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Die Wurzeln der buddhistischen Romantik

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Lothar Schenk

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Jul 5, 2012, 6:24:57 AM7/5/12
to
Viele Konzepte, die im Westen als zentral fuer die Buddhalehre angesehen
werden, entstammen zu einem grossen Teil nicht den Lehren des Buddha
selbst, sondern dem Dharma-Tor der westlichen Psychologie, durch deren
Filter die Worte des Buddha gegangen sind. Diese Konzepte beziehen ihren
Inhalt weniger aus den urspruenglichen Quellen des Dharma, sondern
vielmehr aus ihren eigenen verborgenen Wurzeln in der westlichen Kultur:
dem Gedankengut der Deutschen Romantiker. Daher ist es wichtig, zu
untersuchen, wie weit die Aehnlichkeiten zwischen dem Tor und dem
tatsaechlichen Dharma gehen. Tun wir das nicht, laufen wir Gefahr, das
Tor fuer den eigentlichen Dharma zu halten und infolgedessen nie durch
das Tor zu dem Dahinterliegenden zu gelangen.

"The Roots of Buddhist Romanticism" von Thanissaro Bhikkhu in deutscher
Fassung:

http://home.arcor.de/einsicht/romantik.html#anfang


Weitere Artikel:

http://home.arcor.de/einsicht/nachtiteln.html#anfang
http://home.arcor.de/einsicht/nachautoren.html#anfang

Karl-Ludwig Diehl

unread,
Jul 11, 2012, 11:01:19 AM7/11/12
to
Interessanter Hinweis. Kannst Du weitere Details geben,
auch solche, die sich auf die Architektur beziehen?

Als ich Woodstock aufsuchte, fand ich, neben den Be-
zuegen zu dem legendaeren Festival, das in dieser Klein-
stadt im Staat New York stattfand, auch einen buddhis-
tischen Tempel auf einer Anhoehe. Dieser liegt roman-
tisch in der Landschaft. Du fuehrst die "Deutschen Ro-
mantiker" des fruehen 19.Jahrhunderts an. Etwas spaeter
gab es, z.B. im Hudson River-Tal, in den USA eine Ro-
mantik. Anderswo wird es sie auch gegeben haben.

K.L.

Lothar Schenk

unread,
Jul 15, 2012, 4:11:34 AM7/15/12
to
Zunächst einmal, da ich mir nicht sicher bin, ob dies klar geworden ist:
ich bin nicht der Verfasser des Artikels, sondern dessen Übersetzer. Die
einführenden Worte sind eine - fast wörtlich aus dem Artikel entnommene
- Paraphrase des wesentlichen Gedankengangs in diesem Essay, der zu
dessen Lektüre anregen soll.

Mein persönliches Anliegen liegt in der Dharmapraxis, d.h. in der
Umsetzung des Weges, der zur Befreiung vom Leiden führt. Insofern ist es
wichtig, Vorstellungen, die mit dem eigentlichen Ziel der Lehrausübung
nichts zu tun haben, richtig einordnen zu können, um sich davon nicht in
die Irre führen zu lassen.

Die romantische Weltsicht und die Sicht des Buddhadharma auf die Welt,
darin stimme ich mit dem Autor überein, sind zwei voneinander
grundsätzlich verschiedene und zu unterscheidende Sichtweisen,
insbesondere muss man sich der Unzulänglichkeit der romantischen
Vorstellungen, wenn es um die endgültige Befreiung vom Leiden geht,
bewusst sein.

Aus meiner eigenen Sicht würde ich alles, was mit Fragen der Ästhetik zu
tun hat, im Dharma-Kontext als aus kamatanha ("Sinnlichkeitsdurst")
geboren einordnen - also als Suche nach angenehmen Gefühlserlebnissen im
Bereich der sinnlichen Erfahrung -, etwas, das nach Aussage des Buddha
eine der Grundursachen des Leidens darstellt.

Karl-Ludwig Diehl

unread,
Jul 15, 2012, 1:11:32 PM7/15/12
to
On 15 Jul., 10:11, Lothar Schenk <lothar.sch...@gmx.de> wrote:
> Zunächst einmal, da ich mir nicht sicher bin, ob dies klar geworden ist:
> ich bin nicht der Verfasser des Artikels, sondern dessen Übersetzer. Die
> einführenden Worte sind eine - fast wörtlich aus dem Artikel entnommene
> - Paraphrase des wesentlichen Gedankengangs in diesem Essay, der zu
> dessen Lektüre anregen soll.

