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Re: Klima-Blockierer mit körperlicher Gewalt von der Straße schieben

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Thomas Hochstein

unread,
Sep 1, 2023, 3:00:04 AM9/1/23
to
Christian Treffler schrieb:

> Wäre es durch Notwehr gedeckt, wenn ich aussteige und den Blockierer von
> der Straße entferne? Unter Anwendung der dazu notwendigen körperlichen
> Gewalt?

Wenn es sich um einen gegenwärtigen rechtswidrigen Angriff auf die
Fortbewegungsfreiheit handelt, vereinfacht: wenn der Blockierer da nicht
sein darf, ja.

> Ist die Blockade einer Straße Nötigung und ist das Benutzen der Straße
> ein Individualrechtsgut?

Grundsätzlich ja.

> Wie sieht es aus, wenn die Straßen-Blockade teil einer angemeldeten
> Demonstration ist?

Anders. Behinderungen durch die Ausübung des Versammlungsrechts sind
grundsätzlich hinzunehmen.

Dietz Proepper

unread,
Sep 1, 2023, 5:00:51 AM9/1/23
to
Thomas Hochstein <t...@thh.name> wrote:

> Christian Treffler schrieb:
>
> > Wäre es durch Notwehr gedeckt, wenn ich aussteige und den
> > Blockierer von der Straße entferne? Unter Anwendung der dazu
> > notwendigen körperlichen Gewalt?
>
> Wenn es sich um einen gegenwärtigen rechtswidrigen Angriff auf die
> Fortbewegungsfreiheit handelt, vereinfacht: wenn der Blockierer da
> nicht sein darf, ja.

Man sollte vielleicht anmerken, dass "notwendig" *nicht* umfasst, eine
angeklebte Hand mit einer Flex vom restlichen Körper zu trennen ...

--
+++ATH

Christian Treffler

unread,
Sep 1, 2023, 1:57:19 PM9/1/23
to
Dietz Proepper schrieb:
:-)
Ich weiß schon, warum ich "Blockier" schrieb, und nicht "Kleber".

CU,
Crhistian

Dietz Proepper

unread,
Sep 3, 2023, 9:41:43 AM9/3/23
to
Man weiß ja nie ;-).

Ich würde sowas allerdings eher sein lassen. Du kannst die Person zwar
von der Straße entfernen. Wie aber verhinderst Du dass sich die Person
sofort wieder auf die Straße begibt während Du zu Deinem Auto zurück
kehrst?

Du könntest sie irgendwie fixieren, da sind wir ruck-zuck bei Freiheits-
beraubung oder sie so schwer verletzen dass sie ihre Tat nicht
fortsetzen kann. Das wäre dann die Richtung gefährliche Körper-
verletzung.

Ob das noch von Notwehr gedeckt ist wage ich zu bezweifeln, ibs da
durch das Entfernen von der Straße der *gegenwärtige* Angriff ja
abgewehrt ist und Notwehr nicht das Recht, mögliche zukünftige Angriffe
präventiv zu verhindern umfasst (man korrigiere mich ggf. bitte.)

Und last not least - bei Handgreiflichkeiten können so viel dumme
Sachen passieren. Drei Finger sind *so* schnell gebrochen, eine Nase,
die mit einer Stirn kollidiert kaputtgegangen usw. Und dann viel Spaß
beim Nachweis, dass dies vom Blockierer betrieben und nicht durch Deine
Ungeschicklichkeit verursacht wurde, ibs wenn der Blockierer sich nicht
"aktiv" wehrt.

TL;DR, wenn Du nicht ganz genau weißt, was Du treibst dann überlass'
sowas bitte, bitte den Profis.

--
+++ATH

Stefan Schmitz

unread,
Sep 3, 2023, 12:36:45 PM9/3/23
to
Am 03.09.2023 um 15:41 schrieb Dietz Proepper:

> Du könntest sie irgendwie fixieren, da sind wir ruck-zuck bei Freiheits-
> beraubung oder sie so schwer verletzen dass sie ihre Tat nicht
> fortsetzen kann. Das wäre dann die Richtung gefährliche Körper-
> verletzung.
>
> Ob das noch von Notwehr gedeckt ist wage ich zu bezweifeln, ibs da
> durch das Entfernen von der Straße der *gegenwärtige* Angriff ja
> abgewehrt ist und Notwehr nicht das Recht, mögliche zukünftige Angriffe
> präventiv zu verhindern umfasst (man korrigiere mich ggf. bitte.)

