De-Formation

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Adorno

unread,
Oct 20, 2009, 8:40:58 AM10/20/09
to Differenz_Theorie
Lieber Erhard, Rolf, Berliner et al.

da es uns aufgrund von in-, de-, oder abduktivem Duktus vom erlesenen
Leit- und Führungstopos Elite wegführte und abtrieb, back into the
wild, was ich aus differenz_theoretischen Motiven heraus begrüsse
(slogan: vers une theorie informelle), die Viablilität der Devianz
erprobend, und der Theo(dor)retiker des Nicht-Identischen als
schmerzlich begehrte Abwesenheit Konturen annimmt, sollte vielleicht
wirklich beim Form-Begriff Zwischenstation gemacht werden:

Wenn man ihn, selber nicht nur eine Art Anagramm des griechischen
morphé, sondern auch mit den Konnotationen der platonischen eidos und
idea Begriffe beladen (und damit der Komplementaritätslogik von
zweien, deren Sehnsucht nach abschlußhafter Ergänzung zur Kugelgestalt
sich erfüllt), wie Baecker nach Spencer Brown, klein zu schreiben
beginnt, welchen, aus ihm selbst hervorgehenden Deformation unterliegt
er dann, als Differenz statt als Identität gedacht, als Differenz auch
nicht von Identitäten, sondern als Differenz von Differenzen:

"...wenn form im Anschluss an den Mathematiker George Spencer-Brown
heißen darf, die Bezeichnung von etwas Bestimmtem erstens im
Zusammenhang dadurch ausgegrenzter anderer Sachverhalte zu sehen und
zweitens zu beobachten, wie diese Ausgrenzung jeweils bewerkstelligt
wird und wie das ausgegrenzte informiert und infiziert, worauf die
Bezeichnung zielt. In der der Form der Unterscheidung ist das
Ausgeschlossene wieder eingeschlossen. Die Unterscheidung unterläuft
sich selbst und gewinnt, nach bewährtem Muster der Dekonstruktion
(nicht zufällig ein Zeitgenosse dieser Mathematik der Form), aus ihrer
Fähigkeit, jetzt noch zu bestehen, ihre Kraft zur Bezeichnung von
etwas." (Baecker, Studien zur nächsten Gesellschaft, S.86)

Bezeichnungskraft fällt also zusammen mit der Schwäche der
Unabdichtbarkeit dem gegenüber, was an Nicht-Selben ins Selbe mit
hineinspielt, mit "Uneindeutbarkeit" (T.Schestag). Aufgrund dessen
müssen vielleicht Robinsonismus und Kooperation letztlich nie einfache
Gegensätze sein:


"Ich möchte Ihnen am Schluss eine Geschichte erzählen, die Ihnen
zeigt, wie die Wirklichkeit selber Vielfalt nebeneinander stellt und
es von uns abhängt, ob sie zur Kooperation oder zum Robinsonismus
führt. Im Wintersemester 1968/69 hier in Frankfurt, mitten in der
Kampfzone studentischen Protests, in Adornos Todesjahr, übernimmt der
Soziologe Niklas Luhmann die Vertretung von Adornos Lehrstuhl an der
Johann Wolfgang Goethe Universität. Adorno brauchte ein Freisemester,
er will seine ästhetische Theorie fertig schreiben. Sie alle können
sich die Thematik des studentischen Protests vorstellen. Ganz
abgewendet davon hält Luhmann das Adorno Vertretungsseminar mit dem
Titel: „Liebe als Passion“. Vier Studierende sind Teilnehmer des
Seminars. Draußen Besetzung des soziologischen Seminars, später des
Instituts für Sozialforschung, revolutionäre Entwürfe. In dieser Zeit
war Adorno von einer Geliebten verlassen worden. Er suchte
persönlichen Rat bei Luhmann, wenn dieser schon seinem Seminar einen
so vielversprechenden Titel gegeben hatte.

Das ist eine Momentaufnahme aus dem Arsenal der so erfindungsreichen
Autorin, der Wirklichkeit. In einem solchen Laboratorium, in dem
extreme Gegensätze dicht nebeneinander wohnen, entwickelte sich in der
Achsenzeit der Antike (500 vor Chr.) die erste große Philosophie,
entwickelte sich um 1800 die Weimarer Klassik und beinahe hätte es
hier 1968 eine Frankfurter Klassik geben können. Es hätten nur
vorhandene Geister wie Hans Jürgen Krahl, Luhmann, Adorno, Habermas
eng zusammenarbeiten müssen. Von solcher Kooperation kann man sich in
unserer Welt nicht genug wünschen." (http://www.kluge-alexander.de/zur-
person/reden/2009-adorno-preis.html)

Gruß !

Erhard

unread,
Oct 20, 2009, 3:18:43 PM10/20/09
to Differenz_Theorie
Lieber [Herr] Adorno, Liebe Listenteilnehmer

Beim Form-Begriff Zwischenstation zu machen - dieser Forderung
schließe ich mich gerne an.
Zumal die Formtheorie ja schon in einigen Facetten theoretisch - aber
auch in ganz handwerklich-praktischen Übungen - hier in der Liste kurz
angegangen wurde. Ich muss gestehen, dass ich im praktischen Umgang
mit der Formtheorie - oder wie Rolf an anderer Stelle sagt: mit dem
Formenkalkül, das Luhmann mit Derrida's Differance-Ansatz [...]
vermengt habe - keinerlei Übung habe. Um so mehr würde ich mich gerne
darauf einlassen. Zumal die Luhmann-Schüler (wenn diese verkürzte
Schreibweise mal geduldet wird) hiervon ja vermehrten Gebrauch machen,
wie man aus Rolf's Hinweis auf Baecker's Kommunikationsbuch, aber auch
aus den gestrigen Berliner Exzerpt-Beitrag zum neuen "Freiheits-
Manuskripft" von Peter Fuchs (http://www.fen.ch/texte/
gast_fuchs_freiheit.pdf), ersehen kann. Adornos Zitat aus dem
Medientheater (Baecker, Studien ... , 2007, 81ff) soll hier nicht
vergessen werden.


