DER AUTOR
Faris Glubb (der auch unter dem Namen Faris Yahya schreibt)
ist ein britischer Schriftsteller und Historiker. Er wurde
1939 in Jerusalem geboren und verbrachte den größten Teil
seiner frühen Jahre in Jordanien. Seit 1970 lebt er im
Libanon.
Faris Glubb ist ebenfalls der Autor zweier anderer Bücher:
Die Palästina-Frage und Internationales Recht (1970 vom PLO
Research Centre publiziert) und Zionismus = Rassismus? (1975
veröffentlicht.
c, Januar 1978
Palestine Research Centre
Beirut/Libanon
Palestine Essays No. 47
Bearbeitung und Übersetzung:
Palästinensischer Studentenverein
In der BRD und West-Berlin
INHALTSVERZEICHNIS
Einleitung............................................... 5
Kapitel 1 Die frühe zionistische Haltung
zum Anti Semitismus........................... 7
Kapitel 2 Die gemeinsame Basis zwischen Zionismus
und Nazismus.................................. 11
Kapitel 3 Die Ha´avara Vereinbarungen................... 17
Kapitel 4 Das Emigrations-Abkommen von 1938............. 25
Kapitel 5 Die Ghetto-Aufstände.......................... 35
Kapitel 6 Zionistische Politik gegen
Massenvernichtung............................. 49
Kapitel 7 Kastner und die ungarischen Juden............. 55
Kapitel 8 Die Verheimlichung von Beweisen............... 63
Kapitel 9 Die Irgun und der Nazismus.................... 71
Kapitel 10 Einschätzung der zionistischen Politik
gegenüber dem Nazismus........................ 75
ANHANG................................................... 81
Literaturverzeichnis..................................... 94
EINLEITUNG
Obwohl viele Bücher über die barbarische Behandlung der europäischen
Juden durch Nazideutschland erschienen sind, ist ein wichtiger Aspekt
dieser Frage in der Öffentlichkeit weitgehend unbekannt: die Beziehung
zwischen der zionistischen Bewegung und Nazideutschland. Informationen
über dieses Thema sind zugänglich, doch bisher nicht in einer einzigen
umfassenden Studie zusammengetragen worden. Diese Untersuchung soll
diese Lücke zumindest teilweise schließen.
Wegen der heiklen Natur dieses Gegenstandes und der zionistischen
Tendenz, jeden nicht-zionistischen oder anti-zionistischen Standpunkt
als "anti-semitisch" zu denunzieren, ist alles Material in dieser
Studie ausschließlich jüdischen Quellen entnommen. Die zitierten
Autoren vertreten ein breites Spektrum von Ansichten, von extrem
zionistischen bis hin zu antizionistischen mit allen möglichen Ab-
stufungen dazwischen. Der Leser wird sich so eine genaue, objektive
Meinung auf der Grundlage von Beweismaterial bilden können, das von
führenden jüdischen Historikern vorgelegt worden ist.
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I DIE FRÜHE ZIONISTISCHE HALTUNG ZUM ANTISEMITISMUS
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Die zentrale These des Zionismus lautet, daß die Juden eine "Nation"
gesondert von allen anderen Nationen darstellen, und daß sie von
allen Teilen der Welt nach Palästina "geführt" werden müßten, um
dort ihren eigenen Nationalstaat zu bilden. Das europäische Phänomen,
das unter dem Namen "Antisemitismus" bekannt ist, besagt, daß die
Juden ein unassimilierbares, fremdes Element in der europäischen
Gesellschaft sind, das aus Europa entfernt werden sollte.
Der Gründer des politischen Zionismus, Theodor Herzl, war sich der
gemeinsamen philosophischen Grundlage des Zionismus und Antisemi-
tismus bewußt. Er schrieb: "Die Regierungen aller von Antisemitismus
geschlagenen Länder werden lebhaft daran interessiert sein, uns
bei der Erlangung der Souveränität, die wir wünschen, behilflich zu
sein." [1]
Herzl versicherte häufig in aller Unschuld, daß die Antisemiten die
besten Freunde der Juden und die antisemitischen Regierungen ihre
besten Verbündeten sein würden. Doch dieses Vertrauen auf Antisemiten
drückte auch sehr beredt, ja erschütternd aus, wie nahe seine eigene
Geistesauffassung der seiner feindseligen Umgebung war und wie eng er
mit dieser "fremden" Welt verbunden war...
"Der Antisemitismus besaß eine überwältigende Kraft, die die Juden
entweder nutzen können oder von der sie verschlungen werden würden."
In seinen eigenen Worten war der Antisemitismus "die treibende
Kraft", die für alles jüdische Leiden seit der Tempelzerstörung
verantwortlich war, und sie würde die Juden weiter leiden machen,
bis sie lernten, wie sie sie zu ihrem eigenen Vorteil nutzen
könnten. In den richtigen Händen würde diese "treibende Kraft sich
als der heilende Faktor des jüdischen Lebens erweisen; sie würde
in der gleichen Weise genutzt werden wie kochendes Wasser zur
Erzeugung von Dampfkraft." [2]
Herzl handelte nach seinen Worten. Die Methoden, die er bei seinen
diplomatischen Bemühungen zur Förderung der zionistischen Sache
anwendete, standen im Einklang mit den von ihm verkündeten Prinzipien.
Das kommt klar in seinen Annäherungsversuchen an das zaristische
Rußland zum Ausdruck, das die fanatischste und grausamste Politik
der Judenmassakrierung, Vertreibung und Diskriminierung verfolgte.
Obwohl Herzl niemals seinen Traum verwirklichte, eine Audienz beim
Zaren zu bekommen, führte er Gespräche mit dem zaristischen Innen-
minister Wenzel von Plehve, der für die Durchsetzung antijüdischer
Maßnahmen verantwortlich war und antijüdische Massaker wie das
Kishnev-Pogrom organisierte, in dem 45 Juden getötet wurden. Plehve
war "brutal genug zuzugeben, daß er nichts dagegen hatte, so viel
wie möglich Juden loszuwerden;"; in der Tat sollte er zu einem
"Sympathisanten" des Zionismus werden. Herzl schlug dann vor, daß
Plehve ihm einen Brief schreiben sollte, den er dem zionistischen
Kongreß vorlegen würde, des Inhalts, daß die zionistische Bewegung
auf die "moralische und materielle Unterstützung" der russischen
Regierung zählen könne. Plehves Brief wurde Herzls wertvollstes
Besitztum. Er trug ihn immer bei sich; er zeigte ihn dem Papst. Der
Mörder seines Volkes hatte ihm die Hand gegeben, sich höflich mit
ihm unterhalten. War das nicht wunderbar? Für Plehve, für den Kaiser,
für alle Schurken und Reaktionäre, die Europa regierten, hatte Herzl
ein Standardversprechen: "der Zionismus würde alle revolutionären
und sozialistischen Elemente unter den Juden auslöschen." [3]
Im Jahre 19O3 wurde der Gründer der zionistischen Bewegung in St.
Petersburg von einem anderen antisemitischen Führer, dem Finanz-
minister des Zaren, Graf Witte, empfangen, der ebenfalls den
zionistischen Plan favorisierte, die Juden aus Europa zu entfernen.