Wenn er Anstalten macht, erneut anzugreifen, ist der Angriff IMHO noch
gegenwärtig, ohne dass er gerade stattfindet.
Sonst wäre gegen Beleidigung gar keine Notwehr möglich, weil die
einzelne Beleidigung naturgemäß nie gegenwärtig sein könnte. Ehe sie
ausgesprochen ist (und damit vergangen), weiß man nicht, ob es eine
Beleidigung ist.

Stefan Froehlich

unread,
Sep 4, 2023, 3:19:19 AM9/4/23
to
On Sun, 03 Sep 2023 18:36:42 Stefan Schmitz wrote:
> Am 03.09.2023 um 15:41 schrieb Dietz Proepper:
>> Ob das noch von Notwehr gedeckt ist wage ich zu bezweifeln, ibs
>> da durch das Entfernen von der Straße der *gegenwärtige* Angriff
>> ja abgewehrt ist und Notwehr nicht das Recht, mögliche zukünftige
>> Angriffe präventiv zu verhindern umfasst (man korrigiere mich
>> ggf. bitte.)

> Wenn er Anstalten macht, erneut anzugreifen, ist der Angriff IMHO
> noch gegenwärtig, ohne dass er gerade stattfindet.
> Sonst wäre gegen Beleidigung gar keine Notwehr möglich, weil die
> einzelne Beleidigung naturgemäß nie gegenwärtig sein könnte. [...]

Man wundert sich immer wieder, aber tatsächlich, ihr seht das
in Deutschland wirklich dermaßen pauschal: "Notwehr ist die
Verteidigung, die erforderlich ist, um einen gegenwärtigen
rechtswidrigen Angriff von sich oder einem anderen abzuwenden".

Rein persönlich finde ich es zwar in der Tat befremdlich, bei einer
Beleidigung von einem "gegenwärtigen" Angriff zu sprechen, aber wenn
euer BGH das so sieht, dann ist es halt so.

Bei uns definiert man Notwehr deutlich eingeschränkter als:
"[Verteidigung], um einen gegenwärtigen oder unmittelbar drohenden
rechtswidrigen Angriff auf Leben, Gesundheit, körperliche
Unversehrtheit, sexuelle Integrität und Selbstbestimmung, Freiheit
oder Vermögen von sich oder einem anderen abzuwehren" und spart sich
damit solche Probleme - die Gegenwertigkeit bei Angriffen auf die
genannten Rechtsgüter ist deutlich einfacher festzustellen, und das
Abwehren eines Angriffs darauf zu diesem Zeitpunkt auch noch
hilfreich.

Und irgendwie erscheint mir diese Einengung auch praktisch ganz
sinnvoll, um z.B. Eskalationen von Schreiduellen hin zu körperlichen
Auseinandersetzungen zu vermeiden - war ja schließlich Notwehr (und
dann finde einmal heraus, wer mit dem Beleidigen begonnen hat).

Servus,
Stefan

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Stefan, so hervorragend wie die Moral. Männerträume werden wahr!
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Stefan Froehlich

unread,
Sep 4, 2023, 3:25:18 AM9/4/23
to
On Sun, 03 Sep 2023 15:41:40 Dietz Proepper wrote:
> Christian Treffler <CTreffle...@gmx.net> wrote:
>> Dietz Proepper schrieb:
>> > Thomas Hochstein <t...@thh.name> wrote:
>> >> Christian Treffler schrieb:
>> >>> Wäre es durch Notwehr gedeckt, wenn ich aussteige und den
>> >>> Blockierer von der Straße entferne? Unter Anwendung der dazu
>> >>> notwendigen körperlichen Gewalt?

>> >> Wenn es sich um einen gegenwärtigen rechtswidrigen Angriff auf
>> >> die Fortbewegungsfreiheit handelt, vereinfacht: wenn der
>> >> Blockierer da nicht sein darf, ja.

