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Urteil wegen Mordes nach tödlichem Unfall

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Werner Holtfreter

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Feb 27, 2017, 4:06:40 PM2/27/17
to
Hallo,

"Urteil wegen Mordes nach tödlichem Unfall", so beginnt die
Pressemitteilung der "Berliner Strafgerichte" und fährt fort "bei
einem illegalen Straßenrennen auf dem Berliner Kurfürstendamm (PM
13/2017)"

der Mordparagraf 211 lautet:

----------------------------------------------------------------
(1) Der Mörder wird mit lebenslanger Freiheitsstrafe bestraft.

(2) Mörder ist, wer

aus Mordlust, zur Befriedigung des Geschlechtstriebs,
aus Habgier oder sonst aus niedrigen Beweggründen,

heimtückisch oder grausam oder mit gemeingefährlichen
Mitteln oder

um eine andere Straftat zu ermöglichen oder zu verdecken,

einen Menschen tötet.
----------------------------------------------------------------
(Trotz der aus https://dejure.org/gesetze/StGB/211.html übernommenen
Einrückungen ist mir die UND/ODER/Klammerung nicht völlig klar.
Vielleicht sollte Juristen ein Semester Mathe auferlegt werden. Wer
die Klammerung kennt, bitte einfügen.)

Wie kann man einen Unfall, und sei er noch so leichtfertig und
rücksichtslos verursacht worden, mit Mord in Verbindung bringen?
Hier die vollständige Presseerklärung:

----------------------------------------------------------------
Landgericht Berlin: Urteil wegen Mordes nach tödlichem Unfall bei
einem illegalen Straßenrennen auf dem Berliner Kurfürstendamm
(PM 13/2017)
Pressemitteilung vom 27.02.2017

Die 35. Große Strafkammer des Landgerichts Berlin hat heute den
28-jährigen Hamdi H. und den 25-jährigen Marvin N. wegen Mordes in
Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung und vorsätzlicher
Gefährdung des Straßenverkehrs zu lebenslangen Freiheitsstrafen
verurteilt. Die Führerscheine der Angeklagten wurden eingezogen,
die Fahrerlaubnisse lebenslang entzogen.

Nach Überzeugung der Schwurgerichtskammer haben sich die Angeklagten
am 1. Februar 2016 kurz nach Mitternacht bei einem zufälligen
Zusammentreffen an einer Ampel auf dem Berliner Kurfürstendamm zu
einem spontanen Straßenrennen verabredet. Mit Geschwindigkeiten von
bis zu 170 km/h und durchgedrückten Gaspedalen seien sie mit ihren
Fahrzeugen den Kurfürstendamm und die sich anschließende
Tauentzienstraße entlanggerast und hätten dabei mehrere rote Ampeln
missachtet. An der Kreuzung Tauentzienstraße / Nürnberger Straße
sei das Fahrzeug des Angeklagten Hamdi H. mit dem Jeep eines
69-Jährigen kollidiert, der noch am Unfallort verstorben sei. Der
Angeklagte Marvin N. sei gegen eine steinerne Hochbeeteinfassung
gerast und mit seinem Fahrzeug mehrere Meter durch die Luft
geflogen, seine Beifahrerin sei dabei verletzt worden.

Der Unfallort habe nach dem Zusammenprall wie ein „Schlachtfeld“
ausgesehen, so der Vorsitzende Richter Ralph Ehestädt in seiner
mündlichen Urteilsbegründung heute. Die Angeklagten hätten gewusst,
was ihr Verhalten für eine Auswirkung auf andere Verkehrsteilnehmer
haben könnte und sie hätten diese möglichen Folgen bewusst
billigend in Kauf genommen, d.h. sie hätten sich mit dem Tod
anderer Verkehrsteilnehmer abgefunden. Damit sei juristisch von
einem bedingten Tötungsvorsatz auszugehen. Darüber hinaus hätten
die Angeklagten das Mordmerkmal des gemeingefährlichen Tatmittels
verwirklicht. Die Angeklagten hätten ihre Autos, schwere und
PS-starke Gefährte, nicht mehr unter Kontrolle gehabt und damit
eine hohe Anzahl von anderen Verkehrsteilnehmern und Passanten auf
dem auch nachts stark frequentierten Kurfürstendamm in Gefahr
gebracht. Sie hätten es dem Zufall überlassen, ob und wie viele
Menschen durch ihr Verhalten zu Schaden kommen. Gleichsam wies der
Vorsitzende darauf hin, dass die Summe der einzelnen konkreten
Tatumstände und die Persönlichkeiten der Angeklagten in diesem Fall
den Ausschlag gegeben hätten. Der Fall sei nicht vergleichbar mit
anderen Vorfällen im Straßenverkehr, die jüngst für Aufsehen
gesorgt hatten.

Das Gesetz sieht bei einer Verurteilung wegen Mordes zwingend eine
lebenslange Freiheitsstrafe vor (§ 211 StGB).

Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Es kann binnen einer Woche
mit der Revision zum Bundesgerichtshof angefochten werden.

(Aktenzeichen: 535 Ks 8/16)

Lisa Jani
Sprecherin der Berliner Strafgerichte
----------------------------------------------------------------

XPost + --> de.soc.recht.strafrecht
--
Gruß Werner

www.mmnews.de/index.php/politik/98092-wegen-politik-satire-2-jahre-knast-facebook
http://homment.com/2ohwem6hre

Bernd Ullrich

unread,
Feb 27, 2017, 5:03:58 PM2/27/17
to
Am 27.02.2017 um 22:06 schrieb Werner Holtfreter:

> oder mit gemeingefährlichen
Mitteln oder

>einen Menschen tötet

?

BU

Joerg Meier

unread,
Feb 27, 2017, 5:18:44 PM2/27/17
to
On Mon, 27 Feb 2017 22:06:38 +0100, Werner Holtfreter wrote:

> Wie kann man einen Unfall, und sei er noch so leichtfertig und
> rücksichtslos verursacht worden, mit Mord in Verbindung bringen?
> Hier die vollständige Presseerklärung:

Komisches Post - Du beantwortest Deine eigene Frage noch im gleichen
Posting. In dem von Dir selbst kopierten Abschnitt steht es doch in aller
Deutlichkeit:

> Darüber hinaus hätten die Angeklagten das Mordmerkmal des
> gemeingefährlichen Tatmittels verwirklicht.

Liebe Gruesse,
Joerg

--
Ich lese meine Emails nicht, replies to Email bleiben also leider
ungelesen.

Henning Koch

unread,
Feb 27, 2017, 5:54:03 PM2/27/17
to
On Mon, 27 Feb 2017 22:06:38 +0100, Werner Holtfreter wrote:

>----------------------------------------------------------------
>(1) Der Mörder wird mit lebenslanger Freiheitsstrafe bestraft.
>
>(2) Mörder ist, wer
>
> aus Mordlust, zur Befriedigung des Geschlechtstriebs,
> aus Habgier oder sonst aus niedrigen Beweggründen,
>
> heimtückisch oder grausam oder mit gemeingefährlichen
> Mitteln oder
>
> um eine andere Straftat zu ermöglichen oder zu verdecken,
>
>einen Menschen tötet.
>----------------------------------------------------------------
>(Trotz der aus https://dejure.org/gesetze/StGB/211.html übernommenen
>Einrückungen ist mir die UND/ODER/Klammerung nicht völlig klar.

Es handelt sich um eine Aufzählung von Mordmerkmalen. Wenn mindestens
eines davon vorliegt, qualifiziert es den Totschlag zum Mord.

>Wie kann man einen Unfall, und sei er noch so leichtfertig und
>rücksichtslos verursacht worden, mit Mord in Verbindung bringen?

Das ist eine rein systematische Sache.

Mord ist es, wenn:
1. ein Mensch getötet wird,
2. das vorsätzlich geschieht und
3. mindetens ein Mordmerkmal vorliegt.

Punkt 1. ist unstrittig erfüllt, und die Staatsanwaltschaft hat den
Angeklagten offensichtlich vorgeworfen 2. durch ihrer Fahrweise den
Tod anderer Menschen billigend in Kauf genommen zu haben (also mit
bedingtem Vorsatz gehandelt zu haben) und 3. heitücksich und mit
gemeingefährlichen Mitteln gehandelt zu haben.

Die Verteidigung hat offensichtlich nicht geschafft, mehr als den
Vorwurf der Heimtücke zu entkräften.

Du hast die Pressemeldung ja selber zitiert:

>An der Kreuzung Tauentzienstraße / Nürnberger Straße
>sei das Fahrzeug des Angeklagten Hamdi H. mit dem Jeep eines
>69-Jährigen kollidiert, der noch am Unfallort verstorben sei.

Das ist der Tote.

>Mit Geschwindigkeiten von
>bis zu 170 km/h und durchgedrückten Gaspedalen seien sie mit ihren
>Fahrzeugen den Kurfürstendamm und die sich anschließende
>Tauentzienstraße entlanggerast und hätten dabei mehrere rote Ampeln
>missachtet.
(...)
>Die Angeklagten hätten gewusst,
>was ihr Verhalten für eine Auswirkung auf andere Verkehrsteilnehmer
>haben könnte und sie hätten diese möglichen Folgen bewusst
>billigend in Kauf genommen, d.h. sie hätten sich mit dem Tod
>anderer Verkehrsteilnehmer abgefunden. Damit sei juristisch von
>einem bedingten Tötungsvorsatz auszugehen.

Das ist der Vorsatz.

>Darüber hinaus hätten die Angeklagten das Mordmerkmal des gemeingefährlichen
>Tatmittels verwirklicht. Die Angeklagten hätten ihre Autos, schwere und
>PS-starke Gefährte, nicht mehr unter Kontrolle gehabt und damit
>eine hohe Anzahl von anderen Verkehrsteilnehmern und Passanten auf
>dem auch nachts stark frequentierten Kurfürstendamm in Gefahr
>gebracht. Sie hätten es dem Zufall überlassen, ob und wie viele
>Menschen durch ihr Verhalten zu Schaden kommen.

Das ist das Mordmerkmal "gemeingefährliches Mittel".

Das BGH hat dieses gemeingefährliche Mittel einmal so definiert:
|Das Mordmerkmal der Tötung mit gemeingefährlichen Mitteln ist erfüllt, wenn der
|Täter ein Mittel zur Tötung einsetzt, das in der konkreten Tatsituation eine
|Mehrzahl von Menschen an Leib und Leben gefährden kann, weil er die Ausdehnung
|der Gefahr nicht in seiner Gewalt hat. Dabei ist nicht allein auf die abstrakte
|Gefährlichkeit eines Mittels abzustellen, sondern auf seine Eignung und Wirkung
|in der konkreten Situation unter Berücksichtigung der persönlichen Fähigkeiten
|und Absichten des Täters.

Hier ist wohl kaum ernsthaft zu bezweifeln, dass es reiner Zufall war
(man mag es nicht unbedingt Glück nennen), dass mit es "nur" einem
Toten geendet hat.

Die lebenslange Freiheitsstrafe ist dann in der Tat zwangsläufig.


Ich gehe davon aus, das die Verteidiger im Rahmen der Revision den
bedingten Vorsatz angreifen werden. Damit könnte es dann zu einer
Verurteilung wegen fahrlässiger Tötung kommen, wenn die Richter am BGH
davon überzeugt werden, das die Täter der (zwar abwegigen) echten
Überzeugung waren, im innerstädtischen Verkehr bei Geschwindigkeiten
von bis zu 170 km/h und unter Missachtung von roten Ampeln die
Situation jederzeit so weit im Griff zu haben, dass es nicht zu
schweren Unfällen kommen würde.

David Seppi

unread,
Feb 27, 2017, 6:18:35 PM2/27/17
to
Werner Holtfreter schrieb in de.soc.recht.strafrecht:

> der Mordparagraf 211 lautet:
>
> ----------------------------------------------------------------
> (1) Der Mörder wird mit lebenslanger Freiheitsstrafe bestraft.
>
> (2) Mörder ist, wer
>
> aus Mordlust, zur Befriedigung des Geschlechtstriebs,
> aus Habgier oder sonst aus niedrigen Beweggründen,
>
> heimtückisch oder grausam oder mit gemeingefährlichen
> Mitteln oder
>
> um eine andere Straftat zu ermöglichen oder zu verdecken,
>
> einen Menschen tötet.
> ----------------------------------------------------------------
> (Trotz der aus https://dejure.org/gesetze/StGB/211.html übernommenen
> Einrückungen ist mir die UND/ODER/Klammerung nicht völlig klar.
> Vielleicht sollte Juristen ein Semester Mathe auferlegt werden. Wer
> die Klammerung kennt, bitte einfügen.)

Ich habe jetzt dreimal drübergelesen, sehe aber kein einziges UND,
sondern ausschließlich ODER. Wo siehst Du hier ein UND?
ODER alleine ist aber assoziativ, d.h. Klammern sind beliebig möglich
und können daher weggelassen werden. Mindestens eine der Bedingungen
der obigen Liste muß erfüllt sein, damit die Qualifikation des Mordes
erfüllt ist.

> Wie kann man einen Unfall, und sei er noch so leichtfertig und
> rücksichtslos verursacht worden, mit Mord in Verbindung bringen?

Die Staatsanwaltschaft sah aus obiger Liste "heimtückisch" und
"mit gemeimgefährlichen Mitteln" als erfüllt an. Das Gericht ließ
sich von letzterem überzeugen, was alleine schon ausreichend ist.

--
David Seppi
1220 Wien

Werner Holtfreter

unread,
Feb 27, 2017, 7:12:04 PM2/27/17
to
David Seppi wrote:

> Werner Holtfreter schrieb in de.soc.recht.strafrecht:
>
>> der Mordparagraf 211 lautet:
>>
>> ----------------------------------------------------------------
>> (1) Der Mörder wird mit lebenslanger Freiheitsstrafe bestraft.
>>
>> (2) Mörder ist, wer
>>
>> aus Mordlust, zur Befriedigung des Geschlechtstriebs,
>> aus Habgier oder sonst aus niedrigen Beweggründen,
>>
>> heimtückisch oder grausam oder mit gemeingefährlichen
>> Mitteln oder
>>
>> um eine andere Straftat zu ermöglichen oder zu verdecken,
>>
>> einen Menschen tötet.
>> ----------------------------------------------------------------
>> (Trotz der aus https://dejure.org/gesetze/StGB/211.html
>> übernommenen Einrückungen ist mir die UND/ODER/Klammerung nicht
>> völlig klar. Vielleicht sollte Juristen ein Semester Mathe
>> auferlegt werden. Wer die Klammerung kennt, bitte einfügen.)
>
> Ich habe jetzt dreimal drübergelesen, sehe aber kein einziges UND,
> sondern ausschließlich ODER. Wo siehst Du hier ein UND?

Es steht nicht da, da hast du Recht. Ich habe das in die
Abtrennungen der Einrückung hineininterpretiert:

----------------------------------------------------------------
(2) Mörder ist, wer

(aus Mordlust ODER zur Befriedigung des Geschlechtstriebs
ODER aus Habgier ODER sonst aus niedrigen Beweggründen,)
UND
(heimtückisch ODER grausam ODER mit gemeingefährlichen
Mitteln ODER um eine andere Straftat zu ermöglichen ODER
um eine andere Straftat zu verdecken,)

einen Menschen tötet.
----------------------------------------------------------------

> ODER alleine ist aber assoziativ, d.h. Klammern sind beliebig
> möglich und können daher weggelassen werden.

OK

> Mindestens eine der Bedingungen der obigen Liste muß erfüllt sein,
> damit die Qualifikation des Mordes erfüllt ist.

Das überrascht mich. Sobald ein Messer im Spiel ist und im Affekt
tödlich zugestochen wird, ist es Mord?

Werner Holtfreter

unread,
Feb 27, 2017, 7:14:35 PM2/27/17
to
Henning Koch wrote:

> On Mon, 27 Feb 2017 22:06:38 +0100, Werner Holtfreter wrote:
>
>>----------------------------------------------------------------
>>(1) Der Mörder wird mit lebenslanger Freiheitsstrafe bestraft.
>>
>>(2) Mörder ist, wer
>>
>> aus Mordlust, zur Befriedigung des Geschlechtstriebs,
>> aus Habgier oder sonst aus niedrigen Beweggründen,
>>
>> heimtückisch oder grausam oder mit gemeingefährlichen
>> Mitteln oder
>>
>> um eine andere Straftat zu ermöglichen oder zu verdecken,
>>
>>einen Menschen tötet.
>>----------------------------------------------------------------
>>(Trotz der aus https://dejure.org/gesetze/StGB/211.html
>>übernommenen Einrückungen ist mir die UND/ODER/Klammerung nicht
>>völlig klar.
>
> Es handelt sich um eine Aufzählung von Mordmerkmalen. Wenn
> mindestens eines davon vorliegt, qualifiziert es den Totschlag zum
> Mord. ____^^^^^
/
Kann das jemand bestätigen? Ich hatte in die Abtrennung durch die
drei Unterabschnitte da ein UND hineininterpretiert, denn anders
sehe ich keine sinnvolle Abgrenzung zum Totschlag.
Danke für deine Antwort.

Nur muss ich gestehen, dass ich zwar mit graduellem Unterschied aber
doch in prinzipiell gleicher Weise die Tötung von Menschen
billigend in Kauf nehme, wenn ich mich ans Steuer setze - nämlich
in dem Grade, in dem selbst bei umsichtiger Fahrweise nach den
Gesetzen der Wahrscheinlichkeit ein solcher Fall eintritt.

Wenn die Abgrenzung zum Mord nicht an qualitativen Merkmalen
festgemacht wird, ist jeder Kraftfahrer ein potentieller Mörder.

Nebenbei gesagt finde ich schwer daneben, das menschliche
Grundbedürfnis der "Befriedigung des Geschlechtstriebs" wie auch
die jedem Menschen immanente "Habgier" - übrigens Grundlage unseres
Wirtschaftssystems - zu Kriterien für Mord zu machen. Von der
Unbestimmtheit der "niedrigen Beweggründe" ganz zu schweigen.