Als Erlaeuterung wichtig.

> Mein persönliches Anliegen liegt in der Dharmapraxis, d.h. in der
> Umsetzung des Weges, der zur Befreiung vom Leiden führt. Insofern ist es
> wichtig, Vorstellungen, die mit dem eigentlichen Ziel der Lehrausübung
> nichts zu tun haben, richtig einordnen zu können, um sich davon nicht in
> die Irre führen zu lassen.

Ich bin kein Buddhist, sondern sehe das aus der Warte
des Religionsvergleichs (Vergleichende Religionswissen-
schaft, etc.), will sagen, eine "Befreiung vom Leiden"
ist ein Konzept, an das ich nicht glaube, sondern nur
als Idee verstehen will.

> Die romantische Weltsicht und die Sicht des Buddhadharma auf die Welt,
> darin stimme ich mit dem Autor überein, sind zwei voneinander
> grundsätzlich verschiedene und zu unterscheidende Sichtweisen,
> insbesondere muss man sich der Unzulänglichkeit der romantischen
> Vorstellungen, wenn es um die endgültige Befreiung vom Leiden geht,
> bewusst sein.

Man muss natuerlich zwischen "romatischer Weltsicht" und der "Welt-
sicht der Romantiker" des 19.Jahrhunderts unterscheiden. Genauso
ist "die Sicht des Buddhadharma auf die Welt" eine sehr spezielle.

> Aus meiner eigenen Sicht würde ich alles, was mit Fragen der Ästhetik zu
> tun hat, im Dharma-Kontext als aus kamatanha ("Sinnlichkeitsdurst")
> geboren einordnen - also als Suche nach angenehmen Gefühlserlebnissen im
> Bereich der sinnlichen Erfahrung -, etwas, das nach Aussage des Buddha
> eine der Grundursachen des Leidens darstellt.

Aus buddhistischer Sicht trifft das dann zu. Die Frage ist, ob man
einer "romantischen Sichtweise" ueberhaupt als Mensch entgehen
kann?

Wenn man sich die Lage buddhistischer Kloester vor Augen fuehrt,
war es ja gerade der romantische Blick aus den Ort, also den
traumhaft schoenen Ort in der Natur, der zur Gruendung fuehrte.
Man kaempft auch fuer den Naturerhalt um diese Kloester, sodass
der Anblick intakt bleibt.

K.L.




K.L.


Lothar Schenk

unread,
Jul 16, 2012, 7:27:30 AM7/16/12
to
Am 15.07.2012 19:11, schrieb Karl-Ludwig Diehl:

> On 15 Jul., 10:11, Lothar Schenk<lothar.sch...@gmx.de> wrote:
>> Mein persönliches Anliegen liegt in der Dharmapraxis, d.h. in der
>> Umsetzung des Weges, der zur Befreiung vom Leiden führt. Insofern ist es
>> wichtig, Vorstellungen, die mit dem eigentlichen Ziel der Lehrausübung
>> nichts zu tun haben, richtig einordnen zu können, um sich davon nicht in
>> die Irre führen zu lassen.
>
> Ich bin kein Buddhist, sondern sehe das aus der Warte
> des Religionsvergleichs (Vergleichende Religionswissen-
> schaft, etc.), will sagen, eine "Befreiung vom Leiden"
> ist ein Konzept, an das ich nicht glaube, sondern nur
> als Idee verstehen will.

"Die Botschaft hoer' ich wohl, allein mir fehlt der Glaube."

Ich meinerseits glaube nicht an den Wert vergleichender
Religionswissenschaften. Da kann man bis in alle Ewigkeit Konzepte
waelzen und vergleichen und sich im Kreise drehen, ohne je zur
Wirklichkeit hinter den Konzepten zu gelangen (oder ueberhaupt die
Notwendigkeit dazu zu sehen). Die Wirklichkeit hinter den Konzepten
vermag nur die eigene Erfahrung zu erhellen, und nur dadurch ist man
ueberhaupt in der Lage, den relativen Wert oder Unwert eines Konzeptes
als Beschreibung der Wirklichkeit einschaetzen zu können.