> Ich würde sowas allerdings eher sein lassen. Du kannst die Person
> zwar von der Straße entfernen. Wie aber verhinderst Du dass sich
> die Person sofort wieder auf die Straße begibt während Du zu
> Deinem Auto zurück kehrst?

> Du könntest sie irgendwie fixieren, da sind wir ruck-zuck bei
> Freiheitsberaubung [...]

Mich als des deutschen Rechts weitgehend unkundigen würde ja
zunächst einmal interessieren, inwiefern eine Straßenblockad, egal
ob mit oder ohne Kleber, wirklich die (bei uns nicht durch Notwehr
geschützte) Fortbewegungsfreiheit des anderen verletzt. So auf die
Schnelle finde ich da:

| Unter die positive Bewegungsfreiheit fällt unstreitig die Freiheit
| des Einzelnen, sich von einem Ort fortzubewegen und jeden
| beliebigen anderen Ort aufzusuchen (sog. Fortbewegungsfreiheit).
| Dort, wo man nicht bleiben will, muss man auch nicht bleiben.

Nun steht da vor mir jemand auf der Straße, die ich gerade entlang
fahren wollte und lässt mich nicht durch. Doof, das ist ja
eigentlich nicht (ohne weiteres) erlaubt... aber ich kann z.B.
jederzeit umdrehen und einen anderen Weg nehmen. Der einzige Ort,
den aufzusuchen mir der Demonstrant tatsächlich verwehrt, ist doch
der Fleck, auf dem er sitzt - für alle anderen Orte versperrt er
allenfalls den kürztesten Weg dahin (gehen wir einmal davon aus,
dass Klimademonstrationen eher nicht in Sackgassen oder privaten
Hauseinfahrten stattfinden).

Woher kommt also die Notwehrfähigkeit?

Servus,
Stefan

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Stefan - deiner grüsst geklauter oder auch versauter.
(Sloganizer)

Stefan Schmitz

unread,
Sep 4, 2023, 4:02:56 AM9/4/23
to
Solche Eskalationen sind ja gerade keine Notwehr, weil untauglich zum
Abwenden des Angriffs.

Stefan Schmitz

unread,
Sep 4, 2023, 4:12:56 AM9/4/23
to
Am 04.09.2023 um 09:25 schrieb Stefan Froehlich:
> On Sun, 03 Sep 2023 15:41:40 Dietz Proepper wrote:
>> Christian Treffler <CTreffle...@gmx.net> wrote:
>>> Dietz Proepper schrieb:
>>>> Thomas Hochstein <t...@thh.name> wrote:
>>>>> Christian Treffler schrieb:
>>>>>> Wäre es durch Notwehr gedeckt, wenn ich aussteige und den
>>>>>> Blockierer von der Straße entferne? Unter Anwendung der dazu
>>>>>> notwendigen körperlichen Gewalt?
>
>>>>> Wenn es sich um einen gegenwärtigen rechtswidrigen Angriff auf
>>>>> die Fortbewegungsfreiheit handelt, vereinfacht: wenn der
>>>>> Blockierer da nicht sein darf, ja.
>
>> Ich würde sowas allerdings eher sein lassen. Du kannst die Person
>> zwar von der Straße entfernen. Wie aber verhinderst Du dass sich
>> die Person sofort wieder auf die Straße begibt während Du zu
>> Deinem Auto zurück kehrst?
>
>> Du könntest sie irgendwie fixieren, da sind wir ruck-zuck bei
>> Freiheitsberaubung [...]
>
> Mich als des deutschen Rechts weitgehend unkundigen würde ja
> zunächst einmal interessieren, inwiefern eine Straßenblockad, egal
> ob mit oder ohne Kleber, wirklich die (bei uns nicht durch Notwehr
> geschützte) Fortbewegungsfreiheit des anderen verletzt.

Wie kommst du darauf, dass die bei euch nicht geschützt sei?
In deinem Zitat eurer Notwehrdefinition ist doch auch die Freiheit
aufgeführt. Ich fände es erstaunlich, wenn darunter nicht die
Fortbewegungsfreiheit fiele.

