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Die Burschen-Gschaftler

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Dr. Tim Lassak

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Jul 6, 2001, 10:22:36 PM7/6/01
to
Gruess Gott,

hier ein neuer Artikel zur "Danuben-Affaere" aus der Sueddeutschen Zeitung, Lokalteil, vom
07.07.2001:

<schnipp>
Fechten, feiern, singen: Die Muenchner Verbindungsstudenten pflegen ihre Maennerrituale,

distanzieren sich aber von Neonazis

Von Wolfgang Goerl

Die jungen Herren haben offenbar das selbe Problem. "Ich hab’s satt", schimpft Goetz

Ferdinand, "ich hab’s einfach satt, mich andauernd als verkappten Faschisten beschimpfen zu

lassen." Und Patrick Luepken sagt: "Nein, Leute mit rechter Gesinnung wollen wir hier nicht

haben. Die wuerden sich bei uns auch nicht wohl fuehlen." Aber es gibt Kommilitonen, die

halten es durchaus fuer moeglich, dass sich "Leute mit rechter Gesinnung" just in jenem

studentischen Milieu wohl fuehlen, in dem auch Ferdinand oder Luepken verkehren. Studenten,

die diesen Verdacht hegen, stehen in der Regel eher links, wie etwa der Asta oder die

Fachschaftskonferenz (FSK) – beides nichtamtliche Organe der studentischen Selbstverwaltung

–, die kuerzlich zu einer Vollversammlung an der Ludwig-Maximilians-Universitaet (LMU)

aufgerufen hatte. Dabei wurde eine Resolution verabschiedet, in der es heisst: "Es ist

offensichtlich, dass die Muenchner Verbindungen, sofern sie nicht selbst dem rechtsextremen

Spektrum zuzuordnen sind, doch mit rechtsextremen Verbindungen kooperieren, mit denen sie in

Dachverbaenden organisiert sind." Da muessten sich Ferdinand und Luepken zumindest

angesprochen fuehlen, denn beide gehoeren Muenchner Verbindungen an. Davon gibt es etwa 70,

und vielleicht sind sich die Kontrahenten insofern einig, dass nicht alle dem Klischee des

saufenden und schlagenden Maennerbundes entsprechen. Es ist ein schwieriges Terrain, auf dem

man sich da bewegt – verwirrend und unuebersichtlich wie das Handbuch der deutschen,

oesterreichischen und schweizerischen Korporationen, in der mehr als 3000 studentische

Verbindungen verzeichnet sind, die schlagenden und farbentragenden Verbaende, die

mensurfreistellenden Verbaende, die nichtschlagenden. Da gibt es Corps und Burschenschaften,

Landsmannschaften, Saengerverbindungen, Turner, Jagdkorporationen und so weiter.

Der Mann mit der Tasche

Goetz Ferdinand ist seit zwei Semestern Mitglied der Burschenschaft Arminia-Rhenania. Sie

residiert in der Maria-Theresia-Strasse, in einem herrschaftlichen Altbau, den zwei

grosszuegig dimensionierte Fahnen zieren, schwarz-rot-gold die eine, blau-gold-schwarz die

andere. Soeben ist Gottfried Halvorsen eingetroffen, ein Amerikaner aus Los Angeles. Der

Mann hat eine grosse Tragtasche dabei, und wenn man fragt, was das zu bedeuten hat, kommt

eine ueberraschende Antwort: "Es ist mein Lebensziel, die Fechterei aufrecht zu erhalten."

Halvorsen ist Fechtmeister, er reist von einer schlagenden Verbindung zur naechsten, nach

Freiburg, Erlangen, Nuernberg, Wuerzburg oder Innsbruck, um die Burschenschafter zu lehren,

wie man sich in der Mensur bewaehrt. Wer zur Arminia-Rhenania gehoert, muss wenigstens

einmal mit einem Gegner aus einer anderen Burschenschaft fechten, notduerftig geschuetzt

durch eine Art Metallbrille fuer Augen, Nase und Ohren. Ziel der Attacke ist der Kopf, und

wen es boes erwischt, den schmueckt sein Leben lang ein Schmiss. "Der Sinn der Mensur ist

die Selbstreifung", sagt Halvorsen. "Man lernt, Aengste zu besiegen, in Stresssituationen

klaren Kopf zu bewahren. Und je mehr gefochten wird, desto enger ist die Verbindung unter

den Mitgliedern."

