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Großes Taz Interview mit Martin Zinkler

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Werner Fuss

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Sep 2, 2021, 12:28:08 PM9/2/21
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Nach dem Hinweis auf unser Interview mit Martin Zinkler https://www.zwangspsychiatrie.de/2021/06/interview-dr-martin-zinkler-chefarzt-in-der-bremer-psychiatrie , hat die Nord-Taz ein langes Interview mit ihm geführt und am 20.7. veröffentlicht. Wir zitieren einige besonders wichtige Stellen, empfehlen aber das ganze Interview zu lesen, auch wenn für uns ein paar Fragen noch offen sind. Auszugsweise zitieren wir:

Taz fragt: Solche Diagnosen haben weitreichende Konsequenzen. In Ihrem Aufsatz fordern Sie, dass die Polizei niemand mehr aufgrund einer Diagnose in die Psychiatrie bringen dürfte – was derzeit aber geschieht.

Zinkler antwortet: Nach der UN-Konvention darf das nicht sein, weil das eine Diskriminierung darstellt. Da wird aufgrund einer Zuschreibung ein Unterschied gemacht, der zu einer Benachteiligung führt. Jemand ohne Diagnose würde nicht eingeliefert.

Taz: Aber genau das meinte ich vorhin. Ich habe diesen Aufsatz als Paradigmenwechsel gelesen. Und einer meiner ersten Gedanken war der, den viele Laien haben werden: In der Konsequenz heißt das, dass die verrückten Straftäter in Zukunft frei herumrennen dürfen.

Zinkler: Nein, das steht dort nicht drin. Wenn sie straffällig werden, unterliegen sie den gleichen Gesetzen, unabhängig davon, ob sie psychisch krank sind.

Taz: Aber niemand könnte präventiv eingesperrt werden, weil er oder sie aufgrund ihres Geisteszustandes eine Straftat begehen könnte. Eine vermutete Fremd- und Selbstgefährdung wären dann eben kein Grund mehr, jemand in die Psychiatrie einzuweisen. Das wäre dann das Risiko, mit dem wir leben müssten.

Zinkler: Ja. Es gibt nur sehr eng gefasste Ausnahmen im Gesetz, um Menschen präventiv in Sicherheitsverwahrung zu nehmen, beim Terrorismus zum Beispiel. Aber wenn man das Diskriminierungsverbot ernst nimmt, dann müsste man sagen, so wie es das für die nicht psychisch Kranken nicht gibt, dürfte es das auch für die psychisch Kranken auch nicht geben.

Taz: Warum haben Sie eigentlich diesen Weg der Transformation nicht in Heidenheim fortgesetzt, wenn das so ein langer Prozess ist?

Zinkler: Was ich in Bremen so spannend finde, ist, dass es nicht der Psychia­trie überlassen wird. Hier reden alle mit. Die Bürgerschaft, die Behörde, die Selbstorganisationen wie die Blaue Karawane. Und es gibt eine interessierte Öffentlichkeit. Ich habe noch nie mit einer Journalistin so detailliert über Psychiatrie gesprochen wie mit Ihnen, und ich mache meinen Job seit 1992.

Das vollständige Interview ist hier veröffentlicht: https://taz.de/Zwangsbehandlung-in-der-Psychiatrie/!5787242
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Wir trauern um Igael Tumarkin https://de.wikipedia.org/wiki/Igael_Tumarkin
Er ist am 12. August 2021 im Alter von 87 Jahren in Tel Aviv verstorben. Tumarkins Arbeiten, insbesondere seine Skulpturen, sind in vielen großen Museen ausgestellt, darunter im Museum of Modern Art in New York, im Museum of Art und of Modern Art in Haifa, in der Galleria Nazionale d’Arte Moderna in Rom, im Wallraf-Richartz-Museum in Köln, im Solomon R. Guggenheim Museum in New York und in der Tate Gallery in London. Seine großformatigen Außenarbeiten befinden sich u. a. in Israel, den USA, auf der Halbinsel Sinai und in Deutschland in Nürnberg und auf dem Mittelstreifen der Bundesallee in Berlin. Im Jahr 2004 wurde ihm der Israel-Preis verliehen und viele andere mehr: https://www.dissidentart.de/LPE_erklaerung.htm

Er hatte die Chuzpe gegen ein künstlerisches Tabu zu verstoßen und 2 Kunstwerke anderer Künstler zu zerstören, um sozusagen deren "wahren Kern" freizulegen: Zwei verehrende Büsten von Prof. Karl Bonhoeffer, eine in der Charité und eine als "Säulenheiliger" in der Einfahrt der Karl-Bonhoeffer-Nervenklinik, waren 1998 geraubt worden und bei ihm in Tel Aviv wieder aufgetaucht. Igael Tumakrin transformierte sie in zwei Assemblagen, die er dem Landesverband Psychiatrie-Erfahrener Berlin Brandenburg schenkte. Dabei machte er z.B. auf der Stirn von Karl Bonhoeffer ein Hakenkreuz sichtbar.
Die Vernissage in der Volksbühne am Rosa Luxemburg Platz geriet zum Spektakel, weil der Staatsschutz die beiden Skulpturen 2001 beim ersten Anblick sofort beschlagnahmte.
Alles dokumentiert in: The Missing Link: Karl Bonhoeffer und der Weg in der medizinischen Genozid http://www.dissidentart.de/
Zu Karl Bonhoeffer ergänzend: Charité hält an der Verehrung von Karl Bonhoeffer unverändert fest: http://www.freedom-of-thought.de/may2/may2_2006.htm und das Flugblatt zum T-4 Umzug zur Charité http://www.freedom-of-thought.de/may2/aufruf_2006.htm2006

Inzwischen sind die beiden Assemblagen zwei besondere Kunstwerke im Werner-Fuß-Zentrum gegen Zwangspsychiatrie.
Ein Nachruf in der Jerusalem Post in Englisch befindet sich hier: https://www.jpost.com/breaking-news/israel-prize-winner-sculptor-tumarkin-passed-away-at-87-676539

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Dies sind Nachrichten des Werner-Fuß-Zentrums
Vorbergstr. 9a, 10823 Berlin
http://www.psychiatrie-erfahrene.de
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