> So auf die
> Schnelle finde ich da:
>
> | Unter die positive Bewegungsfreiheit fällt unstreitig die Freiheit
> | des Einzelnen, sich von einem Ort fortzubewegen und jeden
> | beliebigen anderen Ort aufzusuchen (sog. Fortbewegungsfreiheit).
> | Dort, wo man nicht bleiben will, muss man auch nicht bleiben.
>
> Nun steht da vor mir jemand auf der Straße, die ich gerade entlang
> fahren wollte und lässt mich nicht durch. Doof, das ist ja
> eigentlich nicht (ohne weiteres) erlaubt... aber ich kann z.B.
> jederzeit umdrehen und einen anderen Weg nehmen.

Kannst du z.B. auf der Autobahn nicht. Oder wenn hinter dir ein Stau
ist. Außerdem könnte das Ziel nur in der geplanten Richtung mit
vertretbarem Aufwand erreichbar sein.

Stefan Froehlich

unread,
Sep 4, 2023, 7:30:10 AM9/4/23
to
On Mon, 04 Sep 2023 10:12:52 Stefan Schmitz wrote:
> Am 04.09.2023 um 09:25 schrieb Stefan Froehlich:
>> On Sun, 03 Sep 2023 15:41:40 Dietz Proepper wrote:
>>> Du kannst die Person zwar von der Straße entfernen. Wie aber
>>> verhinderst Du dass sich die Person sofort wieder auf die Straße
>>> begibt während Du zu Deinem Auto zurück kehrst?

>> Mich als des deutschen Rechts weitgehend unkundigen würde ja
>> zunächst einmal interessieren, inwiefern eine Straßenblockad,
>> egal ob mit oder ohne Kleber, wirklich die (bei uns nicht durch
>> Notwehr geschützte) Fortbewegungsfreiheit des anderen verletzt.

> Wie kommst du darauf, dass die bei euch nicht geschützt sei? In
> deinem Zitat eurer Notwehrdefinition ist doch auch die Freiheit
> aufgeführt. Ich fände es erstaunlich, wenn darunter nicht die
> Fortbewegungsfreiheit fiele.

Leider scheint es dazu keine Judikatur zu geben. Unser RIS findet
lediglich zwei höchstgerichtliche Entscheidungen zur Notwehr im
Kontext von "Freiheit", eine bejahende:

[15Os136/96]
| Faustschläge gegen einen nachts im Zimmer des siebenjährigen
| (bereits gefesselten und geknebelten) Sohnes betretenen körperlich
| überlegenen und bewaffneten Einbrecher sind als zur Abwehr des
| rechtswidrigen Angriffes (insbesondere) auf die Freiheit und
| körperliche Integrität des Kindes notwendige und angemessene
| Handlungen (§ 3 Abs 1 StGB).

Und eine (wegen Notwehrexzess) verneinende:

[10Os89/83]
| Hochreißen beider Arme zur Befreiung aus einem Festhaltegriff mit
| in Händen gehaltenen Schistöcken, deren Spitzen nach oben
| gerichtet sind und hiebei stoßartig gegen das Gesicht des
| Angreifers wirken, überschreitet die Grenzen notwendiger
| Verteidigung gegen einen Angriff auf die persönliche Freiheit.

(Schöffen und Höchstgericht waren hier beide der Meinung, der
alkoholisierte Täter hätte seine Sorgfaltspflicht ausser acht
gelassen und vor seiner Notwehrhandlung die Schistöcke fallen lassen
müssen; er wurde wegen schwerer Körperverletzung zu einer Geldstrafe
von 200 Tagsätzen verurteilt)


In beiden Fällen ist die "Freiheit" aber so eng definiert, wie ich
das hierzulande bisher auch stets verstanden hatte. Weiters gibt es
noch ein ganz interessantes Urteil aus dem Jahr 1969, das zeigt, wie
durchaus eng man Notwehr gegen sexuelle Übergriffe damals ausgelegt
hat:

[12Os31/69]
| Die weibliche Geschlechtsehre ist ein notwehrfähiges Rechtsgut,
| soweit ein Angriff auf sie einen Angriff auf Leben oder Freiheit
| enthält (zB bei Notzucht).

