BRUDERHERZEN - Zur Geschichte der Annaberger Freimaurerloge

197 views
Skip to first unread message

sch...@web.de

unread,
Nov 16, 2005, 4:04:25 PM11/16/05
to Erzgebirge
Bruderherzen

"Dicknischl" der besonderen Art -
Freimaurer der Annaberger Johannisloge

"Während die Brüder Großbeamte, wirkliche und stellvertretende,
sich in einem besonderen Zimmer zum Eintritte vorbereiteten, waren die
Stifter der neuen Loge im Arbeitssaale versammelt ... " - so beginnt
der Chronist Br. Friedrich Ludwig Meißner, zugeordneter
Landesgroßmeister aus Leipzig seinen Bericht über die am 18.März
1855 " Im Auftrag der Ehrwürdigsten Großen Landesloge des
Königreichs Sachsen im Orient von A n n a b e r g vollzogene
Installation der gerechten und vollkommenen St. Johannisloge zum treuen
Bruderherzen".

Mit dieser Lichteinbringung, wie die zermonienreiche und für den
Außenstehenden noch immer mystisch erscheinende freimaurerische
Logeneinweihung auch genannt wird, verfügte Annaberg mit über eine
der ersten Logen im erzgebirgischen Raum. Bereits am 2.4.1852 gab es
die Loge als "Freimauerische Vereinigung". Am 30.4.1854 beschlossen die
Annaberger Brüder, sich um ein Konstitutionspatent bei der Großen
Landesloge von Sachsen zu bemühen, welches ihnen dann auch - als 26.
Tochterloge - am 24.10. 1854 ausgefertigt wurde.

Weitere Logengründungen sind für Mitte des 19. Jahrhunderts im
Erzgebirge nachzuweisen, z.B.: "Archimedes zum sächsischen Bunde" -
Schneeberg, " Zu den 3 Rosen im Erzgebirge" - Aue, " Zur Harmonie" -
Chemnitz, (die Chemnitzer Freimaurerloge "Harraseiche" wurde erst 1924
selbständig) , "Rosenstock im Sachsenfelde" - Logenkränzchen in
Schwarzenberg sowie eine Reihe weiterer Freimaurerklubs, u.a. in
Zschopau und Geyer ("Hieronimus von Lotter zur Leuchte am
Greifenstein") oder der sehr aktive Flöhatal-Klub.

Die Traditionen der Freimaurerlogen der großen sächsischen Städte
reichen bis zu Beginn des 18. Jahrhunderts zurück und fanden sich erst
relativ spät zur "Großen Landesloge von Sachsen" (1811) zusammen. Als
deren Vorgänger gründete bereits 1738 ein natürlicher Sohn des
Königs August des Starken, Graf von Rutowski, nach französischem
Vorbild in Dresden die Loge "Aux trois aigles blancs".

Die heute noch gebräuchlichen Rituale und Symbole der Freimaurer gehen
zurück auf die Steinmetzbruderschaften und Dombauhütten des frühen
Mittelalters. Als gesichert taucht die Bezeichnung 1278 in einer
Urkunde über den Bau der Abtei von Val Royal als "Lodge" auf. Dieser
als "Loge" ins Deutsche übersetzte Begriff bezeichnete ursprünglich
die "Bauhütte", das Gebäude, welches den Handwerkern bei ihrem Bau
als Werkstatt und Aufenthaltsraum, aber auch als Versammlungs - und
Andachtsort zur Verfügung stand.
Die Maurer bildeten sowohl im Mittelalter als auch bis in die
Hochrenaissance hinein eine Gilde, die im Vergleich zu anderen über
erhebliche Privilegien verfügte. Eine päpstliche Bulle gewährte
ihnen Sonderrechte und Schutz. Die Geheimnisse ihrer Baukünste wurden
von ihnen strengstens gehütet.