Wie sinnvoll dagegen die kurze und klare Fassung von 1871:

"Wer vorsätzlich einen Menschen tödtet, wird, wenn er die Tödtung
mit Überlegung ausgeführt hat, wegen Mordes mit dem Tode bestraft."

Mir geht es natürlich nicht um das Strafmaß sondern um die klare
Abgrenzung:

Vorsätzlich UND Mit Überlegung (also nicht im Affekt).

Das Vorsätzlich hast *du* im Zusammenhang mit der aktuellen
Rechtslage genannt und so versteht man Mord ja auch:

> 2. das vorsätzlich geschieht

Nur steht "Vorsatz" nicht im heutigen Mord-Paragrafen, bedingter
Vorsatz auch nicht.

Theodor Hellwald

unread,
Feb 27, 2017, 8:41:30 PM2/27/17
to
oh man, *handpalm*

Theodor Hellwald

unread,
Feb 27, 2017, 8:44:33 PM2/27/17
to
Nein, dann könnte es Totschlag sein. In GB würde es vorsätzlichen Mord
lauten da das Gericht sagen würde: Wer mit einem Messer zu einen
Einbruch geht, handelt vorsätzlich nicht fahrlässig, wenn er jemanden
aufspiesst....

Andreas Portz

unread,
Feb 28, 2017, 1:19:26 AM2/28/17
to
Werner Holtfreter wrote:

> Wie kann man einen Unfall, und sei er noch so leichtfertig und
> rücksichtslos verursacht worden, mit Mord in Verbindung bringen?

In de.soc.recht.misc läuft seit gestern ein Megathread zu genau diesem
Urteil und man 'zerpflückt' dabei genau obige Fragestellung, sowie
diverse andere juristische Umschreibungen vs. 'gesundem Menschenverstand'.


-Andreas

Lars Wilhelm

unread,
Feb 28, 2017, 2:53:14 AM2/28/17
to
Am 28.02.2017 um 01:12 schrieb Werner Holtfreter:
Nein.
Natürlich nicht. Weiter oben im Thread wurde es doch schon auseinander
gepflückt.
Ein Messer isdt zunächst einmal nicht allgemeingefährlich. Und zum
anderen hat man ja in diesem Urteil den Tätern bedingten Vorsatz
unterstellt.
Im Affekt ist aber ungleich bedingter Vorsatz

Herbert Albrecht

unread,
Feb 28, 2017, 5:22:49 AM2/28/17
to
Am 27.02.2017 um 22:06 schrieb Werner Holtfreter:
> Hallo,
>
> "Urteil wegen Mordes nach tödlichem Unfall", so beginnt die
> Pressemitteilung der "Berliner Strafgerichte" und fährt fort "bei
> einem illegalen Straßenrennen auf dem Berliner Kurfürstendamm (PM
> 13/2017)"
>
> der Mordparagraf 211 lautet:
>
> ----------------------------------------------------------------
> (1) Der Mörder wird mit lebenslanger Freiheitsstrafe bestraft.
>
> (2) Mörder ist, wer
>
> aus Mordlust, zur Befriedigung des Geschlechtstriebs,
> aus Habgier oder sonst aus niedrigen Beweggründen,
>
> heimtückisch oder grausam oder mit gemeingefährlichen
> Mitteln oder
>
> um eine andere Straftat zu ermöglichen oder zu verdecken,
>
> einen Menschen tötet.

Und das bedeutet für mich als juristischen Laien >einen *bestimmten*
Menschen<. Ein Mord braucht ein Opfer. Wie dieses Problem bei
Zufallsopfern juristisch gelöst wird (egal, ob es Strassenpassanten
sind, die von Terroristen überfahren werden oder wie hier von
durchgedrehten Jungmännern im Testosteronrausch) würde mich interessieren.
Diese Schilderung hilft mir dabei kaum weiter.

Die Angeklagten hätten gewusst,
> was ihr Verhalten für eine Auswirkung auf andere Verkehrsteilnehmer
> haben könnte und sie hätten diese möglichen Folgen bewusst
> billigend in Kauf genommen, d.h. sie hätten sich mit dem Tod
> anderer Verkehrsteilnehmer abgefunden.

Hat das die Verhandlung ergeben?

Damit sei juristisch von
> einem bedingten Tötungsvorsatz auszugehen. Darüber hinaus hätten
> die Angeklagten das Mordmerkmal des gemeingefährlichen Tatmittels
> verwirklicht. Die Angeklagten hätten ihre Autos, schwere und
> PS-starke Gefährte, nicht mehr unter Kontrolle gehabt und damit
> eine hohe Anzahl von anderen Verkehrsteilnehmern und Passanten auf
> dem auch nachts stark frequentierten Kurfürstendamm in Gefahr
> gebracht. Sie hätten es dem Zufall überlassen, ob und wie viele
> Menschen durch ihr Verhalten zu Schaden kommen.

Aha. Gilt das nun auch für Gangster, die mit ihren Pistolen in der
Öffentlichkeit rumballern? Für die Besitzer von Kampfhunden u.s.w.? Ich
bin ja durchaus aufgeschlossen für eine härtere Bestrafung von
Gewalttätern aber dann bitte von allen.

Gleichsam wies der
> Vorsitzende darauf hin, dass die Summe der einzelnen konkreten
> Tatumstände und die Persönlichkeiten der Angeklagten in diesem Fall
> den Ausschlag gegeben hätten. Der Fall sei nicht vergleichbar mit
> anderen Vorfällen im Straßenverkehr, die jüngst für Aufsehen
> gesorgt hatten.

Da wüsste ich gerne, warum das so ist.

Herbert

Stefan Froehlich

unread,
Feb 28, 2017, 5:28:41 AM2/28/17
to
On Tue, 28 Feb 2017 11:22:48 Herbert Albrecht wrote:
> Am 27.02.2017 um 22:06 schrieb Werner Holtfreter:
> > (2) Mörder ist, wer
> > [unter bestimmten Voraussetzungen]
> > einen Menschen tötet.

> Und das bedeutet für mich als juristischen Laien >einen *bestimmten*
> Menschen<. Ein Mord braucht ein Opfer.

Ja, sicherlich.

> Wie dieses Problem bei Zufallsopfern juristisch gelöst wird (egal,
> ob es Strassenpassanten sind, die von Terroristen überfahren
> werden oder wie hier von durchgedrehten Jungmännern im
> Testosteronrausch) würde mich interessieren.

Wo genau siehst Du da das Problem? Die Opfer sind ja in beiden
Fällen bekannt und kausal der Tat zuzuordnen. Es steht im Gesetz
nirgendwo, dass sich der Mörder sein Opfer schon Tage vor der Tat
ausgesucht haben muss.

Servus,
Stefan

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Stefan - was für ein makelloser Gedanke.
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Helmut Richter

unread,
Feb 28, 2017, 5:48:01 AM2/28/17
to
Am 28.02.2017 um 11:28 schrieb Stefan Froehlich:
> On Tue, 28 Feb 2017 11:22:48 Herbert Albrecht wrote:
>> Am 27.02.2017 um 22:06 schrieb Werner Holtfreter:
>>> (2) Mörder ist, wer
>>> [unter bestimmten Voraussetzungen]
>>> einen Menschen tötet.
>
>> Und das bedeutet für mich als juristischen Laien >einen *bestimmten*
>> Menschen<. Ein Mord braucht ein Opfer.
>
> Ja, sicherlich.
>
>> Wie dieses Problem bei Zufallsopfern juristisch gelöst wird (egal,
>> ob es Strassenpassanten sind, die von Terroristen überfahren
>> werden oder wie hier von durchgedrehten Jungmännern im
>> Testosteronrausch) würde mich interessieren.
>
> Wo genau siehst Du da das Problem? Die Opfer sind ja in beiden
> Fällen bekannt und kausal der Tat zuzuordnen. Es steht im Gesetz
> nirgendwo, dass sich der Mörder sein Opfer schon Tage vor der Tat
> ausgesucht haben muss.

In der Alltagssprache gehört zu einem Mord zumindest die Tötungsabsicht.
Man würde wohl auch die Absicht "ich gehe jetzt auf die Straße und niete
irgendwelche fünf Leute um" als Mordabsicht bezeichnen und die
Ausführung als Mord.

In der juristischen Fachsprache -- so die Diskussion hier -- reicht ein
In-Kauf-Nehmen der Tötung aus und wird der beabsichtigten Tötung
gleichgesetzt. Die Juristen könne natürlich ihre Fachbegriffe
diskutieren, wie sie wollen. Man kann sich aber fragen, ob diese
Gleichsetzung für das Ziel, eine als gerecht, als tat- und
schuldangemessen empfundene Strafe zu finden, geeignet ist, gerade weil
der Abstand des Tatbestandes zu sehr grober Fahrlässigkeit so gering ist
-- und im Einzelfall sehr schwer nachweisbar.

--
Helmut Richter

Werner Holtfreter

unread,
Feb 28, 2017, 6:01:30 AM2/28/17
to
Doch, ein Messer gilt als gemeingefährliches Mittel.

> Und zum anderen hat man ja in diesem Urteil den Tätern bedingten
> Vorsatz unterstellt.
> Im Affekt ist aber ungleich bedingter Vorsatz

Bedingter Vorsatz steht nicht im Mordparagrafen.

P&eterL#iederm%ann

unread,
Feb 28, 2017, 6:19:14 AM2/28/17
to
Am 27.02.2017 um 22:06 schrieb Werner Holtfreter:
> Hallo,
>
> "Urteil wegen Mordes nach tödlichem Unfall", so beginnt die
> Pressemitteilung der "Berliner Strafgerichte" und fährt fort "bei
> einem illegalen Straßenrennen auf dem Berliner Kurfürstendamm (PM
> 13/2017)"
>
> der Mordparagraf 211 lautet:
>
> ----------------------------------------------------------------
> (1) Der Mörder wird mit lebenslanger Freiheitsstrafe bestraft.
>
> (2) Mörder ist, wer
>
> aus Mordlust, zur Befriedigung des Geschlechtstriebs,
> aus Habgier oder sonst aus niedrigen Beweggründen,
>
> heimtückisch oder grausam oder mit gemeingefährlichen
> Mitteln oder
>
> um eine andere Straftat zu ermöglichen oder zu verdecken,
>
> einen Menschen tötet.
> ----------------------------------------------------------------
> (Trotz der aus https://dejure.org/gesetze/StGB/211.html übernommenen
> Einrückungen ist mir die UND/ODER/Klammerung nicht völlig klar.
> Vielleicht sollte Juristen ein Semester Mathe auferlegt werden. Wer
> die Klammerung kennt, bitte einfügen.)

Mathematikunterricht hat noch niemandem geschadet. Gymnasium genügt
aber vielleicht. Die genannte Quelle ist allerdings m.W. nicht
verbindlich.

>
> Wie kann man einen Unfall, und sei er noch so leichtfertig und
> rücksichtslos verursacht worden, mit Mord in Verbindung bringen?
> Hier die vollständige Presseerklärung:
>
> ----------------------------------------------------------------
> Landgericht Berlin: Urteil wegen Mordes nach tödlichem Unfall bei
> einem illegalen Straßenrennen auf dem Berliner Kurfürstendamm
> (PM 13/2017)
> Pressemitteilung vom 27.02.2017
>
> Die 35. Große Strafkammer des Landgerichts Berlin hat heute den
> 28-jährigen Hamdi H. und den 25-jährigen Marvin N. wegen Mordes in
> Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung und vorsätzlicher
> Gefährdung des Straßenverkehrs zu lebenslangen Freiheitsstrafen
> verurteilt. Die Führerscheine der Angeklagten wurden eingezogen,
> die Fahrerlaubnisse lebenslang entzogen.

Zwischenbemerkung: Deutschunterricht wäre aber für Juristen vielleicht
noch wichtiger als solcher in Mathematik.

>
> Nach Überzeugung der Schwurgerichtskammer haben sich die Angeklagten
> am 1. Februar 2016 kurz nach Mitternacht bei einem zufälligen
> Zusammentreffen an einer Ampel auf dem Berliner Kurfürstendamm zu
> einem spontanen Straßenrennen verabredet. Mit Geschwindigkeiten von
> bis zu 170 km/h und durchgedrückten Gaspedalen seien sie mit ihren
> Fahrzeugen den Kurfürstendamm und die sich anschließende
> Tauentzienstraße entlanggerast und hätten dabei mehrere rote Ampeln
> missachtet. An der Kreuzung Tauentzienstraße / Nürnberger Straße
> sei das Fahrzeug des Angeklagten Hamdi H. mit dem Jeep eines
> 69-Jährigen kollidiert, der noch am Unfallort verstorben sei. Der
> Angeklagte Marvin N. sei gegen eine steinerne Hochbeeteinfassung
> gerast und mit seinem Fahrzeug mehrere Meter durch die Luft
> geflogen, seine Beifahrerin sei dabei verletzt worden.
>
> Der Unfallort habe nach dem Zusammenprall wie ein „Schlachtfeld“
> ausgesehen, so der Vorsitzende Richter Ralph Ehestädt in seiner
> mündlichen Urteilsbegründung heute. Die Angeklagten hätten gewusst,
> was ihr Verhalten für eine Auswirkung auf andere Verkehrsteilnehmer
> haben könnte und sie hätten diese möglichen Folgen bewusst
> billigend in Kauf genommen, d.h. sie hätten sich mit dem Tod
> anderer Verkehrsteilnehmer abgefunden. Damit sei juristisch von
> einem bedingten Tötungsvorsatz auszugehen.

Zwischenbemerkung: das ist sicher.

> Darüber hinaus hätten
> die Angeklagten das Mordmerkmal des gemeingefährlichen Tatmittels
> verwirklicht.

Zwischenbemerkung: Soll jetzt ein Auto per se gemeingefährlich sein?
Das glaubt höchstens der "SLUKA"

> Die Angeklagten hätten ihre Autos, schwere und
> PS-starke Gefährte, nicht mehr unter Kontrolle gehabt und damit
> eine hohe Anzahl von anderen Verkehrsteilnehmern und Passanten auf
> dem auch nachts stark frequentierten Kurfürstendamm in Gefahr
> gebracht.

Zwischenbemerkung: Solches geschieht oft auch fahrlässig. dann liegt
aber definitiv kein Mord vor. OT: In der Schweiz ist das
"Nichtbeherrschen des Fahrzeugs" übrigens ein eigenständiger
gravierender Verstoss, das könnte man in Deutschland auch einführen.


> Sie hätten es dem Zufall überlassen, ob und wie viele
> Menschen durch ihr Verhalten zu Schaden kommen.

Zwischenbemerkung; Hierin würde ich Grausamkeit im Sinne der obigen
Strafrechtsbestimmung sehen.

> Gleichsam wies der
> Vorsitzende darauf hin, dass die Summe der einzelnen konkreten
> Tatumstände und die Persönlichkeiten der Angeklagten in diesem Fall
> den Ausschlag gegeben hätten. Der Fall sei nicht vergleichbar mit
> anderen Vorfällen im Straßenverkehr, die jüngst für Aufsehen
> gesorgt hatten.

Zwischenbemerkung: Was das jetzt soll, weiss ich nicht. Das
Strafgericht muss ohnehin ein Urteil sprechen, das tat- und
schuldangemessen ist. Die Vergleichbarkeit mit anderen beurteilten
Rechtsfällen kann ebenfalls beachtlich sein. Was aus der
Unvergleichbarkeit folgt, bleibt rätselhaft.

>
> Das Gesetz sieht bei einer Verurteilung wegen Mordes zwingend eine
> lebenslange Freiheitsstrafe vor (§ 211 StGB).
>
> Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Es kann binnen einer Woche
> mit der Revision zum Bundesgerichtshof angefochten werden.

Zwischenbemerkung: Bei einer solchen kommt aber nicht oft etwas heraus.

Werner Holtfreter

unread,
Feb 28, 2017, 6:52:47 AM2/28/17
to
Überhaupt nicht! Das würde erfordern, dass gleichzeitig eine
bedingte Eigen-Tötungsabsicht vorliegt. Ich gehe davon aus, dass
die Burschen davon ausgingen, das Rennen nicht nur lebend sondern
auch unfallfrei zu überstehen.

>> Darüber hinaus hätten
>> die Angeklagten das Mordmerkmal des gemeingefährlichen Tatmittels
>> verwirklicht.
>
> Zwischenbemerkung: Soll jetzt ein Auto per se gemeingefährlich
> sein? Das glaubt höchstens der "SLUKA"
>
>> Die Angeklagten hätten ihre Autos, schwere und
>> PS-starke Gefährte, nicht mehr unter Kontrolle gehabt und damit
>> eine hohe Anzahl von anderen Verkehrsteilnehmern und Passanten
>> auf dem auch nachts stark frequentierten Kurfürstendamm in Gefahr
>> gebracht.
>
> Zwischenbemerkung: Solches geschieht oft auch fahrlässig. dann
> liegt
> aber definitiv kein Mord vor. OT: In der Schweiz ist das
> "Nichtbeherrschen des Fahrzeugs" übrigens ein eigenständiger
> gravierender Verstoss, das könnte man in Deutschland auch
> einführen.
>
>> Sie hätten es dem Zufall überlassen, ob und wie viele
>> Menschen durch ihr Verhalten zu Schaden kommen.
>
> Zwischenbemerkung; Hierin würde ich Grausamkeit im Sinne der
> obigen Strafrechtsbestimmung sehen.

Eine seltsame Sicht von Grausam. Grausam bedeutet für mich, das
Opfer besonders leiden zu lassen. War hier nicht der Fall.