Tatsaechlich ist Leiden, in welcher Form auch immer, die grundlegende
Erfahrung im Leben, und ohne Ausnahme alles, was Menschen und auch alle
anderen Lebewesen tun, verfolgt den Zweck, sich "irgendwie" vom Leiden
zu befreien, oder, wie es meistens ausgedrueckt wird, gluecklich zu sein
(oder zu werden). Das eigentliche Problem dabei ist nun, und auch das
ist die allgemeine Erfahrung, dass dieses Gluecklichsein nie andauert.
Es hat keinen Bestand. Es kehrt sich immer wieder in sein Gegenteil um -
eben ins Leiden.

Wenn du nun sagst, dass du an eine (endgueltige) "Befreiung vom Leiden"
nicht glaubst, dann sehe ich darin nichts Anderes als einen Ausdruck
eben dieser allgemeinen Erfahrung, aber gleichzeitig gekoppelt mit der
Erwartung, dass sich daran nichts aendern lassen wird.

Wenn ich nun aber nicht an die Moeglichkeit einer endgueltigen Loesung
des Leidens-Problems glaube, verdamme ich mich damit automatisch dazu,
solange ich lebe (was nun nach buddhistischer Auffassung weit ueber die
Grenzen des gegenwaertigen Lebens hinausgeht) unausweichlich leiden zu
muessen. Jedes Glueckserlebnis, sobald es ausgekostet ist, verfluechtigt
sich und ich stecke doch wieder drinnen im Leiden - das, was ich nicht
haben moechte.

Da soll nun kein Entrinnen moeglich sein?

Ist eine solche Ansicht, angesichts des nicht zu verkennenden
Gluecksstrebens, das offenbar ausnahmslos jedem Lebewesen innewohnt und
alle seine Handlungen diktiert, wirklich eine brauchbare Lebensauffassung?

Letzten Endes muss jeder selbst entscheiden, wie er sich zu dieser Frage
stellen will.

Zur Vertiefung dieses Gedankengangs empfehle ich diesen Essay:

http://home.arcor.de/einsicht/faithinawakening.html#anfang

> ... Die Frage ist, ob man
> einer "romantischen Sichtweise" ueberhaupt als Mensch entgehen
> kann?

Wenn ich "romantisch" mit "verklaert" bzw. "nicht so, wie die Dinge
tatsaechlich sind" uebersetze, dann ist die Antwort des Erwachten darauf
ein klares Ja.


Karl-Ludwig Diehl

unread,
Jul 17, 2012, 9:50:35 AM7/17/12
to
On 16 Jul., 13:27, Lothar Schenk <lothar.sch...@gmx.de> wrote:
> Am 15.07.2012 19:11, schrieb Karl-Ludwig Diehl:
> > On 15 Jul., 10:11, Lothar Schenk<lothar.sch...@gmx.de>  wrote:
> >> Mein persönliches Anliegen liegt in der Dharmapraxis, d.h. in der
> >> Umsetzung des Weges, der zur Befreiung vom Leiden führt. Insofern ist es
> >> wichtig, Vorstellungen, die mit dem eigentlichen Ziel der Lehrausübung
> >> nichts zu tun haben, richtig einordnen zu können, um sich davon nicht in
> >> die Irre führen zu lassen.
> > Ich bin kein Buddhist, sondern sehe das aus der Warte
> > des Religionsvergleichs (Vergleichende Religionswissen-
> > schaft, etc.), will sagen, eine "Befreiung vom Leiden"
> > ist ein Konzept, an das ich nicht glaube, sondern nur
> > als Idee verstehen will.
> "Die Botschaft hoer' ich wohl, allein mir fehlt der Glaube."

Mit Glaube kommt man da nicht weiter.

> Ich meinerseits glaube nicht an den Wert vergleichender
> Religionswissenschaften.

Das steht Dir frei. Andererseits entwickelt eine solche Dis-
ziplin einen methodischen Apparat, um vergleichbare The-
men aus den unterschiedlichen Religionen zu bearbeiten.
Damit kommt man sehr weit. Natuerlich kann das nicht
alles leisten. Es bleibt immer ein unbearbeiteter Rest.

> Da kann man bis in alle Ewigkeit Konzepte
> waelzen und vergleichen und sich im Kreise drehen, ohne je zur
> Wirklichkeit hinter den Konzepten zu gelangen (oder ueberhaupt die
> Notwendigkeit dazu zu sehen).