Bei mir im Hinterkopft steht zudem noch der Sinn-Abschnitt in
"Gesellschaft der Gesellschaft" (Bd. 1, 44-59), weil hier nochmals die
Medium-Form-Unterscheidung zum Einsatz kommt, um "Sinn als
Grundbegriff der Soziologie" - letztmalig - zu (re)formulieren: Sinn
ist das nicht-negierbare Universalmdedium, welches die autopoietischen
Systemtypen Bewußtsein und Kommunikation, - mit den ihnen je eigenen
spezifischen beobachtenden Operationen - Gedanken und Kommunikationen
- , erzeugen und strukturdeterminiert abwandeln. Auch einer mit
inkongruenten Perspektiven arbeitenden Soziologie stehen weder ein
anderes Medium, noch andere Operationsweisen zur Verfügung. Auch sie
kann nicht mehr als reflexiv Unterscheiden und Bezeichnen. Eine andere
Empirie steht der Soziologie als Erfahrungswissenschaft nicht zur
Verfügung.


Das es in Frankfurt (schon) um "Liebe" ging, war mir gar nicht mehr in
Erinnerung. Danke für den Hinweis.

Schön das Adorno wieder da ist! (Das Nicht-Identische, die Solidarität
mit der - ontologischen - Metaphysik im Augenblick ihres Sturzes qua
Negativer Dialektik oder die soziologische Umgründung des Denkens von
Identität auf Differenz lasse ich für heute mal ruhen. Ich will ja
keine schlafenden Hunde wecken. )

Lady ruft!

Gruss
Erhard

Rolf Todesco

unread,
Oct 21, 2009, 5:18:26 AM10/21/09
to differen...@googlegroups.com
Lieber Erhard
 
quasi aus dem off der Rolf-Perspektive (Im realy bad):
 
> Auch einer mit
> inkongruenten Perspektiven arbeitenden Soziologie stehen weder ein
> anderes Medium, noch andere Operationsweisen zur Verfügung.  Auch sie
> kann nicht mehr als reflexiv Unterscheiden und Bezeichnen. Eine andere
> Empirie steht der Soziologie als Erfahrungswissenschaft nicht zur
> Verfügung.
 
Das Fatale an dieser Formulierung besteht für mich darin, dass der Unterschied
zwischen was kann ich sehen und wie die Dinge wirklich sind, aufgehoben ist.
 
Wenn ich mir keine Soziologie ohne Sinnmedium vorstellen kann, weil ich gar nicht
anders hinschauen kann, dann scheint es mir, es könne keine solche Soziologie
geben.
Aber die Differenz zwischen es IST so und ich beobachte es so kann natürlich
so fundamental veranschlagt werden, wie jedweder Sinn.
 
Eine Differenz wäre hier wohl - um handwerklich zu üben, wie es Laien und Barbaren tun -
Soziologie als Differenz = Sinn-Soziologie / Soziologie // Beobachtung
 
Aber vorstellen könnte ich mir auch eine sklavengeschichtliche Differenz
Rhetorik = Rhetorik / Subjekt // Autor
 
in welcher die ich-Formulierung (was sehe ich, was kann ich sehen) aufgehoben
wird.
 
Herzlich
Rolf

Erhard

unread,
Oct 21, 2009, 5:45:24 PM10/21/09
to Differenz_Theorie
Lieber Rolf, Liebe Liste


ich bin im Moment sehr unsicher, ob ich deine Fragen und Äußerungen -
lieber Rolf - halbwegs richtig verstehen und eine auch nur ansatzweise
passende - argumentative, freundschaftliche, hilfreiche, neugierige -
Antwort zu stande bringe. Also wieder ein "Fenstersturz"? Ich springe
mal in den Text:


On 21 Okt., 11:18, "Rolf Todesco" <tode...@hyperkommunikation.ch>
wrote:
> Lieber Erhard
>
> quasi aus dem off der Rolf-Perspektive (Im realy bad):
>
> > Auch einer mit
> > inkongruenten Perspektiven arbeitenden Soziologie stehen weder ein
> > anderes Medium, noch andere Operationsweisen zur Verfügung.  Auch sie
> > kann nicht mehr als reflexiv Unterscheiden und Bezeichnen. Eine andere
> > Empirie steht der Soziologie als Erfahrungswissenschaft nicht zur
> > Verfügung.
>
> Das Fatale an dieser Formulierung besteht für mich darin, dass der Unterschied
> zwischen was kann ich sehen und wie die Dinge wirklich sind, aufgehoben ist.
>

Es mag sein, dass ich etwas weniger apodiktisch hätte formulieren
sollen. Nach längerer Theorieabstinenz fehlt mir gleichsam die Übung
im "irrtumsbereiten" Formulieren. Andererseits frage ich mich, ob es
nicht auch ein wenig >>in der Sache<<< liegt, - obwohl klar ist, dass
jeder Beobachter gleichsam gehalten ist, Externalisierungen zu
vermeiden -: so, wie eine Definition oder Formbestimmung von "Text"
möglicherweise nur als Text vollzogen werden kann, so wie Sprachkritik
an das Medium Sprache gebunden bleibt, so scheint es auch mit der
Unhintergehbarkeit bzw. Nicht-Negierbarkeit von Sinn zu stehen: auch
die Negation von Sinn muß Sinn machen.