Witte sagte zu Herzl: "Wenn es möglich wäre, sechs oder sieben
Millionen Juden im Schwarzen Meer zu ertränken, würde ich es
liebend gerne tun, doch das ist nicht möglich, deshalb müssen wir
sie am Leben lassen. Doch wir ermutigen die Juden zur Emigration:
wir werfen sie hinaus." [4]
Die wichtigsten Grundlagen für die künftigen Erfolge des Zionismus
legte Herzl bei antisemitischen Kreisen in Großbritannien. Eine
erhebliche Anzahl von russisch-jüdischen Flüchtlingen aus zaristischen
Pogromen zogen Großbritannien als Zufluchtsort Palästina vor und
enttäuschten damit zionistische Hoffnungen. Doch die Zionisten
entdeckten, daß eine Anzahl von extrem rechts gerichteten Politikern
in Großbritannien nur allzu bereit waren, eine bösartige Kampagne
zu lancieren, die diesen unglücklichen Flüchtlingen das Asylrecht
verweigerte.
Herzl gab diesen Rechtsradikalen seinen Segen und seine Unterstützung,
In seiner Aussage vor der Royal Commission on Allen Immigration, die
diese Frage in den Jahren 1902 und 1903 untersuchte, forderte Herzl,
daß der Strom der Einwanderer von Großbritannien abgelenkt würde. Er
schloß sich damit dem Rassisten Arnold White an, einem der führenden
Theoretiker der Kampagne zur Verbannung der Juden aus Großbritannien.
[5]
Ein anderer Führer dieser Kampagne, mit dem Herzl freundschaftliche
Beziehungen unterhielt, war der Kolonialminister Joseph Chamberlain.
In einer Rede in Limehouse, London, im Dezember 1904 attackierte
Chamberlain die Politik, die die jüdische Einwanderung nach Groß-
britannien zuließ; gleichzeitig unterstützte er die zionistische
Idee eines Judenstaates und sprach in hohen Tönen von Herzl. [6]
Der wichtigste britische Antisemit dieser Zeit im Hinblick auf seine
Dienste für den Zionismus war der fanatische Judenhasser Lord Arthur
Balfour. In einer Parlamentsdebatte über die Einwanderungsfrage
hielt Balfour eine Rede, in der er eine sattsam bekannte antise-
mitische Linie vertrat. Er erklärte: "Es würde der Kultur dieses
Landes nicht zum Vorteil gereichen, wenn eine ungeheure Anzahl von
Leuten, durch ihr eigenes Zutun ein Volk für sich bliebe, und nicht
nur eine andere Religion als die meisten ihrer Landsleute hätten,
sondern auch noch untereinander heirateten." [7]
Herzl konnte mit Genugtuung feststellen, daß "der Antisemitismus
wie ich gewachsen ist und weiterhin wächst." [8]
Doch die Früchte seiner Diplomatie reiften nicht zu seinen Lebzeiten.
Zehn Jahre nach seinem Tode sollte der Erste Weltkrieg einen Wende-
punkt in den Geschicken des Zionismus markieren, als die westlichen
Alliierten die Teilung des Ottomanischen Reiches planten, das auf der
Seite Deutschlands kämpfte. Palästina war damals unter ottomanischer
Oberhoheit.
Während der ersten beiden Kriegsjahre setzten die Zionisten mit
ihrer Politik auf beide Seiten. Das Hauptquartier der zionistischen
Weltorganisation war damals noch in Berlin, und die dortigen Führer
bemühten sich um eine Allianz mit Deutschland. Gleichzeitig arbeitete
Chaim Weizmann, der damalige Führer der British Zionist Federation,
auf ein entsprechendes Bündnis mit der britischen Regierung hin.
Weizmann führte eine scharfe, energische Kampagne, bei der er um die
Unterstützung reaktionärer Politiker wie Balfour, Lord Robert Cecil
und des Premierministers Lloyd George warb.
Außer dem Argument, daß der Zionismus ein bequemes Mittel war,
Europa von den Juden zu befreien, bediente sich Weizmann auch
des imperialistischen Arguments, daß ein "jüdisches Palästina
ein Sicherheitsfaktor für England sein würde, vor allem im
Hinblick auf den Suez-Kanal." [9]
Das Ergebnis dieser diplomatischen Bemühungen war die Balfour-
Erklärung vom 2. November 1917. Diese erste Charta für eine
zionistische "Heimatstätte" war also durch eine Kombination der
imperialistischen Bestrebungen und antisemitischen Vorurteilen
von rechtsradikalen Politikern zustandegekommen, die sie heraus-
gaben. Es ist interessant, daß der stärkste Widerstand in der
britischen Regierung von deren einzigem jüdischen Mitglied kam,
Sir Edwin Montagu, der die antisemitischen Motive hinter der
Politik von Balfour und Lloyd George klar erkannte. Montagu
schrieb; "Ich erkläre, daß es keine Jüdische Nation gibt ...
Wenn den Juden erzählt wird, daß Palästina ihr Heimatland ist,
wird jedes Land sofort seine Jüdischen Bürger los werden wollen
und in Palästina wird es eine Bevölkerung geben, die dessen
jetzige Bewohner hinaustreibt und sich alles Gute in dem Land
aneignet." [10]
Montagus Voraussagen waren nur zu genau. In den Jahren nach der
Balfour-Deklaration war der Aufstieg eines bösartigen Antisemitismus
in Europa zu beobachten, der in Hitlers Massenvernichtung kulmi-
nierte. Darauf wiederum folgte die Enteignung des palästinensischen
Volkes. Wie sich zeigen wird, hingen diese beiden Ereignisse eng
miteinander zusammen.
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II DIE GEMEINSAME GRUNDLAGE VON ZIONISMUS UND NAZISMUS
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Hitlers Machtergreifung in Deutschland am 30. Januar 1933 bedeutete,
daß der Antisemitismus die offizielle Politik der deutschen Regierung
wurde. Dieses Ereignis wurde von einer Verschärfung der für den
Nazismus charakteristischen Politik des Judenhasses begleitet.
"Im Januar 1933 wurden die Naziführer, die von denkenden Menschen
lange als eine Bande van Ignoranten und perversen Demagogen angesehen
worden waren, plötzlich die respektablen Oberhäupter einer großen
Regierung. Jedoch hatte sich lediglich ihr Status verändert; ihr
Wesen und ihre Methoden blieben unverändert und die Juden Deutschlands
hatten die Folgen der demagogischen Haßkampagne zu ertragen, die
lange gegen sie geführt worden war." [11]
Nachdem der ganze Regierungsapparat in ihren Händen war, waren
die Nazis in der Lage, eine Herrschaft des Terrors auszuüben. Ein
jüdischer Zeuge schreibt:
"Ich mußte mir die Rufe 'Juda verrecke' von den organisierten
Banden von Demonstranten anhören, die an meinem Haus vorbei-
marschierten. Es gab tägliche Übergriffe auf Leute und Entführungen,
die schrecklichsten Mißhandlungen einer großen Anzahl von Leuten
aus meiner Bekanntschaft, deren demokratische oder sozialistische
Anschauung bekannt war, oder einfach weil sie Juden waren ... Als
ich Berlin vor einigen Tagen verließ, hatte ich das Gefühl, daß ich
unter den Bedingungen eines anhaltenden Pogroms lebte, das schlimmer
war als jene in Rußland, denn dort begann und endete das Pogrom
innerhalb einer bestimmten Zeit. Sie werden heute vermutlich auch
von dem schrecklichen Pogrom in Königsberg gehört haben...