Waehrend Philip Plickert, Sprecher der Arminia-Rhenania, die Mensur als "eine Art

Initiationsritus im klassischen Sinne" feiert, kommt von anderer Seite Kritik. Der

Wiesbadener Autor Dietrich Heither zieht in seiner Burschenschafts-kritischen Studie

"Verbuendete Maenner" den Schluss, die Mensur diene der "Erziehung zu martialisch-heroischer

Maennlichkeit". Sie symbolisiere und festige "die Abgrenzung gegenueber der Welt der

(verweichlichten) Frauen und Kinder", indem man maennliche Reife als Faehigkeit definiere,

Schmerz zu ertragen und Schwaeche zu ueberwinden. Heither endet mit der These: "Je

ausgepraegter die traditionellen Formen des Brauchtums praktiziert und propagiert werden,...

desto enger sind Verknuepfungen mit politischen Auffassungen, die als rechts oder gar

rechtsextrem zu bezeichnen sind."

Da waere er wieder, der Verdacht, der Goetz Ferdinand so in Rage bringt. Vor allem dann,

wenn er pauschal geaeussert wird, wenn etwa der Skandal um die Burschenschaft "Danubia", die

dem polizeilich gesuchten Skinhead Christoph Schulte Unterschlupf gewaehrte, auch die

anderen Verbindungen in Verruf bringt. "Das war eine grauenhafte Rufschaedigung", sagt

Philip Plickert. "Dabei gelten wir als liberal." Aber deshalb mit Traditionen brechen, auf

die althergebrachten Rituale verzichten – nein, das wollen die Aktiven der Arminia-Rhenania

gewiss nicht. Man wird sich auch weiterhin im Paukkeller treffen, man wird mit Halvorsen den

Ernstfall proben, wird den gepolsterten Plastron anlegen, der den Leib schuetzt, wird den

Helm ueber den Kopf ziehen, der aussieht wie aus einem Gladiatorenfilm, und ueben. Im Moment

stehen sich Halvorsen und Thomas Lederer gegenueber, ein Informatik-Student. Plickert gibt

das Kommando, die Fechter halten die staehlerne Waffe, den Korbschlaeger, ueber den Kopf,

dann geht es rasend schnell. Fuenf maechtige Hiebe, Stahl auf Stahl, und waere Lederer nicht

geschuetzt, haette er jetzt einen ordentlichen Schmiss auf der Wange. "Regel Nummer eins

ist: Treffen ohne getroffen zu werden", sagt der kalifornische Fechtmeister. "Es ist ein

totaler Schmarren, zu glauben, jeder will einen Schmiss haben."

Thomas Lederer ist seit sechs Jahren bei der Arminia-Rhenania, er hat alle Stationen

durchlaufen, war "Fux" wie jeder Neuling, dann Bursche, und jetzt ist er Inaktiver, also

eigentlich schon einer der "Alten Herren". "Ich bin eingetreten, weil ich hier eine Familie

gefunden hab’. Es ist wie ein Vaterersatz. Meine Eltern haben sich scheiden lassen, als ich

fuenf Jahre alt war."

Alte Braeuche

Mit einigem Stolz zeigt Lederer auf die alten Fotografien, die im Haus haengen, die Arminen

von 1881 beispielsweise, Herren mit steifen Kragen und stattlichen Schnurrbaerten, oder die

Fahnen aus dem Gruendungsjahr 1848. Tradition strahlen sie aus, und darauf pochen hier alle.

Man pflegt die alten Braeuche, trifft sich etwa alle sechs Wochen zur "Kneipe", eine Art

Fest in ritualisierter Form, bei dem zu Speis und Trank Reden gehalten werden, und wo man

Lieder aus dem "Allgemeinen Deutschen Kommersbuch" singt. "Was man bei der Burschenschaft

lernt", sagt Lederer, "sind Disziplin, Auftreten, soziale Kompetenz, Umgangsformen".

