Stefan Schmitz schrieb:
> Am 05.02.2024 um 02:02 schrieb Stephan Gerlach:
>
>> Wie ist das dann mit der sogenannten Friedenspflicht, d.h. quasi die
>> "Regel", daß Streiks während einer bestimmten Zeit unzulässig sind?
>>
>> Muß diese Friedenspflicht in Tarifverträgen extra "reingeschrieben"
>> werden, oder gilt die (zumindest wenn nur 1 Tarifvertrag gleichzeitig
>> abgeschlossen ist) "automatisch" für die Dauer der Laufzeit?
>
> Automatisch gilt eine relative Friedenspflicht. Es darf nicht für eine
> Änderung dessen gestreikt werden, was im Tarifvertrag geregelt ist.
Aber für alles andere schon?!
Nach dieser Logik wäre es z.B. auch bei nur einem einzigen(!)
Tarifvertrag "erlaubt", für etwas zu streiken, was aktuell nicht in
diesem (einen) Tarifvertrag geregelt ist.
Bsp.: Im Tarifvertrag ist bisher das Thema "Jobticket" gar nicht
geregelt; dann dürften die Arbeitnehmer (bzw. eine Gewerkschaft) einen
Streik ausrufen mit der Begründung "wir streiken für ein Jobticket".
>> Angenommen, bei einem bestimmten Arbeitgeber gelten für besimmte
>> Arbeitnehmer 2 Tarifverträge:
>>
>> Tarifvertrag 1 vom 1.1.2021 bis 31.12.2022
>> Tarifvertrag 2 vom 1.1.2022 bis 31.12.2023
>>
>> Was klar(?) sein dürfte, ist, daß vom 1.1.2022 bis 31.12.2022 eine
>> Friedenspflicht gilt, da dann beide Tarifverträge "wirksam" sind.
>> Was ist aber in der Zeit vom 1.1.2023 bis 31.12.2023?
>> Für Tarifvertrag 2 würde noch die Friedenspflicht gelten (da dieser
>> Vertrag noch läuft); Tarifvertrag 1 wäre aber schon abgelaufen, und
>> dieser Fakt allein würde zu Streiks berechtigen.
>>
>> Also einerseits dürfte *nicht* gestreikt werden (weil Tarifvertrag 2
>> dies "verbietet"); andererseits aber *doch* (weil die Friedenspflicht
>> laut Tarifvertrag 1 abgelaufen ist).
>>
>> Ein Widerspruch?!
>
> Nein. Es darf für solche Anliegen gestreikt werden, die nicht in
> Tarifvertrag 2 geregelt sind.
Demnach wären aus Sicht des Arbeitgebers tendenziell weniger
gleichzeitig laufende Tarifverträge sinnvoll, da die Gefahr eines
Streiks, weil gerade einer der (zahlreichen) Tarifverträge ausläuft,
verringert wird.
Umgekehrt sind aus Sicht der Arbeitnehmer viele gleichzeitig laufende
Tarifverträge sinnvoll, da dies (generell) häufiger die Möglichkeit zum
Streik gibt.
Man kann ja (offiziell) sagen
"wir streiken für Punkt A aus Tarifvertrag 1",
aber zumindest nebenbei erwähnen
"übrigens, Punkt B aus Tarifvertrag 2 ist auch nicht optimal geregelt".