"Freimaurer" am Bau der Annenkirche beteiligt

Untereinander verabredete man schon damals geheime Erkennungszeichen,
Worte und bestimmte Handgriffe, die nur eingeweihten Baumeistern
zugänglich waren und dem Maurer ein Art "Recht auf Arbeit"
zusicherten. Die kühnen Konstruktionen und großzügigen Grundrisse
manch' einer der sächsischen spätgotischen Hallenkirchen wurden im
Inneren solcher Bauhütten entworfen. Es ist gesichert, daß auch
beim Bau der Annenkirche in Annaberg "Frei-Maurer" am Werke waren und
durchaus als mittelbare traditionelle Vorläufer der 400 Jahre später
gegründeten Annaberger Loge "Zum treuen Bruderherzen" angesehen werden
können.
Der sogenannte "Annaberger Hüttenstreit" von 1518 zwischen Jakob von
Schweinfurt und Franz Maidburg , in welchem den "Maurern" des ersteren
deren fehlende Ausbildung zum Bildhauer in einer "Hütte" vorgeworfen
wurde, weist die Anwesenheit solcher Bauhütten beim Annaberger
Kirchenbau nach. Ebenso ist das Zusammentreten der Steinmetzen aus
Annaberg, Meißen, Böhmen und der Lausitz unter dem Vorsitz von
Benedikt Ried am Annentag 1518, - um sich von hemmenden
mittelalterlichen Hüttengewohnheiten zu trennen - , ein Beleg für die
Aktivitäten der damaligen Annaberger "Logen". Durch den Landesvater,
Herzog Georg der Bärtige, der dem erneuten Einspruch der konservativen
Haupthütten widersprach , konnte der Fall für Jakob von Schweinfurt
und damit auch für die modernen Architekturvorstellungen des Benedikt
Ried entschieden werden.

Humanismus als oberstes Gebot der Freimaurerei

Die Annaberger Loge "Zum treuen Bruderherzen" fühlte sich von Anbeginn
ihres Wirkens an die sogenannten "Alten Pflichten" gebunden. Jenen
Grundgesetzen der Brüderschaften , wie sie 1723 auf Veranlassung des
Herzoges von Montagu durch den Reverend James Anderson in einem
Konstitutionsbuch zusammengestellt worden sind. Demnach wären die
zeitlosen humanistischen Grundsätze der Freimaurerei kurz gefaßt
folgende : Religiosität, aber ohne jeglichen konfessionellen Zwang /
Fast grenzenlose Toleranz / Achtung der Meinungen und Handlungen
Andersdenkender / Anständige, saubere, moralisch einwandfreie
Lebensführung / Brückenschlag zu Menschen "die einander sonst
ständig fremd geblieben wären" / Alles zu tun, was Leben erhält,
fördert und schützt, und alles zu vermeiden in Wort, Tat, Handlung
und Gebärde, was Leben vernichtet, einschränkt oder verunstaltet.
Gerade mit dem letzten Grundsatz bekommt die Idee des Bauens, als
Gegen-Idee von zerstören und vernichten , ihre die gesamte Menschheit
umfassende Ausprägung. Gleichzeitig ist hierin eine der Ursachen für
die Ablehnung und Verfolgung der Freimaurerei und ihrer Brüder seitens
der verschiedenen politischen Systeme und konfessionellen Richtungen
begründet.

Die Neue Loge wird geweiht

Die Annaberger Johannis-Loge hatte ihre ursprüngliche Heimstatt von
1855 bis 1905 in einem alten, scheunenartigen Fachwerkbau, in der Nähe
des späteren Logengebäudes. Die Installation der Loge wird vermutlich
im Saal der Gaststätte stattgefunden haben, die sich im sogenannten
"Genselgarten" befand. Dieses Gebäude ist 1922 abgerissen worde.
Der erste Vorsteher der Freimaurerloge war der Annaberger Kaufmann
Ferdinand Lipfert. Mutmaßlich ist die Loge aus der Lipfert-Stiftung
hervorgegangen. Zumindest sind offensichtlich beträchtliche Mittel von
Lipfert selbst für den Bau des neuen Logenhauses aufgebracht worden.
Am 5. September 1905 wurde die letzte Arbeit im Saal der alten Loge
abgehalten auf der man die Verdienste des "i.d.e.O." (in den ewigen
Orient) Eingegangener würdigte und dem Bruder Bräuer zu seinem 75.
Geburtstag beglückwünschte. Am 12. September des gleichen Jahres
versammelte sich die Annaberger Brüderschaft mittags um 12.00 Uhr zur
Abschiedsloge noch einmal im alten Tempel. Still und ernst gestimmt
verließen hierauf die Brr. die alte Arbeitsstätte, um sich zum Einzug
in das neue Heim im Logengarten zu versammeln ".
Der Chronist meint hier bereits den Garten des neuen Logenhauses an der
späteren Logenstraße 7. Es wird berichtet , daß unter der Teilnahme
des Großmeisters der "Großen Landesloge von Sachsen", Br. Erdmann,
die 3 mal 3 Lichter auf dem Altar entzündet wurden und vom Annaberger
Seminaroberlehrer und köngl. Musikdirektor, Gustav Bruno Dost, eine
Einweihungs-Kantate zum Vortrag kam. Der "Hammerführende"
(Verantwortlicher für das Ritual) war an diesem Tag der Annaberger
Meister vom Stuhl Bruder Kurlbaum, der in einer "tiefdurchdachten
Zeichnung" ( Vortrag ) auf die traditionellen humanistischen Werte der
Freimaurerei einging.