Die Verwandten der Juden, die überfallen und verwundet worden waren,
wagten nicht einmal, die armen Opfer ins Krankenhaus in Königsberg
zu bringen, sondern mußten sie nach Berlin transportieren, und viele
starben auf dem Transport an Ihren Verletzungen." [12]
Organisierte Gewaltverbrechen waren von administrativen Maßnahmen
begleitet, die die Juden von dem Rest der deutschen Gesellschaft
rassisch trennen sollten:
"Am 8. April wurde das neue Beamtengesetz vom Kabinett verabschiedet
und von Dr. Frick, dem Reichsinnenminister, verkündet. Es verbannte
alle Nicht-Arier (außer denen, die im Weltkrieg an der Front gekämpft
oder einen Vater oder Sohn verloren hatten) aus jeder Stellung im
Reichs-, Landes- oder kommunalen Dienst... (12. April) Jüdische
Studenten durften nicht Mitglieder der Studentenvertretung sein. Am
gleichen Tage schloß die Regierung jüdische politische Redakteure
von ihren Pressekonferenzen aus ... Am 20. März kündigte das
offizielle Büro der Anwaltskammer an, daß die Kanzleien aller
Staatsanwälte in Deutschland gesäubert und jüdische Richter von
Straf- und Zivilgerichten entfernt werden würden. Doch bis zum 31.
März hatten sie ihre Meinung geändert und alle jüdischen Anwälte
und Richter wurden entlassen.
Am 31. März reichte der Preußische Landtag beim Erziehungsminister
eine Petition ein, die die Entlassung aller jüdischen Lehrer und
die zahlenmäßige Beschränkung jüdischer Studenten verlangte......
(In München) ging der Oberschulrat noch weiter und kündigte an, daß
im nächsten Schuljahr keine jüdischen Kinder bei christlichen Schulen
zugelassen werden würden noch jüdische Schulärzte christliche Kinder
behandeln dürften." [13]
Die verheerende Wirkung dieser Diskriminierungen kam in der folgenden
Depesche der Jewish Telegraphic Agency zum Ausdruck:
"Jüdische Brotschlangen in Deutschland haben sich über Nacht ver-
doppelt, die Anzahl der Bedürftigen ist innerhalb von weniger als
einer Woche von dreißig- auf achtzigtausend angeschnellt ... Die
meisten von ihnen sind ruinierte Mittelständler, Ladenbesitzer,
Angestellte und Freiberufliche, die ihren Lebensunterhalt durch
die antisemitischen Maßnahmen gezwungen waren aufzugeben." [14]
Die Bösartigkeit des Nazismus war damit vom Moment seiner Machter-
greifung manifest. Was war der Sinn dieser Maßnahmen? Einem führenden
Juristen zufolge war "die unvermeidliche Folge der gesetzlichen
Entlassungs- und Ausschließungskampagne und der Gewalt und Aus-
schreitungen unter dem Deckmantel der Vogelfreiheit von Juden und
Liberalen der große Exodus der Juden, Nicht-Arier und Liberalen aus
Deutschland." [15]
Wie reagierte der Zionismus auf die grausamen Maßnahmen der Nazis?
Letzten Endes glaubt auch die zionistische Bewegung, daß Juden nicht
Teil einer heidnischen Gesellschaft sein sollten. Diese Tatsache
erklärt, warum der Aufstieg des Nazismus eine erhebliche Verstärkung
des Zionismus unter deutschen Juden zur Folge hatte. Es erklärt
auch, warum ein überzeugter Nazi wie Adolf Eichmann in gutem Einver-
nehmen mit Zionisten stand, und sich selbst sogar als prozionistisch
bezeichnen konnte, während er der Nazi-Ideologie verschrieben blieb.
Eichmann war keineswegs "der einzige, der diesen 'Pro-Zionismus'
ernst nahm"; die deutschen Juden selbst dachten, es würde reichen,
"Assimilation" durch einen neuen Prozeß der "Dissimilation" zu
ersetzen, und strömten in die Reihen der zionistischen Bewegung.
(Es gibt keine verläßlichen Statistiken für diese Entwicklung,
doch wird geschätzt, daß die Auflage der zionistischen Wochenzeitung
DIE JÜDISCHE RUNDSCHAU in den ersten Monaten des Hitlerregimes von
etwa 5-7000 auf fast 40.000 stieg und es ist bekannt, daß die zio-
nistischen Finanzierungsorganisationen in den Jahren 1935-36 von
einer stark reduzierten und verarmten Bevölkerung dreimal soviel
Geld wie in den Jahren 1931/32 empfingen).
Das hieß nicht unbedingt, daß die Juden nach Palästina auswandern
wollten; es war mehr eine Frage des Stolzes: "Trag den gelben Stern
mit Stolz", der populärste Slogan dieser Jahre, geprägt von Robert
Welsch, dem Chefredakteur der JÜDISCHEN RUNDSCHAU, drückte die
allgemeine emotionale Haltung aus. Der polemische Punkt des Slogans,
der als Antwort auf den Boykott-Tag am 1. April 1933 formuliert
worden war - mehr als sechs Jahre, bevor die Nazis die Juden tat-
sächlich zum Tragen eines Abzeichens zwangen, einen sechszackigen
Stern auf weißem Grund - richtete sich gegen die "Assimiliationisten"
und alle Leute, die sich weigerten, sich mit den neuen 'revoluti-
onären` Konzepten anzufreunden, gegen jene, "die immer hinter ihrer
Zeit her sind." [15]
Der Zionismus profitierte zweifellos von der Tatsache, daß der
Aufstieg Hitlers zu der Zerschlagung seiner stärksten Rivalen um
die ideologische Führung unter den deutschen Juden führte. "In
jenen Tagen gehörte es zum Alltag, daß nur Zionisten irgendeine
Chance zu Verhandlungen mit den deutschen Behörden hatten, aus
dem einfachen Grunde, daß ihr jüdischer Hauptwidersacher, die
Zentralvereinigung deutscher Staatsbürger jüdischen Glaubens, der
damals 95% der deutschen Juden angehörten, in ihrer Satzung fest-
legte, daß ihre Hauptaufgabe der 'Kampf gegen den Anti-Semitismus'
sei; plötzlich war sie qua Definition eine 'staatsfeindliche'
Organisation geworden ... [16] ... Während der ersten Jahre
erschien Hitlers Machtergreifung den Zionisten vor allem als 'die
entscheidende Niederlage für den Assimilationismus'. Daher konnten
die Zionisten zumindest eine Zeitlang eine gewisse nicht-kriminelle
Kooperation mit den Nazi-Behörden eingehen; die Zionisten glaubten
auch, daß die 'Dissimilation' zusammen mit der Emigration nach
Palästina von jüdischen Jugendlichen und, wie sie hofften, Kapita-
listen, 'eine für beide Seiten faire Lösung' sein könnte. Gleich-
zeitig waren viele deutsche Beamte dieser Ansicht." [17]
Diese "nicht-kriminelle" Kooperation zwischen Nazismus und Zionismus
in den frühen Jahren sollte sich in der Tat als ein schwacher Beginn
erweisen, der einer weit breiteren und ernsthafteren Kooperation
die Tür öffnen sollte, die mit der Entwicklung der Nazi-Politik
immer weniger "nicht-kriminell" war. Noch bevor Hitler Kanzler wurde,
hatten die gemeinsamen Interessen zwischen Zionismus und Nazismus
das Prinzip der Dissimilation deutscher Juden längst ausgeweitet und
hatten zu der Unterstützung eines zentralen Punktes des zionistischen
Programms durch die Nazis geführt: die Auswanderung von Juden nach
Palästina. Deshalb marschierten bereits am 20. Juni 1932 "dreihundert
Nazis durch die Straßen von Breslau und terrorisierten jüdische
Passanten mit dem Ruf 'Laßt die Juden nach Palästina gehen'". [18]
Diese Politik der Aufforderung an die Juden, nach Palästina zu gehen,
hatte Hitlers höchstpersönlichen Segen. Obwohl er früher, als er
"Mein Kampf" verfaßte, nicht glaubte, daß die Zionisten wirklich
vorhatten` einen Staat zu gründen, änderte er seine Meinung von ihnen
nach seiner Machtergreifung und nahm sie ernster.