> Wenn ich mir keine Soziologie ohne Sinnmedium vorstellen kann, weil ich gar nicht
> anders hinschauen kann, dann scheint es mir, es könne keine solche Soziologie
> geben.

Von der - [fatalen] - Nicht-Negierbarkeit von Sinn auf die -
[subjektive ?] - Unmöglichkeit von Soziologie zu schließen halte ich
für eine spannende These. In welcher Fakultät würde eine entsprechende
Dissertation bzw. Habilitation zu schreiben sein?


> Aber die Differenz zwischen es IST so und ich beobachte es so kann natürlich
> so fundamental veranschlagt werden, wie jedweder Sinn.

Vielleicht hilft bei mir ja etwas mehr Übung, um das IST abzumildern.
Ansonsten könnte eine neugierige Lektüre der Medium-Form-
Unterscheidung gemeinschaftlichen Erkenntniszuwachs bringen- [vermute
ich!].

> Eine Differenz wäre hier wohl - um handwerklich zu üben, wie es Laien und Barbaren tun -
> Soziologie als Differenz = Sinn-Soziologie / Soziologie // Beobachtung
>

Eine entsprechende Differenz hat es ja anscheinend bei den
Gründerväter der Soziologie gegeben:

Soziologie = Wirklichkeitswissenschaft\Erfahrungswissenschaft //
Philosophie/Religion/Literatur/Metaphysik [Nicht-Wissenschaft]

Aber meine These lief ja gerade daraufhinaus, dass Beobachtung eine
Operationsweise im Medium Sinn ist und nicht als sinnfreies Verfahren
begriffen werden kann. Beobachten heißt nicht Wahrnehmen. Der Witz ist
ja, dass der abstrakt-formale Beobachtungsbegriff als operative
Einheit von Unterscheiden-und-Bezeichnen empirisch-phänomenologisch
durch ganz unterschiedliche Akte des Sprechens, Denkens,
Kommunizierens, Schreibens, Messens, Rechnens etc sich realisieren
kann. Und mein Akzent lag eben darauf, dass verstehende Soziologie
auch als beobachtende Soziologie begriffen werden kann. Oder um es
nochmals betriebswirtschaftlich zu reformulieren: Wenn die
Wissenschaft Soziologie gleichsam die beiden Kostenstellen "Theorie"
und "Empirie" in ihrer Buchhaltung hat, dann rechne ich
'formtheoretische Beobachtungen' schlicht über das Empiriekonto ab.
Das kann sich natürlich als Fehlbuchung herausstellen. Buchhaltung
ist halt nicht meine Stärke!

> Aber vorstellen könnte ich mir auch eine sklavengeschichtliche Differenz
> Rhetorik = Rhetorik / Subjekt // Autor
>

Da kenne ich mich nicht aus und müßte mich ganz deinen
Ausführungskünsten bzw. einem kurzen Literaturhinweis anvertrauen.
Also komplettes Nicht-Wissen auf meiner Seite!


> in welcher die ich-Formulierung (was sehe ich, was kann ich sehen) aufgehoben
> wird.
>
> Herzlich
> Rolf


Vielleicht noch eine Anmerkung: ich weiß nicht, ob die soziologische
Figur des Beobachters ein Einzelindividuum, das ich zu sich sagen
kann, meint. Ich denke nicht. Insofern ist die Methodik der
>>Vereinbarungseinladung<< mit der Figur des >>Ich-Beobachters<< bzw.
der Praxis der >>ich-Formulierung<< , wie sie deine Texte kennzeichnen
und auch als Kriterium und Entscheidungsinstanz durchziehen, fast so
etwas wie eine inhaltliche Vorentscheidung qua Methodenpräferenz. Das
wir im Alltag und in dieser Liste ebenso verfahren, muß nicht betont
werden [muß ich nicht betonen!]. Eine solche Methodenpräferenz kann
bei anderen Themen und Theoriegestalten - oder Sinnzusammenhängen -
auch zur Erkenntnisblockaden führen. Ob sich das Thema Diferenztheorie
(n) unter diesen Prämissen entschlüsseln läßt, müßten wir mal
durchdenken. Wie könnte ich Hegel oder ein Mathematikbuch lesen, wenn
ich Wissen nur als ">ich-Formulierungen<" entziffern bzw. aneignen
kann. -: Lieber Rolf, ich weis es einfach (noch) nicht anders zu
formulieren. Aber ich lass es jetzt mal so stehen.

Übrigens werden ich heute zum Einschlafen nochmals >>Walden III<<
lesen, von dem ich seinerzeit fasziniert war.

D a n k e

Erhard

Rolf Todesco

unread,
Oct 21, 2009, 7:27:58 PM10/21/09
to differen...@googlegroups.com
Lieber Erhard
 
ich lese Deine Antwort als Einladung, die ich sehr gerne aneigne,
das heisst: die ich so auch hätte schreiben können. Ich erkenne
gerade darin Gemeinschaft.
 
Aber nicht Gemeinschaft bezüglich einer Disziplin wie Soziologie
oder noch schlimmer, bezüglich einer Organisation, die qua
Dissertationen oder Habilitationen eine Ideologie durchsetzt.
 
Ich springe also in Deinen Text von hinten nach vorn, es ist sozusagen
nicht ein Aus-dem-Fenster, sondern ein Hinein-durch-das-Fenster.
Wie lese ich Hegel oder ein Mathebuch? Ich lese es als Einladung.
Ich frage mich nicht, was der Autor gemeint haben könnte, sondern
ob oder unter welchen Bedingungen oder Voraussetzungen ICH die Sätze,
die Formulierungen aneignen kann/könnte.
 