Daselbe Problem hast Du religionsintern.

> Die Wirklichkeit hinter den Konzepten
> vermag nur die eigene Erfahrung zu erhellen, und nur dadurch ist man
> ueberhaupt in der Lage, den relativen Wert oder Unwert eines Konzeptes
> als Beschreibung der Wirklichkeit einschaetzen zu können.

Du kannst das am Thema "Meditation" festmachen. Was ist dabei
"die eigene Erfahrung"?
Daselbe Problem hast Du bei der sogenannten "Gottessuche" der
Mystiker. Erfahrungen, die von ihnen gemacht werden, sind selten
schriftlich niedergelegt. Um das wissenschaftlich zu bearbeiten,
bist Du aber auf Selbstzeugnisse angewiesen. Das gilt folglich auch
fuer die Theologien.

> Tatsaechlich ist Leiden, in welcher Form auch immer, die grundlegende
> Erfahrung im Leben, und ohne Ausnahme alles, was Menschen und auch alle
> anderen Lebewesen tun, verfolgt den Zweck, sich "irgendwie" vom Leiden
> zu befreien, oder, wie es meistens ausgedrueckt wird, gluecklich zu sein
> (oder zu werden). Das eigentliche Problem dabei ist nun, und auch das
> ist die allgemeine Erfahrung, dass dieses Gluecklichsein nie andauert.
> Es hat keinen Bestand. Es kehrt sich immer wieder in sein Gegenteil um -
> eben ins Leiden.

Das mag wohl so stimmen, wie Du sagst, aber es muss dann in
Worten geklaert sein, was mit "Leiden" an der Welt, usw. gemeint
ist. Von buddhistischen Lehrern hast Du dazu unterschiedliche
Texte. diese lassen sich vergleichen. Es gibt unterschiedliche
buddhistische Schulen. Diese moegen wiederum andere Erklae-
rungsmodelle bieten. Diese lassen sich vergleichen.

> Wenn du nun sagst, dass du an eine (endgueltige) "Befreiung vom Leiden"
> nicht glaubst, dann sehe ich darin nichts Anderes als einen Ausdruck
> eben dieser allgemeinen Erfahrung, aber gleichzeitig gekoppelt mit der
> Erwartung, dass sich daran nichts aendern lassen wird.

Beim Religionsvergleich sehe ich das von aussen, also nicht
als Glaeubiger. Das Bestreben geht dahin, die Sichtweise des
Glaeubigens moeglichst genau zu erschliessen. Die eigene
Erfahrung besteht darin, sich in die Sichtweise des Glaeubigen
zu versetzen. Dazu braucht es jedoch die Selbstzeugnisse der
Glaeubigen.

> Wenn ich nun aber nicht an die Moeglichkeit einer endgueltigen Loesung
> des Leidens-Problems glaube, verdamme ich mich damit automatisch dazu,
> solange ich lebe (was nun nach buddhistischer Auffassung weit ueber die
> Grenzen des gegenwaertigen Lebens hinausgeht) unausweichlich leiden zu
> muessen.

Diese Idee der Verdammnis ist z.B. ein Gegenstand, der
wissenschaftlich
bearbeitet werden kann. Es handelt sich ja dabei um ein Glaubensgut,
das verstehbar gemacht werden soll und im Vergleich als Gegenstand
interessant betrachtet werden kann.

> Jedes Glueckserlebnis, sobald es ausgekostet ist, verfluechtigt
> sich und ich stecke doch wieder drinnen im Leiden - das, was ich nicht
> haben moechte.

Mir faellt dazu das Zeitalter der Empfindsamkeit, also die Romantik
des
europaeischen Westens, ein.

> Da soll nun kein Entrinnen moeglich sein?

Nur im erdachten Denkmodell.

Ich hatte mich einmal, um unsere alltaeglichen Sichtweisen
besser zu verstehen, in die konstruktivistische Erkenntnistheorie
eingearbeitet:

http://konstruktivistischeerkenntnistheorie.blogspot.com/

Johann Ortner hat dazu einen lesbaren Text geliefert, der sich
mit unserer Innerlichkeit und den dauernd ablaufenden Prozes-
sen beschaeftigt. Ich will dich nun nicht auffordern, Dich einmal
damit auseinanderzusetzen, weil das einen besseren Umgang
mit buddhistischem Denkgut mit sich bringt, sondern will nur
sagen, dass wir in unserem Denken und Ideenentwickeln an
unsere geistigen und seelischen Prozesse gebunden sind
und immerzu Krisen ueberwinden muessen, indem wir voraus-
planen. Der Buddhismus liefert dazu Denkhilfen, indem er
Vorausplanungskonzepte interessantester Art liefert.

