Theodor Hellwald schrieb:
> Lerne sinnentnehmendes lesen!
Das wäre eine gute Idee, ja.
> (1) Wer 'unbefugt' 'aus' dem 'Gewahrsam des Berechtigten' den 'Körper'
> 'oder' 'Teile des Körpers' eines 'verstorbenen Menschen', eine 'tote
> Leibesfrucht', 'Teile einer solchen' 'oder' die 'Asche eines
> verstorbenen Menschen' 'wegnimmt' 'oder' wer 'daran' 'beschimpfenden
> Unfug' verübt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit
> Geldstrafe bestraft.
Wer also an dem Körper eines Menschen oder Teilen des Körpers
beschimpfenden Unfug verübt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei
Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.
> Wenn also wie im OP geschildert das Menschenfleisch importiert wird,
> dann befindet es sich weder an einem der in §168 genannten Orte,
Richtig. Und?
> noch
> handelt es sich um einen Eingriff in die Totenrueh gemäss §168!
Doch, natürlich tut es das; das liegt doch auf der Hand.
Oder um es etwas ausführlicher zu formulieren:
| a) Nach § 168 StGB wird u. a. derjenige bestraft, der an dem
| Körper örper oder an Teilen des Körpers eines verstorbenen
| Menschen "beschimpfenden Unfug" verübt. Der Angeklagte hat
| sein Opfer getötet, um es nach dem Todeseintritt zu
| schlachten. Das Schlachten stellt eine andere Straftat,
| nämlich eine Störung der Totenruhe (§ 168 Abs. 1 2. Alt.
| StGB), dar. Der Angeklagte wollte an dem Körper eines
| verstorbenen Menschen beschimpfenden Unfug verüben und hat
| B. zu diesem Zwecke getötet.
|
| In der Rechtsprechung und in der Literatur wird "Unfug" als
| "grobe Ungebühr" (Rechtsprechung des Reichsgerichts in
| Strafsachen Bd. 9 S. 399) oder als eine rohe Gesinnung
| zeigende, grob ungehörige Handlung definiert (RGSt 39, 155,
| 157; RGSt 42 145, 146; Hörnle in MünchKomm § 168 Rdn. 20).
| Daß das Schlachten, d. h. Ausweiden und Zerlegen, eines
| getöteten Menschen vor laufender Kamera, dessen körperliche
| Beschaffenheit dabei auch noch zumindest zum Teil
| herabsetzend kommentiert wird, eine grob ungehörige, eine
| rohe Gesinnung zeigende bzw. eine grob ungebührliche
| Handlung darstellt, bedarf keiner näheren Erläuterung.
|
| Nach dem Wortlaut des Gesetzes muß hinzukommen, daß die
| geschilderte Behandlung "beschimpfend", also höhnend oder
| herabsetzend ist. Wann dies der Fall ist, richtet sich
| danach, welches Rechtsgut durch die Vorschrift geschützt
| wird. Zutreffend werden vornehmlich zwei Rechtsgüter als von
| § 168 Abs. 1 2. Alt. StGB geschützt angesehen: das
| Pietätsgefühl der Allgemeinheit und der postmortale
| Persönlichkeitsschutz des Toten (KG Berlin NJW 1990, 782,
| 783; Czerner ZStW 115 [2003], 91, 97; Dippel in LK 11. Aufl.
| § 168 Rdn. 2; vgl. auch BGH NStZ 1981, 300). Daß die
| Vorschrift jedenfalls auch ein Rechtsgut der Allgemeinheit
| schützt und nicht etwa nur ein Individualrechtsgut, zeigt
| sich bereits an ihrer systematischen Verankerung im Kontext
| der dem Schutz des öffentlichen Friedens dienenden
| Strafnormen. Anderenfalls wäre § 168 Abs. 1 2. Alt. StGB
| eher als eine Art "tätliches" Verunglimpfen des Andenkens
| Verstorbener im Abschnitt über die Beleidigungsdelikte
| einzuordnen gewesen (vgl. Tröndle/Fischer StGB 52. Aufl. §
| 168 Rdn. 2). Dies war nicht gewollt, wie die
| Gesetzgebungsmaterialien, wonach das "religiöse Gefühl"
| (Drucksachen des Norddeutschen Reichstages, 1.