Intolleranz macht sich breit

Die Arbeit der Annaberger Loge war offenbar in den zurückliegenden
Jahren nicht immer nur mit Freundlichkeit durch die hiesigen Bewohner
bedacht worden. So wäre auch zu erklären, weshalb die Leitworte in
der "Zeichnung" von Bruder Olzscha schon damals nachdenklich stimmen
mußten, wenn er ausrief :
"Glücklich, wer der Zeiten Drangsal an der Liebe Hand durchschreitet !
Glücklich, wen durch Meinungswirren ihre treue Fahne leitet !
Selig, wer an Bruderhand seinen Weg zum Tempel, ins Asyl der Liebe fand
!"
Die grausame Bestätigung für diese leisen Vorahnungen sollte aber
erst dreißig Jahre später folgen. Vorerst lebte die Loge "Zum treuen
Bruderherzen" erneut auf und wurde zur Einweihungs-Loge von den
anwesenden Vertretern der sächsischen Bruderlogen reich beschenkt. So
kam von der " 3-Bergen-Loge" aus Freiberg ein silberner Kelch zur
Ausbringung der entsprechenden Toaste auf die Schwestern. Bekanntlich
sind die Freimaurer-Logen reine Männerbünde, zu denen die Frauen
keinen Zutritt haben. Dies trifft zumindest auf den gesamten
Ritual-Bereich, nicht jedoch auf den Freizeitbereich zu. Eine Ausnahme
bildet nur die Berliner Frauenloge, die sich noch 1942 gründete.

Zahlreiche Schenkungen

Nicht nur aus den eigenen Reihen, sondern auch von zahlreichen Bürgern
aus dem Erzgebirge, die nicht der Loge angehörten, erhielten die
Freimaurer wertvolle Schenkungen . Darunter befanden sich u.a.:
1 Meisterstuhl von der Chemnitzer Loge "Harmonie", 4 dreiarmige
Silberleuchter von den Brüdern aus Geyer, zwei silberene Leuchter von
den dienenden Brüdern (d.h. von den Arbeitern der Loge), 3 Lüster von
Br. Ackermann, 2 Glasbilder von Br. Kästner , 1 Kandelaber von Br.
Riemann, 1 Kandelaber , Türklopfer, Aufzug und Klingelanlage von Br.
Günther, 1 Fahne von Br. Matthes, 72 Bierseidel von Br. Stöhr sowie
eine große Standuhr, Zimmerpflanzen, Feuerlöscher und reichlich
finanzielle Mittel, u.a. "...von den Schwestern zur Mobiliareinrichtung
des Orient". Bisher war noch nicht zu ermitteln, was mit dem
umfangreichen Eigentum der Annaberger Freimaurerloge in der Zeit des
Faschismus oder in den Kriegswirren geschehen ist, bzw. in wessen
Händen es sich derzeit befindet.

Großes soziales Engagement

"Erkenne dich selbst !" - so lautete der Begrüßungsspruch am
neoklassizistischen Portal des neuen Logenheimes. Diesem Grundsatz der
Selbsterkenntnis blieb die Annaberger Loge "Zum treuen Bruderherzen"
bis zu ihrer zwanghaften Auflösung im Jahre 1935 medial und tätig
verbunden. Auffällig ist besonders ihr soziales Engagement für die
Schwachen und Bedürftigen in der unmittelbaren Umgebung , aber auch
über Ländergrenzen hinweg. Sicher ist es den Annaberger Ärzten,
Fabrikbesitzern, Kaufmännern, Lehrern, Pfarrern und Bankdirektoren,
die im wesentlichen die personelle Zusammensetzung der Annaberger Loge
ausmachten, nicht schwer gefallen, finanzielle Großzügigkeit
gegenüber Minderbemittelten walten zu lassen. Beachtlich ist
lediglich, daß im Vergleich zu anderen Logen, die Annaberger in
größerer Regelmäßigkeit (teilweise monatlich) Spenden abführten.

