Google Groups no longer supports new Usenet posts or subscriptions. Historical content remains viewable.
Dismiss

Verse von Eugen Roth - 'Ein Mensch'

1,085 views
Skip to first unread message

peter

unread,
Feb 6, 2005, 6:25:28 AM2/6/05
to
Verse von Eugen Roth (1895 - 1976)

Ein Mensch

Ein Mensch erblickt das Licht der Welt -
Doch oft hat sich herausgestellt
Nach manchem trüb verbrachten Jahr,
Daß dies der einzige Lichtblick war.
-------

Immer höflich - v. Eugen Roth

Ein Mensch grüßt, als ein Mann von Welt,
Wen man ihm einmal vorgestellt.
Er trifft denselben äußerst spärlich,
Wenn´s hochkommt, drei- bis viermal jährlich
Und man begrinst sich, hohl und heiter,
Und geht dann seines Weges weiter.

Doch einmal kommt ein schlechter Tag,
Wo just der Mensch nicht grinsen mag;
Und er geht stumm und starr vorbei,
Als ob er ganz wer andrer sei.

Doch solche Unart rächt sich kläglich:
Von Stund an trifft er jenen täglich.
-------

Man wird bescheiden

Ein Mensch erhofft sich fromm und still,
Daß er einst das kriegt, was er will.
Bis er dann doch dem Wahn erliegt
Und schließlich das will, was er kriegt.
-------

Grenzfall

Ein Mensch war eigentlich ganz klug
Und schließlich doch nur klug genug,
Um einzusehen, schmerzlich klar,
Wie blöd er doch im Grunde war.

Unselig zwischen beiden Welten,
Wo Weisheit und wo Klugheit gelten,
Ließ seine Klugheit er verkümmern
und zählt nun glücklich zu den Dümmern.
-------

Allzu eifrig

Ein Mensch sagt - und ist stolz darauf -
Er geht in seinen Pflichten auf.
Bald aber, nicht mehr ganz so munter,
Geht er in seinen Pflichten unter.
-------

Übereilte Anschaffung

Ein Mensch geht, leider ganz allein,
Und kauft sich neues Schuhwerk ein.
Er tritt zu seinem spätern Schaden
Gleich in den nächsten besten Laden,
Wo ihm ein milder Überreder
Die Machart anpreist und das Leder.
Und schwörend, dass der Schuh ihm passe,
Schleppt er sofort ihn an die Kasse.
Leicht ist es, Stiefel sich zu kaufen,
Doch schwer, darin herumzulaufen.
-------

Ein Ausweg

Ein Mensch, der spürt, wenn auch verschwommen,
Er müßte sich, genau genommen,
Im Grunde seines Herzens schämen
Zieht vor, es nicht genau zu nehmen.
-------

Gleichgewicht

Was bringt den Doktor um sein Brot?
a) die Gesundheit, b) der Tod.
Drum hält der Arzt, auf daß er lebe,
Uns zwischen beiden in der Schwebe.
-------

Einsicht

Der Kranke traut nur widerwillig
Dem Arzt, der's schmerzlos macht und billig.
Laßt nie den alten Grundsatz rosten:
Es muß a) wehtun, b) was kosten.
-------

Verdienter Hereinfall

Ein Mensch kriegt einen Kitsch gezeigt,
Doch anstatt daß er eisig schweigt,
Lobt er das Ding, das höchstens nette,
Fast so, als ob er's gerne hätte.
Der Unmensch, kann er es so billig,
Zeigt unverhofft sich schenkungswillig
Und sagt, ihn freu's, daß an der Gabe
Der Mensch so sichtlich Freude habe.
Moral: Beim Lobe stets dran denken,
Man könnte dir dergleichen schenken!
-------

Einladungen

Ein Mensch, der einem, den er kennt,
Gerade in die Arme rennt,
Fragt: "Wann besuchen Sie uns endlich?!"
Der andre: "Gerne, selbstverständlich!"
"Wie wär es", fragt der Mensch, "gleich morgen?"
"Unmöglich, Wichtiges zu besorgen!"
"Und wie wär's Mittwoch in acht Tagen?"
"Da müßt ich meine Frau erst fragen!"
"Und nächsten Sonntag?" "Ach wie schade,
Da hab ich selbst schon Gäste grade!"
Nun schlägt der andre einen Flor
von hübschen Möglichkeiten vor.
Jedoch der Mensch muß drauf verzichten,
Just da hat er halt andre Pflichten.
Die Menschen haben nun, ganz klar,
Getan, was menschenmöglich war,
Und sagen drum: "Auf Wiedersehen,
Ein andernmal wird's dann schon gehen!"
Der eine denkt, in Glück zerschwommen:
"Dem Trottel wäre ich entkommen!"
Der andre, auch in siebtem Himmeln:
"So gilt's, die Wanzen abzuwimmeln!"
-------

Falscher Verdacht

Ein Mensch hat meist den übermächtigen
Naturdrang, andre zu verdächtigen.
Die Aktenmappe ist verlegt.
Er sucht sie, kopflos und erregt,
Und schwört bereits, sie sei gestohlen,
Und will die Polizei schon holen
Und weiß von nun an überhaupt,
Daß alle Welt nur stiehlt und raubt.
Und sicher ist's der Herr gewesen,
Der, während scheinbar er gelesen -
Er ahnt genau, wie es geschah...
Die Mappe? Ei, da liegt sie ja!
Der ganze Aufwand war entbehrlich
Und alle Welt wird wieder ehrlich.
Doch den vermeintlich frechen Dieb
Gewinnt der Mensch nie mehr ganz lieb,
Weil der die Mappe, angenommen,
Sie wäre wirklich weggekommen -
Und darauf wagt er jede Wette -
Gestohlen würde haben hätte!

Message has been deleted
0 new messages