Anders als etwa die Corps oder katholischen Verbindungen sind die Burschenschaften dezidiert

politisch. Das hat Tradition: Die burschenschaftliche Bewegung, die sich 1815 an der

Universitaet Jena formiert hatte, setzte sich zum Ziel, die damalige Zersplitterung

Deutschlands zu ueberwinden. Das war eine demokratisch inspirierte Attacke auf den

Feudalismus, trug aber auch, wie der weitere Verlauf zeigte, den Keim der Deutschtuemelei in

sich. Als politische Akteure verstanden sich die Burschenschafter allemal, und noch in der

aktuellen Vortragsreihe der Arminia-Rhenania schlaegt sich dieses Interesse nieder: Da gibt

es Referate ueber den EU-Beitritt Polens und Ungarns oder die Sicherheitspolitik Europas,

als Redner treten CSU-Generalsekretaer Thomas Goppel oder Peter Gauweiler auf, aber auch

Bayerns DGB-Chef Fritz Schoesser.

"Wir tendieren zum konservativen Lager", sagt Philip Plickert. "Jede Art von Extremen ist

nicht unser Ding." Vier der sieben jungen Maenner, die sich zum Interview eingefunden haben,

sind Mitglied der CSU. "Aber wird sind kein politischer Block, jeder hat seine eigene

Meinung", fuegt Lederer hinzu. Im Gespraech ist dann viel vom Deutschtum und von einem

"gesunden Patriotismus" die Rede. Mathematik-Student Johannes Dietrich legt Wert auf die

Unterscheidung zwischen Vaterland und Staat: "Der Vaterlandsbegriff der deutschen

Burschenschaften ist volkstumsbezogen." Zum Vaterland gehoert, wer deutsch spricht und

deutsche Kultur pflegt – auch wenn er in einem anderen Staat lebt. "Aber von Forderungen

nach den Grenzen von 1937 halt ich nichts", sagt Dietrich.

Die Arminia-Rhenania gehoert dem Verband "Deutsche Burschenschaft" (DB) an. In der selben

Dachorganisation ist auch die umstrittene Danubia. Ob man da nicht Kontakt pflege, zumal die

Danuben nur 300 Meter entfernt hausen? Nein, sagen sie, eine Zeitlang galt sogar ein

beiderseitiges Hausverbot – nicht aus politischen Gruenden, sondern weil beide

Burschenschaften beanspruchen, die aelteste in Muenchen zu sein. Gemeinsam mit anderen

DB-Burschenschaften haben die Arminen die Komplizenschaft der Danubia mit neonazistischen

Schlaegern verurteilt. Ferner kramt Plickert eine Pressemitteilung aus dem vergangenen Jahr

hervor. Darin steht: "Wir verurteilen auf das Entschiedenste jede Art von Gewalt und

Diskriminierung, insbesondere jene gegen Auslaender, Mitmenschen anderer Hautfarbe, anderer

Religion und Herkunft." In puncto Mitglieder sind die Arminen weniger grosszuegig: "Um die

Mitgliedschaft kann sich jeder deutsche bzw. deutschstaemmige Kommilitone bewerben", steht

auf ihrer Homepage. "Auslaendische Kommilitonen sind uns als Gaeste immer willkommen."

Einen Besuch in der Kaulbachstrasse 20 kann sich Fechtmeister Halvorsen sparen. Dort ist die

"Katholische Sueddeutsche Studentenverbindung Alemannia" zu Hause, und die greift nicht zur

Waffe. "Fuer mich kaeme die Mensur nicht in Frage", sagt der 26-jaehrige Soziologiestudent

Walter Biehler. "Waer mir zu bloed, mit so einem Schmiss herumzulaufen." Waehrend Biehler,

sein Kommilitone Patrick Luepken und der Aktiven-Senior Harald Durzynski im Billardzimmer

der 200 Jahre alten Villa ueber das Alemannen-Dasein plaudern, dringt aus dem Keller

Blasmusik nach oben. Das Orchester probt. 55 Aktive hat die Verbindung, neun von ihnen

wohnen in der Kaulbachstrasse. Es herrscht die Atmosphaere einer grosszuegig ausgestatteten