| Legislaturperiode, Nr. 5, S. 98), bzw. das Pietätsempfinden
| (E 1962, BT-Drucks. IV/650, Begr. zu § 191 S. 346) geschützt
| sein sollte, belegen.
|
| Geht es um den postmortalen Achtungsanspruch, ist
| dementsprechend ein beschimpfender Charakter gegeben, wenn
| der Täter dem Toten seine Verachtung bezeigen will und sich
| des beschimpfenden Charakters seiner Handlung bewußt ist
| (BGH NStZ 1981, 300; RGSt 39, 155, 157; RGSt 42, 145, 146;
| Entscheidungen des Reichsgerichts in Strafsachen Bd. 9 S.
| 399, 400). Geht es hingegen um das Pietätsgefühl der
| Allgemeinheit, so kommt es darauf an, ob der Täter dem
| Menschsein seine Verachtung bezeigen bzw. die Menschenwürde
| als Rechtsgut an sich mißachten will. Denn die Vorstellungen
| der Allgemeinheit hinsichtlich des Umgangs mit Toten gründen
| letztlich in dem Bewußtsein der jedem Menschen zukommenden
| und über den Tod hinauswirkenden Würde (BVerfG NJW 2001,
| 2957, 2959; BVerfGE 30, 173, 196; vgl. Tröndle/ Fischer StGB
| 52. Aufl. § 168 Rdn. 2; Hörnle in MünchKomm § 168 Rdn. 2).
|
| Die Würde des Menschen verbietet es, ihn einer Behandlung
| auszusetzen, die seine Subjektsqualität prinzipiell in Frage
| stellt. Menschenwürde in diesem Sinne ist nicht nur die
| individuelle Würde der jeweiligen Person, sondern die Würde
| des Menschen als Gattungswesen (BVerfGE 87, 209, 228). Im
| Bewußtsein der Allgemeinheit stellt aber das Schlachten
| eines Menschen vor laufender Kamera, womöglich gar, um
| Material für spätere sexuelle Handlungen zu gewinnen, eine
| menschenunwürdige Behandlung dar, die die Würde des Menschen
| als Gattungswesen mißachtet.
|
| Ob der Angeklagte hier gegenüber dem Opfer seine Verachtung
| bezeigen wollte, oder ob - wie die Kammer meint - das
| Einverständnis des Tatopfers den beschimpfenden Charakter im
| Hinblick auf seinen postmortalen Achtungsanspruch entfallen
| läßt, kann daher genauso dahinstehen, wie die Frage, ob das
| Einverständnis des Getöteten überhaupt wirksam war (vgl.
| dazu BGHSt 49, 166 ff.) und ob der Angeklagte eine
| eventuelle Unwirksamkeit erkennen konnte. Jedenfalls war das
| Einverständnis des Opfers nicht geeignet, die
| Tatbestandsmäßigkeit auch hinsichtlich des geschützten
| Rechtsguts der Allgemeinheit entfallen zu lassen, da das
| Opfer hierüber, was aber erforderlich gewesen wäre (vgl.
| BGHSt 5, 66, 68; BGH NJW 1992, 250), nicht verfügen konnte.
|
| Sind mehrere Rechtsgüter, die einen einwilligungsfähig, die
| anderen nicht, durch eine Strafnorm geschützt, so könnte ein
| Einverständnis allenfalls dann die Tatbestandsmäßigkeit bzw.
| eine Einwilligung allenfalls dann die Rechtswidrigkeit
| entfallen lassen, wenn das nichteinwilligungsfähige
| Rechtsgut so unbedeutend erscheint, daß es außer Betracht
| bleiben dürfte (BGHSt 5, 66, 68). Das ist hier aber
| hinsichtlich des Pietätsgefühls der Allgemeinheit, welches
| im Hinblick auf die systematische Einordnung der Norm sogar
| eher als vorrangig angesehen werden kann, nicht der Fall.