>> Gleichsam wies der
>> Vorsitzende darauf hin, dass die Summe der einzelnen konkreten
>> Tatumstände und die Persönlichkeiten der Angeklagten in diesem
>> Fall den Ausschlag gegeben hätten. Der Fall sei nicht
>> vergleichbar mit anderen Vorfällen im Straßenverkehr, die jüngst
>> für Aufsehen gesorgt hatten.
>
> Zwischenbemerkung: Was das jetzt soll, weiss ich nicht. Das
> Strafgericht muss ohnehin ein Urteil sprechen, das tat- und
> schuldangemessen ist. Die Vergleichbarkeit mit anderen
> beurteilten
> Rechtsfällen kann ebenfalls beachtlich sein. Was aus der
> Unvergleichbarkeit folgt, bleibt rätselhaft.
>
>> Das Gesetz sieht bei einer Verurteilung wegen Mordes zwingend
>> eine lebenslange Freiheitsstrafe vor (§ 211 StGB).
>>
>> Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Es kann binnen einer
>> Woche mit der Revision zum Bundesgerichtshof angefochten werden.
>
> Zwischenbemerkung: Bei einer solchen kommt aber nicht oft etwas
> heraus.
>
>>
>> (Aktenzeichen: 535 Ks 8/16)
>>
>> Lisa Jani
>> Sprecherin der Berliner Strafgerichte
>> ----------------------------------------------------------------

Stefan Froehlich

unread,
Feb 28, 2017, 7:03:33 AM2/28/17
to
On Tue, 28 Feb 2017 11:48:03 Helmut Richter wrote:
> Am 28.02.2017 um 11:28 schrieb Stefan Froehlich:
> > On Tue, 28 Feb 2017 11:22:48 Herbert Albrecht wrote:
> >> Am 27.02.2017 um 22:06 schrieb Werner Holtfreter:
> >>> (2) Mörder ist, wer
> >>> [unter bestimmten Voraussetzungen]
> >>> einen Menschen tötet.

> In der Alltagssprache gehört zu einem Mord zumindest die
> Tötungsabsicht.

Ja - bedingter Vorsatz wird umgangssprachlich eher selten als
Mord bezeichnet. Aber solche Differenzierungsprobleme zwischen
Fach- und Umgangssprache gibt es häufiger (und nicht nur bei
Juristen).

> In der juristischen Fachsprache -- so die Diskussion hier --
> reicht ein In-Kauf-Nehmen der Tötung aus und wird der
> beabsichtigten Tötung gleichgesetzt.

Nein (bzw. nicht nur). Diese Konsequenz ergibt sich vielmehr aus
allgemeinen Betrachtungen zum Eventualvorsatz und ist daher nicht
auf Tötungen beschränkt.

> Die Juristen könne natürlich ihre Fachbegriffe diskutieren, wie
> sie wollen. Man kann sich aber fragen, ob diese Gleichsetzung für
> das Ziel, eine als gerecht, als tat- und schuldangemessen
> empfundene Strafe zu finden, geeignet ist, [...]

Was konkret die Bezeichung als "Mörder" betrifft: Was würde Dir denn
da als Alternative vorschweben? Man müsste ja de facto alle
Straftatbestände verdoppeln, um den Versionen mit Eventualvorsatz
einen eigenen Namen zu geben. Was sollte das bringen?

Was das Strafmaß betrifft: Dazu gab es ja schon mehrere Kommentare.
Eure Version des Mord-Paragraphen mit zwingend lebenslanger
Freiheitsstrafe ist halt ein bisschen, naja, einschränkend.
Normalerweise hat ein Richter Spielraum, zwischen einer Mindest- und
einer um ein mehrfach höheren Höchststrafe; bei Eventualvorsatz und
"nur" einem Opfer (das ist nicht schön, aber nun einmal das Minimum
für diesen Tatbestand) wird kaum jemals die Höchststrafe verhängt
werden. Auf den Amoklauf von Graz als Gegenbeispiel habe ich ja
bereits verwiesen.

Servus,
Stefan

--
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Für den anspruchsvollen Herren - schlauchen mit Stefan!
(Sloganizer)

David Seppi

unread,
Feb 28, 2017, 8:08:32 AM2/28/17
to
Stefan Froehlich schrieb:

> bei Eventualvorsatz und
> "nur" einem Opfer (das ist nicht schön, aber nun einmal das Minimum
> für diesen Tatbestand) wird kaum jemals die Höchststrafe verhängt
> werden.

Außer man heißt Fritzl. Ohne jetzt den verteidigen zu wollen (die Strafe
ist in dem Fall moralisch schon angemessen) - das Urteil enthielt da
IMHO einige fragwürdige Kunstgriffe, um die sonst zu erwartende zu
geringe Strafe zu vermeiden.

David Seppi

unread,
Feb 28, 2017, 8:10:47 AM2/28/17
to
Lars Wilhelm schrieb:

> Im Affekt ist aber ungleich bedingter Vorsatz

Stimmt, das wäre schon Absicht.

Stefan Schmitz

unread,
Feb 28, 2017, 12:29:41 PM2/28/17
to
Am Montag, 27. Februar 2017 23:54:03 UTC+1 schrieb Henning Koch:
> On Mon, 27 Feb 2017 22:06:38 +0100, Werner Holtfreter wrote:

> >Die Angeklagten hätten gewusst,
> >was ihr Verhalten für eine Auswirkung auf andere Verkehrsteilnehmer
> >haben könnte und sie hätten diese möglichen Folgen bewusst
> >billigend in Kauf genommen, d.h. sie hätten sich mit dem Tod
> >anderer Verkehrsteilnehmer abgefunden. Damit sei juristisch von
> >einem bedingten Tötungsvorsatz auszugehen.
>
> Das ist der Vorsatz.
>
> >Darüber hinaus hätten die Angeklagten das Mordmerkmal des gemeingefährlichen
> >Tatmittels verwirklicht. Die Angeklagten hätten ihre Autos, schwere und
> >PS-starke Gefährte, nicht mehr unter Kontrolle gehabt und damit
> >eine hohe Anzahl von anderen Verkehrsteilnehmern und Passanten auf
> >dem auch nachts stark frequentierten Kurfürstendamm in Gefahr
> >gebracht. Sie hätten es dem Zufall überlassen, ob und wie viele
> >Menschen durch ihr Verhalten zu Schaden kommen.
>
> Das ist das Mordmerkmal "gemeingefährliches Mittel".

In der Besprechung des Urteils war davon die Rede, dass nun bei einem Todesfall
Mord vorliegen kann, aber bloß eine Ordnungswidrigkeit, wenn glücklicherweise
niemand zu Tode kommt.

Ich frage mich allerdings, ob mit der Argumentation des Gerichts nicht auch
dann wegen *versuchten* Mordes verurteilt werden kann.

Lars Wilhelm

unread,
Feb 28, 2017, 1:13:26 PM2/28/17
to
Am 28.02.2017 um 12:01 schrieb Werner Holtfreter:
> Lars Wilhelm wrote:
>
>> Am 28.02.2017 um 01:12 schrieb Werner Holtfreter:
>>> David Seppi wrote:
>
>>>> Mindestens eine der Bedingungen der obigen Liste muß erfüllt
>>>> sein, damit die Qualifikation des Mordes erfüllt ist.
>>>
>>> Das überrascht mich. Sobald ein Messer im Spiel ist und im Affekt
>>> tödlich zugestochen wird, ist es Mord?
>>
>> Nein.
>> Natürlich nicht. Weiter oben im Thread wurde es doch schon
>> auseinander gepflückt.
>> Ein Messer isdt zunächst einmal nicht allgemeingefährlich.
>
> Doch, ein Messer gilt als gemeingefährliches Mittel.
Ähm, nicht nach der herrschenden Definition.

>> Und zum anderen hat man ja in diesem Urteil den Tätern bedingten
>> Vorsatz unterstellt.
>> Im Affekt ist aber ungleich bedingter Vorsatz
>
> Bedingter Vorsatz steht nicht im Mordparagrafen.

Da Mord ein Unterfall des Totschlags darstellt, muss es auch nicht.
Bedingter Vorsatz reicht aus damit eine Tötung als Totschlag gewertet
wird. Kommt dann ein Mordmerkmal hinzu, ist es Mord. Eigentlich ganz
einfach.


David Seppi

unread,
Feb 28, 2017, 1:16:17 PM2/28/17
to
Stefan Schmitz schrieb:

> Ich frage mich allerdings, ob mit der Argumentation des Gerichts nicht auch
> dann wegen *versuchten* Mordes verurteilt werden kann.

Hmm. § 22 StGB:

| Eine Straftat versucht, wer nach seiner Vorstellung von der Tat zur
| Verwirklichung des Tatbestandes unmittelbar ansetzt.

Das verlangt dann doch etwas mehr.

Henning Koch

unread,
Feb 28, 2017, 3:18:18 PM2/28/17
to
On Tue, 28 Feb 2017 12:01:29 +0100, Werner Holtfreter wrote:

>Doch, ein Messer gilt als gemeingefährliches Mittel.

Ich hatte ja oben schon eine Definition des BGH zitiert:

|Das Mordmerkmal der Tötung mit gemeingefährlichen Mitteln ist erfüllt, wenn der
|Täter ein Mittel zur Tötung einsetzt, das in der konkreten Tatsituation eine
|Mehrzahl von Menschen an Leib und Leben gefährden kann, weil er die Ausdehnung
|der Gefahr nicht in seiner Gewalt hat.

Wenn das Messer nicht gerade ein Samurai-Schwert ist, das in einer
dicht gedrängt stehenden Menschenmenge geschwungen wird, dann sehe ich
da keinen Raum für die Einstufung als "gemeingefährliches Mittel".

Es dürfte dagegen zweifelsfrei die Qualifizierung "mittels einer Waffe
oder eines anderen gefährlichen Werkzeugs" erfüllen (und zwar
unabhängig davon, ob es nun konkret ein "Waffen-Messer" oder ein
"Werkzeug-Messer" ist.

Allerdings macht diese Qualifikation den Unterschied zwischen der
Körperverletzung und der gefährlichen Körperverletzung. Mit der hier
diskutierten Qualifikation des Totschlags zum Mord hat dieses
Kriterium nichts zu tun.

Henning Koch

unread,
Feb 28, 2017, 3:21:42 PM2/28/17
to
On Tue, 28 Feb 2017 01:14:35 +0100, Werner Holtfreter wrote:

>Nur steht "Vorsatz" nicht im heutigen Mord-Paragrafen, bedingter
>Vorsatz auch nicht.

Muss es auch nicht, denn §15 StGB legt fest:
|Strafbar ist nur vorsätzliches Handeln, wenn nicht das Gesetz fahrlässiges Handeln ausdrücklich mit Strafe bedroht.

Vorsatz ist also immer eine notwendige Bedingung für die Strafbarkeit,
wenn nicht die jeweilige Vorschrift auch konkret die fahrlässige
Begehung unter Strafe stellt.

Beispiel für eine solche Vorschrift: §315c StGB.

(anders sieht es beim Versuch aus: der ist bei Verbrechen immer
strafbar, bei Vergehen dagegen nur dann, wenn es ausdrücklich so
bestimmt ist. §23 StGB)

Werner Holtfreter

unread,
Feb 28, 2017, 3:50:31 PM2/28/17
to
Henning Koch wrote:

> On Tue, 28 Feb 2017 01:14:35 +0100, Werner Holtfreter wrote:
>
>> Nur steht "Vorsatz" nicht im heutigen Mord-Paragrafen, bedingter
>> Vorsatz auch nicht.
>
> Muss es auch nicht, denn §15 StGB legt fest:
> |Strafbar ist nur vorsätzliches Handeln, wenn nicht das Gesetz
> |fahrlässiges Handeln ausdrücklich mit Strafe bedroht.
>
> Vorsatz ist also immer eine notwendige Bedingung für die
> Strafbarkeit,

OK, danke. Und wo ist die Strafbarkeit ausgedehnt auf den
*bedingten* Vorsatz?

Werner Holtfreter

unread,
Feb 28, 2017, 3:59:56 PM2/28/17
to
Henning Koch wrote:

> On Tue, 28 Feb 2017 12:01:29 +0100, Werner Holtfreter wrote:
>
>> Doch, ein Messer gilt als gemeingefährliches Mittel.
>
> Ich hatte ja oben schon eine Definition des BGH zitiert:
>
> |Das Mordmerkmal der Tötung mit gemeingefährlichen Mitteln ist
> |erfüllt, wenn der Täter ein Mittel zur Tötung einsetzt, das in
> |der konkreten Tatsituation eine Mehrzahl von Menschen an Leib und
> |Leben gefährden kann, weil er die Ausdehnung der Gefahr nicht in
> |seiner Gewalt hat.
>
> Wenn das Messer nicht gerade ein Samurai-Schwert ist, das in einer
> dicht gedrängt stehenden Menschenmenge geschwungen wird, dann sehe
> ich da keinen Raum für die Einstufung als "gemeingefährliches
> Mittel".

OK, das mit der "Ausdehnung der Gefahr" habe ich übersehen.

> Es dürfte dagegen zweifelsfrei die Qualifizierung "mittels einer
> Waffe oder eines anderen gefährlichen Werkzeugs" erfüllen (und
> zwar unabhängig davon, ob es nun konkret ein "Waffen-Messer" oder
> ein "Werkzeug-Messer" ist.
>
> Allerdings macht diese Qualifikation den Unterschied zwischen der
> Körperverletzung und der gefährlichen Körperverletzung. Mit der
> hier diskutierten Qualifikation des Totschlags zum Mord hat dieses
> Kriterium nichts zu tun.

Ich wusste, es war etwas mit dem Messer. Dass das aber nur bei der
Körperverletzung verschärfend gewertet wird, in der Abgrenzung
zwischen Totschlag und Mord aber nicht, ist ja auch nicht
unmittelbar einleuchtend.

Helmut Richter

unread,
Feb 28, 2017, 4:12:07 PM2/28/17
to
Am 28.02.2017 um 13:03 schrieb Stefan Froehlich:

> Was konkret die Bezeichung als "Mörder" betrifft: Was würde Dir denn
> da als Alternative vorschweben? Man müsste ja de facto alle
> Straftatbestände verdoppeln, um den Versionen mit Eventualvorsatz
> einen eigenen Namen zu geben. Was sollte das bringen?

(1) Ein Mensch verursacht den Tod eines anderen Menschen eindeutig ohne
Tötungsabsicht, aber mit Eventualvorsatz -- oder aber geplant mit
Tötungsabsicht und nach Plan ausgeführt. Wie wichtig soll dieser
Unterschied für die Einstufung von Schuld und Strafe sein? Ich finde,
sehr wichtig -- was nicht heißt, dass der erste Fall deswegen harmlos
ist, aber durchaus, dass er eine ganz andere Tat darstellt, die ganz
anders bewertet werden muss.

(2) Wenn er (anders in dem hier diskutierten Fall) zur Tötung
entschlossen ist, kann er mit sichtbarer Schusswaffe auf das Opfer
zugehen, bevor er ihn niederstreckt -- oder er kann ihn hinterrücks über
den Haufen schießen. Wie wichtig soll dieser Unterschied für die
Einstufung von Schuld und Strafe sein? Ich finde, nicht so wichtig.

(3) Und der Entschluss zur Tat kann niederen Motiven entspringen oder
edleren (wenn das der Gegensatz ist). Wie wichtig soll dieser
Unterschied für die Einstufung von Schuld und Strafe sein? Ich finde,
durchaus sehr wichtig, aber dennoch ist die Unterscheidung (1) noch
wichtiger.

Das Gesetz sieht es anders: wenn man dem Täter Heimtücke (2) oder
niedere Motive (3) oder ein anderes Mördermerkmal nachweisen kann, ist
es fürs Strafmaß völlig egal, ob er den Tod des Opfers herbeiführen
wollte oder nicht (1). Das darf ich doch merkwürdig finden, auch wenn
ich zur Kenntnis nehme, dass es eben nun mal so vorgesehen ist.

Außerdem halte ich für zweifelhaft, dass die Mördermerkmale den
beabsichtigten Sinn behalten, wenn man sie auf Fälle anwendet, in denen
keine Tötungsabsicht vorlag? Kann man einen Menschen mehr oder weniger
heimtückisch versehentlich töten (wenn auch mit Eventualvorsatz)? Mir
kommt eher vor, als seien diese Merkmale mit Blick auf geplante Morde
zusammengestellt worden.

--
Helmut Richter

Werner Holtfreter

unread,
Feb 28, 2017, 4:31:03 PM2/28/17
to
Helmut Richter wrote:

> (3) Und der Entschluss zur Tat kann niederen Motiven entspringen
> oder edleren (wenn das der Gegensatz ist). Wie wichtig soll dieser
> Unterschied für die Einstufung von Schuld und Strafe sein? Ich
> finde, durchaus sehr wichtig,

Diese Frage nach den Motiven bzw. der Gesinnung stammt aus der
Nazi-Zeit. Wenn ein Nazi im Sinne der damaligen Gutmenschen
mordete, sollte glimpflich davon kommen. Das ist Täterstrafrecht.
Wir müssen zurück zum Tatstrafrecht von 1871 (aber natürlich nicht
zur Strafhöhe):

"§. 211.
Wer vorsätzlich einen Menschen tödtet, wird, wenn er die Tödtung mit
Ueberlegung ausgeführt hat, wegen Mordes mit dem Tode bestraft."

So klar und kurz war diese Strafbestimmung.

Siehe auch
https://www.humboldt-forum-recht.de/english/9-1996/index.html

Patrick Rudin

unread,
Feb 28, 2017, 4:49:11 PM2/28/17
to
Werner Holtfreter wrote:
> OK, danke. Und wo ist die Strafbarkeit ausgedehnt auf den
> *bedingten* Vorsatz?

Das hat sich in der Lehre und Rechtssprechung so ergeben, hier in der
Schweiz hat man das vor ein paar Jahren explizit auch ins Gesetz eingebaut:

https://www.admin.ch/opc/de/classified-compilation/19370083/index.html#a12

Hier führt das aber immer auch zu einem weniger hohen Strafmass als der
direkte Vorsatz. Ist halt ein wenig dumm, wenn man beim Tatbestand den
Richtern keinerlei Ermessen mehr lassen will.