> Ist eine solche Ansicht, angesichts des nicht zu verkennenden
> Gluecksstrebens, das offenbar ausnahmslos jedem Lebewesen innewohnt und
> alle seine Handlungen diktiert, wirklich eine brauchbare Lebensauffassung?

Wenn man das Wortgut genau zusammenstellt, entdeckt man
sehr rasch die Struktur der Konzeption: Leiden/Gluecksstreben/
usw. Es ist unuebersehbar, dass mit Wortwelten gearbeitet wird,
in denen die Worte bestimmte Bezuege herstellen und Modelle
der Lebenswirklichkeit schaffen, die einerseits als das Positive
und andererseits als etwas, woran man leiden wird, ausformuliert
sind. Wenn man sich aus dieser Wortwelt herausbegibt und in
eine andere eintaucht, sehen die Zusammenhaenge ganz anders
aus. Wir als Menschen leben in erarbeiteten Wortwelt und Denk-
mustern. Diese sind immer unsere Erfindungen oder weiterge-
gebene Erfindungen. Die Wirklichkeit fuer uns ist immer etwas
von uns Erfundenes. Alles andere ist ausserhalb davon.

> Letzten Endes muss jeder selbst entscheiden, wie er sich zu dieser Frage
> stellen will.
>
> Zur Vertiefung dieses Gedankengangs empfehle ich diesen Essay:
> http://home.arcor.de/einsicht/faithinawakening.html#anfang

Ich schaue rein, wenn ich viel Zeit dafuer freimachen kann.
Auf die Schnelle fand sich darin dies:

"Der Buddha verlangte niemals von irgend jemandem bedings-
losen Glauben."

Das ist logisch. Jeder sollte sich selbst seine Gedanken machen.
Die Kunst der Lehre besteht wohl darin, jeden dazu zu veran-
lassen, selbst bis zur hoechsten Erkenntnis vorzudringen. Aber
welche kann sie sein?

> > ... Die Frage ist, ob man
> > einer "romantischen Sichtweise" ueberhaupt als Mensch entgehen
> > kann?
> Wenn ich "romantisch" mit "verklaert" bzw. "nicht so, wie die Dinge
> tatsaechlich sind" uebersetze, dann ist die Antwort des Erwachten darauf
> ein klares Ja.

Jedoch koennen wir nicht wissen, "wie die Dinge tatsaechlich sind",
sondern sind nur in der Lage, uns Denkmodelle dazu zu schaffen.

Wenn ein "Erwachter" glaubt, er habe die Wirklichkeit geschaut,
so ist das immer doch nur ein Denkmodell, von dem er jedoch
meint, es sei die Wirklichkeit.

Die konstruktivistische Erkenntnistheorie macht ueberdeutlich, dass
wir in unserem eigenen menschlichen Denken gefangen sind.

K.L.



Lothar Schenk

unread,
Jul 18, 2012, 1:03:35 AM7/18/12
to
Am 17.07.2012 15:50, schrieb Karl-Ludwig Diehl:

> Jedoch koennen wir nicht wissen, "wie die Dinge tatsaechlich sind",
> sondern sind nur in der Lage, uns Denkmodelle dazu zu schaffen.
>
> Wenn ein "Erwachter" glaubt, er habe die Wirklichkeit geschaut,
> so ist das immer doch nur ein Denkmodell, von dem er jedoch
> meint, es sei die Wirklichkeit.
>
> Die konstruktivistische Erkenntnistheorie macht ueberdeutlich, dass
> wir in unserem eigenen menschlichen Denken gefangen sind.

Die Nuetzlichkeit des Denkens wird allgemein weit ueberschaetzt.

Im Buddhismus sagt man von jemandem, der sich nur mit Konzepten und
Theorien befasst, er sei wie ein Suppenloeffel, der zwar in der Suppe
ruehrt, aber nicht weiss, wie die Suppe schmeckt.