Die Geschlechtsehre per se darf man also nicht verteidigen, solange
nicht Freiheit oder Leben in Gefahr sind. Das könnte heute auch
anders gesehen werden.

>> | Unter die positive Bewegungsfreiheit fällt unstreitig die
>> | Freiheit des Einzelnen, sich von einem Ort fortzubewegen und
>> | jeden beliebigen anderen Ort aufzusuchen (sog.
>> | Fortbewegungsfreiheit). Dort, wo man nicht bleiben will, muss
>> | man auch nicht bleiben.

>> Nun steht da vor mir jemand auf der Straße, die ich gerade entlang
>> fahren wollte und lässt mich nicht durch. Doof, das ist ja
>> eigentlich nicht (ohne weiteres) erlaubt... aber ich kann z.B.
>> jederzeit umdrehen und einen anderen Weg nehmen.

> Kannst du z.B. auf der Autobahn nicht.

Gibt's bei euch denn Klimaproteste auf Autobahnen? Das ist hier eher
(vermutlich wegen akuter Lebensgefahr der Protestierenden) unüblich,
wenigstens ist mir derartiges nie aufgefallen.

> Oder wenn hinter dir ein Stau ist.

> Außerdem könnte das Ziel nur in der geplanten Richtung mit
> vertretbarem Aufwand erreichbar sein.

Ich hielte "Notwehr" ja eher für die ultima ratio, als für ein
Mittel zur Durchsetzung der Freiheit auf eigene Bequemlichkeit. Aber
wenn das ein Gericht anders sieht, dann ist das natürlich so.

Servus,
Stefan

--
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Stefan - Freude auf den Brettern der Welt!
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Stefan Schmitz

unread,
Sep 4, 2023, 8:31:04 AM9/4/23
to
Daraus geht doch klar hervor, dass ein Angriff auf die Freiheit
vorliegt, obwohl es "nur" um die Fortbewegungsmöglichkeit geht.

Lediglich die Notwendigkeit der gewählten Verteidigung war hier nicht
mehr gegeben.

> (Schöffen und Höchstgericht waren hier beide der Meinung, der
> alkoholisierte Täter hätte seine Sorgfaltspflicht ausser acht
> gelassen und vor seiner Notwehrhandlung die Schistöcke fallen lassen
> müssen; er wurde wegen schwerer Körperverletzung zu einer Geldstrafe
> von 200 Tagsätzen verurteilt)
>
>
> In beiden Fällen ist die "Freiheit" aber so eng definiert, wie ich
> das hierzulande bisher auch stets verstanden hatte. Weiters gibt es
> noch ein ganz interessantes Urteil aus dem Jahr 1969, das zeigt, wie
> durchaus eng man Notwehr gegen sexuelle Übergriffe damals ausgelegt
> hat:
>
> [12Os31/69]
> | Die weibliche Geschlechtsehre ist ein notwehrfähiges Rechtsgut,
> | soweit ein Angriff auf sie einen Angriff auf Leben oder Freiheit
> | enthält (zB bei Notzucht).
>
> Die Geschlechtsehre per se darf man also nicht verteidigen, solange
> nicht Freiheit oder Leben in Gefahr sind. Das könnte heute auch
> anders gesehen werden.

Das scheint der wesentliche Unterschied zwischen AT und DE zu sein. Bei
uns ist auch die Ehre notwehrfähiges Rechtsgut.

>>> | Unter die positive Bewegungsfreiheit fällt unstreitig die
>>> | Freiheit des Einzelnen, sich von einem Ort fortzubewegen und
>>> | jeden beliebigen anderen Ort aufzusuchen (sog.
>>> | Fortbewegungsfreiheit). Dort, wo man nicht bleiben will, muss
>>> | man auch nicht bleiben.
>
>>> Nun steht da vor mir jemand auf der Straße, die ich gerade entlang
>>> fahren wollte und lässt mich nicht durch. Doof, das ist ja
>>> eigentlich nicht (ohne weiteres) erlaubt... aber ich kann z.B.
>>> jederzeit umdrehen und einen anderen Weg nehmen.
>
>> Kannst du z.B. auf der Autobahn nicht.
>
> Gibt's bei euch denn Klimaproteste auf Autobahnen? Das ist hier eher
> (vermutlich wegen akuter Lebensgefahr der Protestierenden) unüblich,
> wenigstens ist mir derartiges nie aufgefallen.