Gruss

Patrick

Stefan Schmitz

unread,
Feb 28, 2017, 5:13:07 PM2/28/17
to
Am Dienstag, 28. Februar 2017 21:59:56 UTC+1 schrieb Werner Holtfreter:
> Henning Koch wrote:
> > Es dürfte dagegen zweifelsfrei die Qualifizierung "mittels einer
> > Waffe oder eines anderen gefährlichen Werkzeugs" erfüllen (und
> > zwar unabhängig davon, ob es nun konkret ein "Waffen-Messer" oder
> > ein "Werkzeug-Messer" ist.
> >
> > Allerdings macht diese Qualifikation den Unterschied zwischen der
> > Körperverletzung und der gefährlichen Körperverletzung. Mit der
> > hier diskutierten Qualifikation des Totschlags zum Mord hat dieses
> > Kriterium nichts zu tun.
>
> Ich wusste, es war etwas mit dem Messer. Dass das aber nur bei der
> Körperverletzung verschärfend gewertet wird, in der Abgrenzung
> zwischen Totschlag und Mord aber nicht, ist ja auch nicht
> unmittelbar einleuchtend.

Die Verschärfung bei der KV kommt bei Verwendung "einer Waffe oder eines
anderen gefährlichen Werkzeugs".
Totschlag funktioniert relativ selten ohne so ein Werkzeug.

David Seppi

unread,
Feb 28, 2017, 5:13:29 PM2/28/17
to
Helmut Richter schrieb:

> (1) Ein Mensch verursacht den Tod eines anderen Menschen eindeutig ohne
> Tötungsabsicht, aber mit Eventualvorsatz -- oder aber geplant mit
> Tötungsabsicht und nach Plan ausgeführt. Wie wichtig soll dieser
> Unterschied für die Einstufung von Schuld und Strafe sein? Ich finde,
> sehr wichtig

Normalerweise haben Delikte ja auch einen Strafrahmen, um u.a. solche
Unterschiede berücksichtigen zu können. Bei Mord hat man aber darauf
verzichtet, was auch immer wieder kritisiert wurde und zu kreativer
(verfassungskonformer) Rechtsinterpretation als Lösung geführt hat.

> (2) Wenn er (anders in dem hier diskutierten Fall) zur Tötung
> entschlossen ist, kann er mit sichtbarer Schusswaffe auf das Opfer
> zugehen, bevor er ihn niederstreckt -- oder er kann ihn hinterrücks über
> den Haufen schießen. Wie wichtig soll dieser Unterschied für die
> Einstufung von Schuld und Strafe sein? Ich finde, nicht so wichtig.

Die Mordmerkmale wurden ebenfalls schon wiederholt kritisiert, ja.

> Außerdem halte ich für zweifelhaft, dass die Mördermerkmale den
> beabsichtigten Sinn behalten, wenn man sie auf Fälle anwendet, in denen
> keine Tötungsabsicht vorlag? Kann man einen Menschen mehr oder weniger
> heimtückisch versehentlich töten (wenn auch mit Eventualvorsatz)? Mir
> kommt eher vor, als seien diese Merkmale mit Blick auf geplante Morde
> zusammengestellt worden.

Bei dem Urheber wäre ich mir nicht so sicher.

Stefan Schmitz

unread,
Feb 28, 2017, 5:16:11 PM2/28/17
to
Das Ansetzen wäre in diesem Fall der Beginn des Rennens.

Dass es ohne Versuch zum Erfolg kommen kann, fände ich ziemlich merkwürdig.

Henning Koch

unread,
Feb 28, 2017, 6:11:06 PM2/28/17
to
On Tue, 28 Feb 2017 21:50:31 +0100, Werner Holtfreter wrote:

>OK, danke. Und wo ist die Strafbarkeit ausgedehnt auf den
>*bedingten* Vorsatz?

da der bedingte Vorsatz auch Vorsatz ist, braucht es da wohl formal
keine Ausdehnung...

Henning Koch

unread,
Feb 28, 2017, 6:13:56 PM2/28/17
to
On Tue, 28 Feb 2017 22:12:08 +0100, Helmut Richter wrote:

>(2) Wenn er (anders in dem hier diskutierten Fall) zur Tötung
>entschlossen ist, kann er mit sichtbarer Schusswaffe auf das Opfer
>zugehen, bevor er ihn niederstreckt -- oder er kann ihn hinterrücks über
>den Haufen schießen. Wie wichtig soll dieser Unterschied für die
>Einstufung von Schuld und Strafe sein? Ich finde, nicht so wichtig.

Als Opfer hätte ich es vielleicht sogar lieber, wenn ich vorher nichts
davon wüsste und es dann plötzlich vorbei wäre.

Man mag das feige nennen.

Werner Holtfreter

unread,
Feb 28, 2017, 6:39:21 PM2/28/17
to
Ich finde, es ist ein qualitativer Unterschied, ob das Töten Ziel
oder akzeptierter Kollateralschaden ist. So weit sollte
Richterrecht nicht gehen, das gleich zu machen.

Bei dem Stichwort fällt mir Kriegsrecht ein: Auch da gibt es das
Verbot, Zivilisten *gezielt* zu töten, während es erlaubt ist, sie
unabsichtlich, bei der Bekämpfung eines militärischen Ziels, zu
treffen.

K. Huller

unread,
Mar 1, 2017, 3:21:40 AM3/1/17
to
Am 28.02.2017 23:16, schrieb Stefan Schmitz:
> Am Dienstag, 28. Februar 2017 19:16:17 UTC+1 schrieb David Seppi:
>> Stefan Schmitz schrieb:
>>
>>> Ich frage mich allerdings, ob mit der Argumentation des Gerichts nicht auch
>>> dann wegen *versuchten* Mordes verurteilt werden kann.
>>
>> Hmm. § 22 StGB:
>>
>> | Eine Straftat versucht, wer nach seiner Vorstellung von der Tat zur
>> | Verwirklichung des Tatbestandes unmittelbar ansetzt.
>>
>> Das verlangt dann doch etwas mehr.
>
> Das Ansetzen wäre in diesem Fall der Beginn des Rennens.
>
Oder das Weiterrasen
- obwohl die Ampel auf rot geht
- obwohl Menschen/Fahrzeuge auf der Straße erscheinen
- obwohl ...(die Gefahr sonst irgendwie konkret(er) wird)

> Dass es ohne Versuch zum Erfolg kommen kann, fände ich ziemlich merkwürdig.
>
Bei den 'Fahrlässigkeits'-Delikten ist es per def. so.

Das Problem ist hier wohl, daß im Gesetz eine brauchbare Abstufung fehlt
für den großen Bereich zwischen 'rein fahrlässig' und 'langfristig
geplant und überlegt ausgeführt'. Der BGH hat versucht, diese Lücke mit
dem 'bedingten Vorsatz' zu füllen. An diesem Beispiel sieht man sehr
schön, wie ein Versuch zur allzu genauen Formalisierung und Regulierung
ins Gegenteil umschlagen kann.

Herbert Albrecht

unread,
Mar 1, 2017, 3:40:19 AM3/1/17
to
Am 28.02.2017 um 11:28 schrieb Stefan Froehlich:
> On Tue, 28 Feb 2017 11:22:48 Herbert Albrecht wrote:
>> Am 27.02.2017 um 22:06 schrieb Werner Holtfreter:
>>> (2) Mörder ist, wer
>>> [unter bestimmten Voraussetzungen]
>>> einen Menschen tötet.
>> Und das bedeutet für mich als juristischen Laien >einen *bestimmten*
>> Menschen<. Ein Mord braucht ein Opfer.
> Ja, sicherlich.
>
>> Wie dieses Problem bei Zufallsopfern juristisch gelöst wird (egal,
>> ob es Strassenpassanten sind, die von Terroristen überfahren
>> werden oder wie hier von durchgedrehten Jungmännern im
>> Testosteronrausch) würde mich interessieren.
> Wo genau siehst Du da das Problem? Die Opfer sind ja in beiden
> Fällen bekannt und kausal der Tat zuzuordnen. Es steht im Gesetz
> nirgendwo, dass sich der Mörder sein Opfer schon Tage vor der Tat
> ausgesucht haben muss.

Mir fehlt eine Abgrenzung zu Alltagssituationen, die gefährlich sind und
potentiell zum Tode führen können. Es gibt ja neben Mord verschiedene
Tatbestände im Zusammenhang mit dem Sterben. Mir fällt spontan
Totschlag, Körperverletzung mit Todesfolge, unterlassene Hilfeleistung ein.

Zum Mord gehört für mich ein gezielt gewähltes Opfer. Ein Mord mit einem
Auto scheitert in der Praxis daran, dass man das Opfer nicht zur rechten
Zeit an den rechten Ort bekommt (in Fahrtrichtung). Ein Auto ist also
i.A. als Mordwerkzeug ungeeignet. Auch die Terrormorde von Nizza und
Berlin durchbrechen dieses Schema nicht, denn der Täter greift die Opfer
an, weil sie einer Gruppe angehören, die er insgesamt töten möchte.

Im hier verhandelten Fall erkenne ich keine Tötungsabsicht gegen das
Opfer und auch keine gegen irgendeine Gruppe, der das Opfer angehören
könnte.

Die Angeklagten haben sicher extrem leichtsinnig gehandelt und verdienen
eine harte Bestrafung. Etwa so wie die Täter im Falle des Münchener
S-Bahn-Mordes. Da wurde auf Körperverletzung mit Todesfolge erkannt, die
Strafen (9 Jahre+10 Monate, 7 Jahre) wurden als hart angesehen.

Herbert


Johann Mayerwieser

unread,
Mar 1, 2017, 7:10:25 AM3/1/17
to
Am Mon, 27 Feb 2017 22:06:38 +0100 schrieb Werner Holtfreter:

> (2) Mörder ist, wer
>
> aus Mordlust, zur Befriedigung des Geschlechtstriebs,
> aus Habgier oder sonst aus niedrigen Beweggründen,
>
> heimtückisch oder grausam oder mit gemeingefährlichen Mitteln
> oder
>
> um eine andere Straftat zu ermöglichen oder zu verdecken,
>
> einen Menschen tötet.


Niedrige Beweggründe - darunter könnte man das in der Stadt mir extrem
hoher Geschwindigkeit eine Wettfahrt durchführen, bei der auch
Lichtsignale von Ampeln nicht beachtet werden verstehen - es dient der
Befriedigung von Gelüsten primitiver Art.

Gemeingefährichtes Mittel ist sicher ein KFZ, das im Stadtbereich mit 160
gefahren wird und mit dem rote Ampeln überfahren werden.

Ihr werdet wohl warten müssen, was der Bundesgerichtshof dazu sagt, das
Urteil wird mit großer Sicherheit dort landen.

Stefan Schmitz

unread,
Mar 1, 2017, 9:44:55 AM3/1/17
to
Am Mittwoch, 1. März 2017 09:40:19 UTC+1 schrieb Herbert Albrecht:

> Zum Mord gehört für mich ein gezielt gewähltes Opfer. Ein Mord mit einem
> Auto scheitert in der Praxis daran, dass man das Opfer nicht zur rechten
> Zeit an den rechten Ort bekommt (in Fahrtrichtung). Ein Auto ist also
> i.A. als Mordwerkzeug ungeeignet. Auch die Terrormorde von Nizza und
> Berlin durchbrechen dieses Schema nicht, denn der Täter greift die Opfer
> an, weil sie einer Gruppe angehören, die er insgesamt töten möchte.

Welcher Gruppe denn? Allenfalls die der zufällig am Tatort Anwesenden.

> Im hier verhandelten Fall erkenne ich keine Tötungsabsicht gegen das
> Opfer und auch keine gegen irgendeine Gruppe, der das Opfer angehören
> könnte.

Genau die gleiche Gruppe wie oben.

K. Huller

unread,
Mar 1, 2017, 10:12:57 AM3/1/17
to
Am 01.03.2017 09:40, schrieb Herbert Albrecht:
>
> Zum Mord gehört für mich ein gezielt gewähltes Opfer.

Ich glaube, das gibt es erst als Gesetzesentwurf im Hause Maas. Aber
sobald er durch den Bundestag ist, kann man endlich alle Bombenleger
freisprechen, die intelligent genug sind, einen Zeitzünder zu verwenden.

Herbert Albrecht

unread,
Mar 1, 2017, 11:03:07 AM3/1/17
to
Am 01.03.2017 um 15:44 schrieb Stefan Schmitz:
> Am Mittwoch, 1. März 2017 09:40:19 UTC+1 schrieb Herbert Albrecht:
>
>> Zum Mord gehört für mich ein gezielt gewähltes Opfer. Ein Mord mit einem
>> Auto scheitert in der Praxis daran, dass man das Opfer nicht zur rechten
>> Zeit an den rechten Ort bekommt (in Fahrtrichtung). Ein Auto ist also
>> i.A. als Mordwerkzeug ungeeignet. Auch die Terrormorde von Nizza und
>> Berlin durchbrechen dieses Schema nicht, denn der Täter greift die Opfer
>> an, weil sie einer Gruppe angehören, die er insgesamt töten möchte.
> Welcher Gruppe denn? Allenfalls die der zufällig am Tatort Anwesenden.
>
Der Ungläubigen im Sinne von IS.

Oder -anderes Beispiel- Osama bin Laden hat mal alle Amerikaner zum
Feind erklärt, weil die mit ihren Steuern das Militär finanzieren, das
al Quaida bekämpft.

Sowohl Herrn Amri als auch Herrn Atta war sicher klar, dass sie nicht
alle Feinde töten können aber sie haben gedacht, ich fange hier gleich
mal an. Das würde mir genügen um ihre Taten als Mord einzuordnen.

Im Gegensatz dazu hat der Berliner Amokfahrer die anderen
Verkehrsteilnehmer sicher nicht als Feinde angesehen.

Herbert

Stefan Schmitz

unread,
Mar 1, 2017, 12:37:20 PM3/1/17
to
Am Mittwoch, 1. März 2017 17:03:07 UTC+1 schrieb Herbert Albrecht:
> Am 01.03.2017 um 15:44 schrieb Stefan Schmitz:
> > Am Mittwoch, 1. März 2017 09:40:19 UTC+1 schrieb Herbert Albrecht:
> >
> >> Zum Mord gehört für mich ein gezielt gewähltes Opfer. Ein Mord mit einem
> >> Auto scheitert in der Praxis daran, dass man das Opfer nicht zur rechten
> >> Zeit an den rechten Ort bekommt (in Fahrtrichtung). Ein Auto ist also
> >> i.A. als Mordwerkzeug ungeeignet. Auch die Terrormorde von Nizza und
> >> Berlin durchbrechen dieses Schema nicht, denn der Täter greift die Opfer
> >> an, weil sie einer Gruppe angehören, die er insgesamt töten möchte.
> > Welcher Gruppe denn? Allenfalls die der zufällig am Tatort Anwesenden.
> >
> Der Ungläubigen im Sinne von IS.

Wie hätten die Täter denn wissen können, dass da keine Glaubensbrüder sind?

Michael Ottenbruch

unread,
Mar 1, 2017, 3:01:11 PM3/1/17
to
Am Tue, 28 Feb 2017 01:14:35 +0100, schrieb Werner Holtfreter:

> > On Mon, 27 Feb 2017 22:06:38 +0100, Werner Holtfreter wrote:
> >
> >>----------------------------------------------------------------
> >>(1) Der Mörder wird mit lebenslanger Freiheitsstrafe bestraft.
> >>
> >>(2) Mörder ist, wer
> >>
> >> aus Mordlust, zur Befriedigung des Geschlechtstriebs,
> >> aus Habgier oder sonst aus niedrigen Beweggründen,
> >>
> >> heimtückisch oder grausam oder mit gemeingefährlichen
> >> Mitteln oder
| ^^^^
> >>
> >> um eine andere Straftat zu ermöglichen oder zu verdecken,
> >>
> >>einen Menschen tötet.
> >>----------------------------------------------------------------
> >>(Trotz der aus https://dejure.org/gesetze/StGB/211.html
> >>übernommenen Einrückungen ist mir die UND/ODER/Klammerung nicht
> >>völlig klar.
> >
> > Es handelt sich um eine Aufzählung von Mordmerkmalen. Wenn
> > mindestens eines davon vorliegt, qualifiziert es den Totschlag zum
> > Mord. ____^^^^^
> /
> Kann das jemand bestätigen? Ich hatte in die Abtrennung durch die
> drei Unterabschnitte da ein UND hineininterpretiert, denn anders
> sehe ich keine sinnvolle Abgrenzung zum Totschlag.

Ich habe das entscheidende "oder" mal unterstrichen.

Die Abgrenzug zum Totschlag ergibt sich aus dem Gesetzestext des
einschlägigen Paragraphen:

| § 212
| Totschlag
|
| (1) Wer einen Menschen tötet, ohne Mörder zu sein, wird als Totschläger
| mit Freiheitsstrafe nicht unter fünf Jahren bestraft.
|
| (2) In besonders schweren Fällen ist auf lebenslange Freiheitsstrafe zu
| erkennen.

Wer also einen Menschen tötet, ohne eines der drei Mordmerkmale zu
erfüllen, ist ein Totschläger und wird nach § 212 verurteilt.

>
> [...]
>
> Nur steht "Vorsatz" nicht im heutigen Mord-Paragrafen, bedingter
> Vorsatz auch nicht.

Muß auch nicht. das steht nämlich im Allgemeinen Teil in § 15:

| § 15
| Vorsätzliches und fahrlässiges Handeln
|
| Strafbar ist nur vorsätzliches Handeln, wenn nicht das Gesetz fahrlässiges
| Handeln ausdrücklich mit Strafe bedroht.
--
...und tschuess!

Michael
E-mail: M.Otte...@sailor.ping.de

Michael Ottenbruch

unread,
Mar 1, 2017, 3:10:11 PM3/1/17
to
Am Tue, 28 Feb 2017 11:48:03 +0100, schrieb Helmut Richter:

> In der juristischen Fachsprache -- so die Diskussion hier -- reicht ein
> In-Kauf-Nehmen der Tötung aus und wird der beabsichtigten Tötung
> gleichgesetzt.

Ein bloßes "In-Kauf-Nehmen der Tötung" reicht gerade nicht aus, sondern
dieses "In-Kauf-Nehmen der Tötung" muß eine "Billigung" der Tötung
beinhalten. Deswegen heißt es "billigend in Kauf nehmen".