Natürlich habe ich bei Hegel und in der Mathe das Problem, dass ich in der
Formulierung kein Ich finde, was die unmittelbare Aneignung praktisch
unmöglich macht. (Ich habe gerade die Sokrates/Plato-Fiktion vor mir liegen, die
in ich-Form geschrieben ist, aber so, dass ich mich trotzdem kaum oder viel mehr
gar nicht erkennen kann.)
Meine Interpretation bei Hegel und Mathe besteht also darin, die Sätze
in eine ich-Form zu bringen. Ich versuche nicht zu verstehen, was gemeint sein
könnte, sondern ich ver- oder untersuche die Formlierung. Das ist natürlich
Interpretation.
 
Nun weiss ich gut, dass (nicht nur) Soziologen das ICH oder den ich-Beobachter
ausschliessen. Ich glaube, sie müssen es tun, weil er sich mit Sinn nicht verträgt,
aber da mag ich mich irren. Ich teile Deine Formulierung "einer inhaltlichen
Vorentscheidung qua Methodenpräferenz". Der Disput zwischen H. Maturana und
N. Luhmann wäre mir ein Bild dafür. Allerdings fängt für mich die Geschichte erst
hier an. Es geht mir nicht darum, Methoden zu konstatieren und dann zu resignieren,
sondern darum, warum ich welchen Präferenzen nachhänge. Genau diese Frage
stelle ich mir aber (vielleicht wie M. Foucault?) gerade nicht. Ich frage - diskursiv -
eben nach Formulierungen.
 
Ich glaube, wer im Sinn denkt, kann mein ich schlecht verstehen. Es ist ein
kybernetisches "ich", wie ich es in der Linie Wiener, Bateson, Förster, Maturana
(nur) durch sehr viel Interpretation erkennen kann. Ich teile also auch Deine
Formulierung, dass die Soziologie nicht die "Figur des Beobachters ein Einzelindividuum,
das ich zu sich sagen kann, meint."
Nur, das meine ich auch ohne Soziologie und ohne Sinn nicht. Mein Ich ist eher
ein buber´sches Komplement zum Du ...
Huch so kommenich weit ab vom guten Weg, ich lass vorderhand auch mal die
Rhetorik der Sklavenhalter beseite, weil das auch in eine Laien-Philosohie
ausarten müsste.
 
Ich würde vorerst viel lieber handwerklich bleiben, also Differenzen FORMulieren,
um zu begreifen, was es damit auf sich hat.
 
Herzlichst
Rolf
 

Und dass Du Dich an Walden erinnerst, freut mich ungemein. Vielleicht wäre
der Behaviorimus von B. Skinner für uns ein Weg, auf welchem wir uns nicht
immer in Luhmannschen Vorstellungen verstricken müssten. Ich dachte mit
Differenz-Theorie ohnehin vor allem "weg-von-nur-Luhmann-ist-(System)Theorie"
 
Vielleicht könnten wir auch N. Wieners Kybernetik schauen und  dabei natürlich
schauen, was (welche Differenzen) dort durch die Theorie Luhmanns zu sehen wäre
 
Jetzt lese ich das alles nochmals weit nach Mitternacht, ach, ich weiss gar nicht,
was ich davon noch sagen könnte, es ist alles zu viel
 

Rolf Todesco

unread,
Oct 22, 2009, 5:17:40 AM10/22/09
to differen...@googlegroups.com
Lieber Erhard, liebe Gruppe
 
ich habe gestern nach Mitternacht geschrieben, dass ich
zu viel reingepackt habe. Also will ich es jetzt reduzieren, was mir
aber nur durch noch mehr gelingt.
 
Also nochmals das Herz:
Ich würde vorerst viel lieber handwerklich bleiben, also Differenzen FORMulieren,
um zu begreifen, was es damit auf sich hat.
 
Dabei dachte ich an die Logik von G. Spencer-Brown und eben nicht an die
eigenwillige Verwendung dieser Logik bei N. Luhmann. Ich versuchte früher
in der Luhmann-Liste diese Differenz zu thematisieren, damit war ich aber
dort am falschen Ort, weil es dort eben um die Luhmann-Verfassung geht,
während es mir darum ginge, dass man die Differenz von G. Spencer-Brown
ja auch ganz anders begreifen kann, nämlich so, dass die Luhmannsche Art
in der Differenz sichtbar wird.
 
Hintergrund ist die Vorstellung, dass G. Spencer-Brown als Kybernetiker gelesen
werden kann, was ja H. von Foerster andeutungsweise versucht hat. Ich kenne
G. Spencer-Brown persönlich ziemlich gut. Ich habe ihn drei Tage durch Zürich
geführt. Was mir geblieben ist, ist sein Grundpostulat, seine Setzung oder
seine Methodenpräferenz:
Wir wissen nur Mathematik, wer irgendetwas anderes weiss, der ist ein Idiot.
Er sagte zu mir: Du bist ein Idiot. Und er sagte hinter meinem Rücken, ich
sei ein cleverer Kerl. Ich konnte als cleverer Kerl sehr genau nachvollziehen,
warum ich ein Idiot bin.
 
Also zur Sache: Es geht um Differenzen, in welcher die Alltagsvorstellung, die
von N. Luhmann unterhalten wird, als Differenz erscheint. Es geht darum, dass
Sinn nichts letztes sein kann und dass das Verstehen von Mitteilungen ein
aus dem Alltag überkommenes, naives Denken darstellt.
 