Die Berliner Stadtautobahn war ein viel diskutierter Fall.

>> Oder wenn hinter dir ein Stau ist.
>
>> Außerdem könnte das Ziel nur in der geplanten Richtung mit
>> vertretbarem Aufwand erreichbar sein.
>
> Ich hielte "Notwehr" ja eher für die ultima ratio, als für ein
> Mittel zur Durchsetzung der Freiheit auf eigene Bequemlichkeit. Aber
> wenn das ein Gericht anders sieht, dann ist das natürlich so.

Als Ultima Ratio wäre sie nutzlos, weil es immer andere Möglichkeiten
gäbe. Nur sind die halt nicht so schnell verfügbar oder wirksam.

Und ob man nun 2 Minuten auf der normalen Route oder eine Stunde auf
anderem Weg zum Ziel braucht, ist IMHO mehr als bloß Bequemlichkeit.


Übrigens: Sollte es tatsächlich möglich sein, ohne großen Zeitverlust
einfach umzudrehen und woanders langzufahren, wäre die Verteidigung
nicht mehr notwendig, also keine Notwehr.

Stefan Froehlich

unread,
Sep 4, 2023, 8:55:36 AM9/4/23
to
On Mon, 04 Sep 2023 14:31:01 Stefan Schmitz wrote:
> Am 04.09.2023 um 13:30 schrieb Stefan Froehlich:
>> On Mon, 04 Sep 2023 10:12:52 Stefan Schmitz wrote:
>>> Am 04.09.2023 um 09:25 schrieb Stefan Froehlich:
>>>> [...] inwiefern eine Straßenblockad[e], egal ob mit oder ohne
Ich schrieb ja, dass es nur wegen des Exzesses verneint wurde; eine
höchstgerichtliche Entscheidung wegen grundsätzlich unberechtigter
Notwehr (mit dem zusätzlichen Stichwort "Freiheit") gab es
hierzulande offenbar überhaupt noch nie.

Aber auch im zweiten Beispiel wurde jemand vollständig
bewegungsunfähig gemacht; das ist schon eine deutlich andere
Einschränkung der Freiheit, als eine blockierte Straße.

>> [12Os31/69]
>> | Die weibliche Geschlechtsehre ist ein notwehrfähiges Rechtsgut,
>> | soweit ein Angriff auf sie einen Angriff auf Leben oder
>> | Freiheit enthält (zB bei Notzucht).

>> Die Geschlechtsehre per se darf man also nicht verteidigen,
>> solange nicht Freiheit oder Leben in Gefahr sind. Das könnte
>> heute auch anders gesehen werden.

> Das scheint der wesentliche Unterschied zwischen AT und DE zu
> sein. Bei uns ist auch die Ehre notwehrfähiges Rechtsgut.

Wenn man Gerichten Interpretationsspielraum schaffen möchte, ist das
sicherlich eine gute Gelegenheit :-)

>> Ich hielte "Notwehr" ja eher für die ultima ratio, als für ein
>> Mittel zur Durchsetzung der Freiheit auf eigene Bequemlichkeit.
>> Aber wenn das ein Gericht anders sieht, dann ist das natürlich
>> so.

> Als Ultima Ratio wäre sie nutzlos, weil es immer andere
> Möglichkeiten gäbe. Nur sind die halt nicht so schnell verfügbar
> oder wirksam.

> Und ob man nun 2 Minuten auf der normalen Route oder eine Stunde
> auf anderem Weg zum Ziel braucht, ist IMHO mehr als bloß
> Bequemlichkeit.

Das würde ich unter allgemeinem Lebensrisiko subsummieren: Ob man
wegen einer Demonstration, wegen eines Unfalls oder einfach nur
wegen allgemeiner Verkehrsüberlastung 2 Stunden im Stau steht, macht
subjektiv keinen Unterschied - damit rechnen und leben muss man als
Autofahrer jedenfalls. War die Demonstration rechtswidrig, ist das
eine Sache zwischen den Demonstranten und dem Staat.