"Es waren die Zionisten, die sich bereiterklärten 'Deutschland von
seinen Juden zu befreien'. Und da dieses Ziel vorrangig war, mußte
Hitler, mit seinem wohlbekannten Pragmatismus einen Kompromiß mit
seinen eigenen Doktrinen eingehen.
Die Ziele, so sollte in der Wilhelmstraße beschlossen werden, die
diese Kategorie (von Juden, die gegen Assimilation und für eine
Neuorganisation ihrer Religionsgenossen in einer nationalen Heim-
stätte waren) sich selbst gesetzt hatte, in deren vorderster Reihe
die Zionisten standen, sind diejenigen, die die deutsche Politik
im Hinblick auf die Juden wirklich verfolgt.
Die einzigen Juden, mit denen letztlich die verschiedenen Organe
des Dritten Reiches, vor allem das Außenministerium und das
Wirtschaftsministerium, wirklich zusammenarbeiten sollten, waren
in der Tat die zionistischen und palästinensischen Juden." [19]
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III DIE HA´AVARA - ABKOMMEN
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"Juden, die nach Palästina emigrierten, wurde durch das sogenannte
Ha´avara-Abkommen eine besondere Möglichkeit eingeräumt, ihr Kapital
zu transferieren. Dieses Abkommen wurde zwischen dem Deutschen
Reich und der Jewish Agency for Palestine geschlossen. Formal war
es ein modifiziertes Transferabkommen. Seinen Bestimmungen zufolge
war einem jüdischen 'Kapitalisten', der nach Palästina emigrieren
wollte, gestattet, mit einem deutschen Exporteur einen Vertrag über
den Transfer von Gütern von Deutschland nach Palästina zu schließen.
Der deutsche Exporteur wurde aus Geldern bezahlt, die von dem
gesperrten Konto des emigrierenden Juden abgebucht wurden. Der
Emigrant empfing seine palästinensische Währung durch die Jewish
Agency bei seiner Ankunft in Palästina.
Die Jewish Agency und die Außenhändler waren mit diesem Abkommen
ebenso zufrieden wie die Emigranten selber. Deutsche Waren strömten
nach Palästina und, nach einer Welle, wurde das Ha'varaTransfer-
abkommen durch ein Handelsabkommen ergänzt, das den Austausch von
palästinensischen Orangen, Packpapier, Autos, Pumpen, landwirt-
schaftlichen Maschinen usw. vorsah. Es schien, als ob die Wirt-
schaftsbeziehungen zwischen Nazideutschland und der jüdischen
Gemeinde in Palästina ausgezeichnet wären." [20]
Die wahrscheinlich gründlichste Untersuchung über das Ha´avara
Abkommen stammt wahrscheinlich von Elihu Ben Elissar. Der promovierte
Politologe und ehemalige hohe Beamte im israelischen Präsidialamt
sowie ein führendes Mitglied des Likud ist hervorragend qualifiziert,
über dieses Thema zu schreiben. Er entdeckte, daß Sam Cohen, Direktor
der Ha´nota-Company, im April 1933 als erster an die deutsche
Regierung herantrat. Er unterzeichnete ein Abkommen, das eine Million
Mark, später drei Millionen Mark wert war.
"Die Mitglieder der zionistischen Weltorganisation, die für Deutsch-
land zuständig waren und prinzipiell durchaus nichts gegen ein
solches Abkommen hatten, waren nicht begeistert, daß es mit einer
Firma abgeschlossen worden war, die in der Tat privat war und
einen begrenzten Spielraum hatte. Sie bezweifelten, daß die Ha`nota
genügend finanzielle Mittel hätte, um in diesem besonderen Fall
den guten Verlauf einer Operation zu gewährleisten, deren politische
Bedeutung ihre rein kommerzielle weit überstieg.
Werner Senator, von der Zionistischen Vereinigung für Deutschland und
George Landauer von der Jewish Agency nahmen deswegen Verhandlungen
mit dem Außen- und dem Wirtschaftsministerium auf... Die Deutschen,
die allen Anzeichen nach an einer schnellen Lösung interessiert
waren, beriefen eine Konferenz mit der Beteiligung aller betroffenen
Juden ein. Die Konferenz wurde am 7. August in den Räumen des
Wirtschaftsministeriums eröffnet. Auf jüdischer Seite waren vertreten:
Cohen und Machnes für die Ha`nota, Delegierte der Zionistischen
Vereinigung für Deutschland und zwei Persönlichkeiten, die eigens
zu diesem Zweck aus Palästina gekommen waren: Hoofien, Direktor der
Anglo-Palestine Bank, deren Interessen eng mit denen der zionistischen
Organisation verknüpft waren, und Ruppin, Soziologe und Spezialist
für Fragen der jüdischen Kolonisation in Palästina.
Die Bestimmungen des Abkommens, das die Konferenz verabschiedete,
waren folgende: Sam Cohen war bereit, alle Vereinbarungen vor dem
7. August für nichtig zu erklären. Eine Treuhandgesellschaft unter
der Leitung von Hoofien und unter der Aufsicht der Anglo-Palestine
Bank würde geschaffen werden. Ihre Funktion würde die Wahrnehmung
jüdischer Interessen und Verhandlungen mit deutschen Exporteuren
und Industriellen sein. Der Gesamtumfang der Transaktionen bliebe
bei 3 Millionen Reichsmark, mit der Möglichkeit zu Verlängerung...