Ich glaube, dass diese Differenz als "Beobachten" bezeichnet werden kann. Wir
müssten also das Beobachten entfalten.
(Wenn ich die Luhmannliste auch nur ein bisschen adäquat gelesen habe, ging
es dort im Wesentlichen darum, die Beobachtung, den Beobachter und das
Beobachten in die Position "Es darf nicht genannt werden" zu kriegen. Das wird
dort als Invisibilisierung bezeichnet, wobei gerade diese Invisiblisierung nicht
gemeint ist, weil sie dort als bewusste Methodenpräferenz gesetzt ist. Das nur
in Klammer)
 
Vorschlag: Wir rücken das Beobachten ins Zentrum unserer Differenzen.
 
Dann fragen wir uns, wozu Sinn und Verstehen gut sein könnten, oder welche
"Probleme" damit gelöst werden. Auf der anderen Seite der Unterscheidung sehe ich
die klassische Systemtheorie als Kybernetik, also beispielsweise die Auffassung von
von Kommunikation, die C. Shannon beschrieben hat, wo von Sinn und Verstehen
rein gar nichts steht.
Durch eine solche Differenz könnte die Soziologie und jene von N. Luhmann
sichtbar werden.
 
PS: Das ist leider wieder ein grosser Brocken, ich komme nicht umhin
 
Herzliche Grüsse
Rolf
 
 

Pluto der Planet

unread,
Oct 22, 2009, 9:09:30 AM10/22/09
to differen...@googlegroups.com

Lieber Rolf,

 

Sie sind frustriert, kann ich verstehen, Sie möchten etwas in Bewegung setzen, was nun mal nicht geht: Die Vereinigung des Unvereinbaren. Sie wollen – bewusst oder unbewusst – die Welt der Techniker, also die Welt der erfolgreichen Macher, die in ihren Ergebnissen immer eine endliche Welt ist, zusammenbringen mit der Welt der Denker, die eine undendliche Welt ist mit imaginären Möglichkeiten. Was Sie vereinigen wollen, damit am Ende eine vereinbarungsfähige Klarheit herauskommen soll, ist auf der einen Seite der Funktionalismus, wie auch Luhmann einen anbietet, und der von den Philosophen Konstruktivismus genannt wird, und auf der anderen Seite steht der alteuropäische ontologische Realismus, der eine Welt postuliert und voraussetzt, an die wir kleinen endlichen Wesen, die wir im gelebten Leben mitten drin stecken, gar nicht herankommen, weil wir immer nur sehen können, was wir sehen, was wir mit unseren Wahrnehmungen eben wahrnehmen und am Ende immer – durch die Externalisierungen unseres armen Gehirn  verführt – dann als „wahr“ annehmen. Mehr bleibt uns eben nicht übrig.

 

Das Sie das Glück hatten, diesen seltsamen großen Mann und singulären Denker Georg Spencer Brown leibhaftig  drei Tage lang durch Zürich zu führen, haben Sie aber uns allen bis heute verheimlicht. Dass Sie das berührt und im Inneren gewiss auch verändert hat, kann ich mir lebhaft vorstellen. Was muss das für ein Mann sein, von dem die einen sagen, er sei ein begnadeter Mathematiker gewesen, und den andere für einen Spinner gehalten haben. Ein ambivalenter Mann und Mensch also, einer der zwei so verschiedene Sorten Bücher schreiben konnte wie „Die Gesetze der Form“ auf der Kalkülseite der Mathematik und die beiden Bücher „Das Spiel geht nur zu zweit“ und „Löwenzähne“ auf der Seite der Kontemplation.  Dass es ihn selber immer hin und her gerissen hat zwischen diesen beiden Weltsichten, zeigt dann sein letztes Buch „Wahrscheinlichkeit und Wissenschaft“. Eine kluge Frau, Sylvia Taraba, hat versucht, sich in zwei Schritten dieser oszillierenden Weltsicht auflösend, erkennend, einsehbar, mit den Mitteln der Deduktion zu nähern. Das Buch heisst „Das Spiel, das nur zu zweit geht“ (im Carl Auer Verlag, 2005). Das ist der erste Band ihres Klärungsversuches. Man wird nicht sagen dürfen, sie sei gescheitert. Dirk Baecker hat ihr in seinem liebevollen und liebenswürdigen und sehr einfühlend höflichen Vorwort auch bescheinigt, sie habe das hier Machbare tatsächlich gemacht. Er hat aber auch – beschwichtigend – angedeutet, das es wahrscheinlich eines zweiten Bandes gar nicht mehr bedürfe, eben weil sie, die Dame Taraba, das zu sagen Mögliche ja gesagt habe. Ihr angekündigter zweiter Band ist auch nicht erschienen. Das Tarababuch hat den überraschenden und ungewöhnlichen Untertitel „Die seltsame Schleife von Sex und Logik“. In ihrem ersten Band beschränkt sie sich aber auf die Logik und spricht noch nicht vom reichen Reich des Sexes. Deshalb heisst der Untertitel des ersten Bandes, der also ein Untertitel des obigen Untertitels ist: „Band 1: Logik; Eine Logologik der >Gesetze der Form< von Georg Spencer Brown“.