Michael Ottenbruch

unread,
Mar 1, 2017, 3:14:23 PM3/1/17
to
Am Wed, 1 Mar 2017 09:40:18 +0100, schrieb Herbert Albrecht:

> Zum Mord gehört für mich ein gezielt gewähltes Opfer.

Für Dich vielleicht. Nach der gängigen Definition aber nicht. UDIAGS Wo
ist denn der Unterschied, ob ich mit 170 durch die Innenstadt rase oder
von einem Turm aus auf beliebige Passanten schieße?
http://de.wikipedia.org/wiki/Charles_Whitman

Lars Gebauer

unread,
Mar 2, 2017, 4:16:47 AM3/2/17
to
* Michael Ottenbruch:
> Am Wed, 1 Mar 2017 09:40:18 +0100, schrieb Herbert Albrecht:
>> Zum Mord gehört für mich ein gezielt gewähltes Opfer.
>
> Für Dich vielleicht. Nach der gängigen Definition aber nicht. UDIAGS Wo
> ist denn der Unterschied, ob ich mit 170 durch die Innenstadt rase oder
> von einem Turm aus auf beliebige Passanten schieße?

Wer von einem Turm aus auf beliebige Passanten schießt hat _dennoch_
ein ganz *bestimmtes* Opfer anvisiert. Er schießt nicht nach dem
Muster "mal sehen, ob ich irgendeinen treffe".

Hat der Raser ein ganz bestimmtes Opfer im Auge? Handelt der nach dem
Muster, "mal sehen ob und wen ich überfahre"?

Herbert Albrecht

unread,
Mar 2, 2017, 4:34:15 AM3/2/17
to
Das ist ihnen egal. High-level ist die Religion eh nur Alibi für die
üblichen Kriegsgründe (Zueignung von Land mit/ohne Bevölkerung,
Erweiterung der eigene Macht) und low-level Alibi für Brutalität und
Sadismus.

Als Beispiel dafür, dass das auch früher so war, nur der Hinweis auf ein
Zitat von Caesarius von Heisterbach aus den Kartharerkriegen: "Tötet
sie. Der Herr wird die Seinen schon erkennen"
(https://de.wikipedia.org/wiki/Arnold_Amalrich). Genau so hat Herr Atta
sicherlich über die vielen hundert Moslems gedacht, die zum Zeitpunkt
seines Anschlages im WTC waren.

Herbert

Herbert Albrecht

unread,
Mar 2, 2017, 4:37:30 AM3/2/17
to
Am 02.03.2017 um 10:14 schrieb Lars Gebauer:
> * Michael Ottenbruch:
>> Am Wed, 1 Mar 2017 09:40:18 +0100, schrieb Herbert Albrecht:
>>> Zum Mord gehört für mich ein gezielt gewähltes Opfer.
>> Für Dich vielleicht. Nach der gängigen Definition aber nicht. UDIAGS Wo
>> ist denn der Unterschied, ob ich mit 170 durch die Innenstadt rase oder
>> von einem Turm aus auf beliebige Passanten schieße?
> Wer von einem Turm aus auf beliebige Passanten schießt hat _dennoch_
> ein ganz *bestimmtes* Opfer anvisiert. Er schießt nicht nach dem
> Muster "mal sehen, ob ich irgendeinen treffe".

Genau. Auch der (vermutlich in der Unterhaltungsliteratur viel häufiger
als in der Praxis vorkommende) Serienmörder wählt angeblich seine Opfer
nach einem bestimmten Schema aus.

Herbert

Stefan Schmitz

unread,
Mar 2, 2017, 3:48:40 PM3/2/17
to
Am Donnerstag, 2. März 2017 10:16:47 UTC+1 schrieb Lars Gebauer:

> Wer von einem Turm aus auf beliebige Passanten schießt hat _dennoch_
> ein ganz *bestimmtes* Opfer anvisiert. Er schießt nicht nach dem
> Muster "mal sehen, ob ich irgendeinen treffe".

Und wenn er ohne hinzuschauen das Magazin eines MG leerschießt, ist er kein
Mörder?

Werner Holtfreter

unread,
Mar 2, 2017, 6:15:05 PM3/2/17
to
Es kommt darauf, mit welcher Absicht er schießt, was sich in der
Regel aus dem Umständen ergibt: Wenn es im Wald zufällig einen
Wanderer trifft, war es keine Absicht, also kein Mord. In eine
Menschenmenge hinein, ist die Tötungsabsicht offensichtlich.

Wilhelm

unread,
Mar 3, 2017, 1:49:46 AM3/3/17
to
Am 27.02.2017 um 22:06 schrieb Werner Holtfreter:
> Wie kann man einen Unfall, und sei er noch so leichtfertig und
> rücksichtslos verursacht worden, mit Mord in Verbindung bringen?

Vielleicht eine Erklärung hiermit:
http://www.juraforum.de/lexikon/unfall

"...Der Bundesgerichtshof [BGH] ist der Auffassung, dass eine
vorsätzliche Herbeiführung des schadensbegründenden Ereignisses der
Annahme eines Unfalls grundsätzlich nicht entgegenstehe. Vielmehr sei
entscheidend, dass sich die typischen Gefahren des Straßenverkehrs
verwirklicht hätten.
*Daran fehle es jedoch dann, wenn ein Verhalten schon nach seinem
äußeren Erscheinungsbild keine Auswirkung des allgemeinen
Verkehrsrisikos, sondern einer deliktischen Planung ist*
(so BGHSt 12, 253, 256; 24, 382 ff.; 48 119 ff.; BGH NStZ 2002, 252; BGH
NJW 2002, 626 f.)...."

Für mich fehlt das planende Handeln (Heimtücke) als Mordmerkmal.

Aber der BGH wird es schon richten!



--
Viele Grüße

Wilhelm
aus Kassel

David Seppi

unread,
Mar 3, 2017, 9:05:08 AM3/3/17
to
Wilhelm schrieb:

> Für mich fehlt das planende Handeln (Heimtücke) als Mordmerkmal.

Und? Die Mordmerkmale sind mit *oder* verknüpft.
Es reicht wenn eins vorliegt.

Achim Lesmeister

unread,
Mar 3, 2017, 9:18:43 AM3/3/17
to
Am 2017-03-03 um 07:49 schrieb Wilhelm:
> Am 27.02.2017 um 22:06 schrieb Werner Holtfreter:
>> Wie kann man einen Unfall, und sei er noch so leichtfertig und
>> rücksichtslos verursacht worden, mit Mord in Verbindung bringen?

>[...]

> Für mich fehlt das planende Handeln (Heimtücke) als Mordmerkmal.

Bei der vorsätzlichen Tötung eines Menschen ist Heimtücke eine
hinreichende Bedingung für Mord, keine notwendige.

> Aber der BGH wird es schon richten!

Es ist natürlich möglich, dass der BGH entweder den Vorsatz nicht als
gegeben sieht, oder die (Gemein-)Gefährlichkeit eines Autos bei dieser
Geschwindigkeit in einer Stadt anders bewertet. Im ersteren Fall würde
daraus fahrlässige Tötung, im letzteren Totschlag.

Es ist natürlich genauso möglich, dass der BGH der vorliegenden
Bewertung folgt. Und - wiewohl Prognosen, die Zukunft betreffend, immer
schwierig sind - müßte ich eine Wette eingehen, setzte ich mein Geld
nicht auf eine erhebliche Änderung des bestehenden Urteils.

Grüße
Achim

Michael Ottenbruch

unread,
Mar 3, 2017, 7:37:44 PM3/3/17
to
Heimtücke ist ein hinreichendes, aber kein notwendiges Mordmerkmal, IOW:
Mord muß nicht heimtückisch sein. Die Mordmerkmale des $ 211 dStGB sind
mit "oder", nicht mit "und" verknüpft.

>
> [...]

Thomas Hochstein

unread,
Mar 4, 2017, 9:45:02 AM3/4/17
to
Werner Holtfreter schrieb:

> Diese Frage nach den Motiven bzw. der Gesinnung stammt aus der
> Nazi-Zeit. Wenn ein Nazi im Sinne der damaligen Gutmenschen
> mordete, sollte glimpflich davon kommen. Das ist Täterstrafrecht.

Die Formulierung der Norm entspricht der damaligen Vorstellung, es
gebe Tätertypen: den Räuber, den Mörder, den Totschläger, den
Vergewaltiger. Das ist richtig.

Der Inhalt der Norm hingegen hat damit nichts zu tun, zumal nicht alle
Mordmerkmale täterbezogen sind; witzigerweise ist gerade das hier
bejahte Mordmerkmal "mit gemeingefährlichen Mitteln" ein tatbezogenes
Merkmal.

Der Streit zwischen der Unterscheidung nach dem Aspekt der Überlegung
einer- und der kasuistischen Verwerflichkeitsmerkmale andererseits ist
deutlich älter als das Dritte Reich und bestand schon zur Zeit der
Kodifizierung des RStGB.

> Wir müssen zurück zum Tatstrafrecht von 1871 (aber natürlich nicht
> zur Strafhöhe):
>
> "§. 211.
> Wer vorsätzlich einen Menschen tödtet, wird, wenn er die Tödtung mit
> Ueberlegung ausgeführt hat, wegen Mordes mit dem Tode bestraft."

Die Tötung "mit Überlegung" (oder "Vorbedacht") ist ja nun gerade die
psychologisierende Variante und damit ein täterbezogenes Merkmal. Was
hat denn das mit "Tatstrafrecht" zu tun?

Und: was ist denn "mit Überlegung", zumal dieses Element über den
Vorsatz hinausgehen muss?

> So klar und kurz war diese Strafbestimmung.

Aha. Es ist einfacher, zu differenzieren, ob und was sich der Täter
bei der Tat überlegt hat, als festzustellen, ob das von ihm verwandte
Mittel gemeingefährlich war?

IBDT.

Thomas Hochstein

unread,
Mar 4, 2017, 9:45:02 AM3/4/17
to
Werner Holtfreter schrieb:

> David Seppi wrote:
>> Mindestens eine der Bedingungen der obigen Liste muß erfüllt sein,
>> damit die Qualifikation des Mordes erfüllt ist.
>
> Das überrascht mich. Sobald ein Messer im Spiel ist und im Affekt
> tödlich zugestochen wird, ist es Mord?

Wenn das von hinten ohne Vorwarnung erfolgt: ja.

Thomas Hochstein

unread,
Mar 4, 2017, 9:45:02 AM3/4/17
to
Werner Holtfreter schrieb:

> Kann das jemand bestätigen?

Das ist doch bereits grammatikalisch offenkundig?

> Ich hatte in die Abtrennung durch die
> drei Unterabschnitte da ein UND hineininterpretiert,

Dann wäre es wohl weitgehend unmöglich, überhaupt jemals einen Mord zu
begehen.

> denn anders
> sehe ich keine sinnvolle Abgrenzung zum Totschlag.

Wieso nicht? Totschlag ist eine vorsätzliche Tötung, bei der kein
Mordmerkmal vorliegt. Das ist die weit überwiegende Mehrzahl.

> Nebenbei gesagt finde ich schwer daneben, das menschliche
> Grundbedürfnis der "Befriedigung des Geschlechtstriebs" wie auch
> die jedem Menschen immanente "Habgier" - übrigens Grundlage unseres
> Wirtschaftssystems - zu Kriterien für Mord zu machen.

Ich finde es hingegen schwer daneben, das Töten von Menschen allein
zur Erzielung sexueller Lust als "Grundbedürfnis" zu bezeichnen oder
übersteigertes Gewinnstreben, das über Leichen geht, als "Grundlage
unseres Wirtschaftssystems" zu bezeichnen.

> Nur steht "Vorsatz" nicht im heutigen Mord-Paragrafen, bedingter
> Vorsatz auch nicht.

Freilich - "Vorsatz" ist eine so grundsätzliche Voraussetzung der
Strafbarkeit, dass man sie "vor die Klammer" gezogen hat (§ 15 StGB).

-thh
--
Ressourcen für eine fruchtbringende Diskussion in de.soc.recht.ALL:
Gesetzestexte, Rechtsprechung und Fundstellen: <http://dejure.org/>
Gesetze und Verordnungen (deutsches Bundesrecht): <http://buzer.de/>
Freie Rechtsprechungs-Dokumentation (Urteile): <http://openjur.de/>

Thomas Hochstein

unread,
Mar 4, 2017, 9:45:02 AM3/4/17
to
Herbert Albrecht schrieb:

> Mir fehlt eine Abgrenzung zu Alltagssituationen, die gefährlich sind und
> potentiell zum Tode führen können. Es gibt ja neben Mord verschiedene
> Tatbestände im Zusammenhang mit dem Sterben. Mir fällt spontan
> Totschlag, Körperverletzung mit Todesfolge, unterlassene Hilfeleistung ein.

Fahrlässige Tötung und die ganze Latte der durch den Tod
qualifizierten Delikte kommt hinzu; unterlassene Hilfeleistung hat
hingegen "mit dem Sterben" per se wenig zu tun.

> Zum Mord gehört für mich ein gezielt gewähltes Opfer.

Für Dich möglicherweise schon; für die Rechtsprechung und -lehre aber
nicht.

> Im hier verhandelten Fall erkenne ich keine Tötungsabsicht gegen das
> Opfer und auch keine gegen irgendeine Gruppe, der das Opfer angehören
> könnte.

Eine Absicht ist auch nicht erforderlich, sondern nur eine - die
stärkste - Vorsatzform. Daneben genügt auch sicheres Wissen (dolus
directus zweiten Grades) und eben bedingte Vorsatz (dolus eventualis).

> Etwa so wie die Täter im Falle des Münchener
> S-Bahn-Mordes.

... der kein Mord war.

> Da wurde auf Körperverletzung mit Todesfolge erkannt, die
> Strafen (9 Jahre+10 Monate, 7 Jahre) wurden als hart angesehen.

Weil es am Tötungsvorsatz fehlte, ja.

-thh
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Thomas Hochstein

unread,
Mar 4, 2017, 9:45:02 AM3/4/17
to
Werner Holtfreter schrieb:

> Henning Koch wrote:
>> da der bedingte Vorsatz auch Vorsatz ist, braucht es da wohl
>> formal keine Ausdehnung...
>
> Ich finde, es ist ein qualitativer Unterschied, ob das Töten Ziel
> oder akzeptierter Kollateralschaden ist.

Andere finden das nicht. So what?

> Bei dem Stichwort fällt mir Kriegsrecht ein: Auch da gibt es das
> Verbot, Zivilisten *gezielt* zu töten, während es erlaubt ist, sie
> unabsichtlich, bei der Bekämpfung eines militärischen Ziels, zu
> treffen.

Wie genau pflegst Du denn im Straßenverkehr Kombattanten von
Nicht-Kombattanten zu kennen?

(Deine Ansichten faszinieren mich, ehrlich gesagt, einigermaßen.)

Thomas Hochstein

unread,
Mar 4, 2017, 9:45:03 AM3/4/17
to
Wilhelm schrieb:

> Für mich fehlt das planende Handeln (Heimtücke) als Mordmerkmal.

Heimtücke ist eines der Mordmerkmale.

Heimtücke hat mit planendem Handeln nichts zu tun; vielmehr kann
Heimtücke auch ohne Planung vorliegen, und planendes Handeln muss
nicht heimtückisch sein.

Thomas Hochstein

unread,
Mar 4, 2017, 9:45:03 AM3/4/17
to
Stefan Schmitz schrieb:

> Am Dienstag, 28. Februar 2017 19:16:17 UTC+1 schrieb David Seppi:
>> Hmm. § 22 StGB:
>>| Eine Straftat versucht, wer nach seiner Vorstellung von der Tat zur
>>| Verwirklichung des Tatbestandes unmittelbar ansetzt.
>>
>> Das verlangt dann doch etwas mehr.
>
> Das Ansetzen wäre in diesem Fall der Beginn des Rennens.

Aber nicht das *unmittelbare* Ansetzen.

> Dass es ohne Versuch zum Erfolg kommen kann, fände ich ziemlich merkwürdig.

Wieso? Hätte der hier getötete 69jährige pensionierte Arzt die
Kollision gerade noch verhindern können, hättest Du Deinen Versuch.

-thh

Thomas Hochstein

unread,
Mar 4, 2017, 9:45:03 AM3/4/17
to
Werner Holtfreter schrieb:

> Doch, ein Messer gilt als gemeingefährliches Mittel.

Nur unter denen, die Lustmorde für ein menschliches Grundbedürfnis
halten.

Werner Holtfreter

unread,
Mar 4, 2017, 10:15:16 AM3/4/17
to
Thomas Hochstein wrote:

> Werner Holtfreter schrieb:
>
>> Nebenbei gesagt finde ich schwer daneben, das menschliche
>> Grundbedürfnis der "Befriedigung des Geschlechtstriebs" wie auch
>> die jedem Menschen immanente "Habgier" - übrigens Grundlage
>> unseres Wirtschaftssystems - zu Kriterien für Mord zu machen.
>
> Ich finde es hingegen schwer daneben, das Töten von Menschen
> allein zur Erzielung sexueller Lust als "Grundbedürfnis" zu
> bezeichnen oder übersteigertes Gewinnstreben, das über Leichen
> geht, als "Grundlage unseres Wirtschaftssystems" zu bezeichnen.

Ich habe nicht behauptet, dass das Töten von Menschen zur Erzielung
sexueller Lust ein Grundbedürfnis ist. Ich habe behauptet, dass
sexuelle Lust und Habgier Grundbedürfnisse sind und verstehe daher
nicht, weshalb ausgerechnet das Ausleben von Grundbedürfnissen
einen Totschlag zum Mord macht.

Wie ich hier gelernt habe, gibt es diese Mordmerkmale im
österreichischen Recht nicht. So wenig wie in Deutschland von 1871
bis zur Herrschaft der National-Sozialisten.