Das Abkommen und seine Gesamtoperationen wurden unter dem Namen
Ha´avara bekannt - ein hebräisches Wort, das Transfer bedeutet -
und das auch der soziale Grund für die Treuhandgesellschaft sein
sollte (Ha´avara Trust and Transfer Office), dessen Hauptsitz
in Palästina war. Die Gesellschaft, die eigens für die Berliner
Vertretung gegründet werden sollte, sollte PalTreu heißen...
Am 21. August 1933 wurde der 18. Zionistenkongreß, der erste nach
Hitlers Machtergreifung, in Prag eröffnet. Die Lage der Juden in
Deutschland war natürlich das Hauptthema der Diskussion. Hoofien
und Ruppin waren direkt von Berlin nach Prag gereist. Eine große
Zahl von Delegierten warfen den beiden Hauptunterhändlern Hoofien
und Cohen vor, mit dem Teufel gemeinsame Sache gemacht zu haben
und durch das Ha´avara-Abkommen den Kampf der Juden gegen diese
rassistische Politik des Reiches unterminiert zu haben. Es kam zu
einer hitzigen Debatte. Doch ein Antrag, demzufolge die effektive
Beteiligung der Organisation an den Bemühungen Deutschland zu
boykottieren vorgeschlagen wurde, wurde nicht angenommen." [21]
Die Bemühungen antinazistischer jüdischer Kreise einen Boykott
Nazideutschlands zu organisieren, entstanden als Gegenmaßnahme
zu dem Boykott der Nazibehörden vom 1. April 1933. Das war "ein
allgemeiner Boykott ... aller jüdischen Handelsunternehmen und
aller jüdischen Ärzte, Anwälte und anderer freiberuflich Tätigen.
Von diesem Tag an gab es für die nächsten 6 1/2 Jahre eine Folge
von Gesetzen der zunehmenden Unmenschlichkeit, bis der Kriegsaus-
bruch eine Epoche beispielloser Barbarei einleitete. Der Boykott
war lediglich ein Vorspiel zu einem System der Verfolgung, das
die Juden jeder Quelle des Lebensunterhalts beraubte." [22]
Juden in vielen Teilen der Welt hofften, durch die Revanche mit
einem Boykott deutscher Waren Solidarität mit ihren unterdrückten
Religionsgenossen zeigen und das Naziregime vielleicht zu einer
Milderung der Verfolgung drängen zu können. Die Unterschrift
der Zionisten unter das Ha´avara-Abkommen machte diese Hoffnung
zunichte. "Das Resultat war, daß in den dreißiger Jahren, als die
amerikanischen Juden große Anstrengungen machten, einen Boykott
gegen den deutschen Export zu organisieren, ausgerechnet Palästina
mit allen Arten von Waren 'Made in Germany' überschwemmt war."
[23]
Einige Zeit vor dem 18. Zionistenkongreß machte die zionistische
Bewegung ihren Willen klar, den Anti-Nazi-Boykott zu sabotieren.
Die Zionistenvereinigung für Deutschland ging so weit, einem
führenden Nazi zu versichern, daß "die Propaganda, die nach einem
Boykott Deutschlands schreit, in der heute oft geäußerten Form
ihrem Wesen nach völlig unzionistisch ist." [24]
Damit war der unglückliche Präzedenzfall geschaffen, die Interessen
der jüdischen Massen in Europa den politischen Ambitionen der
Zionisten zu opfern. Die Nützlichkeit dieser Strategie blieb den
Nazis nicht verborgen.
"Mit der Unterzeichnung des Ha´avara-Abkommens ... verfolgten
die Nazibehörden gleichzeitig zwei Ziele: den von den Juden in
mehreren Ländern organisierten antideutschen Boykott zu brechen
und die Ausreise von Juden aus dem Reich nach Palästina zu
fördern."
"Doch allmählich wurde das zweite Ziel in Berlin als das wichtigere
angesehen. Einerseits hatten die Auswirkungen des jüdischen Boykotts
erheblich nachgelassen, während andererseits die Expatriierung der
Juden eines der Hauptziele der nationalsozialistischen Innenpolitik
geworden war. Jetzt waren die Zionisten die einzigen, unter Juden und
Nicht-Juden, die eine konstruktive Lösung für das jüdische Problem
in Deutschland vorschlugen und vor allem in der Lage waren, sie zu
verwirklichen. Das Ha´avara-Abkommen hatte sie mit den Mitteln dafür
ausgestattet. Die deutsche Regierung konnte darüber nicht hinweg-
sehen. Deshalb konnte man beobachten, wie das Innen- und Wirtschafts-
ministerium miteinander wetteiferten, das Ha´avaraAbkommen zustande-
zubringen und die Aktivitäten der Zionistenorganisation in Deutschland
zu fördern."
"Die Organe des Ha´avara-Abkommens spielten eine immer dominantere
oder sogar privilegiertere Rolle im deutsch-palästinensischen
Handel ... Von den zionistischen Führern in Deutschland gedrängt,
beschloß der 19. Zionistenkongreß, der vom 20. August bis 3.
September 1935 in Luzern stattfand, das gesamte Ha`avara-System
der direkten Kontrolle dem zionistischen Exekutivkomitee zu unter-
stellen, dessen Aktien, die bisher von der Anglo-Palestine Bank
gehalten wurden, entsprechend transferiert wurden. Im Jahre 1933
betrug der Wert der von der Ha´avara durchgeführten Transfer-
operationen 1.254.856 Mark. Im Jahre 1937 erreichten sie das
Volumen von 31.407.501 Mark." [25]
Kurz nach dem Zionistenkongreß, am 15. September 1935, verabschiedete
das Naziregime die Nürnberger Gesetze, die Gerald Reitlinger
zutreffend als das mörderischste Gesetzeswerk der europäischen
Geschichte bezeichnet hat. "Der Charakter dieser Nürnberger Gesetze
war zweifach. Da war zunächst das Reichsbürgergesetz, das zwei
Kategorien schuf; den Reichsbürger, der reinen deutschen Blutes sein
mußte und den Staatsangehörigen, der Staatsangehöriger, aber kein
Bürger war. Das 'Gesetz zum Schutz deutschen Blutes und deutscher
Ehre' war komplementär, denn es fügte das Prinzip hinzu, daß die
beiden nicht in Ehegemeinschaft oder außerhalb von ihr kohabitieren
sollten. " [26]
Wir haben festgestellt, daß die Ha´avara-Abkommen im Jahre 1937
eine Rekordhöhe erreichten - zwei Jahre nach der Verabschiedung
der Nürnberger Gesetze; die Zionisten ließen offensichtlich
nicht zu, daß sie einer profitablen Kooperation in den Weg kamen.
Ironischerweise nahmen die Privilegien, die die zionistische
Bewegung seit Hitlers Machtergreifung gewonnen hatte, mit den
Nürnberger Gesetzen zu, während die Lage der deutschen Juden sich
zunehmend verschlechterte.
"Die Zionistische Organisation hatte die Erlaubnis, professionelle
und landwirtschaftliche Ausbildungszentren für Auswanderungskandi-
daten zu eröffnen, die sich auf das neue Leben im Nahen Osten
vorbereiten wollten. Hebräischkurse wurden in mehreren Städten unter
Leitung eines unschätzbaren Mannes, Robert Weltsch, eingerichtet,
desgleichen brachte eine zionistische Zeitung, die JÜDISCHE RUNDSCHAU,
die Hoffnung auf ein besseres Leben in tausende jüdische Häuser.