|
| Die Strafkammer hat sich - auf der Grundlage ihrer
| unzutreffenden rechtlichen Bewertung, daß das Einverständnis
| des Tatopfers die Verletzung seines postmortalen
| Achtungsanspruchs hindere und damit dem Handeln des
| Angeklagten insgesamt den beschimpfenden Charakter nehme -
| nicht damit auseinandergesetzt, daß der beschimpfende
| Charakter seines Handelns jedenfalls gegenüber dem weiteren
| Rechtsgut der Allgemeinheit unberührt bleibt und sich der
| Angeklagte auch dessen bewußt war. Nach den Feststellungen
| sollten das Video bzw. dessen Derivate auch anderen Personen
| zugänglich gemacht werden (UA S. 167). Es liegt auch nahe,
| daß der Angeklagte bei der Tötung wußte, daß er durch sein
| nachfolgendes Handeln das Pietätsgefühl der Allgemeinheit
| verletzen würde. Er ging ausweislich der Urteilsgründe (UA
| S. 210) selbst davon aus, daß das Schlachten und Verzehren
| von Menschenfleisch gegen ein gesellschaftliches Tabu
| verstößt. Danach war er sich der für den Unrechtsvorwurf
| relevanten Umstände bewußt und hat sich über die von ihm
| erkannten Grenzen bewußt hinweggesetzt. Seine für sich
| selbst möglicherweise vorgenommene anderweitige Bewertung
| stellt demgegenüber nur einen unbeachtlichen
| Subsumtionsirrtum dar.
|
| Schon deshalb hat das Landgericht das Mordmerkmal der
| Tötung, um eine andere Straftat zu ermöglichen,
| rechtsfehlerhaft verneint.
(BGH, Urteil vom 22.04.2005 - 2 StR 310/04 - "Kannibale v. Rotenburg")
| (2) Eine unverhältnismäßige Überdehnung des Mordtatbestands
| ist auch insoweit nicht zu erkennen, als die Strafgerichte
| davon ausgegangen sind, der Beschwerdeführer habe sich durch
| das Ausweiden und Zerlegen des von ihm getöteten Opfers
| einer Störung der Totenruhe (§ 168 StGB) schuldig gemacht
| und insoweit auch zur Ermöglichung einer Straftat getötet.
| Soweit der Beschwerdeführer beanstandet, es sei zu Unrecht
| angenommen worden, er habe beschimpfenden Unfug an der
| Leiche seines Opfers verübt, betrifft dies zunächst nur die
| Auslegung und Anwendung des Straftatbestands Störung der
| Totenruhe.
|
| Das - nach den Feststellungen des Landgerichts Frankfurt am
| Main auch von abfälligen Kommentaren begleitete - Ausweiden
| und Zerlegen eines menschlichen Leichnams in einzelne
| Fleischportionen zum Verzehr kann ohne Überdehnung des
| Wortlauts und in vertretbarer Weise als beschimpfender Unfug
| angesehen werden; ob eine andere Normauslegung näher liegt,
| hat das Bundesverfassungsgericht nicht zu entscheiden. Die
| Frage, ob das Einverständnis des Opfers
| tatbestandsausschließenden oder rechtfertigenden Charakter
| haben kann, haben die Strafgerichte zutreffend als eine
| Frage des Schutzguts der Strafnorm angesehen, und auch hier
| ist die Annahme, geschützt sei auch das Pietätsinteresse der
| Allgemeinheit, so dass der Einzelne nicht dispositionsbefugt
| sei, verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden.
(BVerfG, Beschluss vom 07.10.2008 - 2 BvR 578/07 -)
> Gehen wir weiter:
> Jemand will gegessen werden und meuchelt sich darselbst, um den der ihn
> verspeisen soll nicht dem Strafgesetz auszusetzen, selbst dahin.
> Nach vorheriger Absprache wird der Körper also verwertet.
Die Einwilligung des Verstorbenen wirkt weder tatbestandsausschließend
noch rechtswidrig, weil die Vorschrift auch das Pietätsempfinden der
Allgemeinheit schützt.
> Der Körper befand sich nie an einem der durch § 168 geschützten Orte und
> was bitteschön sollte am Verzehr von Menschenfleisch beschimpfenden
> Unfug darstellen? Im Gegenteil, wenn es uns auch völlig krude und
> pervers erscheinen mag, kann es im Glauben des Verzehrenden eine ehrende
> Handlung sein. Analog z.B. zu Kannibalenbräuchen auf Papua o.ä. MfG theo
Wir müssen also, wie so oft, festhalten:
Du hast völlig Recht, allein, es nützt Dir nichts, weil
Bundesgerichtshof und Bundesverfassungsgericht sich im Irrtum befinden
und deren Auffassung aus unverständlichen Gründen größere Wirkung
entfaltet als die Deinige.
Grüße,
-thh
--
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