Eine unvollständige Auflistung der Spenden aus den Anfangsjahren soll
dies unterstreichen:

1906 - Ein Armenbetrag (Höhe nicht benannt) wird zur Errichtung des
Geburtshauses eines der wohl bekanntesten Freimaurer, Wolfgang Amadeus
Mozart , nach Salzburg geschickt ; für die Speisung der Annaberger
Taubstummen bewilligte man 80 Mark; für die notleidenden "Deutschen in
den Ostseeprovinzen" wurden 50 Mark gespendet;
1907 - Der Logen-Kegelklub überreichte dem Altersheim in Einbeck 200
Mark;
1909 - Den Erdbeben-Geschädigten von Messina werden 75,50 Mark
geschickt; den durch das Hochwasser in Not geratenen Bewohnern im
Elbegebiet kommt eine Spende von 100 Mark zu;
1910 - Einer bedrängten Familie in Großrückerswalde wurden 40 Mark
Ünterstützung geschickt;
1913 - Der Armenkasse wurden 500 Mark übergeben;
1914 - Die gesamte Almosensammlung wanderte zur Viktoriastiftung;
Von 1914 bis März 1917 wurde das Logenhaus als Lazarett zur Verfügung
gestellt. Ab 1918 wurden der Logengarten dem Annaberger Kinderhort als
Spielplatz und die oberen Räume des alten Logengebäudes als
Aufenthaltsräume für die Kinder genutzt.
1919 - Für die Ferienkinder im Annaberger Ratswald wurde eine Spende
gebracht und den Notleidenden in Wien half die Brüderschaft durch Geld
und Materialien;
1920 - Zur Unterstützung notleidender Annaberger Kinder erhielt die
Loge aus einer Stiftung amerikanischer Logen 3000 Mark und zahlreiche
Lebensmittel, die durch eine Kommission an die Bedürftigen verteilt
wurden; die deutsche Heilstätte in Davos erhielt eine beträchtliche
Spende.
Diese Zuwendungen an Bedürftige setzte sich auch während der
Inflation fort. Die eigenen Ausgaben der Annaberger Loge erhöhten sich
ab etwa 1921 beträchtlich, zumal das Logenhaus 1920 elektrisches Licht
und Telefon erhielt. Die Meisterschaft beschloß 1922 "...das alte
Logengebäude dem Abbruch zu übergeben und den Platz planieren zu
lassen".
1925 - Einem verarmten Annaberger Künstler (Name war nicht zu
ermitteln) "...wurde ein namhafter Betrag zugestellt";
1927 - "Der von der hiesigen Handelsschule ins Leben gerufenen
Oskar-Kind-Stiftung übermittelte die Brüderschaft eine größere
Summe";
1928 - Für über 200 M wurden Schulbücher beschafft und durch die
Br.Lehrer an den Annaberger Schulen verteilt.
In diesem Jahr schuf auch der Annaberger Künstler Georg Weißbach die
Steinzeichnung mit den Symbolen der Freimaurer, die fortan für die
Ehrendiplome Verwendung fand.
1929 - sind von einem Annaberger Schnitzer zwei Sphinxe (Symbole des
Schweigens und der Stärke) für den Altar gestiftet worden. Der Sohn
von Bruno Matthes spendete der Loge 26 Tafeltücher.