David Seppi

unread,
Mar 4, 2017, 10:35:16 AM3/4/17
to
Thomas Hochstein schrieb:

> Werner Holtfreter schrieb:
>
>> Ich finde, es ist ein qualitativer Unterschied, ob das Töten Ziel
>> oder akzeptierter Kollateralschaden ist.
>
> Andere finden das nicht. So what?

§ 46 StGB nennt auch die Beweggründe und Ziele des Täters als Umstände,
die in der auszusprechenden Strafe eine Rolle spielen sollen.
Ist es da nicht auch bedeutend, ob ein Tatbestand nur mit dolus
eventualis oder mit Absicht erfüllt wird?
Eine zwingend zu verhängende lebenslange Freiheitsstrafe verhindert aber
die Berücksichtigung jeglicher Umstände, die nicht per Sonderbestimmung
berücksichtigt werden können. Das führt IMHO zu unbefriedigenden
Ergebnissen.

David Seppi

unread,
Mar 4, 2017, 10:38:12 AM3/4/17
to
Thomas Hochstein schrieb:

> Eine Absicht ist auch nicht erforderlich, sondern nur eine - die
> stärkste - Vorsatzform. Daneben genügt auch sicheres Wissen (dolus
> directus zweiten Grades) und eben bedingte Vorsatz (dolus eventualis).

Dazu eine prinzipielle Frage:
Wieso ist Absicht eine stärkere Vorsatzform als sicheres Wissen?
Absicht ist ja auch ohne sicheres Wissen möglich.
Oder wird Absicht idR härter bestraft als sicheres Wissen?

Werner Holtfreter

unread,
Mar 4, 2017, 11:08:37 AM3/4/17
to
Thomas Hochstein wrote:

> Werner Holtfreter schrieb:
>
>> Wir müssen zurück zum Tatstrafrecht von 1871 (aber natürlich
>> nicht zur Strafhöhe):
>>
>> "§. 211.
>> Wer vorsätzlich einen Menschen tödtet, wird, wenn er die Tödtung
>> mit Ueberlegung ausgeführt hat, wegen Mordes mit dem Tode
>> bestraft."
>
> Die Tötung "mit Überlegung" (oder "Vorbedacht") ist ja nun gerade
> die psychologisierende Variante und damit ein täterbezogenes
> Merkmal. Was hat denn das mit "Tatstrafrecht" zu tun?

Die Reduzierung! Es wird nicht gefragt, ob der Täter Nazi, Kommunist
oder Flüchtling ist. Nur, ob er die Tat "mit Überlegung" ausgeführt
wurde, zählt.

> Und: was ist denn "mit Überlegung", zumal dieses Element über den
> Vorsatz hinausgehen muss?

Überlegung drückt sich durch Vorbereitung oder Planung aus. Damit
ist sie klar abgegrenzt von der Affekthandlung, die nach meinem
Verständnis eine geringere Schuld bedeutet. Von der Fahrlässigkeit
sowieso, die im diskutierten Fall ja die Schwierigkeit darstellt.

>> So klar und kurz war diese Strafbestimmung.
>
> Aha. Es ist einfacher, zu differenzieren, ob und was sich der
> Täter bei der Tat überlegt hat, als festzustellen, ob das von ihm
> verwandte Mittel gemeingefährlich war?

Das hängt vom Fall ab. Ging eine Planung voraus, mussten Mittel
beschafft werden, ist die Sache klar. Wenn sich die Überlegung
nicht aus dem Tatgeschehen erkennen lässt, muss eben im Zweifel
milder geurteilt werden.

Ein gemeingefährliches Mittel kann man wahrscheinlich erkennen (wenn
man verstanden hat, was damit gemeint ist). Nur was ist der Sinn
dieses Mordmerkmals? Steigert das Tatmittel die Schuld? Sollen
Unbeteiligte vor Kollateralschäden zu bewahrt werden, in dem die
Verwendung dazu tendierender Mittel besonders hart bestraft wird?

Es ist schön, wenn du als Fachmann die Diskussion bereicherst. Die
spöttischen Töne nehme ich dafür gern in Kauf: Jeder ist Laie - auf
fast allen Gebieten.

Andreas Barth

unread,
Mar 4, 2017, 2:12:05 PM3/4/17
to
Thomas Hochstein wrote:
> Herbert Albrecht schrieb:
>> Da wurde auf Körperverletzung mit Todesfolge erkannt, die
>> Strafen (9 Jahre+10 Monate, 7 Jahre) wurden als hart angesehen.
>
> Weil es am Tötungsvorsatz fehlte, ja.

Und zur Einordnung der Strafe sollte man auch bedenken das
Jugendstrafrecht galt, also sind 9 Jahre 10 Monate nicht mehr weit von
Lebenslang entfernt.


Viele Grüße,
Andi

Wolfgang Schreiber

unread,
Mar 4, 2017, 2:26:21 PM3/4/17
to
>> Das überrascht mich. Sobald ein Messer im Spiel ist und im Affekt
>> tödlich zugestochen wird, ist es Mord?
>
> Wenn das von hinten ohne Vorwarnung erfolgt: ja.

Dann ist es nicht im Affekt.

VG
Wolfgang


Stefan Schmitz

unread,
Mar 4, 2017, 2:36:23 PM3/4/17
to
Am Samstag, 4. März 2017 15:45:03 UTC+1 schrieb Thomas Hochstein:
> Stefan Schmitz schrieb:
>
> > Am Dienstag, 28. Februar 2017 19:16:17 UTC+1 schrieb David Seppi:
> >> Hmm. § 22 StGB:
> >>| Eine Straftat versucht, wer nach seiner Vorstellung von der Tat zur
> >>| Verwirklichung des Tatbestandes unmittelbar ansetzt.
> >>
> >> Das verlangt dann doch etwas mehr.
> >
> > Das Ansetzen wäre in diesem Fall der Beginn des Rennens.
>
> Aber nicht das *unmittelbare* Ansetzen.

Welcher Moment wäre das im vorliegenden Fall?

> > Dass es ohne Versuch zum Erfolg kommen kann, fände ich ziemlich merkwürdig.
>
> Wieso? Hätte der hier getötete 69jährige pensionierte Arzt die
> Kollision gerade noch verhindern können, hättest Du Deinen Versuch.

Braucht es ein bestimmtes Opfer für den Versuch?

Was, wenn er durch reinen Zufall die Straße erst wenige Sekunden später passiert
hätte, als die beiden schon vorbei waren? Und was ist mit den anderen
Fahrzeugen, die zu ihrem Glück vor einer roten Ampel standen?

Rupert Haselbeck

unread,
Mar 4, 2017, 4:50:13 PM3/4/17
to
Wolfgang Schreiber schrieb:
Was lässt dich zu dieser etwas überraschenden Annahme kommen?

MfG
Rupert

Helmut Richter

unread,
Mar 4, 2017, 6:11:54 PM3/4/17
to
Welchen Sinn soll die Regel haben, dass die Tötung eines wehrlosen
Menschen schwerer zu bestrafen sei, wenn das Opfer auch noch arglos ist?

--
Helmut Richter

David Seppi

unread,
Mar 4, 2017, 6:52:32 PM3/4/17
to
Helmut Richter schrieb:

> Welchen Sinn soll die Regel haben, dass die Tötung eines wehrlosen
> Menschen schwerer zu bestrafen sei, wenn das Opfer auch noch arglos ist?

Das frage ich mich auch.
In der 2014 vom Bundesjustizministerium eingesetzten Expertengruppe zur
Reform der Tötungsdelikte begründeten die Befürworter das
im Wesentlichen mit "das Volk will es so":

#v+

Schneider führte aus, er halte das Mordmerkmal der Heimtücke schon aus
rechtspolitischen Gründen für unverzichtbar. Dem Rechtsbewusstsein der
Bevölkerung entspreche es, die Tötung Schlafender und Anschläge aus
dem Hinterhalt sowie allgemein Tötungen eines hiervon überraschten
Opfers von hinten beziehungsweise mittels Gift als höchststrafwürdig
zu bezeichnen. Dieses sozialpsychologische Faktum werde von den
Befürwortern einer Streichung konsequent ignoriert.

#v-

Es gab auch Kritik in der Gruppe, aber letztendlich hat man sich auf
folgende Empfehlung geeinigt:

#v+

Im Ergebnis empfahl die Expertengruppe, das Mordmerkmal der Heimtücke
zwar beizubehalten, jedoch einerseits auf den „hinterhältigen Angriff“
zu begrenzen und andererseits auf die Ausnutzung einer besonderen
Schutzbedürftigkeit (neben der Arg- und Wehrlosigkeit) auszuweiten.

#v-

Der Abschlußbericht ist allgemein sehr interessant:

http://www.bmjv.de/DE/Ministerium/ForschungUndWissenschaft/ReformToetungsdelikte/ReformToetungsdelikte_node.html

Helmut Richter

unread,
Mar 5, 2017, 2:35:39 AM3/5/17
to
Am 05.03.2017 um 00:52 schrieb David Seppi:

> Helmut Richter schrieb:
>
>> Welchen Sinn soll die Regel haben, dass die Tötung eines wehrlosen
>> Menschen schwerer zu bestrafen sei, wenn das Opfer auch noch arglos ist?
>
> Das frage ich mich auch.
> In der 2014 vom Bundesjustizministerium eingesetzten Expertengruppe zur
> Reform der Tötungsdelikte begründeten die Befürworter das
> im Wesentlichen mit "das Volk will es so":
> [...]

Mir kommt das irgendwie so vor wie aus dem 18. Jahrhundert. Fordere ich
meinen Gegner zu einem Kampf, in dem er keine Chance hat, ist das
ehrenhaft, bringe ich ihn ohne Kampf um, ist das feige. Na ja.

Ich fasse meinen Eindruck aus der Diskussion des ganzen Themas hier --
also nicht nur der Heimtücke -- mal so zusammen:

Kommt ein Mensch durch Einwirkung eines anderes zu Tode, gibt es vieles
zu berücksichtigen:

1. Wo auf der stufenlosen fließenden Skala von "fahrlässig" über
"bedingt vorsätzlich" bis "in voller Absicht geplant" ist das Wissen und
Wollen anzusiedeln?

2. Wo auf der stufenlosen fließenden Skala von "Notwehr" über
"notwehrähnlich, aber ohne gegenwärtigen Angriff" bis "ohne einen in der
Person des Opfers liegenden Grund" ist die Tat anzusiedeln?

3. Welchen Einfluss hatten konkrete psychische Erkrankungen oder die
Lebensgeschichte? Auch das stufenlos fließend.

4. Welchen Einfluß hatten Alkohol und andere Drogen und wie weit ist dem
Täter als Schuld zuzurechnen, dass er unter ihrem Einfluss stand? Auch
das stufenlos fließend.

... und sicher einige andere Überlegungen, an die ich jetzt nicht denke.

Und nun schreibt das Gesetz vor, anhand weniger Merkmale, die durchaus
einen gewissen Bezug zu den obigen Punkten haben, aber im konkreten Fall
mit "ja oder nein" entschieden werden müssen und nicht mit "liegt zu
einem gewissen Maße vor", Mord von anderen Tötungsdelikten anzugrenzen.
Trifft eines der Mordmerkmale zu, kann man sich den Rest der Beurteilung
weitgehend sparen, da der Strafrahmen festliegt. Das kann im Einzelfall
eine tat- und schuldangemessene Bestrafung erschweren.

--
Helmut Richter

Rupert Haselbeck

unread,
Mar 5, 2017, 3:50:11 AM3/5/17
to
Helmut Richter schrieb:

> Und nun schreibt das Gesetz vor, anhand weniger Merkmale, die durchaus
> einen gewissen Bezug zu den obigen Punkten haben, aber im konkreten Fall
> mit "ja oder nein" entschieden werden müssen und nicht mit "liegt zu
> einem gewissen Maße vor", Mord von anderen Tötungsdelikten anzugrenzen.
> Trifft eines der Mordmerkmale zu, kann man sich den Rest der Beurteilung
> weitgehend sparen, da der Strafrahmen festliegt. Das kann im Einzelfall
> eine tat- und schuldangemessene Bestrafung erschweren.

Einige Semester Strafrecht könnten die meisten Fragen unschwer lösen helfen.
Aktuell liest sich die Diskussion hier weitgehend wie die Unterhaltung von
ein paar Blinden über die Farben einer Blumenwiese, (mal abgesehen von den
Zweien oder Dreien, die erkennbar noch unter Stammtischniveau bleiben
wollen).
Der zentrale Punkt ist ohnehin kein juristischer sondern eine Frage der
Rechtsetzung. Wie das gesamte Rechtssystem basiert auch das Strafrecht auf
dem Willen des Gemeinwesens, auf den Vorstellungen der Bevölkerung über die
Regeln eines geordneten Zusammenlebens. Ganz zwangsläufig gibt es
unterschiedliche Ansichten dazu und deshalb bildet das Recht nicht einzelne
Vorstellungen ab sondern sozusagen die Quintessenz der diesbezüglichen
Vorstellungen der Bevölkerung. Und zum Glück entscheiden nicht die manchmal
recht extremen individuellen Vorstellungen einiger weniger Laien darüber,
wie dieser oder jener Fall zu behandeln ist sondern Fachleute, die das auch
verstehen. Und das auch in den Fällen und für oder gegen diejenigen, welche
nicht willens und/oder in der Lage sind, den Sinn dieser allgemein geltenden
Regeln zu verstehen.
Sollte es demnächst in der Bevölkerung zu einem Konsens kommen, wonach
andere Regeln gelten sollen, dann erst wird man (in den Parlamenten!) solche
anderen Regeln, man nennt sie gemeinhin Gesetze, beschliessen und diese
neuen Vorschriften fürderhin anwenden dürfen und müssen.

MfG
Rupert

Wolfgang Schreiber

unread,
Mar 5, 2017, 6:54:34 AM3/5/17
to
>>> Wenn das von hinten ohne Vorwarnung erfolgt: ja.
>>
>> Dann ist es nicht im Affekt.
>
> Was lässt dich zu dieser etwas überraschenden Annahme kommen?

Nun, nach meinem Sprachverständnis ist der "Affekt" der Gipfelpunkt
einer Eskalation, die sich zuvor angebahnt haben muß. Es kommt zum
Streit, ein Wort gibt das andere, die Emotionen kochen hoch und höher,
schließlich rastet einer aus, er hat zufällig ein Messer in der Hand
(oder packt eine zufällig herumstehende ad-hoc-Waffe (schwerer
Kerzenständer)) und schlägt/sticht damit zu. Nun ist der andere leider
tot, aber eigentlich wollte er's ja gar nicht...

Das ganze findet eher von Angesicht zu Angesicht statt und nicht
hinterrücks.

Über die Natur des Affekts lasse ich mich aber gerne von Profis eines
Besseren belehren. :-)

VG
Wolfgang


David Seppi

unread,
Mar 5, 2017, 7:23:41 AM3/5/17
to
Wolfgang Schreiber schrieb:

> Nun, nach meinem Sprachverständnis ist der "Affekt" der Gipfelpunkt
> einer Eskalation, die sich zuvor angebahnt haben muß. Es kommt zum
> Streit, ein Wort gibt das andere, die Emotionen kochen hoch und höher,
> schließlich rastet einer aus, er hat zufällig ein Messer in der Hand
> (oder packt eine zufällig herumstehende ad-hoc-Waffe (schwerer
> Kerzenständer)) und schlägt/sticht damit zu. Nun ist der andere leider
> tot, aber eigentlich wollte er's ja gar nicht...

So ca. paßt das auch. (Während der Tat wollte er es affektbedingt.)

> Das ganze findet eher von Angesicht zu Angesicht statt und nicht
> hinterrücks.

Warum? Wieso kann der Täter nicht im Rausch der Emotionen das Messer
nehmen und das Opfer von hinten erstechen?
Nach einer hitzigen Diskussion beendet A selbige, läßt B einfach so
stehen und läßt beim Davonstolzieren eine schwere Beleidigung fallen.
B übermannt der Zorn, er packt das Messer und sticht den sich
entfernenden A von hinten nieder.

> Über die Natur des Affekts lasse ich mich aber gerne von Profis eines
> Besseren belehren. :-)

§ 213 dStGB (Minder schwerer Fall des Totschlags) definiert das so:

| War der Totschläger ohne eigene Schuld durch eine ihm oder einem
| Angehörigen zugefügte Mißhandlung oder schwere Beleidigung von dem
| getöteten Menschen zum Zorn gereizt und hierdurch auf der Stelle zur
| Tat hingerissen worden [...]

Das ist nur deswegen nicht mit Heimtücke vereinbar, weil das Privileg
nur für Totschläger, nicht aber für Mörder gilt.

§ 76 öStGB (Totschlag / Österreich) definiert das so:

| Wer sich in einer allgemein begreiflichen heftigen Gemütsbewegung dazu
| hinreißen läßt, einen anderen zu töten [...]

Das geht natürlich auch von hinten. (Österreich kennt sowas wie
Heimtücke nicht - vorsätzliche Tötungen sind grundsätzlich Mord,
wenn es keine privilegierende Umstände wie eben Affekt gibt.)

David Seppi

unread,
Mar 5, 2017, 7:26:59 AM3/5/17
to
Helmut Richter schrieb:

> Trifft eines der Mordmerkmale zu, kann man sich den Rest der Beurteilung
> weitgehend sparen, da der Strafrahmen festliegt. Das kann im Einzelfall
> eine tat- und schuldangemessene Bestrafung erschweren.

Es wurde durchaus empfohlen, daß Mord nicht zwingend mit einer
lebenslangen Haftstrsfe zu bestrafen sein soll.

