On Tue, 28 Dec 2021, Rainer Freis wrote:
> Am 28.12.2021 20:30, schrieb Thomas Hochstein:
> > > Aber die Dienstleistnug Peer-Review und weite Sichtbarkeite (weil in
> > > renomiertem Magazin) zieht wohl immer noch mehr.
> >
> > Das könnte ein Hinweis darauf sein, dass die Zeitschriften eben doch
> > einen Mehrwert bieten, der mit "ich packe das auf den Repository-Server
> > meiner Institution" nicht erreichbar ist.
>
> Natürlich. Es geht um Sichtbarkeit. Heutzutage erscheinen so viele Papers, daß
> man in der Masse untergeht. Und ein Peer Review ist zumindest ein Hinweis auf
> eine (minimale) Qualitätskontrolle.
Das System stammt aus einer Zeit, in der die physische Verbreitung
(Setzen, Drucken, Lagern, Verteilen) den Hauptteil des Aufwandes außer dem
Verfassen des Textes ausmachte und gleichzeitig auch den Hauptteil des
Nutzens für den Verfasser – nicht nur die Sichtbarkeit, sondern auch die
Zugänglichkeit. Was half es, dass bekannt war, wer was geschrieben hatte,
wenn man keine Bibliothek hatte, wo man es einsehen konnte?
Heute ist das anders herum: die physische Verbreitung kann der Autor meist
selbst bewerkstelligen, und wenn er den Beitrag geschrieben und
veröffentlichungsreif überarbeitet hat – das ist die Hauptarbeit –, kann
er ihn technisch jedermann zur Verfügung stellen. Die Arbeit des Verlages
für die physische Verbreitung ist im Grunde für niemanden gut, und auch
die Bibliotheken freuen sich nicht über bedrucktes Papier, sondern nur
über die Inhalte. Die Verlage sind also hauptsächlich Lizenzverwalter der
Information.
Diese beiden Welten passen nicht zueinander. Es wird sicher bald Modelle
geben, in denen die nützliche Arbeit auch honoriert wird, also die
Verwaltung und Bewertung von Texten: ein dem Verfasser hilfreiches
Lektorat sowie der Betrieb eines sicheren Archivs von Texten und einer
*inhaltlich* verlässlichen Suchmaschine mit Peer-Review-Mechanismen
ähnlich denen, wie sie bis jetzt zur Herausgabe von bedrucktem Papier
verwendet werden.
Speziell Zeitschriften will niemand haben – ich habe selbst viele
Jahrgänge von CACM und anderem entsorgt –, Bücher dagegen schon. Da hilft
bei auflagenschwachen Büchern zunächst Book-on-Demand, und falls es
wirklich viele Leute auf Papier im Schrank stehen haben wollen, kann man
es zu vernünftigen Endpreisen auch klassisch drucken. Aber Bücher *nur*
für Bibliotheken gedruckt und deswegen (die Auflage ist klein und die
wenigen Kunden haben viel Geld) schweinisch teuer, das muss nicht sein.
--
Helmut Richter