Dr. Wünschmann - der große Meister vom Stuhl

Am 15.Oktober 1929 führte der Meister vom Stuhl, Dr. Wünschmann,
seine letzte Arbeit über
"Das Verhältnis unseres Annaberger Peter Gast zu seinem großen
Freunde, dem Philosophen Friedrich Nietzsche" aus. Welche Bedeutung
dem am 10.Januar 1930 verstorbenen Br. Wünschmann zukam, wird wohl am
deutlichsten in einem Nachruf der " Großen Landesloge von Sachsen"
worin es u.a. heißt : "Eine Leuchte der Wissenschaft war er für
Annaberg und das obere Erzgebirge besonders; der engeren Heimat galten
seine wissenschaftlichen Forschungen auf dem Gebiete der Geschichte,
Kulturgeschichte, Erdkunde und Naturgeschichte. Für Annabergs
Schulleben bleibt er immer der pflichtgetreue und liebevolle Lehrer und
Erzieher, (...) seine Bücherei ist wohl eine der größten und sein
Wissen glich einem allesumfassenden Lexikon."
Der Annaberger Freimaurer Max Wünschmann war übrigens auch 27 Jahre
lang 1. Vorsitzender des Erzgebirgsvereines . Die ursprünglich für
den März 1930 geplante Feier des 75 jährigen Jubiläums der
Annaberger Loge wurde wegen seines Ablebens mit dem Johannisfest
verknüpft.

Bekannte Bürger der Stadt waren Freimaurer

Die Verluste, die der I. Weltkrieg in den Bruderreihen hinterließ,
konnte von 1921 an durch ständig steigende Aufnahmen etwas
ausgeglichen werden. So sind ab 1922 jährlich im Durchschnitt sechs
Mitglieder aufgenommen worden. Seit die Logenbekanntmachungen ab März
1922 auch in der "Buchholzer Zeitung" erfolgten, bekam die
Annaberger Loge auch von dort Zulauf. Die Annaberger Loge "Zum treuen
Bruderherzen" hatte mit Beginn der 20er Jahre bis zu ihrer Auflösung
durchschnittlich 100 Mitglieder, die sich gemäß der freimaurerischen
Hirarchie in folgende Hauptgruppen gliedern lassen:

1. Ehrenaltmeister/Ehrenmeister: Der bekannteste von ihnen dürfte der
Ehrenbürger der Stadt Annaberg, der 2. zugeordnete Meister vom Stuhl,
Bruno M a t t h e s (1922-25), gewesen sein.

2. Beamte: Die Meister vom Stuhle. Unter ihnen der Ingenieur Karl
Achtermann (1917-26) und der Oberstudiendirektor, Dr.phil. Max
Wünschmann (1926 - 30).

Die Ersten und Zweiten zugeordneten Meister vom Stuhle, Erste und
Zweite Aufseher , Verhandlungs- und Verkehrsschriftführer,
Schatzmeister, Archivare, Bibliothekare, Redner, Vorbereitende, Erste
und Zweite Schaffner, Ökonome und Hausverwalter sowie Musikmeister,
u.a. Bruno Dost (1906 -14) und Richard Wagner aus Buchholz (ab 1925).

3. Ständig besuchende Brüder , aus Annaberg, Buchholz und Schlettau,
die übrigens durchweg ihren Geburtsort außerhalb des Erzgebirges
hatten, u.a. der Vorsteher der Jüdischen Gemeinde Annaberg, Isaak
Chanange oder der Annaberger Bankdirektor, Wilhelm Röhl.

4. Die allgemeinen Mitglieder ohne besondere Funktion ( bis 1930
einschl. Mitgliedsnummer 384 nachweisbar ).

5. Ehrenmitglieder, die sämtlich ihren Geburtsort und auch Wohnsitz
außerhalb Annabergs hatten, u.a. der Gewerbestudiendirektor Prof.
Johannes Lorenz aus Schneeberg oder der Schulrat Richard Seyffarth aus
Altenburg/Thüringen.

6. Helfende Brüder, die für die niederen Dienste der Bruderschaft
eingesetzt worden sind; darunter befanden sich ausschließlich
Arbeiter, mit Ausnahme des Annaberger Masseurs und Bademeisters Markus
Weißflog, der gleichzeitig Logenkastelan war und deshalb seinen
Wohnsitz im Haus der Annaberger Freimaurer, Logenstraße 7, haben
durfte.

Die Loge "Zum treuen Bruderherzen" verfügte über eine Reihe
ständiger Ausschüsse, die das soziale, ökonomische und kulturelle
Leben der Loge gestalten halfen, aber auch die Außenbeziehungen und
die Öffentlichkeitsarbeit organisierten. So gab es u.a. einen
Finanzausschuß, den Ehrenrat, den Ausschuß zur Schmückung der
Gräber, den Arbeitsausschuß für die Große Landesloge Sachsen, den
Ausschuß für Familien-Logenabende sowie verantwortliche Brüder für
die Freimaurer Spar- und Darlehnskasse, die Hinterbliebenenfürsorge
und für das "Schwerter-Erholungsheim" Rehefelde.