Der Innenminister erlaubte einer Delegation deutscher Zionisten die
Teilnahme am 19. Zionistenkongreß."
"Trotz der Entscheidung vom 19. Dezember 1934, derzufolge es
Mitgliedern jüdischer Jugendorganisationen verboten war, ihre
traditionellen Uniformen zu tragen, erlaubt am 13. April 1935
die politische Polizei Bayerns, damals eine veritable Domäne
Himmlers und Heydrichs, ausnahmsweise das Tragen einer Uniform
für Mitglieder einer dieser Bewegungen, da es feststeht, daß die
'Staatszionisten' genau jene sind, deren Organisation mit allen
Mitteln, sogar illegalen, versucht, ihre Mitglieder nach Palästina
zu schicken ..."
Selbst Alfred Rosenberg erkannte in einem Interview, das er Raymond
Cartier vom L´Echo de Paris am 3. Mai 1935 gab, die Verdienste des
Zionismus an, da er gegen die Assimilation der Juden sei:
"Eines der beiden Nürnberger Gesetze, das Gesetz 'Zum Schutz
deutschen Blutes und deutscher Ehre', das Juden das Hissen
der deutschen Hakenkreuzflagge untersagt hatte, gestattet
ihnen nichtsdestoweniger das Zeigen der 'jüdischen Farben',
bei denen es sich um nichts anderes als das Blau und Weiß der
zionistischen Fahne mit dem Davidstern handelte." [27]
Die zionistische Kooperation mit Nazideutschland sollte auch im
Lichte der Ausdehnung des Nazismus auf andere Länder in Europa
betrachtet werden, vor allem Polen und Rumänien, mit ihrem Virus
des Rassismus in den dreißiger Jahren. Das Leiden deutscher
Juden wurde rapide auf andere ausgedehnt, wie aus diesem zeitge-
nössischen Bericht hervorgeht:
"Die rücksichtslose Treibjagd des organisierten Antisemitismus und
das Scheitern der Regierungen, sich mit dem jüdischen Problem in
einer positiven und konstruktiven Weise auseinanderzusetzen, haben
bereits weitreichende Folgen für die Juden gehabt. Diese zeigen
sich am klarsten in dem Zustand von Panik und Verzweiflung, auf den
Juden vor allem in Polen und Rumänien reduziert worden sind; in der
Segregation und Isolation der unglücklichen Leute in einer Reihe
von Ländern; in der Verarmung von großen Massen von Juden; und in
dem relativen, wenn auch nicht absoluten Rückgang der jüdischen
Bevölkerung."
"Die Juden des östlichen Zentraleuropa sind von Terror gepackt. Sie
sind die Opfer einer so bösartigen Haßkampagne und der Beschimpfung,
besonders seit der Machtergreifung der Nazis in Deutschland, daß
sie sich in einem Zustand chronischer Angst befinden, immer voller
Furcht vor dem, was der Morgen bringen könnte ..."
"Die Juden sind sozial segregiert. Die Einengung wirtschaftlicher
Möglichkeiten tendiert zur Isolation der Juden. Doch die Auswirkungen
der Segregation sind im sozialen Bereich moralisch und psychologisch
noch deutlicher. Auf die Frage, ob sie noch nicht-jüdische Freunde
hätten, antworteten Danziger Juden traurig: 'Unsere alten nicht-
jüdischen Freunde wagen sich nicht mit uns sehen zu lassen.' Sie
berichteten mit offensichtlichem Schmerz davon, daß sie von Schul-
freunden, Kollegen und Freunden auf der Straße ignoriert werden; und
eine gelegentliche, verstohlene Apologie eines großmütigen Christen
wurde mit rührender Dankbarkeit erinnert." [28]
Anstatt zu versuchen, diese Situation zu bekämpfen, sahen die
zionistischen Führer das Leiden dieser Juden jedoch als etwas,
woraus sie nützliches politisches Kapital schlagen konnten.
"Der 20. Zionistenkongreß traf sich in der Tat vom 3. bis 17.
August 1937 in Zürich, um den Plan der palästinensischen Teilung
zu diskutieren, und Chaim Weizmann, der Präsident der Organisation,
sollte nach Polen und Rumänien gehen, um die Unterstützung dieser
Staaten für die Schaffung eines jüdischen Staates zu gewinnen. Die
Politik in Warschau und Bukarest war in Wirklichkeit sehr klar.
Eine Gemeinde von 3,5 Millionen Juden lebte in Polen und etwa 800.000
Juden in Rumänien. Wie Berlin waren auch Warschau und Bukarest daran
interessiert, daß die Juden ihr Territorium verließen. So waren diese
beiden Hauptstädte den von den Zionisten vorgebrachten Argumenten
gegenüber sehr positiv eingestellt." [29]
Das Ha´avara-System blieb bis zum Ausbruch des Zweiten Weltkrieges
in Kraft. Während seiner Laufzeit umfaßten die unter seinen Auspizien
abgewickelten Geschäfte ein Volumen von 140 Millionen Mark. Gegen
Ende dieser Periode versuchten einige Kreise in Deutschland ohne
Erfolg, es zu revidieren oder abzuschaffen. Nachdem es einen Höhe-
punkt im Jahre 1937 erreicht hatte, begann das Volumen der Trans-
aktionen weitgehend aufgrund der zunehmenden Verarmung der noch in
Deutschland lebenden Juden zurückzugehen. Daher sanken vom 1. Januar
1938 bis 1. September 1939 Transferoperationen auf rund 17 Millionen
Mark, über 4 Millionen Mark weniger als im Jahre 1937. [30]
Inzwischen erforderten die neuen Maßnahmen, die von Nazideutschland
ergriffen wurden, um Juden zur Emigration zu zwingen, zusammen mit
dem Anschluß Österreichs neue und umfassendere Abkommen, die über
das Ha´avara-Abkommen hinausgingen.
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IV DIE EMIGRATIONS VEREINBARUNGEN VON 1938
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Das Jahr 1938 sollte sich als triumphal für Hitler erweisen.
Zu den Höhepunkten gehörten seine Annektierung Österreichs
und das Münchner Abkommen, die diplomatische Kapitulation der
britischen und französischen Regierung, die den Nazis die Zer-
stückelung der Tschechoslowakei erlaubte. Diese Erfolge machten
die Nazis kühner, ihre Kampagne zur Vertreibung der Juden aus
Europa zu intensivieren, und die Eroberung neuer Länder brachte
mehr Juden, in großer Menge, in den Bereich dieser Kampagne. Das
Ende des Jahres brachte das als Kristallnacht bekannte Progrom.
Es ist wichtig, sich hier genau an das Ziel zu erinnern, daß Hitler
während seiner Herrschaftsperiode niemals aus den Augen verlor.