David Seppi

unread,
Mar 5, 2017, 7:29:28 AM3/5/17
to
Rupert Haselbeck schrieb:

> Der zentrale Punkt ist ohnehin kein juristischer sondern eine Frage der
> Rechtsetzung. Wie das gesamte Rechtssystem basiert auch das Strafrecht auf
> dem Willen des Gemeinwesens, auf den Vorstellungen der Bevölkerung über die
> Regeln eines geordneten Zusammenlebens. Ganz zwangsläufig gibt es
> unterschiedliche Ansichten dazu und deshalb bildet das Recht nicht einzelne
> Vorstellungen ab sondern sozusagen die Quintessenz der diesbezüglichen
> Vorstellungen der Bevölkerung. Und zum Glück entscheiden nicht die manchmal
> recht extremen individuellen Vorstellungen einiger weniger Laien darüber,
> wie dieser oder jener Fall zu behandeln ist sondern Fachleute, die das auch
> verstehen. Und das auch in den Fällen und für oder gegen diejenigen, welche
> nicht willens und/oder in der Lage sind, den Sinn dieser allgemein geltenden
> Regeln zu verstehen.

Diese Fachleute sollten aber auch erklären können, wieso die einzelnen
Mordmerkmale 1. sinnvoll sind und 2. zu einer zwingenden lebenslangen
Haftstrafe führen sollen.

Helmut Richter

unread,
Mar 5, 2017, 8:05:39 AM3/5/17
to
Am 05.03.2017 um 13:29 schrieb David Seppi:

> Diese Fachleute sollten aber auch erklären können, wieso die einzelnen
> Mordmerkmale 1. sinnvoll sind und 2. zu einer zwingenden lebenslangen
> Haftstrafe führen sollen.

Genau das war mein Punkt, den Rupert Haselbeck nicht mitbekommen hat.

Dabei habe ich nicht in Abrede gestellt, dass die Mordmerkmale einen
Sinn neben anderen vom Richter zu bewertenden Umstände haben können.
Zweifel hatte ich nur daran, ob man mittels einer eindeutigen Festlegung
"Merkmal liegt vor oder nicht vor, ohne Zwischentöne" zu einem
eindeutigen Schluss "Mord liegt vor oder nicht" gelangen kann, wobei im
Falle von Mord alle übrigen Tatumstände keine Einfluß auf das Strafmaß
haben.

--
Helmut Richter

David Seppi

unread,
Mar 5, 2017, 8:22:54 AM3/5/17
to
Helmut Richter schrieb:

> Dabei habe ich nicht in Abrede gestellt, dass die Mordmerkmale einen
> Sinn neben anderen vom Richter zu bewertenden Umstände haben können.
> Zweifel hatte ich nur daran, ob man mittels einer eindeutigen Festlegung
> "Merkmal liegt vor oder nicht vor, ohne Zwischentöne" zu einem
> eindeutigen Schluss "Mord liegt vor oder nicht" gelangen kann, wobei im
> Falle von Mord alle übrigen Tatumstände keine Einfluß auf das Strafmaß
> haben.

Ja. Soweit ich das mitbekommen habe spielt hier auch der alte Konflikt
zwischen gesetztem Recht und Richterrecht mit. Je mehr das Gesetz
vorschreibt (dazu gehören auch unflexible Strafrahmen), desto weniger
können die Richter entscheiden. Die Entscheidung darüber, was einer
lebenslangen Haftstrafe bedarf, bleibt damit in der Hand des
Gesetzgebers. Anscheinend sieht der deutsche Gesetzgeber diesen als
demokratisch erachteten Aspekt bei Mord als wichtiger an als eine
einzelfallgerechte Entscheidung, mehr noch als bei allen anderen
Delikten, weil Mord eine besondere Bedeutung zugeschrieben wird.

Irgendwie wundert mich das ganze, da der Gesetzgeber in anderen Teilen
des Strafrechts deutlich mehr den Richtern überlassen hat als das andere
deutschsprachige Länder machen. Das deutsche StGB definiert ja nicht
einmal Vorsatz und Fahrlässigkeit, sondern überläßt das der
Rechtssprechung (was ja hier im Thread intensiv behandelt wurde).

David Seppi

unread,
Mar 5, 2017, 8:26:43 AM3/5/17
to
Helmut Richter schrieb:

> Dabei habe ich nicht in Abrede gestellt, dass die Mordmerkmale einen
> Sinn neben anderen vom Richter zu bewertenden Umstände haben können.
> Zweifel hatte ich nur daran, ob man mittels einer eindeutigen Festlegung
> "Merkmal liegt vor oder nicht vor, ohne Zwischentöne" zu einem
> eindeutigen Schluss "Mord liegt vor oder nicht" gelangen kann, wobei im
> Falle von Mord alle übrigen Tatumstände keine Einfluß auf das Strafmaß
> haben.

Ja. Soweit ich das mitbekommen habe spielt hier auch der alte Konflikt
zwischen gesetztem Recht und Richterrecht mit. Je mehr das Gesetz
vorschreibt (dazu gehören auch unflexible Strafrahmen), desto weniger
können die Richter entscheiden. Die Entscheidung darüber, was einer
lebenslangen Haftstrafe bedarf, bleibt damit in der Hand des
Gesetzgebers. Anscheinend sieht der deutsche Gesetzgeber diesen als
demokratisch erachteten Aspekt bei Mord als wichtiger an als eine
einzelfallgerechte Entscheidung, mehr noch als bei allen anderen
Delikten, weil Mord eine besondere Bedeutung zugeschrieben wird.

Irgendwie wundert mich das ganze, da der Gesetzgeber in anderen Teilen
des Strafrechts deutlich mehr den Richtern überlassen hat als das andere
deutschsprachige Länder machen. Das deutsche StGB definiert ja nicht
einmal Vorsatz und Fahrlässigkeit, sondern überläßt das der
Rechtssprechung (was ja hier im Thread intensiv behandelt wurde).

Edit: Die Mordmerkmale an sich find ich so wie Du gar nicht so dumm.
Österreich hat keine, was zu einer viel größeren Streuung der verhängten
Strafen in vergleichbaren Fällen führt. Das ist natürlich auxh nicht
gut, wobei hier noch die Geschworenengerichte dazu kommen.
Allerdings sollte man auchbei Mord einen Strafrahmen statt einer fixen
Strafe haben - und manche Mordmerkmale sind einfach überholt, während
andere fehlen.

David Seppi

unread,
Mar 5, 2017, 8:27:53 AM3/5/17
to
Helmut Richter schrieb:

> Dabei habe ich nicht in Abrede gestellt, dass die Mordmerkmale einen
> Sinn neben anderen vom Richter zu bewertenden Umstände haben können.
> Zweifel hatte ich nur daran, ob man mittels einer eindeutigen Festlegung
> "Merkmal liegt vor oder nicht vor, ohne Zwischentöne" zu einem
> eindeutigen Schluss "Mord liegt vor oder nicht" gelangen kann, wobei im
> Falle von Mord alle übrigen Tatumstände keine Einfluß auf das Strafmaß
> haben.

Ja. Soweit ich das mitbekommen habe spielt hier auch der alte Konflikt
zwischen gesetztem Recht und Richterrecht mit. Je mehr das Gesetz
vorschreibt (dazu gehören auch unflexible Strafrahmen), desto weniger
können die Richter entscheiden. Die Entscheidung darüber, was einer
lebenslangen Haftstrafe bedarf, bleibt damit in der Hand des
Gesetzgebers. Anscheinend sieht der deutsche Gesetzgeber diesen als
demokratisch erachteten Aspekt bei Mord als wichtiger an als eine
einzelfallgerechte Entscheidung, mehr noch als bei allen anderen
Delikten, weil Mord eine besondere Bedeutung zugeschrieben wird.

Irgendwie wundert mich das ganze, da der Gesetzgeber in anderen Teilen
des Strafrechts deutlich mehr den Richtern überlassen hat als das andere
deutschsprachige Länder machen. Das deutsche StGB definiert ja nicht
einmal Vorsatz und Fahrlässigkeit, sondern überläßt das der
Rechtssprechung (was ja hier im Thread intensiv behandelt wurde).

Edit: Die Mordmerkmale an sich find ich so wie Du gar nicht so dumm.
Österreich hat keine, was zu einer viel größeren Streuung der verhängten
Strafen in vergleichbaren Fällen führt. Das ist natürlich auch nicht
gut, wobei hier noch die Geschworenengerichte dazu kommen.
Allerdings sollte man auchbei Mord einen Strafrahmen statt einer fixen
Strafe haben - und manche Mordmerkmale sind einfach überholt, während
andere fehlen.

Thomas Hochstein

unread,
Mar 5, 2017, 1:30:03 PM3/5/17
to
Werner Holtfreter schrieb:

> Thomas Hochstein wrote:
>> Werner Holtfreter schrieb:
>>> Nebenbei gesagt finde ich schwer daneben, das menschliche
>>> Grundbedürfnis der "Befriedigung des Geschlechtstriebs" wie auch
>>> die jedem Menschen immanente "Habgier" - übrigens Grundlage
>>> unseres Wirtschaftssystems - zu Kriterien für Mord zu machen.
>>
>> Ich finde es hingegen schwer daneben, das Töten von Menschen
>> allein zur Erzielung sexueller Lust als "Grundbedürfnis" zu
>> bezeichnen oder übersteigertes Gewinnstreben, das über Leichen
>> geht, als "Grundlage unseres Wirtschaftssystems" zu bezeichnen.
>
> Ich habe nicht behauptet, dass das Töten von Menschen zur Erzielung
> sexueller Lust ein Grundbedürfnis ist. Ich habe behauptet, dass
> sexuelle Lust und Habgier Grundbedürfnisse sind und verstehe daher
> nicht, weshalb ausgerechnet das Ausleben von Grundbedürfnissen
> einen Totschlag zum Mord macht.

Ich fürchte, Dir dieses Verständnis dann auch nicht vermitteln zu
können - jenseits des erneuten Verweises darauf, dass es eben gerade
nicht um das "Ausleben von Grundbedürfnissen" geht, sondern um die
Tötung eines Menschen für Geld oder Sex. Der Gesetzgeber ist - nach
meinem Eindruck: mehrheitsfähig - der Auffassung, dass diese Motive
für die Vernichtung eines Menschenlebens besonders verabscheuenswert
sind. Daher gehören die verschiedenen niederen Beweggründe (sowohl die
entsprechende Generalklausel als auch die konkreten Ausprägungen
"Befriedigung des Geschlechtstriebs", "Mordlust" und "Habgier") auch
zu den am wenigsten umstrittenen Mordmerkmalen gehören.

Ich fürchte im übrigen, dass Dein Unverständnis sich auch auf weitere
Kernnormen des Strafrechts erstrecken wird. Das Ausleben sexueller
Lust macht nämlich Nötigung und Körperverletzung zur Vergewaltigung
(oder sexuellen Nötigung), und auch das Ausleben von - im weitesten
Sinne - Habgier führt in die Nähe der Raubdelikte. Diese Taten sind
als Verbrechen mit weitaus höheren Strafen bedroht als die
Grunddelikte.

> Wie ich hier gelernt habe, gibt es diese Mordmerkmale im
> österreichischen Recht nicht. So wenig wie in Deutschland von 1871
> bis zur Herrschaft der National-Sozialisten.

Wenn Du Dich mit dieser Frage ernsthaft beschäftigt hättest, dann
wüsstest Du, dass der entsprechende Streit älter ist als das Dritte
Reich (und das RStGB), und dass die entsprechende Änderung im
Wesentlichen nur in der Formulierung nationalsozialistisch geprägt
ist. [1] Auch wenn Du das offenbar nicht hören willst.

-thh

[1] Vgl. <dsrs.1703...@meneldor.ancalagon.de>.

Thomas Hochstein

unread,
Mar 5, 2017, 1:30:03 PM3/5/17
to
Helmut Richter schrieb:

[Mordmerkmal Heimtücke]
> Mir kommt das irgendwie so vor wie aus dem 18. Jahrhundert. Fordere ich
> meinen Gegner zu einem Kampf, in dem er keine Chance hat, ist das
> ehrenhaft, bringe ich ihn ohne Kampf um, ist das feige. Na ja.

Das ist keineswegs "18. Jahrhundert", sondern durchaus 19. Jahrhundert
und wohl auch noch 20. Jahrhundert, zumindest in den ersten
Jahrzehnten. Aber ja, die Grundüberlegungen, die dahinterstehen,
können wir heute nicht mehr so recht nachvollziehen.

> Ich fasse meinen Eindruck aus der Diskussion des ganzen Themas hier --
> also nicht nur der Heimtücke -- mal so zusammen:
>
> Kommt ein Mensch durch Einwirkung eines anderes zu Tode, gibt es vieles
> zu berücksichtigen:
>
> 1. Wo auf der stufenlosen fließenden Skala von "fahrlässig" über
> "bedingt vorsätzlich" bis "in voller Absicht geplant" ist das Wissen und
> Wollen anzusiedeln?

Und ist ein Vorsatz auf den Tod oder nur die Körperverletzung
gerichtet?

Ganz so "stufenlos" ist die Skala dann gerade auch wieder nicht; es
gibt - rechtlich - feste Stufen, in die die "stufenlose" Realität
einzuordnen ist.

> 2. Wo auf der stufenlosen fließenden Skala von "Notwehr" über
> "notwehrähnlich, aber ohne gegenwärtigen Angriff" bis "ohne einen in der
> Person des Opfers liegenden Grund" ist die Tat anzusiedeln?

Jein. Das ist im Wesentlichen eine Frage der Strafzumessung;
Rechtfertigungsgründe wie Notwehr sind ohnehin gesondert zu prüfen.

> 3. Welchen Einfluss hatten konkrete psychische Erkrankungen oder die
> Lebensgeschichte? Auch das stufenlos fließend.

Jein. Stufenlos betrifft es die Strafzumessung; ansonsten betreffen
psychische Erkrankungen und andere Beeinträchtigungen der freien
Willensbildung zur Tatzeit - nicht aber die Lebensgeschichte - die
Frage nach der Schuldfähigkeit.

> 4. Welchen Einfluß hatten Alkohol und andere Drogen und wie weit ist dem
> Täter als Schuld zuzurechnen, dass er unter ihrem Einfluss stand? Auch
> das stufenlos fließend.

Das gehört zu 3. dazu

> Und nun schreibt das Gesetz vor, anhand weniger Merkmale, die durchaus
> einen gewissen Bezug zu den obigen Punkten haben, aber im konkreten Fall
> mit "ja oder nein" entschieden werden müssen und nicht mit "liegt zu
> einem gewissen Maße vor", Mord von anderen Tötungsdelikten anzugrenzen.

Äh ... nein.

Die Abgrenzung von Mord zu Totschlag betrifft ausschließlich das
Vorliegen von Mordmerkmalen.

> Trifft eines der Mordmerkmale zu, kann man sich den Rest der Beurteilung
> weitgehend sparen, da der Strafrahmen festliegt.

Keineswegs. Die Frage nach dem Vorsatz, der Schuldfähigkeit und
Rechtfertigungsgründen ist zwar der Unterscheidung "Mord oder
Totschlag?" vorgelagert, aber dennoch relevant.

> Das kann im Einzelfall
> eine tat- und schuldangemessene Bestrafung erschweren.

Ja - das ist der Nachteil absoluter Strafdrohungen. Andererseits kann
umgekehrt auch das Höchstmaß zeitiger Freiheitsstrafe von 15 Jahren
eine tat- und schuldangemessene Bestrafung erschweren, weil eine
höhere Strafe nicht, auch nichts als Gesamtstrafe, möglich ist.

Grüße,
-thh

Thomas Hochstein

unread,
Mar 5, 2017, 1:30:03 PM3/5/17
to
David Seppi schrieb:

> Thomas Hochstein schrieb:
>> Werner Holtfreter schrieb:
>>> Ich finde, es ist ein qualitativer Unterschied, ob das Töten Ziel
>>> oder akzeptierter Kollateralschaden ist.
>> Andere finden das nicht. So what?
>
> § 46 StGB nennt auch die Beweggründe und Ziele des Täters als Umstände,
> die in der auszusprechenden Strafe eine Rolle spielen sollen.
> Ist es da nicht auch bedeutend, ob ein Tatbestand nur mit dolus
> eventualis oder mit Absicht erfüllt wird?

Freilich - das ist, im wahrsten Sinne des Wortes, ein *quantitativer*
Unterschied, weil er für die Strafzumessung bedeutend ist.

Die Strafzumessung fällt allerdings bei der absoluten Strafdrohung des
§ 211 StGB weitgehend weg, nachdem sich dann im Wesentlichen nur noch
die Frage nach der besonderen Schwere der Schuld stellt.

> Eine zwingend zu verhängende lebenslange Freiheitsstrafe verhindert aber
> die Berücksichtigung jeglicher Umstände, die nicht per Sonderbestimmung
> berücksichtigt werden können. Das führt IMHO zu unbefriedigenden
> Ergebnissen.

Ja, das kann man grundsätzlich so sehen.

Thomas Hochstein

unread,
Mar 5, 2017, 1:30:03 PM3/5/17
to
David Seppi schrieb:

> Allerdings sollte man auchbei Mord einen Strafrahmen statt einer fixen
> Strafe haben -

Das hat seine Vor- wie auch seine Nachteile.

Der "Vorwurf", mit einer Änderung solle die Verhängung lebenslanger
Freiheitsstrafe zurückgedrängt werden, ist nicht ganz von der Hand zu
weisen.

> und manche Mordmerkmale sind einfach überholt, während
> andere fehlen.

Jein. Mit Ausnahme der Heimtücke sind eigentlich alle Mordmerkmale -
in ihrer konkreten Ausfüllung durch die Rechtsprechung - gut zu
handhaben und führen zu angemessenen Ergebnissen.

Auch im konkreten Fall ist das Problem ja weniger das Mordmerkmal der
gemeingefährlichen Begehungsweise als die Frage nach denm
Tötungsvorsatz.

-thh

Thomas Hochstein

unread,
Mar 5, 2017, 1:30:03 PM3/5/17
to
Wolfgang Schreiber schrieb:

>>>> Wenn das von hinten ohne Vorwarnung erfolgt: ja.
>>> Dann ist es nicht im Affekt.
>> Was lässt dich zu dieser etwas überraschenden Annahme kommen?
>
> Nun, nach meinem Sprachverständnis ist der "Affekt" der Gipfelpunkt
> einer Eskalation, die sich zuvor angebahnt haben muß. Es kommt zum
> Streit, ein Wort gibt das andere, die Emotionen kochen hoch und höher,
> schließlich rastet einer aus, er hat zufällig ein Messer in der Hand
> (oder packt eine zufällig herumstehende ad-hoc-Waffe (schwerer
> Kerzenständer)) und schlägt/sticht damit zu.