Jedes Mitglied bekam bei seiner Aufnahme in den Annaberger Männerbund
einen Logenpaß für 10 Mark ausgestellt, den es ständig bei sich zu
tragen hatte. Zusätzlich war es zeitweilig üblich, als vertrauliches
Erkennungszeichen ein Vergißmeinnicht am Rockaufschlag zu tragen.

Die Aufnahmegebühren, die nach vorherigen strengen Ritualen und unter
Beibringung von Bürgen erfolgte, betrugen am 19.5.1925 wieder 100 RM ,
während sie zwei Jahre zuvor noch bei 5.000.000 Mark lagen. Mit Stolz
wird darauf verwiesen, daß die Almosensammlung im Inflationsjahr 1923
die Summe von 7.420.000.000 Mark erbracht habe.

Frauenfreundliches Logenleben

Neben den erbaulichen Veranstaltungen (Zeichnungen) und sonstigen
inhaltlichen Maurer-Arbeiten, haben die Annaberger Freimaurer durchaus
zu feiern verstanden. Davon zeugen die häufigen Einladungen zu den
sogenannten Tafellogen, bei denen nach dem maurerischen Anlaß die
eigentliche Geselligkeit folgte und bei der Gelegenheit ab 1928 häufig
aus dem von der "Großen Landesloge Sachsen" herausgegebenen Liederbuch
"Bei Hammerschlag und Becherklang" gesungen wurde. Jeden Dienstag
fanden um 20 Uhr gesellige Zusammenkünfte und Kegelabende sowie jeden
Freitag "...eben solche Treffen mit oder ohne Vorträge statt, an denen
teilzunehmen die gel. Brr. dringend gebeten werden " - heißt es in den
Regeln der Annaberger Freimaurer. Selbstverständlich war auch die
Kleiderordnung vorgeschrieben: "Bei gewöhnlicher Logenarbeit: Gehrock
und schwarze Binde; bei Aufnahmen, Beförderungen, Erhebungen,
Johannisfest, Stiftungsfest und Schwesternfest : Frack und weiße
Binde".

Obwohl Frauen keinen Zutritt zur Loge und ihrer Arbeit selbst hatten,
sind durch die Annaberger Brüder regelmäßig Treffen der Frauen
organisiert worden. So fanden z.B. jeden Donnerstag um 15 Uhr im
Logenhaus Schwesternzusammenkünfte statt. Im Sommer stand der große
Logengarten alltäglich den Familien zur Benutzung offen. Die
Erdgeschoßräume des Hauses Logenstraße 7 wurde den Logenmitgliedern
und ihren Familien, "...gegen Entschädigung in die Logenkasse " zu
Familienfestlichkeiten überlassen.

Einmal durften die Annberger "Schwestern" auch an der Tempelarbeit,
allerdings ohne das übliche Ritual, teilnehmen. Dafür überreichten
sie im Jahre 1926 aus Dankbarkeit einen selbstgefertigten Bodenbelag
für die Veranda des Logenhauses. Eine weitere Geste an die Frauen der
Brüder erfolgte ein Jahr später, als ein Schwesternkegelklub
gegründet wurde und von nun an die erneuerte Kegelbahn auch von ihnen
benutzt werden durfte.

Hetze - Vertreibung - Vernichtung

Die reichhaltige Bibliothek stand allen offen. Dort waren auch ab 1927
die Hetz-Schriften des Generals Erich Ludendorff und seiner Frau
Mathilde zugänglich. "Auch in unserem Bruderkreise nahm man fast keine
Notiz von der Ludendorff-Broschüre, da sie sich selbst richten
würde..." - meinte man fast nachsichtig noch 1927 in einer der
Annaberger Meisterbesprechungen; nur schwach ahnend, daß dies die
Fortsetzung der jahrhundertelangen und weltweiten Verfolgung auch der
erzgebirgischen Freimaurer bedeuten sollte. Schon einmal, im Frühjahr
des Jahres 1921, heißt es in den spärlich vorhandenen Unterlagen
unserer Loge: "Die sich häufenden Angriffe auf die Freimaurerei wurden
zur Beachtung empfohlen; Abwehr- und Aufklärungsarbeiten müßten in
Zukunft mehr einsetzen."