Es wurde kurz vor dem Beginn der intensivierten Kampagne von zwei
jüdischen Juristen mit folgenden Worten eindrucksvoll zusammengefaßt:
"Das offene Ziel der nationalsozialistischen Regierung ist es, die
massenhafte Emigration der 'nicht-arischen' Bevölkerung aus Deutsch-
land zu erzwingen. Dieses Ziel wird durch ein systematisches
Programm der Diskriminierung und Erniedrigung angestrebt, das darauf
abgestellt ist, Hunderttausende von Individuen zum Verlassen ihres
Heimes zu veranlassen." [31]
Jedoch waren die bisher mit dem Zionismus erreichten Abkommen den
Zwecken der Nazis nicht angemessen, und das Tempo der Emigration
wurde als zu langsam angesehen, wie dieser Bericht zeigt: "Die
zentrale jüdische Organisation, unter dem Namen 'Zentralausschuß
der Deutschen Juden für Hilfe und Aufbau' ... wurde im Jahre 1933
im Reich gegründet. Diese Organisation hatte drei Hauptabteilungen,
die sich mit Emigration, Wirtschaftshilfe und Unterstützung
beschäftigten, und es war die besondere Funktion des Büros für
Wirtschaftshilfe, bei der Berufsänderung und der Ausbildung der
Jugendlichen behilflich zu sein... Zur Berichtszeit (Oktober 1935)
gibt es zehn Ausbildungslager mit Insgesamt 2.700 jungen Männern
und Frauen. Der größte Teil wird in Landwirtschaft unterrichtet.
Die deutsche Regierung macht ständig Schwierigkeiten und droht mit
der völligen Auflösung der Lager, unter dem Vorwand, daß Juden nicht
dabei unterstützt werden sollten, sich auf handwerkliche Berufe in
Deutschland vorzubereiten. Wir hoffen, deshalb die Judenauswanderung
nach Palästina zu steigern, so daß in jedem Jahr Tausende gehen
können." [32]
Wir haben bereits oben festgestellt, daß die Nazis den Zionisten
gestattet hatten, besondere Trainingslager für die Emigranten zur
Vorbereitung auf das Leben im Nahen Osten einzurichten. Was die
gemeinsamen Interessen beider Parteien nun erforderten, war eine
Beschleunigung der Emigration, und Maßnahmen, das Trainingsprogramm
einer stärkeren Zionisten-Nazi-Kontrolle zu unterstellen. Die
Zionisten schickten Sonderdelegierte, die notwendigen Vorbereitungen
zu treffen, während die Nazis ständig Sitzungen abhielten, um ihre
Strategie für die Vertreibung der Juden zu planen.
"Im Lauf der ersten Sitzung des Lenkungsausschusses des 'Zentral-
büros' am 11. Februar 1939 erklärte Heydrich, daß man keinen Grund
habe, die Sendung illegaler Transporte von Emigranten nach Palästina
aufzugeben..."
"Illegale Transporte, fuhr Heydrich fort, würden jedenfalls von
verschiedenen europäischen Ländern aus nach Palästina abgehen. So
könnte Deutschland zu den gleichen Mitteln greifen. Hinrichs und
Eisenlohr aus der Wilhelmstraße hatten nicht nur keine Einwände,
sondern bestanden im Gegenteil darauf, daß 'Deutschland jede sich
bietende Gelegenheit wahrnehmen solle, einen Juden hinauszuwerfen'.
Wohlthat zog gleich. 'Palästina könnte etwa 800.000 bis 1 Million
Extrajuden verkraften'. Das habe er in London gehört. 'Und wenn
die Juden Deutschlands nicht dorthin gingen, könnten andere Länder
dieses Kontingent leicht aufbringen.'"
"Seit Ende Dezember 1938 hatten zwei Delegierte aus Palästina,
Pinhas Ginsberg und Max Zimels, ungehindert auf Reichsgebiet
daran gearbeitet, illegale Konvois nach Palästina zusammenzu-
stellen. Die Gestapo legte ihrer Tätigkeit keine Hindernisse
in den Weg." [33]
Zwei zionistische Autoren, die Ginsberg mit seinem Spitznamen
"Pino" erwähnen, berichten, daß die Jewish Agency ihn zu einem
Treffen mit dem Beauftragten für die Judenftage im Gestapohaupt-
quartier schickte: "Er hatte einen Sonderauftrag; seine Arbeit
war, was die Nazis wollten: sein Ziel war die Organisation der
Emigration deutscher Juden nach Palästina; nur mit Unterstützung
der Naziführer konnte dieses Projekt auf breiter Basis durchge-
führt werden. Der Gestapo-, 'supervisor' war jetzt interessiert.
Er rief drei weitere Gestapobeamte herbei. Das Interview war zu
einer Konferenz geworden; die Gestapo diskutierte, wie sie die
jüdische 'illegale' Einwanderung nach Palästina gegen den Willen
des britischen Mandats unterstützen und steigern könne."
Ginsberg erbat demzufolge die Hilfe der Gestapo für seinen Plan.
Das 1nterview war beendet, er verließ das Gestapo-Hauptquartier,
und ging zum Berliner Büro der Zionistischen Organisation. 'Als der
Gesandte das zionistische Büro erreichte, erzählten ihm aufgeregte
Angestellte, daß die Gestapo-Antwort auf ihn warte. Er konnte
bleiben. Er konnte sofort mit seiner Arbeit beginnen. Er konnte
sogar junge jüdische Pioniere auswählen, die in Konzentrationslager
gesandt worden waren. Er würde auch nicht die offiziellen bürokra-
tischen Hürden nehmen müssen. Er konnte besondere Trainingslager
für ausgewählte Einwanderer aufbauen, die den illegalen Weg durch
die britische Blockade schaffen würden... Er hatte einen langen
Löffel mitgebracht; es störte ihn nicht weiter, daß er dabei
war, mit dem Teufel zu Abend zu essen. In der Tat war er höchst
befriedigt, als er die Antwort der Gestapo las." [34]
Auch 1938 direkt nach dem AnsAuch 1938 direkt nach dem Anschluß
sandten die Zionisten einen weiteren Gesandten. Moshe Bar-Gilad,
mit einer ähnlichen Mission nach Wien. "Bar-Gilad entdeckte bald
wie sein Kollege In Berlin, daß der einzige Weg zu einer massen-
haften Emigration aus Österreich durch das Gestapo-Hauptquartier
und das SS-Büro für jüdische Angelegenheiten führte, für die das
geräumige Haus von Baron Rothschild requiriert worden war. Dort
saß als Leiter des 'Zentralbüros für Emigration' Hauptmann Carl
Adolf Eichmann. Dieser Name sollte Berühmtheit erlangen... Er
empfing Bar-Gilad höflich; er war auch von der Selbstsicherheit und
unverblümten Sprache seines ungewöhnlichen Besuchers beeindruckt."
"Bar-Gilad erklärte, daß er die Genehmigung für die Errichtung von
Pionier-Trainingslagern wollte, um junge Leute für die Arbeit in
Palästina auszubilden und ihre Auswanderung den Bedingungen ent-
sprechend so schnell wie möglich zu arrangieren... Eine opposi-
tionelle Gruppe, die Revisionisten, rechtsradikale Aktivisten,
würden illegale Transporte nach Palästina organisieren. Bar-Gilad
erklärte, daß die Revisionisten vor allem Juden nähmen, die den
hohen Preis für den illegalen Transport bezahlen könnten, während
seine Organisation an jungen Leuten interessiert sei, die Pioniere
werden wollten. Die meisten von ihnen wären arm. Seine Organisation
würde alle Kosten tragen. Er wolle keine finanzielle Hilfe von der
Gestapo; alles, worum er bat, war, daß seine Arbeit nicht behindert
würde."