In der Meditation kommt man nach laengerer Uebung an einen Punkt, wo der
Geist das erste Mal fuer einige Zeit mit dem Denken aufhoert, wobei er
gleichzeitig klar und aufnahmefaehig fuer alles ist, was geschieht.

Eine wunderbare Erfahrung.

Wenn das Denken wieder einsetzt, hat sich die Perspektive veraendert,
unter der man es sieht. Man kann es quasi von aussen betrachten, ohne
sich notwendigerweise mit den Inhalten des Denkens befassen zu muessen.
Man sieht, was es kann, und was es nicht kann. Es ist einfach ein
Vorgang, den man fuer bestimmte Zwecke brauchen kann, der aber meistens
ueberfluessig ist. Wie ein Fernsehkommentator bei einer
Sportuebertragung, der einem das erklaert, was man sowieso sieht. Wenn
man ihn abstellt, kriegt man tatsaechlich mehr davon mit, was passiert.

Mit der Zeit verwendet man das Denken, wie man einen Hammer benutzt.
Moechte man einen Nagel einschlagen, holt man den Hammer und schlaegt
den Nagel ein. Anschliessend legt man den Hammer wieder in die
Werkzeugkiste zurueck. Wenn man ihn staendig in der Hand hat, stoert er
nur bei den anderen Dingen, die man tun moechte.

Denn Erkenntnis wird nicht durch Denken gewonnen, sondern durch Hinschauen.

Es ist aber in Ordnung, wenn du lieber ein Suppenloeffel bleiben willst.

Sei gluecklich.

Karl-Ludwig Diehl

unread,
Jul 18, 2012, 9:46:57 AM7/18/12
to
On 18 Jul., 07:03, Lothar Schenk <lothar.sch...@gmx.de> wrote:
> Am 17.07.2012 15:50, schrieb Karl-Ludwig Diehl:
> > Jedoch koennen wir nicht wissen, "wie die Dinge tatsaechlich sind",
> > sondern sind nur in der Lage, uns Denkmodelle dazu zu schaffen.
> > Wenn ein "Erwachter" glaubt, er habe die Wirklichkeit geschaut,
> > so ist das immer doch nur ein Denkmodell, von dem er jedoch
> > meint, es sei die Wirklichkeit.
> > Die konstruktivistische Erkenntnistheorie macht ueberdeutlich, dass
> > wir in unserem eigenen menschlichen Denken gefangen sind.
>
> Die Nuetzlichkeit des Denkens wird allgemein weit ueberschaetzt.

Das stimmt. Die Versenkung in die Meditation genauso.

> Im Buddhismus sagt man von jemandem, der sich nur mit Konzepten und
> Theorien befasst, er sei wie ein Suppenloeffel, der zwar in der Suppe
> ruehrt, aber nicht weiss, wie die Suppe schmeckt.

Als Argument liest sich das interessant. Aber es ist ja selbst ein
Konzept, das darueber verfolgt wird.

> In der Meditation kommt man nach laengerer Uebung an einen Punkt, wo der
> Geist das erste Mal fuer einige Zeit mit dem Denken aufhoert, wobei er
> gleichzeitig klar und aufnahmefaehig fuer alles ist, was geschieht.

Es gibt sehr gute Literatur zum Thema Meditation. Jeder kennt
diese Erfahrung. Die Frage ist natuerlich, ob das stimmt, was
Du im Konzept vom Geist behauptest, der mit dem Denken auf-
hoere:
> wobei er
> gleichzeitig klar und aufnahmefaehig fuer alles (sei), was geschieht.

Die Frage ist, ob unser Geist wirklich durch Meditation aufhoeren kann
zu denken. Illusion?

> Eine wunderbare Erfahrung.

Zumindest gefaellt Dir ein bestimmter Zustand, der eintritt und so
wirkt,
als habe das Denken aufgehoert.

> Wenn das Denken wieder einsetzt, hat sich die Perspektive veraendert,
> unter der man es sieht.

Ein "sichausruhendes" Denken muss nicht bedeuten, dass das Denken auf-
gehoert hat. Aber ich weiss, was Du meinst. Das Problem liegt hierbei
in den Worten. Ich kann sagen, Denken kann nie aufhoeren, aber in
einen Zustand versetzt werden, der Dir das erzeugt, was Du meinst.