Die Verfolgungen und teilweisen Vernichtung der freimaurerischen
Brüderschaften in England (1717), Schweden (1738), Frankreich und
Polen (1739) durch die Päpste (1738 und 1751), die erst durch das II.
Vatikanische Konzil (1962-65) unter Papst Johannes XXIII. aufgehoben
wurde, waren jedoch nur "bescheidene" Vorboten der grausamen
Verfolgungen und Vernichtungen, denen auch die Freimaurer im "Dritten
Reich" ausgesetzt waren. Gemeinsam mit Juden, Jesuiten,
Sozialdemokraten, Homosexuellen, Kommunisten u.a. gerieten sie in die
Schußlinie einer primitiven nationalsozialistischen Propaganda, der
die Mehrzahl der Bevölkerung allmählich zum Opfer fiel. Wegen der
weltweiten Verbindungen dieser Gruppen in einer Zeit, in der jede Form
von Internationalismus mit blindem Eifer bekämpft wurde, gehörten
jene zu den "Überstaatlichen Mächten", an denen das "Deutsche Wesen
nicht genesen, sondern nur verwesen " (Ludendorff) könne. Dieses
zählebige Vorurteil wirkt teilweise bis in unsere Tage, und aktuelle
Bezüge sind durchaus statthaft.

Annaberger Nationalsozialisten lösen Loge auf

Ab etwa 1931 sind in der Annaberger Loge zunehmend beunruhigender Töne
wahrzunehmen und ein gewisser Auflösungsprozeß setzte ein. Auch die
Annaberger Nationalsozialisten verfuhren wie ihre Parteigenossen
anderwärts, indem sie versuchten, dem Ganzen einen halbwegs legalen
Anschein zu geben. Sie sorgten für die Auflösung der Vereine, bzw.
auch die kurzzeitige Überführung in Ordens-Bünde, für die
Einsetzung städtischer Liquitatoren und sogar für Angebote von
Kaufverträgen, durch die das Vermögen der Logen an staatliche
Institutionen übertragen werden "durfte". Im Jahre 1928 steht das
Annaberger Logenhaus noch als Besitz der Brüderschaft im hiesigen
Adressbuch. Neun Jahre später ist der Eigentümer die Stadt Annaberg.
Die Loge "Zum treuen Bruderherzen " , die 1933 noch 103 Mitglieder
zählte, wurde am 15.7.1935 - etwa zum gleichen Zeitpunkt wie die
"Harraseiche" Chemnitz - aufgelöst.
Dokumente über die Auflösung der Annaberger Loge sind bisher nicht
aufgefunden worden. Es kann von daher auch nur spekulativ angenommen
werden, daß es zu Verhöhnungen, Plünderungen, Schaustellungen und
Terror wie in anderen Städten Sachsens, auch in Annaberg gekommen ist.
Wenn man zudem weiß, daß es in Annaberg 1938 eine "Kristallnacht"
gegen das Bethaus der Juden, das jüdische Kaufhaus EHABE in der
Kaiser-Wilhelm-Straße, den jüdischen Friedhof sowie gegen einzelne
jüdische Bürger Annabergs gegeben hat, so dürfte die Vermutung auch
in die freimaurerische Richtung nicht auszuschließen sein.

In einem "Führererlaß" vom 1.März 1942 an alle Dienststellen, der
Wehrmacht, der Partei und des Staates heißt es : " Juden, F r e i m a
u r e r und die mit ihnen verbündeten weltanschaulichen Gegner des
Nationalsozialismus sind die Urheber des jetzigen, gegen das Reich
gerichteten Krieges. Die planmäßige geistige Bekämpfung dieser
Mächte ist eine kriegsnotwendige Aufgabe."
Bei dieser "geistigen Bekämpfung" blieb es allerdings nicht.