Das wäre dann eine echte Affekttat, die eine dekulpierungsrelevante
Einschränkung der Steuerungsfähigkeit im Sinne des § 21 StGB begründen
kann.

> Nun ist der andere leider
> tot, aber eigentlich wollte er's ja gar nicht...

Die entscheidende Frage: Wollte er es im Moment des Zuschlagens oder
Zustoßens nicht - oder tat es ihm erst danach leid, als er "wieder zu
Sinnen gekommen" war?

> Das ganze findet eher von Angesicht zu Angesicht statt und nicht
> hinterrücks.

Du meinst, man kann nicht verbal streiten, und wenn der eine sich
abwendet und geht, ihm von hinten eine überziehen? Das halte ich sogar
für ziemlich typisch.

Thomas Hochstein

unread,
Mar 5, 2017, 1:30:03 PM3/5/17
to
Werner Holtfreter schrieb:

> Thomas Hochstein wrote:
>> Werner Holtfreter schrieb:
>>> Wir müssen zurück zum Tatstrafrecht von 1871 (aber natürlich
>>> nicht zur Strafhöhe):
>>> "§. 211.
>>> Wer vorsätzlich einen Menschen tödtet, wird, wenn er die Tödtung
>>> mit Ueberlegung ausgeführt hat, wegen Mordes mit dem Tode
>>> bestraft."
>> Die Tötung "mit Überlegung" (oder "Vorbedacht") ist ja nun gerade
>> die psychologisierende Variante und damit ein täterbezogenes
>> Merkmal. Was hat denn das mit "Tatstrafrecht" zu tun?
>
> Die Reduzierung! Es wird nicht gefragt, ob der Täter Nazi, Kommunist
> oder Flüchtling ist.

Das ist auch derzeit kein Mordmerkmal.

>> Und: was ist denn "mit Überlegung", zumal dieses Element über den
>> Vorsatz hinausgehen muss?
>
> Überlegung drückt sich durch Vorbereitung oder Planung aus. Damit
> ist sie klar abgegrenzt von der Affekthandlung, die nach meinem
> Verständnis eine geringere Schuld bedeutet. Von der Fahrlässigkeit
> sowieso, die im diskutierten Fall ja die Schwierigkeit darstellt.

Okay. Nur passt das nicht so ganz zu den von Dir geschätzten
Regelungen votr 1941.

Heute haben wir bei den vorsätzlichen Tötungen den Totschlag als
Grundtatbestand der Tötung (mit einem besonders schweren Fall, der uns
hier einmal nicht interessieren soll), "darüber" dann den Mord
(Totschlag + mindestens ein Mordmerkmal) und "darunter" dann den
minder schweren Fall des Totschlags, der u.a. die typischen
Affekttaten erfasst und zudem noch eine Generalklausel hat,
nachzulesen in §§ 211-213 StGB.

Den alten § 211 StGB hast Du ja schon zitiert, ich ergänze um die
damaligen Fassungen der §§ 212-213, die im Wesentlichen auch heute so
lauten:

| § 212
| Wer vorsätzlich einen Menschen tödtet, wird, wenn er die Tödtung
| nicht mit Überlegung ausgeführt hat, wegen Todtschlages mit Zuchthaus
| nicht unter fünf Jahren bestraft.
|
| § 213
| War der Todtschläger ohne eigene Schuld durch eine ihm oder einem
| Angehörigen zugefügte Mißhandlung oder schwere Beleidigung von dem
| Getödteten zum Zorne gereizt und hierdurch auf der Stelle zur That
| hingerissen worden, oder sind andere mildernde Umstände vorhanden, so
| tritt Gefängnißstrafe nicht unter sechs Monaten ein.

Jetzt haben wir also die fahrlässige Tötung, die vorsätzliche Tötung
"im Affekt", die vorsätzliche Tötung und die vorsätzliche Tötung "mit
Überlegung".

Du müsstest jetzt also erklären, was genau "Überlegung" mehr sein soll
als Vorsatz. Die "Affekttat" ist heute wie damals ohnehin privilegiert
(soweit sie kein Mordmerkmal verwirklicht, muss man wohl hinzufügen).

>> Aha. Es ist einfacher, zu differenzieren, ob und was sich der
>> Täter bei der Tat überlegt hat, als festzustellen, ob das von ihm
>> verwandte Mittel gemeingefährlich war?
>
> Das hängt vom Fall ab. Ging eine Planung voraus, mussten Mittel
> beschafft werden, ist die Sache klar. Wenn sich die Überlegung
> nicht aus dem Tatgeschehen erkennen lässt, muss eben im Zweifel
> milder geurteilt werden.

Ja, kann man so sehen. - Dennoch hat sich zum einen damals gezeigt,
dass das Merkmal "mit Überlegung" im einzelnen nur schwer zu fassen
ist, zum anderen halte ich die Planung nicht für schwerwiegender als
die Tötung - bspw. - aus Mordlust, zur Luststeigerung oder in
besonders grausamer Weise. Ich halte es für schlimmer, jemanden zu
Tode zu foltern oder sich am Tod eines Menschen zu erregen, als
(bspw.) die Tötung des Nebenbuhlers nicht kurzentschlossen, sondern
mit einem ausgefeilten Plan durchzuziehen. Und ich könnte mir
vorstellen, dass das mehrheitsfähig ist.

> Ein gemeingefährliches Mittel kann man wahrscheinlich erkennen (wenn
> man verstanden hat, was damit gemeint ist). Nur was ist der Sinn
> dieses Mordmerkmals? Steigert das Tatmittel die Schuld?

Ja, weil der Täter bei der Begehung der Tat eine Mehrzahl oder
Vielzahl von Menschen in Todesgefahr bringt.

Genau das - die Steigerung der Schuld - ist der Grund für die höhere
Strafdrohung des Mordes. Und es gibt durchaus strafschärfende
Gesichtspunkte, die "schlimmer" sind als eine Vorplanung der Tat-

Grüße,

Thomas Hochstein

unread,
Mar 5, 2017, 1:30:03 PM3/5/17
to
Stefan Schmitz schrieb:

> Am Samstag, 4. März 2017 15:45:03 UTC+1 schrieb Thomas Hochstein:
>> Stefan Schmitz schrieb:
>>> Am Dienstag, 28. Februar 2017 19:16:17 UTC+1 schrieb David Seppi:
>>>> Hmm. § 22 StGB:
>>>>| Eine Straftat versucht, wer nach seiner Vorstellung von der Tat zur
>>>>| Verwirklichung des Tatbestandes unmittelbar ansetzt.
>>>> Das verlangt dann doch etwas mehr.
>>> Das Ansetzen wäre in diesem Fall der Beginn des Rennens.
>> Aber nicht das *unmittelbare* Ansetzen.
>
> Welcher Moment wäre das im vorliegenden Fall?

Konkret vermutlich die Annäherung an die Kreuzung / Einmündung, in die
das andere Fahrzeug einfahren will.

>> Wieso? Hätte der hier getötete 69jährige pensionierte Arzt die
>> Kollision gerade noch verhindern können, hättest Du Deinen Versuch.
>
> Braucht es ein bestimmtes Opfer für den Versuch?

Ich würde sagen, dass das Tatobjekt zumindest konkretisiert sein muss,
ja.

> Was, wenn er durch reinen Zufall die Straße erst wenige Sekunden später passiert
> hätte, als die beiden schon vorbei waren? Und was ist mit den anderen
> Fahrzeugen, die zu ihrem Glück vor einer roten Ampel standen?

Da würde ich ein unmittelbares Ansetzen verneinen.

-thh

Thomas Hochstein

unread,
Mar 5, 2017, 1:30:03 PM3/5/17
to
David Seppi schrieb:

> Thomas Hochstein schrieb:
>> Eine Absicht ist auch nicht erforderlich, sondern nur eine - die
>> stärkste - Vorsatzform. Daneben genügt auch sicheres Wissen (dolus
>> directus zweiten Grades) und eben bedingte Vorsatz (dolus eventualis).
>
> Dazu eine prinzipielle Frage:
> Wieso ist Absicht eine stärkere Vorsatzform als sicheres Wissen?

Das ist eine - sich durch das gesamte Strafrecht ziehende -
Wertentscheidung des Gesetzgebers, der das Handlungsunrecht stäker
gewichtet als das Erfolgsunrecht: es kommt nicht so sehr darauf an,
*ob* ein Mensch tot ist, sondern ob der Täter ihn töten *wollte*.
Daher ist fahrlässige Tötung mit derselben Strafe bedroht wie
vorsätzliche Körperverletzung (max. 5 Jahre), versuchter Totschlag
(kein Erfolgsunrecht!) aber mit einer deutlich höheren Strafe (2 Jahre
bis 11 Jahre drei Monate).

> Absicht ist ja auch ohne sicheres Wissen möglich.

Exakt.

Die Abstufung ist

- Absicht (direkter Vorsatz ersten Grades)
- sicheres Wissen (direkter Vorsatz zweiten Grades)
- bedingter Vorsitz

> Oder wird Absicht idR härter bestraft als sicheres Wissen?

Wie gesagt, das ist eine Wertentscheidung.

Thomas Hochstein

unread,
Mar 5, 2017, 1:30:03 PM3/5/17
to
Helmut Richter schrieb:

> Am 04.03.2017 um 15:12 schrieb Thomas Hochstein:
>> Werner Holtfreter schrieb:
>>> Das überrascht mich. Sobald ein Messer im Spiel ist und im Affekt
>>> tödlich zugestochen wird, ist es Mord?
>> Wenn das von hinten ohne Vorwarnung erfolgt: ja.
>
> Welchen Sinn soll die Regel haben, dass die Tötung eines wehrlosen
> Menschen schwerer zu bestrafen sei, wenn das Opfer auch noch arglos ist?

Nicht ohne Grund ist "Heimtücke" das wohl umstrittenste Mordmerkmal.
[1] Ich würde sagen, die "schimpfliche" Tötung eines Nichtsahnenden,
dem man auflauert oder vergiftert, erachten wir heutzutage nicht mehr
als besonders verwerflich.

-thh

[1] Auch deshalb, weil es vergleichsweise häufig vorkommt (ich würde
sagen, zusammen mit niederen Beweggründen das häufigste Mordmerkmal)
und den Schwächeren - typischerweise die Frau - benachteiligt.

Wolfgang Schreiber

unread,
Mar 5, 2017, 2:44:50 PM3/5/17
to
> Nach einer hitzigen Diskussion beendet A selbige, läßt B einfach so
> stehen und läßt beim Davonstolzieren eine schwere Beleidigung fallen.
> B übermannt der Zorn, er packt das Messer und sticht den sich
> entfernenden A von hinten nieder.

Dann muß B immerhin schon hinterherlaufen. So ganz "im Affekt" ist das
dann nicht mehr.


> | War der Totschläger ohne eigene Schuld durch eine ihm oder einem
> | Angehörigen zugefügte Mißhandlung oder schwere Beleidigung von dem
> | getöteten Menschen zum Zorn gereizt und hierdurch auf der Stelle zur
> | Tat hingerissen worden [...]

Eben, "auf der Stelle". In obigem Beispiel wäre das Niederstechen des
sich bereits entfernenden A von hinten wohl nicht mehr "auf der Stelle".
Aber ich glaube wir streiten uns hier um des Kaisers Bart...


> | Wer sich in einer allgemein begreiflichen heftigen Gemütsbewegung dazu
> | hinreißen läßt, einen anderen zu töten [...]
>
> Das geht natürlich auch von hinten.

In der Tat, ja.

VG
Wolfgang


Wolfgang Schreiber

unread,
Mar 5, 2017, 4:09:54 PM3/5/17
to
> Du meinst, man kann nicht verbal streiten, und wenn der eine sich
> abwendet und geht, ihm von hinten eine überziehen? Das halte ich sogar
> für ziemlich typisch.

Schon, aber ist das dann noch "im Affekt"?

VG
Wolfgang

David Seppi

unread,
Mar 5, 2017, 4:37:32 PM3/5/17
to
Wolfgang Schreiber schrieb:
Ja. Die Rage hält ja durchaus mehr als eine Sekunde an. :-)
Wie lang der Affekt dauern kann wird in verschiedenen Ländern
unterschiedlich beantwortet, aber auch in Deutschland wäre es noch
abgedeckt, wenn Du wen umbringst, der Dich vor ein paar Sekunden schwer
beleidigt hat.

Außerdem kann Dir der Beleidigende ja schon während der Beleidigung den
Rücken zuwenden.

David Seppi

unread,
Mar 5, 2017, 4:57:35 PM3/5/17
to
Thomas Hochstein schrieb:

> Der "Vorwurf", mit einer Änderung solle die Verhängung lebenslanger
> Freiheitsstrafe zurückgedrängt werden, ist nicht ganz von der Hand zu
> weisen.

Weil die Gerichte dann sich weniger oft trauen zur Höchststrafe zu
greifen, da das dann entsprechend begründet werden müßte?

> Jein. Mit Ausnahme der Heimtücke sind eigentlich alle Mordmerkmale -
> in ihrer konkreten Ausfüllung durch die Rechtsprechung - gut zu
> handhaben und führen zu angemessenen Ergebnissen.

Ja, die Heimtücke stört mich auch noch am ehesten, vor allem wenn sie
mit Affekthandlungen kollidiert. Und weil ich den Unrechtsgehalt als
anachronistisch empfinde.

> Auch im konkreten Fall ist das Problem ja weniger das Mordmerkmal der
> gemeingefährlichen Begehungsweise als die Frage nach denm
> Tötungsvorsatz.

Natürlich - und die zwingende lebenslange Haft, selbst wenn der
Eventualvorsatz gerade noch erfüllt ist.

David Seppi

unread,
Mar 5, 2017, 5:03:05 PM3/5/17
to
Wolfgang Schreiber schrieb:
>> Nach einer hitzigen Diskussion beendet A selbige, läßt B einfach so
>> stehen und läßt beim Davonstolzieren eine schwere Beleidigung fallen.
>> B übermannt der Zorn, er packt das Messer und sticht den sich
>> entfernenden A von hinten nieder.
>
> Dann muß B immerhin schon hinterherlaufen. So ganz "im Affekt" ist das
> dann nicht mehr.

Laufen ist da nicht unbedingt nötig. Wenn A gerade erst weggeht, dann
ist er womöglich immer noch in einem Satz mit dem gerade geschnappten
Küchenmesser erreichbar.

>> | War der Totschläger ohne eigene Schuld durch eine ihm oder einem
>> | Angehörigen zugefügte Mißhandlung oder schwere Beleidigung von dem
>> | getöteten Menschen zum Zorn gereizt und hierdurch auf der Stelle zur
>> | Tat hingerissen worden [...]
>
> Eben, "auf der Stelle". In obigem Beispiel wäre das Niederstechen des
> sich bereits entfernenden A von hinten wohl nicht mehr "auf der Stelle".
> Aber ich glaube wir streiten uns hier um des Kaisers Bart...

Ok, dann nimm einen A, der dem B den Rücken zudreht, während er ihn
weiter beleidigt - oder ihm erzählt, daß er As Frau auf dem Gewissen
hat. Da sind wir uns doch einig, daß B auf der Stelle zustechen kann?

Thomas Hochstein

unread,
Mar 5, 2017, 5:15:02 PM3/5/17
to
David Seppi schrieb:

> Thomas Hochstein schrieb:
>> Der "Vorwurf", mit einer Änderung solle die Verhängung lebenslanger
>> Freiheitsstrafe zurückgedrängt werden, ist nicht ganz von der Hand zu
>> weisen.
>
> Weil die Gerichte dann sich weniger oft trauen zur Höchststrafe zu
> greifen, da das dann entsprechend begründet werden müßte?

Oder weil schlicht der Begründungsaufwand höher ist. Oder weil man die
Höchststrafe "wegdealt", offiziell oder inoffiziel..

>> Jein. Mit Ausnahme der Heimtücke sind eigentlich alle Mordmerkmale -
>> in ihrer konkreten Ausfüllung durch die Rechtsprechung - gut zu
>> handhaben und führen zu angemessenen Ergebnissen.
>
> Ja, die Heimtücke stört mich auch noch am ehesten, vor allem wenn sie
> mit Affekthandlungen kollidiert. Und weil ich den Unrechtsgehalt als
> anachronistisch empfinde.

Ack.

>> Auch im konkreten Fall ist das Problem ja weniger das Mordmerkmal der
>> gemeingefährlichen Begehungsweise als die Frage nach denm
>> Tötungsvorsatz.
>
> Natürlich - und die zwingende lebenslange Haft, selbst wenn der
> Eventualvorsatz gerade noch erfüllt ist.

Ja, auch das.

Grüße,
-thh
--
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Thomas Hochstein

unread,
Mar 5, 2017, 5:15:02 PM3/5/17
to
Wolfgang Schreiber schrieb:
Warum nicht? Gerade jemanden "stehen zu lassen" kann den Zorn zum
Überkochen bringen.

Werner Holtfreter

unread,
Mar 7, 2017, 4:32:20 PM3/7/17
to
Was spricht gegen die (mir) plausiblere umgekehrte Sichtweise?:

Die Anwendung von Gewalt (oder die Nötigung) macht das Ausleben
sexueller Lust zur Vergewaltigung (oder sexuellen Nötigung).

> und auch das Ausleben von - im weitesten Sinne - Habgier führt in
> die Nähe der Raubdelikte.

Ich sage umgekehrt:

Die Anwendung von Gewalt macht das Ausleben der Habgier
zum Raub.

> Diese Taten sind als Verbrechen mit weitaus höheren Strafen
> bedroht als die Grunddelikte.

Genau, aber nicht wegen den verbreiteten menschlichen Eigenschaften
Habgier oder Sexualtrieb sondern wegen der verwerflichen Gewalt.
--
Gruß Werner

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