 

Nun kann ich unmöglich das gesamte Vorwort des Dirk Baecker zu diesem Buch hier zitieren. Es ist aber – gerade im Zusammenhang unseres Themas hier, die wahren Differenzen einzufangen – sehr informativ und zur Sache, die allem zugrunde liegt, sehr aufschlussreich. Ich kann nur empfehlend darauf hinweisen. Baecker weist hin, wenn es um Sex und Logik geht, also auf die grosse Differenz zwischen dem Menschlichen, dieser Mischung aus Körperlichem und Geistigem, und seinem Produkt, eben der Logik, auf „…das Ungenügen großer Theorien von der Psychoanalyse über die Philosophie bis zur literarischen Theorie.“ Dieses Ungenügen konnte auch Spencer Brown nicht beseitigen. Wenn er – nach ihrem Zeugnis – gesagt hat, wir wüssten eben nichts als Mathematik, und wer irgendetwas anderes wisse oder behaupte, der sei ein Idiot. Nun ist idiotes der Privatmann, jener Weise, der in Athen nicht auf den Marktplatz geht, sich nicht auf die Agora begibt, dieses Streitplatzes des Wortstreites, der nicht in die Rostra steigt um mehr oder weniger dogmatisch seine Meinung zu sagen. Dem privatisierenden Idioten dieser Sicht kümmert der ewige Streit der Politik nicht, weil er zu wissen glaubt (sic), dass es zwischen Denken und Fühlen keine artikulierbare Brücke gibt. Wer fühlt, der kann mit sich stets im Reinen sein. Deshalb sollte man auch niemals über Religion und Gott reden. Wenn man solchen schwer denkbaren Welten fühlend nahe ist, dann ist schon alles in der Ordnung, die der Mensch anstrebt und braucht.  Spencer Brown hat tatsächlich recht: Ausser der Mathematik, die als Konstruktion allein unser Werk, das Werk des Menschen ist, besitzen wir an Wissen gar nichts. Und was ist diese Mathematik? Auch nur eine große Erzählung, sogar die allergrößte. Denn die Mathematik ist mindestens so undurchschaubar wie die Welt und das Universum es auch sind. Die Mathematik ist reines Menschenwerk und dennoch – scheinbar – so verblüffend exakt, dass die Techniker. Die Macher also, immer glauben, die Mathematik bilde die Welt ab, weil so mancher Zahlenzauber, bis hin zur Gruppentheorie und Topologie und der Statistik mit ihrem Gesetz der großen Zahl und mit ihren Verwegenheiten des Unendlichkeitskalküls so verblüffend oft zu passen scheint auf die empirischen Ergebnisse. Darüber soll sich sogar Einstein gewundert haben. Aber die Exaktheit der Mathematik ist – im Großen gesehen – auch nur ein Trugschluss, ein menschlicher eben. Das zeigt doch die sogenannte Mathematikkrise von 1900, die leider bei den meisten in Vergessenheit geraten ist: Die Mathematik hat kein Fundament, sie hängt mit ihren gesetzten Prämissen als unbeweisbare Axiome vollkommen in der Luft. Auch die Mathematik hat die zwei Streitparteien hervorgebracht: die Axiomatiker und die Intuitisten. Deshalb haben sich französische Mathematiker zusammengeschlossen zu einem Pseudoautor, den sie als ihren idealen Gesamtmathematiker dann Bourbaki nennen. Und Bourbaki hat festgestellt: Nichts lasse sich feststellen. Soviel zur Mathematik als der einzigen wahren Quelle des Wissens.

 

Ob die Linie Wiener, Bateson, Förster, Maturana wirklich EINE Linie ist, darf füglich auch bezweifelt werden. Nehmen wir nur den herausragenden Heinz von Förster, der nun alles war: Ein Physiker, ein Mathematiker, ein Physiologe, ein Rechner und Errechner, ein Kybernetiket, aber in der spezifischen – idiotischen = privaten – Sonderform des Kybernetiker zweiten Grades. Und dieser zweite Grad, als Ausweis der Reflexion über die Reflexion, der sagt schon alles. Sie, lieber Rolf sprechen abschätzig über die „Rhetorik der Sklavenhalter“. Das ist recht und billig, wenn sie das politisch meinen. Alle Regierenden, also alle Mächtigen, auch die mächtig von uns zur Macht Beauftragten, sie agieren alle mit einer Schweine-Rhetorik um uns, das Volk, kleinzuhalten. Aber nur, weil auch die Mächtigen sich der Rhetorik bedienen, darf man die Rhetorik nicht gering schätzen, weil sie eben alles ist, was wir haben. Alles ist Rhetorik, also Gesagtes (und dann eben leider auch geschriebenes, wie Plato schimpfte), und alles Gesagte kann eben immer auch anders gesagt werden. Die Rhetoren von Athen, die sich für dieses (ihr) Wissen bezahlen liessen, die ersten Intellektuellen also, deren Wissen nichts weiter war als eine (vergängliche) FORM im MEDIUM der Intellektualität, diese intellektuellen Rhetoren waren keine Schweine. Sie waren ja die Aufmüpfigen. Deshalb hat sie Platon, der Autor von „Der Staat“,  so gehasst. Streng genommen war Platon nämlich ein unbelehrbarer Dogmatiker. Er wollte in seiner Akademie nur im Gehen reden und lehren, alles mit der schönen Ideologie, falls einer etwas nicht verstanden haben sollte, dann könne er ja bei ihm, dem Meister, zurückfragen. Der Meister nämlich, der würde sich dann schon „herausreden“. So gesehen war nämlich er selber, der schöne Herr Plato, ein Erz-Rhetoriker selber, denn er wollte sich nicht festlegen lassen. Deshalb hat er so obstinat auf das Teufelswerk der Schrift geschimpft. Seitdem verbieten alle Diktatoren die Bücher, die ihnen nicht genehm sind. Und deshalb hat Dirk Baecker im letzten Satz seines Vorwortes zu „Form und Formen der Kommunikation“ klargestellt, „…warum bei aller Bewunderung immer auch verdächtig ist, wer sich auf die Kunst der Rede versteht.“ DIE KUNST der Rede, bitte sehr, nicht die Wissenschaft der Rede, die gibt es nämlich nicht, trotz aller seit über zweitausend Jahren überlieferten Regeln der Rhetorik.