Servus,
Stefan

--
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Stefan - die lustigste Erleuchtung der Romantik!
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Helmut Richter

unread,
Sep 4, 2023, 12:35:27 PM9/4/23
to
On Mon, 4 Sep 2023, Stefan Froehlich wrote:

> In beiden Fällen ist die "Freiheit" aber so eng definiert, wie ich
> das hierzulande bisher auch stets verstanden hatte.

Ich bin (a) Deutscher (daher ein anderes Notwehrrecht) und (b) kein
Jurist.

Soweit ich weiß, wird im deutschen Recht keine Verhältnismäßigkeit
gefordert, sondern nur Notwendigkeit. Deswegen gibt es – hoffentlich nur
theoretische – Debatten darüber, unter welchen Umständen man auf die
Nachbarsbuben schießen darf, die gerade im Kirschbaum sitzen und Kirschen
illegal ernten. Unter der Voraussetzung, dass man den Angriff auf das
Eigentum anders nicht schützen kann, ist wohl viel erlaubt;
verhältnismäßig braucht es nicht zu sein.

> Weiters gibt es
> noch ein ganz interessantes Urteil aus dem Jahr 1969, das zeigt, wie
> durchaus eng man Notwehr gegen sexuelle Übergriffe damals ausgelegt
> hat:
>
> [12Os31/69]
> | Die weibliche Geschlechtsehre ist ein notwehrfähiges Rechtsgut,
> | soweit ein Angriff auf sie einen Angriff auf Leben oder Freiheit
> | enthält (zB bei Notzucht).
>
> Die Geschlechtsehre per se darf man also nicht verteidigen, solange
> nicht Freiheit oder Leben in Gefahr sind. Das könnte heute auch
> anders gesehen werden.

Ich habe gerade einen Aufruf für ein europäisches Gesetz gegen Gewalt an
Frauen, das den Fall Rubiales (Küssen einer Fußballspielerin) als
Aufhänger hernimmt. Im gleichen Aufruf werden noch andere Fälle von Gewalt
gegen Frauen thematisiert. Hääh? Der Kuss ist eine Unverschämtheit, eine
Körperverletzung, eine Beleidigung, vielleicht noch mehr, aber er gehört
nicht in eine Reihe gestellt mit Missbrauch aller Art, Notzucht und
sonstigen Fällen von sexuellen Gewaltverbrechen.

Mich gehts nicht viel an. Erstens bin ich kein Fussballer und riskiere
daher nicht, im Falle eines Sieges von einer begeisterten Dame gegen
meinen Willen geküsst zu werden. Zweitens gehts hier nur um sexualisierte
Gewalt gegen Frauen, nicht gegen Männer. Und die warten ja nach gängigem
Klischee darauf angemacht zu werden – kann also gar nicht gegen ihren
Willen sein.

--
Helmut Richter

Gerald Gruner

unread,
Sep 9, 2023, 7:51:52 AM9/9/23
to
Stefan Froehlich schrieb am 4.09.23:

> Man wundert sich immer wieder, aber tatsächlich, ihr seht das
> in Deutschland wirklich dermaßen pauschal: "Notwehr ist die
> Verteidigung, die erforderlich ist, um einen gegenwärtigen
> rechtswidrigen Angriff von sich oder einem anderen abzuwenden".

Nicht vergessen, dass das dann ein Richter anwenden muss und es dazu beu^W
auslegt, wie es ihm gerade in den Sinn kommt. Da muss man sich schon an den
Kopf fassen, welches "Recht" manchmal "im Namen des Volkes" gesprochen
wird. Z.B. wurde eine Einzelperson, die sich gegen drei oder vier Schläger
(not)wehrt und dabei einen mit einer Nagelfeile(?) oder einem ziemlich
kleinen Messer verletzt, zu mehreren Jahren Haft verurteilt, weil das keine
Notwehr wäre...
Wenn DAS nicht Notwehr ist, was dann?

"Vor Gericht und auf hoher See ist man in Gottes Hand."

MfG
Gerald

--
"Derivatives are financial weapons of mass destrucion."
- Börsenguru Warren Buffet über manche "Finanzprodukte"
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