> Man kann es quasi von aussen betrachten, ohne
> sich notwendigerweise mit den Inhalten des Denkens befassen zu muessen.

Das ist eine Grunderfahrung des Geistigen. Du siehst dann, was
uns als Mensch ausmacht. Mehr nicht. Andererseits sagt mit
Deine Formulierung, dass das Geistige betrachtet, und zwar
Dein Denken von aussen. Fuer das von Dir, was Dein Denken
von aussen betrachtet, gibt es in der Pschychologie einen Fach-
ausdruck. Ich nenne ihn nicht, weil ich die Bezeichnung nicht
mit einer anderen verwechseln will.

> Man sieht, was es kann, und was es nicht kann. Es ist einfach ein
> Vorgang, den man fuer bestimmte Zwecke brauchen kann, der aber meistens
> ueberfluessig ist. Wie ein Fernsehkommentator bei einer
> Sportuebertragung, der einem das erklaert, was man sowieso sieht. Wenn
> man ihn abstellt, kriegt man tatsaechlich mehr davon mit, was passiert.

Ja.

> Mit der Zeit verwendet man das Denken, wie man einen Hammer benutzt.
> Moechte man einen Nagel einschlagen, holt man den Hammer und schlaegt
> den Nagel ein. Anschliessend legt man den Hammer wieder in die
> Werkzeugkiste zurueck. Wenn man ihn staendig in der Hand hat, stoert er
> nur bei den anderen Dingen, die man tun moechte.

Das Geistesleben kennt natuerlich eine solche Abteilung, die prag-
matisch sein will, und laesst es zu, dies von aussen zu betrachten.

> Denn Erkenntnis wird nicht durch Denken gewonnen, sondern durch Hinschauen.

Ja, aber dieses Dein "Hinschauen" ist ebenfalls Denkleistung. Du
siehst damit genau auf das, was unser Geistesleben ausmacht.

> Es ist aber in Ordnung, wenn du lieber ein Suppenloeffel bleiben willst.
> Sei gluecklich.

Falls Du Dich als "Erwachten" bezeichnest, war das jetzt
Boesartigkeit.

Das sollte Dir fern liegen.

K.L.



Lothar Schenk

unread,
Jul 19, 2012, 3:01:15 AM7/19/12
to
Am 18.07.2012 15:46, schrieb Karl-Ludwig Diehl:

>> Denn Erkenntnis wird nicht durch Denken gewonnen, sondern durch Hinschauen.
>
> Ja, aber dieses Dein "Hinschauen" ist ebenfalls Denkleistung.

Mir scheint, wir haben den Punkt bereits weit hinter uns gelassen, ab
dem wir aneinander vorbei reden.

Ich bin bisher davon ausgegangen, dass du mit "Denken" vom
konzeptionellen Denken sprichst, dem "Modellbilden" mittels Begriffen
und (in verbalisierter Form) Woertern. Nun sehe ich, dass du alles, was
im Geist vor sich geht, als Denken bezeichnen moechtest. Das kann man
tun, halte ich aber nicht fuer sinnvoll. Ich wuerde es im Allgemeinen
als "Geistestaetigkeit" bezeichnen. "Hinschauen" (Wissen um die direkte
Erfahrung) ist dann Geistestaetigkeit, aber nicht konzeptionelles
Denken. Wenn ich alles als Denken bezeichne, kann ich diese
Unterscheidung entsprechend der von mir geschilderten
*Erfahrungstatsache*, dass (konzeptionelles) Denken fuer die direkte
Erfahrung nicht benoetigt wird, nicht machen, womit die unterschiedliche
Funktion von "Hinschauen" und "Denken" nicht evident gemacht, ggf. sogar
durcheinander gebracht wird.

> Du
> siehst damit genau auf das, was unser Geistesleben ausmacht.
>
>> Es ist aber in Ordnung, wenn du lieber ein Suppenloeffel bleiben willst.
>> Sei gluecklich.
>
> Falls Du Dich als "Erwachten" bezeichnest, war das jetzt
> Boesartigkeit.

Ich bezeichne mich nicht als "Erwachten", und es war keine Boesartigkeit.

> Das sollte Dir fern liegen.

Es liegt mir fern.

Sei gluecklich.