 

Weil es bei dieser Länge schon nicht mehr darauf ankommt, noch ein abschliessendes Zitat von Baecker aus seinem Vorwort zum Taraba-Buch: „Im unruhigen Zentrum des vorliegenden Buches steht die Theorie des imaginären Wertes, die mit den philosophischen, logischen und mathematischen Mitteln so genau erläutert wird, dass das Buch mit Fug und Recht als eine umfassende Einführung in dieses Thema gelten kann. Dabei wird nicht zuletzt deutlich, dass das eigentliche Thema des imaginären Wertes weniger das Land des Imaginären ist, das von diesem Wert aus zu erschliessen wäre, als vielmehr der Blick zurück auf das [wacklige!; Der Berliner] Land des Eindeutigen und Entschiedenen, des Wahren oder Falschen, Männlichen oder Weiblichen, Mächtigen oder Ohnmächtigen, Klugen oder Listigen, das man dank dieses Wertes für einen Moment hinter sich lassen kann, in diesem Moment auch genauer erkennt als wenn man praktisch handelnd mitten in ich steckt. Der imaginäre Wert, wie ihn die Mathematik aus i = Wurzel aus minus Eins gewinnt, ist keine Pforte in das Land der Träume, sondern ein Kulminationspunkt, der für einen Moment die Oszillation sichtbar und Erfahrbar macht, aus der die Wirklichkeit gewonnen und gebaut ist, das Sowohl-als-Auch und Keins-von Beiden, das in der Geschlechtlichkeit [sc. wie in allem; Berliner] zum Kick und zum Ereignis wird.“

 

Lieber Rolf, ich fürchte, Ihnen wie mir [zwei alte unbelehrbare Sozialisten, oder?] ist nicht zu helfen.

 

Gruss vom Berliner.

       

Erhard

unread,
Oct 23, 2009, 4:20:13 PM10/23/09
to Differenz_Theorie
Lieber Rolf, Liebe Liste


dass Du meine Antwort als Einladung lesen konntest, freut mich. Und
mit der abschließenden Konsequenz, lieber vorläufig handwerlich zu
bleiben/werden, um mit Formen/Differenzen - im Sinne von
Begriffsverwendungen oder sozial praktizierten Sichtweisen -
gleichsam praktisch erprobend umzugehen, kann ich mich einverstanden
erklären. Da Du an anderer Stelle mal - provokativ !?- gefragt
hattes, ob wir Soziologen denn mit dem Thema/Beispiel >>Text<< nichts
anfangen könnten, würde ich gerne einen Zufallsfund als Beispiel in
die Listen-Diskussion einspeisen. Das werde ich aber an der
entsprechenden Mail machen.

Bei deiner Methodenpräferenz für "Einladungen" - ich nenne das jetzt
einfach mal so - und meinem Hinweis/Fragen, ob die Betonung des ICH's
da nicht auch die Chance hat, zum Erkenntnishindernis zu werden,
kreisen meine Gedanken noch ein wenig. Ich erinnere mich an eine
meiner Jugendlektüren - Peter L. Berger, Einladung in die Soziologie,
die damals wohl meine "Weltneugierde" beflügelt hat. Bei der Frage,
wie denn das Fach Soziologie heute seine Einladungen überbringt, ist
mir nur die Internet-Seite mit dem bekannten Video von Hartmann
erinnerlich. Auf dieser Seite werden weitere sehr unterschiedliche
Gesichter der Soziologie gezeigt. Das dazugehörige Buch kenne ich noch
nicht. Aber die Interviews selber sind ja recht spannend - zumindest
mal unter der erkenntnisleitenden Frage, was man sich denn von
zukünftigen Soziolgen wünscht und wie diese denn mit ihrem >>Ich<<
(und anderen Organen der Erkenntnis) produktiv umgehen sollten. Für
dich vielleicht ganz spannend - zumal von Luhmann dort fast keine Spur
zu entdecken ist.

Für mich selber habe ich heute nochmals eine ganz andere Einladung in
die Soziologie erhalten. Dem hier schon erwähnten Luhmann-Seminar in
Frankfurt 1968/69 lag ja ein Text zugrunde, der aus dem Nachlass erst
jetzt publiziert wurde. Für mich ist der frühe phänomenologische
Luhmann ein echtes Geschenk. Ein Buch über Liebe, das mit Liebe
geschrieben wurde. Hier ist der Beobachter ohne Beobachtungstheorie am
Werk, der noch mit - fast - alltagssprachlichen Begriffsmitteln die
Grenze von vertraut/unvertraut, - die jede soziologische Beobachtung
kreuzen muss - , experimentierfreudig, neugierig und einladend
überquert. Ich wäre gerne dabei gewesen.


Herzliche Grüsse

Erhard






On 22 Okt., 01:27, "Rolf Todesco" <tode...@hyperkommunikation.ch>
wrote:

Rolf Todesco

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Oct 24, 2009, 12:35:06 PM10/24/09
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Lieber Erhard
 
nur kurz zu:
> ob die Betonung des ICH's da nicht auch die Chance hat, zum Erkenntnishindernis zu werden,
Ich bin sicher, dass ICH erkenne -im Wortsinn von Adam erkannte Eva und sie gebar ihm einen Sohn.
Ich erkenne, was ich mit meinen Beobachtungen und Unterscheidungen erkennen kann. Alles
andere erkenne ich nicht. Mein Haus hat sozusagen nur ein Parterre, keine höheren Etagen, von
wo aus ich mehr sehen könnte. Ich kenne auch keine Riesen, auf deren Schultern ich stehen
könnte.
Ich bin sozusagen das Hindernis, dass keine Erkenntnis durchlässt, die andere schon haben,
aber von mir nicht gesehen werden kann. Nicht meine Formulierung mit dem ICH, ist das
Hindernis, sondern ich.
 