Große menschliche und materielle Verluste

Von 4.800 in der folgenden Aufstellung enthaltenen Freimaurern - das
sind etwa 6% der 80.000 deutschen Freimaurer vor der NS-Herrschaft -
sind zwischen 1933 und 1945

1.750 angeblich eines natürlichen Todes gestorben,

62 ermordet,

238 aus Deutschland vertrieben worden,

133 sind verschollen,

254 haben Vermögensschäden erlitten,

377 Amt und Beruf verloren,

285 wurden im Beruf geschädigt

53 ins Konzentrationslager verschleppt.

Der materielle Gesamtverlust der deutschen Freimaurer entspricht über
200 Millionen DM, von dem in langwierigen Wiedergutmachungsverfahren
nur ein Teil zurückerstattet worden ist ( z.B. die Großlogen in
Hamburg erst 1969 ! ) .

Die Ermittlung der Verluste der Annaberger Freimaurer und deren
Wiedergutmachung steht noch aus. Denn obwohl Kommunisten und Freimaurer
oftmals das gleiche Schicksal durch den NS-Staat erleiden mußten,
hatte die DDR-Führung in ihrer kleingeistigen Ängstlichkeit vor
jedwedem intellektuellen Andersdenken nicht die Souverenität
aufgebracht, die Freimaurer zuzulassen.

Verhaltensregeln erschweren Aufklärung

Eine weitere Problematik bei der Aufklärung der Geschichte der
Annaberger Freimaurer ergibt sich aus dem freimaurerischen Schweigever-
und Nachlaßgebot. Die Annaberger Freimaurer hatten sich dazu folgende
Verhaltensregel auferlegt, die auch sehr streng eingehalten wurde:
"Die Mitgliederverzeichnisse, das Gesetzbuch und andere von der Loge
erhaltene Schriftstücke dürfen zur Verhütung von Mißbrauch
keinesfalls in andere Hände übergehen. Sie sind ebenso wie die
maurerischen Bekleidungsgegenstände als Eigentum der Loge zu
betrachten und sorgfältig aufzubewahren. Jeder Br. ist verpflichtet,
Vorkehrungen zu treffen, daß für den Fall seines Einganges i.d.e.O.
deren Einsendung an seinen Bürgen oder an die Loge direkt erfolgt. "

Der Gesellschaft für Deutsch-Sowjetische-Freundschaft diente das alte
Logenhaus in der damaligen Straße der Freundschaft bis 1989 als
Domizil und der Stadt als kultureller Veranstaltungsort. Für die
Heimatforschung liegt hier ein interessantes Aufgabenfeld bereit, weil
nunmehr eine Geschichtaufarbeitung stattfinden könnte, die im
humanistischen und toleranten Sinne der Brüderschaft möglich wäre
und die für andere Bereiche im Umgang mit jüngster Geschichte
Maßstäbe setzen sollte. Den Freimaurern von Annaberg aber - so es
überhaupt noch welche gibt - müßte umgehend Gerechtigkeit
wiederfahren, indem sie ihr altes Logenhaus zurückbekommen und eine
angemessene Wiedergutmachung erfahren. Rückgabe u n d Entschädigung
wäre in diesem Falle für niemanden inhuman.

" Erkenne Dich selbst ! " - stand ehemals über dem Eingang des
Annaberger Logengebäudes, " - es ist höchste Zeit ! ! " - sollte
auch im Sinne einer lückenlosen Aufarbeitung dieses noch immer
verdunkelten Teils unserer humanistischen Erzgebirgs - Geschichte
hinzugedacht werden.

Prof. Gotthard B. Schicker

krish...@gmail.com

unread,
Feb 3, 2015, 1:13:38 PM2/3/15
to erzge...@googlegroups.com, Erzge...@googlegroups.com
Sehr geehrte Brüder,
Der Verkauf des Logenhauses ist bedauerlich. Auch das berufliche Schulzentrum erwähnt nicht, dass es aus der Sonntagsschule hervorging, die Carl Köselitz stiftete, Kaufmann, Friemaurer in der Loge Harmonie, Chemnitz. Die zuständige Dezernentin antwortet nicht auf meien Anfrage. Andere Schulen ehren ihre Stifter mit ihrer Bezeichnung. Ich forsche in dieser Richtung. Wäre es möglich, Ihren Bericht vollständig auszudrucken? Ich möchte einige Fakten daraus zitieren; auch in Ihrem Interesse.
Mit freundlichen Grüßen
Helmut Klemm
Maurer ohne Schurz
Reply all
Reply to author
Forward
0 new messages