Karl-Ludwig Diehl

unread,
Jul 19, 2012, 1:02:42 PM7/19/12
to
On 19 Jul., 09:01, Lothar Schenk <lothar.sch...@gmx.de> wrote:
> Am 18.07.2012 15:46, schrieb Karl-Ludwig Diehl:
> >> Denn Erkenntnis wird nicht durch Denken gewonnen, sondern durch Hinschauen.
> > Ja, aber dieses Dein "Hinschauen" ist ebenfalls Denkleistung.
> Mir scheint, wir haben den Punkt bereits weit hinter uns gelassen, ab
> dem wir aneinander vorbei reden.
>
> Ich bin bisher davon ausgegangen, dass du mit "Denken" vom
> konzeptionellen Denken sprichst, dem "Modellbilden" mittels Begriffen
> und (in verbalisierter Form) Woertern.

Das Wort das "Denken" hat es also in sich.

> Nun sehe ich, dass du alles, was
> im Geist vor sich geht, als Denken bezeichnen moechtest.

Ein schwieriges Denkfeld. :-)

> Das kann man
> tun, halte ich aber nicht fuer sinnvoll.

Ich sagte ja schon: es liegt an Worten. In diesem Fall stellt
sich das Problem darin, genau festzulegen, was gemeint
ist.

> Ich wuerde es im Allgemeinen
> als "Geistestaetigkeit" bezeichnen.

"Denken"/"Geistestaetigkeit"/usw. sind dann Termini. Es muss
in Erlaeuterungen zu vor klar sein, was damit gemeint ist.

> "Hinschauen" (Wissen um die direkte
> Erfahrung) ist dann Geistestaetigkeit, aber nicht konzeptionelles
> Denken.

Ich sehe schon, worin das Problem liegt. Aber beim "Hin-
schauen" findet zugleich "konzeptionelles Denken" statt.
Subsummierbar ist das unter "geistige Taetigkeit" und
auf Denken, von dem "konzeptionelles Denken" ein Teil-
bereich ist.

> Wenn ich alles als Denken bezeichne, kann ich diese
> Unterscheidung entsprechend der von mir geschilderten
> *Erfahrungstatsache*, dass (konzeptionelles) Denken fuer die direkte
> Erfahrung nicht benoetigt wird, nicht machen

Du kannst natuerlich recht haben. Andererseits sehe ich
auf die Gleichzeitigkeit.

> , womit die unterschiedliche
> Funktion von "Hinschauen" und "Denken" nicht evident gemacht, ggf. sogar
> durcheinander gebracht wird.

Dieses "Hinschauens" ist aber ein "geistiges Hinschauen", das
Teil der allumfassenden Denkprozesse ist.

Ich will Dir eigentlich nicht widersprechen, sondern rolle das
nur anders auf, um es selbst besser zu verstehen.

> > Falls Du Dich als "Erwachten" bezeichnest, war das jetzt
> > Boesartigkeit.
> Ich bezeichne mich nicht als "Erwachten", und es war keine Boesartigkeit.

Es war dann ein uebernommenes Argument.

> > Das sollte Dir fern liegen.
> Es liegt mir fern.

Je ferner, desto weniger naeher.

Sprache ist seltsam.
K.L.

johann....@sangham.net

unread,
Sep 26, 2013, 6:13:41 AM9/26/13
to
Buddha war ja nicht böswillig als er bemerkte:

Wenn der Narr sogar sein ganzes Leben
mit dem Weisen verbringt,
nimmt er nichts vom Dhamma wahr
- wie der Löffel nichts vom Geschmack der Suppe.

Wenn der Einsichtige nur einen Augenblick
mit dem Weisen verbringt,
nimmt er den Dhamma sofort wahr
- wie die Zunge den Geschmack der Suppe.

http://zugangzureinsicht.org/html/tipitaka/kn/dhp/dhp.05.than.html

Und zur Stütze noch:

Betrachtet ihn als jemanden,
der Schätze zeigt,
den Weisen,
der, wenn er eure Fehler sieht,
euch zurechtweist.

Bleibt bei solchen Weisen.
Für jemanden,
der bei einem solchen Weisen bleibt,
wird alles besser,
nicht schlechter.

Laßt ihn euch ermahnen,
belehren,
wegführen von schlechten Umgangsformen.
Er ermuntert zum Guten,
nicht zum Schlechten.

http://zugangzureinsicht.org/html/tipitaka/kn/dhp/dhp.06.than.html
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