On 1 Dez., 20:28, Arnulf Sopp <
bar...@maaaddin.de> wrote:
> Am Sat, 1 Dec 2012 07:35:59 -0800 (PST) schrieb Karl-Ludwig Diehl:
>
> > Es wuerde mich reizen, mich mit Musik genauer auseinander zu setzen, aber
> > das ist sehr zeitaufwendig, und es braucht wohl auch ein Studium, um
> > sich in die Feinheiten eindenken zu koennen.
> Keins an einer Hochschule.
Man kann sich natuerlich auch selbst gut einarbeiten.
Wenn man dazu Austausch hat, versteht man die
Zusammenhaenge sicher besser.
> Bei mir war es die Schule des hausmusikalischen
> Breitensports.
Ja, gut. Ich hatte viel Gitarre gespielt, mir aber nicht
die Muehe gemacht, das Notenlesen richtig gut bei-
zubringen, sodass ich komplexere notierte Werke
haette lesen koennen. Das ist ein Mangel. Man kann
dann nicht nach Noten spielen und improvisiert nur
nach Gehoer und Erinnerung.
> Die essentiellen musiktheoretischen Kenntnisse hat man an
> zwei, drei Tagen drauf (auch wenn sie durch meine Lehrer auf eine sehr
> viel längere Zeit verteilt wurden), aber Musik ist halt mehr.
Man braucht sicherlich mehr Zeit und vor allen Dingen
Lesepraxis der Notenschritt, etc. Dass Musik mehr
ist, stimmt natuerlich.
> Empfindungen
> lassen sich nicht normieren, dennoch gibt es einen Konsens, worauf man zur
> Beurteilung oder erst mal zur Geschmacksbildung achten sollte. Und das
> dauert ein Leben lang.
Je aelter, desto anders.
> > Mir fehlt diese Grundlage. Fuer bestimmte baugeschichtliche
> > Zusammenhaenge waere diese Grundlage sehr hilfreich, um besseren Zugang
> > zu haben, z.B. gibt es die Auffassung von Architektur als gefrorener
> > Musik.
> Auch wenn ich sie nicht als kalt qualifizieren möchte. "Geronnen" oder so
> was wäre wohl passender.
Am Wort liegt es dann wohl nicht mehr, wichtig ist nur,
was mit dem Wort gemeint ist. Die Architekten, die so
etwas sagen, empfinden Musik als einen Fluss, wohin-
gegen ihre Architektur sozusagen nach dem Entwurfs-
prozess, der auch wie ein Fluss ist, zu einer festen
Form erstarrt ist. Vergleichbar mit diesem Zustand
ist vielleicht die Notenschriftsatz, in der dann das Werk
des Musikers festgelegt ist. Aber diese Erklaerung wuer-
de den Architekten nicht reichen, da sie ja daselbe mit
ihren Bauplaenen vor sich haben, nach denen ihre Ge-
baeude erreichtet werden.
> > Man hat es dann mit Architekten zu tun, die sich mit Musik gut auskennen
> > und ihre mathematischen Verhaeltnisse durchdenken.
> Man hat festgestellt, dass Musik, räumliche Vorstellung und Mathe in nahezu
> identischen Feldern der Großhirnrinde bearbeitet werden. Das leuchtet auch
> unmittelbar ein, wenn man überlegt, was zu allen dreien erforderlich ist.
Ueber das Raumerlebnis durch Musik wurde sicher
schon immer diskutiert und es empfunden. Aber gut
zu wissen, dass in der Grosshirnrinde so etwas ab-
laeuft und es sich dadurch erklaert.
> > Es bestehen Zusammenhaenge zwischen den Tonabstaenden und den idealen
> > Maszverhaeltnissen bestimmter Proportionssysteme der Antike, und was man
> > davon spaeter ableitete, und was als schoen galt.
> Absolut. Die Tonabstände sind geradezu langweilige Mathematik. In den 70ern
> oder frühen 80ern gab es zwar Experimente mit "ekmelischen" Tonabständen
> und Akkorden; "außerhalb der Teile", eine feinere Teilung, die auch
> Vierteltonabstände verwandt, aber das versank in Vergessenheit, weil es nun
> mal nicht "klingt".
Dass ist in der Architektur aehnlich. Arbeitet man nur
nach architekturtheoretischer Konzeption mit vorgeschla-
genen Proportionsverhaeltnissen, kommt noch keine
gute Architektur heraus. Es muss immer das hinzutre-
ten, was der Architekt durch sein Schoenheitsempfinden
beisteuert und an zusaetzlicher Schoenheit will. Deswegen
ist man von Proportionsystemen nach festen Zahlenver-
haeltnissen, die idealisiert worden waren, abgerueckt
und orientiert sich an dem, was sinnvoll ist: Mauerwerks-
masze ergeben sich aus Backsteingroessen, usw. Man
hat sehr viel Normierung vor sich, die mit der Produktion
der Baustoffe und Bauteile zu tun hat: Industriezeitalter.
> Was jedoch die Schönheit betrifft, so muss ich zumindest vor dem Goldenen
> Schnitt, der Harmonischen Teilung warnen: Jede Wette, dass nur die leichte
> Asymmetrie als schön, nämlich unlangweilig erkannt wird. Ob sie nun der
> Mathematik der Harmonischen Teilung entspricht, ist ziemlich egal.
> > Nun sind zudem beide im religioesen Kontext wichtig und auch fuer das
> > Opferwesen. Der Gottheit oder dem Ganzen widmet man zum Wohlgefallen so
> > manches. Auch zur meditativen Einstimmung, also beim Denkgut mystischer
> > Suche oder mystischer Vereinigung kann beides zum Einsatz gebracht sein:
> > Architektur wie Musik.
>
> Ein gutes Argument dafür, dass man sich durch einen guten Versammlungsraum
> und allerhand "Om!" in die erforderliche Kondition lullen kann, um religiös
> zu funktionieren.
Man kann das auch durch gute Hausmusik oder Jodeln
machen, um spezielle Gemeinschaftserlebnisse zu haben.
Eine Hollywoodschaukel hilft vielleicht auch schon. :-)
> > Schoen, dass Du Dir die Zeit nehmen kannst, Musikstuecke zu sammeln.
> Nun, mehr oder weniger Freizeit gab es immer, aber nun bin ich im
> überwiegenden Ruhe-, aber manchmal auch Geräuschstand.
Das Geraeusch der Subway in NYC, wenn sie die Schienen-
straenge abfaehrt, ist rhythmisch so gehalten, dass es vielen
Leuten leicht gelingt, dabei einzuschlafen. In Kirchen faellt
auf, dass immer dann, wenn einer husten muss, bald darauf
andere nachfolgen, die durch das Husten zum Husten ange-
steckt werden. Mit anderen Worten: eine spezielle "Musik",
die ansteckend ist.
Tja, Musik ist ein weites Feld, wie Du auch sagst. ;-)
The Best
K.L.