos sind – etwa zu
| gleichen Teilen - reine batterieelektrische Fahrzeuge oder
| Plug-In-Hybrid-Fahrzeuge, die sowohl einen elektrischen als auch einen
| Verbrennungsantrieb haben. Am Gesamtbestand der Pkw in Deutschland
| machen sie allerdings erst jeweils 1,3 % aus (Statista GmbH, 2022).
| Elektroautos verursachen deutlich geringere Treibhausgasemissionen als
| Verbrenner. Plug-In-Hybrid-Fahrzeuge verursachen bei vorwiegend
| elektrischer Nutzung zwar ebenfalls relativ wenige
| Treibhausgasemissonen, in der tatsächlichen Nutzung werden sie jedoch
| häufig als Verbrennerfahrzeuge genutzt und sparen keine Emissionen ein.
|
| Das EU-Parlament hat Mitte Februar 2023 beschlossen, ab 2035 keine
| Neuwagen mit Verbrenner-Motoren mehr in der EU zuzulassen (EP 2023).
| Wenn zunehmend Verbrauchssektoren künftig mit Strom, statt mit fossilen
| Energieträgern betrieben werden sollen – wie zum Beispiel E-Autos oder
| auch Wärmepumpen, nimmt der Interner Link:Energiesektor eine
| Schlüsselrolle ein. Denn dieser wird somit zur Grundvoraussetzung auf
| dem Weg zur Klimaneutralität.
|
| *Dominanz des Straßenverkehrs: Kaum Veränderung bei genutzten*
| *Verkehrsmitteln*
|
| An der Verteilung des Verkehrs auf die einzelnen Verkehrsmittel, dem so
| genannten "Modal Split", hat sich in den letzten 20 Jahren wenig
| verändert. Der "Motorisierte Individualverkehr" (dazu zählen neben dem
| Auto auch Motorräder und Motorroller) dominiert mit einem Anteil von 75
| % der Personenkilometer, im Güterverkehr macht der Lkw mehr als 70 % der
| Tonnenkilometer aus. Der Bahnverkehr und der öffentliche Nahverkehr
| (ÖPNV) haben zwar in den Jahren vor der Pandemie Anteile hinzugewonnen,
| diese in der Corona-Krise jedoch wieder eingebüßt. Auch der Radverkehr
| wächst – allerdings nur langsam und auf niedrigem Niveau. So werden zwar
| mit dem Rad rund 11 % der Wege zurückgelegt – da diese jedoch in der
| Regel kürzer sind als mit dem Öffentlichen Verkehr oder dem Auto, macht
| der Radverkehr nur 3 % des Verkehrsaufwands in Personenkilometern aus.
|
| *Gründe für Verkehrsentwicklung*
|
| Die Gründe für das ungebrochene Wachstum und für die Dominanz von Pkw
| und Lkw sind vielfältig: räumliche Zersiedlung, weitere Pendelwege und
| die Zunahme von Flugreisen sorgen für mehr Personenverkehr. Gesteigerte
| Warenproduktion und Handel sowie stärker regional und global
| verflochtene Produktionsketten sind Treiber für den wachsenden
| Güterverkehr. Dass Pkw und Lkw weiter dominieren, ist Ergebnis einer
| pfadabhängigen Entwicklung, die den Autoverkehr über Jahrzehnte hinweg
| priorisiert hat. So wurden Straßen und Autobahnen stark ausgebaut,
| während das Schienennetz geschrumpft ist. Damit setzt eine Art
| Teufelskreis ein: Weil die Nutzung des Autos aufgrund schneller
| Verbindungen komfortabler wurde und zudem durch geringe Steuern auf
| Kfz-Haltung und Kraftstoffe kostengünstig blieb, ging die Nachfrage nach
| öffentlichen Verkehrsmitteln zurück – daraufhin wurden Verbindungen
| ausgedünnt.
|
| Abgelegene Regionen sind daher schlecht an den ÖPNV angebunden, was die
| Autonutzung weiter begünstigt. Autogerecht ausgebaute Städte mit
| schlechten Radwegenetzen erschweren es, Wege mit dem Rad oder zu Fuß
| zurückzulegen. Einmal eingeübte Routinen festigen zudem das
| Verkehrsverhalten – selbst wenn sich die Bedingungen für nachhaltige
| Mobilität zwischenzeitlich verbessert haben. Gesunkene Kosten durch
| Effizienzgewinne haben zudem besonders im Güter- und Flugverkehr das
| Verkehrswachstum weiter gefördert – es "lohnt" sich heute eher, Güter
| über weite Strecken zu transportieren und private Fernreisen zu machen.
|
| *Strategien nachhaltiger Verkehrspolitik*
|
| Um die Klimaziele zu erreichen, ist eine Verkehrswende notwendig.
