Am 14.09.19 um 09:13 schrieb Fritz:
> Am 14.09.19 um 08:59 schrieb klaus r.:
>> Ich war mal sehr für den ö.-r. Rundfunk. Zwischenzeitlich kann man
>> deren Programme nur noch sehen /hören, wenn man politisch voll auf
>> Linie ist. Wie einst in der DDR. Einen Unterschied gibt es
>> allerdings: Wir haben kein Westfernsehen mehr.
>
> k.r. das ist deine Selbsttäuschung, nicht der ÖR hat sich verändert,
> sondern du bist nach Rechts abgerutscht!
Ich für meinen Teil glaube kaum, auf irgendeine Seite abgerutscht zu
sein, aber ich finde es faszinierend, die 20:00-Uhr-Tagesschau von heute
immer wieder einmal mit der von vor zwanzig Jahren zu vergleichen.
Vor rd. zehn Jahren war der Unterschied noch frappierender als heute,
während der Neunziger Jahre muss die ARD-Tagesschau so richtig den Bach
runtergegangen sein. Generell _wirkte_ die gesamte Sprache der »alten«
Tagesschau weniger manipulativ. Sie beantwortete überwiegend die Fragen,
was geschehen ist, wer daran beteiligt war, wo es geschah, wann es
geschah, warum es geschah, welche Absichten und Pläne sich damit
verbinden. Heute wird eher die Frage »Wie fühlen sie sich« beantwortet,
gern mit wenig subtilen Appellen an den leicht manipulierbaren
emotionalen Apparat verbunden.
Dieser Wandel ist natürlich multikausal. Ein mitprägender Grund ist
wohl, dass seit der Schröder-Fischer-Koalition mit allen ihren
fürchterlichen gesellschaftlichen Folgen (bis hin zu einer Verarmung,
die endlich auch bei der gesellschaftlichen Mittelschicht unüberhörbar
anklopft) viele wirkliche Sachdifferenzen im Parlament verloren gegangen
sind, dass es (neben der Linkspartei) keine wirkliche Opposition mehr
gibt. Wenn mir jemand in den Achtziger Jahren prophezeiht hätte, dass
ausgerechnet eine CDU-geführte Regierung einmal die Ehe für Homosexuelle
und den Ausstieg aus der Kernenergie durchsetzen würde, hätte ich ihm
einen Vogel gezeigt. Es entsteht von ganz allein der _leichte_ Eindruck
einer Einheitspartei, in der sich das gesamte politische Ringen nicht
mehr um Sachthemen dreht, sondern um den Erhalt und das Erringen von
Herrschaftspositionen, Pöstchen und Pfründen – und irrerweise schafft es
eine Partei wie die AfD, sich in dieser Konstellation bei Anerkennung
eines Großteiles des »Einheitsprogramms« dennoch als eine »Alternative«
darzustellen, die sowohl frustrierte wertkonservative Menschen aus dem
Bürgertum als auch ganz gruselige, Morgenluft witternde Zeitgenossen mit
tief beleidigtem Gerechtigkeitsgefühl und Stolz sowie tief innesitzender
Lust an der Rache anzieht. Die Tagesschau wird hier zum Spiegelbild
dessen, was sie berichten soll, und sie kann kaum anders. Alles andere
wären ja manipulativ. Von daher kommt der Eindruck eines »voll auf
Linie« der Meldungen und der Relevanzkriterien, und er deckt sich mit
meinem Eindruck. Auch ich denke nämlich oft, dass so mancher in der
Tagesschau-Redaktion auch in der Aktuellen Kamera etwas geworden wäre.
Diese Veränderungen wahrzunehmen, ist nicht schwierig. Jene, die davor
fliehen, landen allerdings nicht beim »Westfernsehen«, sondern auf
»Social Media«, betrieben von börsennotierten Unternehmungen ohne
seriöses Geschäftsmodell, bei denen Vermarktungsalgorithmen Inhalte mit
Empörungspotenzial höher bewerten, damit diese für höhere
Nutzerinteraktion und damit bessere Werbeplatzvermarktung sorgen. Aber
das ist ein ganz anderes Thema.
Ach ja, die AfD: Ich werde vermutlich nie wieder vergessen, wie die
20:00-Uhr-Tagesschau, dieses ARD-Flaggschiff seriösen, faktenbasierten
Journalismusses, ein gefühltes halbes Jahr lang in jeder Meldung von der
»rechtspopulistischen AfD« sprach. Das Wertende, Bestupsende,
pseudosachlich Kommentierende und damit Manipulative darin war grell und
unüberhörbar, und es war sehr gut dazu geeignet, jegliches Vertrauen in
den Tagesschau-Journalismus nachhaltig zu zerschlagen. Gar nicht
auszudenken, wenn die gleiche Sprachregelung gegenüber der CSU
angewendet worden wäre…
Ach, die CSU ist eine »etablierte« Partei, die auch in Rundfunkräten des
»staatsfernen« Öffentlich-Rechtlichen Rundfunks vertreten ist? Na, so
ein Zufall aber auch!
Und jetzt gebt mir Tiernamen und nennt mich Nazi. ;)
(Warum ich von der Tagesschau spreche? Weil es die letzte
Nachrichtensendung des ÖR-Funks ist, die ich mir jeden Tag als Podcast
gebe. ZDF-Heute ist seit Jahrzehnten völlig unerträglich.)