Maenner-WG, einige Raeume sind mit Stuck verziert, antike Moebel stehen herum, man verfuegt

ueber einen Thekenraum sowie einen grossen Saal fuer Festlichkeiten, an dessen Waenden

Portraets von den Mitgliedern und Ehrenmitgliedern zu sehen sind: Die Kardinaele Faulhaber,

Doepfner, Ratzinger und Wetter sind darunter, der Andechser Prior Anselm Bilgri, die

ehemaligen bayerischen Ministerpraesidenten Max Streibl und Alfons Goppel – zweifellos ein

sehr katholisches Milieu. "Wir sind voellig unpolitisch", sagt Bernhard Gondro. "Aber viele

von uns sind in der CSU oder der CDU. Die Verbindungen sind nun mal konservativ." Der

Konservatismus, der die Alemannen eint, ist religioeser Natur. "Wir sind

katholisch-christlich eingestellt", erklaert Patrick Luepken. Wer Alemanne ist, verschreibt

sich drei Prinzipien: Religion, Wissenschaft und Freundschaft.

Gondro, 65, ist "Philistersenior" und gehoert damit zum Vorstand der rund 400 "Alten

Herren". Fuer ihn gilt: "Ich bin Alemanne, und das bin ich bis zum Tod." Von dieser Haltung

hatten auch die Arminen geschwaermt: "Lebensbund" nennen sie es – einmal dabei, immer dabei.

Es ist eine Art Generationenvertrag: Die Alten Herren sorgen mit ihren finanziellen

Beitraegen dafuer, dass die Aktiven ihre kostbare Studienzeit nicht mit Wohnraumsuche und

anderen Laestigkeiten verplempern muessen. Und sie sind zur Stelle, wenn es gilt, berufliche

Karrieren zu schmieden. Gondro leugnet das gar nicht: "Protektion – selbstverstaendlich, das

gibt es. Wenn man einen kennt, dann nimmt man ihn eher."

Zarte Versuchung

Es ist nicht zu ueberhoeren, das Gondro alten Zeiten nachtrauert. Frueher sei es normal

gewesen, als Student einer Verbindung beizutreten. Noch Anfang der sechziger Jahre gehoerte

ein Drittel der Studenten irgendeiner Korporation an, und heute, klagt er, "sind es rund 3

Prozent". Manche von ihnen sind eher zufaellig hinzugestossen. Walter Biehler etwa, der

zunaechst wegen der guenstigen Wohnung einzog und erst spaeter Alemanne wurde. Bis jetzt hat

er es nicht bereut: "Was ich am Verbindungsleben so interessant finde: die Leute, die hier

herumlaufen. Ich kann mich mit einem Mathematiker unterhalten, mit einem Ingenieur oder

einem BWLer." Allerdings ist er jetzt, gegen Ende seines Studiums, ausgezogen. "Um lernen zu

koennen." Offenbar steckt das katholische Alemannenhaus voller Versuchungen. Wenn unten die

Party am Laufen ist, faellt es schwer, bei den Buechern zu bleiben. Und dass hier auch mal

die Freundin ueber Nacht bleibt, kann trotz wortreicher Windungen selbst Philistersenior

Gondro nicht wirklich dementieren.

Zum Ausgleich beginnt und endet das Semester mit einem Gottesdienst, auch Bibelstunden,

wissenschaftliche Vortraege, Wallfahrten nach Altoetting oder Benimmseminare stehen auf dem

Programm – "eine Art Studium generale" sagt Biehler. Trotzdem haelt sich der Zulauf in

Grenzen. Etwa fuenf Studenten treten pro Jahr ein. Bei der Rekrutierung neuer Mitglieder

spielt das Uni-nahe Alemannenhaus mit seinen neun Zimmern keine geringe Rolle. Gondro: "Die

sind schon ein wichtiges Werbemittel."
</schnapp>

mit allerbesten Gruessen,

Tim Lassak
K.S.St.V. Alemannia im KV zu Muenchen
Muenchner Schuelerverbindung Monacensia

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