| Nachhaltige Mobilität hat jedoch weitere positive Wirkungen. Sie ist
| aktiver Gesundheitsschutz, weil sie die Belastung mit Luftschadstoffen
| und den Verkehrslärm verringert und für mehr Verkehrssicherheit sorgt –
| während heute noch jährlich über 2500 Menschen auf deutschen Straßen
| sterben (Statistisches Bundesamt, 2022). Sie ist sozial gerecht und
| inklusiv, denn ein gut ausgebauter öffentlicher Verkehr und
| barrierefreie Fußwege ermöglicht soziale Teilhabe auch für Menschen ohne
| Auto. Und schließlich ist die Verkehrswende volkswirtschaftlich
| sinnvoll: Die externen Kosten des Straßenverkehrs durch Unfälle, Umwelt-
| und Klimabelastung summieren sich in Deutschland auf 141 Mrd € jährlich
| (Bieler & Sutter, 2019).
|
| Erreichen lässt sich eine Verkehrswende durch die Kombination
| verschiedener Stategieansätze:
|
| Verkehr, der gar nicht erst entsteht, ist per se am klima- und
| umweltfreundlichsten. Verkehrsvermeidung bedeutet die Reduzierung von
| Wegen – zum Beispiel durch die in der Pandemie eingeübte Nutzung von
| Homeoffice oder Videokonferenzen. Dazu gehört aber auch die Verkürzung
| von Wegen: Wer beim gut sortierten Supermarkt um die Ecke einkaufen
| kann, verursacht weniger Verkehr als mit einer Fahrt zum Einkaufscenter
| am Stadtrand. Verkehrsvermeidung schränkt daher Mobilität nicht ein,
| sondern zielt darauf ab, die gleichen Bedürfnisse mit weniger Verkehr
| befriedigen zu können.
|
| Bei der Verlagerung geht es darum, auf umweltfreundlichere
| Verkehrsmittel umzusteigen: vom Auto aufs Rad, vom Flugzeug auf die Bahn
| oder vom Lkw auf den Güterzug oder das Binnenschiff. Diese Verlagerung
| von Wegen (oder auch nur Teilstrecken) zu klima- und umweltfreundlichen
| Fortbewegungsarten gelingt am besten mit aufeinander abgestimmten Push-
| und Pull-Maßnahmen, d.h. durch einen guten Mix an Anreizen ("pull") für
| den Umweltverbund und Einschränkungen ("push") für den motorisierten
| Individualverkehr (MIV), um so die Nutzung des eigenen Autos weniger
| attraktiv zu machen. Das kann aber nur gelingen, wenn die
| unterschiedlichen infrastrukturellen Bedingungen in der Stadt und auf
| dem Land berücksichtigt werden.
|
| Zur Strategie der Verbesserung zählen auch fahrzeugseitige Maßnahmen,
| die die Effizienz erhöhen – sprich: weniger Kraftstoff oder Strom pro
| 100 km verbrauchen und entsprechend weniger CO2 emittieren. Auf
| europäischer Ebene haben die CO2-Emissionsstandards Grenzwerte für die
| Flotte eines jeden Herstellers gesetzt, die hierfür Anreize setzen –
| doch aufgrund von Lücken dieser Regelung hinkt die tatsächliche
| Effizienzentwicklung den Werten auf dem Papier um mehr als 30 % hinterher.
|
| [...]
|
| Um die genannten Strategien umzusetzen, sind verschiedene Instrumente
| notwendig, die miteinander kombiniert werden müssen, um die Strukturen
| von Verkehrssystem und Mobilitätsnachfrage ändern zu können. Nachfolgend
| werden einige dieser Ansatzpunkte genannt – mit einem Fokus auf den
| Personenverkehr.
|
| *Raumstrukturen verändern*
|
| Je kürzer Wege sind, um Ziele zu erreichen, desto eher verliert der
| motorisierte Individualverkehr seine zeitlichen Vorteile gegenüber dem
| Umweltverbund und desto "konkurrenzfähiger" werden insbesondere auch
| nicht-motorisierte Fortbewegungsarten. Eine "Stadt der kurzen Wege", in
| der Wohnen, Arbeiten, Einkaufen und Freizeitgestaltungsmöglichkeiten nah
| beieinander liegen, werden durch eine integrierte Stadt- und
| Verkehrsplanung gefördert. Zu einer dichten Stadtentwicklung gehört
| auch, das weitere Wachstum der Vororte zu stoppen. Doch auch im
| ländlichen Raum können durch eine Neuentwicklung lokaler
| Versorgungsinfrastrukturen wie Schulen, Ämter und Geschäfte weite
| Anfahrtswege vermieden werden.
+--- </hier abknabbern> ---
©<
https://www.bpb.de/themen/klimawandel/dossier-klimawandel/516500/nachhaltige-mobilitaet/>