Und wenn mich Erkenntnis einmal zu interessieren beginnt, suche ich zuerst nacht Differenzen.
Spontan probiert vielleicht: Konstruktivismus= Konstruktivismus/Erkenntnis(theorie) im Kontext
von erfinden/entdecken.
 
Herzlich
Rolf

Rolf Todesco

unread,
Oct 24, 2009, 1:34:44 PM10/24/09
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Lieber Berliner
 
ich weiss nicht genau, was mit frustriert bezeichnet wird, aber ich bin sehr wohl,
es geht mir genau recht. Ich will auch nichts vereinigen, ich gehe vielmehr davon
aus, dass ich INNERHALB der Gemeinschaft lebe. Ich muss und kann sie nicht
herstellen. Wenn ich wollte, könnte ich a la C. Snow zwei "Kulturen" trennen und
deren Unvereinbarkeit beklagen.
 
Ganz vordergründig scheint mir, dass ich in einer Sprache lebe, die eine
Gemeinsamkeit anzeigt. Ich kann mir nicht vorstellen, dass mein Sprechen
Ausdruck einer vergangener ( durch meine Vor-Vorahnen) oder einer gegenwärtiger
Bemühung um Gemeinschaft zwischen Getrennten entspringen könnte. Vielmehr
begreife ich durch mein Sprechen (also dia logos), worin ich lebe.
 
Ich kenne nicht nur G. Spencer-Brown sondern auch Frau Taraba ziemlich gut.
Wir haben uns eine lange Zeit über Kapital und Arbeit unterhalten, wobei ich mich
in der Tat als unbelehrbarer Sozialist entpuppte - das ist aber nicht politisch
gemeint, sondern eben mehr weltanschaulich, was ich auch mit Materialismus
umschreiben könnte. Und deshalb kann ich auch schreiben, was ich geschrieben
habe: Text nehme ich jenseits aller Differenzen als Artefakte (Tangibiles um ein
schönes Wort unseres Adornos zu benutzen) wahr. Und ohne weiteres lasse
ich das als Methodenpräferenz bezeichnen. Ich sehe mit Händen und Füssen
(um einen Ausdruck von H. Maturana zu verwenden). Text (oder wie J Derrida
genauer: das, was ich Text nenne ..) kann ich anfassen.
 
Herzlich
Rolf

Pluto der Planet

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Oct 24, 2009, 4:06:18 PM10/24/09
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Lieber Rolf, lieber Erhard, liebe Differenztheoriegruppe,

 

so wie die die Dinge nun einmal offensichtlich sich mir zeigen, bleibt mir wohl nur der Rückzug in meine eigene Denkwelt und auf das Feld meiner eigenen Artikulationsweisen und Unterscheidungsmethoden. Auch mein zweiter Anlauf, an einer freien Liste teilzunehmen, weil ich – in diesem Falle trotz Luhmann, der ja immer betont hat, die Macht des Dissenses sei immer stärker als der Konsens – wohl doch immer unbewusst geglaubt hatte, es liesse sich mit gutem Willen und Geduld wenigstens in groben Umrissen redend und schreibend Konsens erreichen. Obwohl ich mich 1975 lesend, denkend und schreibend bewusst von der Habermaswelt abgewandt habe und bewusst ein Luhmannianer werden wollte, bin ich – in diesem Punkt - offensichtlich doch ein Habermasianer geblieben. Ich bin ja inzwischen ziemlich alt, geradezu unverdient alt, und vielleicht schickt es sich da wirklich, wenn ich mich zu meiner eigenen Selbstvergewisserung aus dieser Liste ausklinke und mich nun auf das Schreiben in meinem BLOG zurückziehe.

 

Ich wünsche dieser kleinen und feinen Liste gute gedankliche Erfolge.

 

Gruss vom Berliner

Rolf Todesco

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Oct 26, 2009, 7:55:04 AM10/26/09
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liebe Differenztheoriegruppe
 
woher kommen die Differenzen?
 
Bei N. Luhmann und seiner Schule und deren Interpretationen von G. Spencer-Brown
scheinen mir die Differenzen sozusagen in der Sprache zu liegen, wobei "der "Forschungs-
prozess oder "die" Beobachtung dann bestimmte Differenzen feststellt. (Als Beispiel
möge etwa die von P. Fuchs konstatierte Differenz zwischen Freiheit und Determiniertheit
dienen. P. Fuchs sagt: Das sei (IST) die Differenz. [Konsens wird wohl darüber bestehen, daß
der absolute oder der schärfste Gegenbegriff von Freiheit Determination ist.])
 
Aber so wie ich die Differenztheorie begreife, ginge es darum zu sehen, mit welchen Differenzen
ich meine Welt analysiere. Es ginge also um die Differenz verschiedener Differenzen. Dabei
hätte ich verschiedene Optionen (Kontingenz). Meine methodische Präferenz liegt dann in der
Dialektik, im Widersprechen. Wenn mir jemand widerspricht, wird er das - differenztheoretisch -
wohl aufgrund anderer Differenzen tun. Und umgekehrt sind die Differenzen, die mir zufallen,
wohl dialektische. Ich erkenne sie, darin dass andere etwas anderes sagen.
 
Herzlich
Rolf
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