Zwei Wochen später erhielt Bar-Gilad Eichmanns Antwort auf den
Antrag der Zionistenbewegung. "Eichmann teilte ihm mit, daß er
bei der Beschaffung von Bauernhöfen und Anlagen für die Errichtung
von Trainingszentren für angehende Emigranten behilflich sein
wolle, daß jedoch der eigentlich Transport den Revisionisten,
den oppositionellen Zionisten und 'Privatunternehmen' überlassen
bleiben müsse... Bar-Gilad konnte nicht zulassen, daß der
Transport aus seinem Einflußbereich herausgenommen wurde. Doch
im Hinblick auf Trainingsanlagen hielt Eichmann sein Versprechen.
Er stellte Bauernhöfe und Geräte zur Verfügung. In einem Falle
vertrieb er eine Gruppe von Nonnen aus einem Kloster, um einen
Trainingshof für junge Juden zu bekommen. Bis Ende 1938 waren
etwa 1000 junge Juden in den von den Nazis bereitgestellten Lagern
in der Ausbildung." [35]
Diese beiden Emissäre waren offizielle Repräsentanten der Union of
Communal Settlements, die in der zionistischen Bewegung für die
Errichtung und Stärkung von Kibbutzim arbeitete. Diese Siedlungen,
wie jetzt weithin bekannt wird, haben paramilitärischen Charakter...
Die Abkommen, die diese Gesandten durch ihre Kontakte mit der
Gestapo und der SS erreichten und durch die Nazideutschland einen
wesentlichen Beitrag zur Verstärkung des zionistischen Reservoirs an
Arbeitskräften, dem Training und der daraus folgenden militärischen
Schlagkraft leistete, waren keine informellen Vereinbarungen. Sie
waren feierliche Abkommen, die offiziell, wenn auch geheim, von der
Naziregierung geschlossen wurden: ein Vernunftbündnis, das von Hitler
selbst in einer politischen Direktive angeordnet war.
"Hitlers Entscheidung wurde vom Außenamt der Nazipartei an alle
betroffenen Ministerien mitgeteilt. Sie erfuhren, daß der Führer
erneut beschlossen habe, daß die 'jüdische Auswanderung aus
Deutschland mit allen verfügbaren Mitteln betrieben werden solle.
Jede Frage, die bisher bestanden haben mag, ob nach Ansicht des
Führers diese Emigration in Richtung Palästina gelenkt werden
sollte, ist damit bejahend beantwortet.'" [36]
Die Existenz dieser offiziellen Nazipolitik wurde auch durch die
jüdische Historikerin Hannah Arendt in ihrer Beschreibung von
Eichmanns Arbeit in Wien im Jahre 1938 bestätigt:
"Eichmanns Aufgabe war als 'zwangsweise Emigration' beschrieben
worden, und diese Worte meinten genau, was sie sagten: alle Juden,
ohne Rücksicht auf ihre Wünsche und Staatsangehörigkeit, sollten
zur Emigration gezwungen werden - ein Akt, der auf deutsch Ver-
treibung heißt. immer wenn Eichmann an die zwölf Jahre zurückdachte,
die sein Leben waren, hob er sein Jahr in Wien als Chef des Centre
for Emigration of Austrian Jews als seine glücklichste und erfolg-
reichste Periode hervor." [37]
Abgesehen von allen anderen unfreundlichen Aspekten war die
Verfolgung der Juden auch ein lukratives Geschäft. Es ist allgemein
bekannt, daß viele Nazis große Vermögen anhäuften, im allgemeinen
aus dem Vermögen oder der Sklavenarbeit ihrer Opfer. Weniger bekannt
ist, daß die zionistischen Organisatoren der Emigration durch ihre
Kollaboration mit den Nazis ebenfalls ihren Teil an materiellen
Vorteilen auf Kosten einzelner Juden hatten.
"Eichmann sandte deshalb jüdische Funktionäre ins Ausland, um von
den großen jüdischen Organisationen Geld zu fordern, und diese
Guthaben wurden dann von der jüdischen Gemeinde mit beträchtlichem
Profit an die künftigen Emigranten verkauft - ein Dollar z.B. wurde
für 10 oder 20 Mark verkauft, als der Markwert 4,20 Mark betrug."
[38]
Die durch die zionistische Bewegung verwaltete Philanthropie wurde
dadurch äußerst profitabel. Doch das Ziel aller zionistischen
"Hilfs"operationen und -abkommen mit den Nazis war kaum humanitär,
wie aus dem Bericht über die Missionen hervorgeht. "Diese beiden
jüdischen Emissäre waren nicht nach Deutschland gekommen, um
deutsche Juden zu retten; das war nicht ihr Job. Ihr Denken war
völlig auf Palästina und die britische Mandatsmacht gerichtet. Sie
suchten junge Männer und Frauen, die nach Palästina gehen wollten,
weil sie eine eigene Heimatstätte wollten und bereit waren, Pionier-
arbeit zu leisten und notfalls dafür zu kämpfen. Ihr Interesse an
deutschen Juden, die Palästina als rettenden Hafen, den zweitbesten
nach den USA oder Großbritannien ansahen, war für ihr Hauptziel
zweitrangig..."
"Ihr Ziel war ihnen weit wichtiger als die Mittel, zu deren Anwendung
sie nun gezwungen waren; und obwohl sie die Zukunft nicht sehen oder
sich vorstellen konnten, was sie bringen würde, hatten sie keine
Skrupel über den Preis, den sie bezahlen mußten, solange sie ihre
Juden nach Palästina bringen konnten." [39]
Der Unterschrift unter das "Gemeinsame Interessen"-Abkommen zwischen
den Nazis und den Zionisten, das durch die Bemühungen von Ginsberg
und Bar-Gilad zustandegekommen war, folgte die Durchführung. Das
Zögern der deutschen Juden, sich auf Geheiß des Zionismus zu ent-
wurzeln, mußte durch Überredung überwunden werden, die die Nazis
gerne zu leisten bereit waren.
"Der Anfang war langsam, doch die grimmige Nacht des 9. November
1938, in der die Nazis ihren organisierten Aufstand der Brandstiftung
an und des Überfalls auf deutsche Juden durchführten, überzeugt die
Führung der deutschen Juden, daß Emigration mit allen verfügbaren
Mitteln ihre einzige Hoffnung blieb."
"Als den jüdischen Massen diese Erkenntnis dämmerte, begannen Juden
aus ganz Deutschland in die Maineckestraße zu strömen; Emigrations-
anträge überschwemmten die Büros der Hechalutz, der zionistischen
Pionierbewegung, die Pinos Hauptquartier war." [40]
Sobald die Abkommen ernstlich durchgeführt zu werden begannen,
entwickelte sich ein bemerkenswerter Geist der Zusammenarbeit,
sogar der Kamaderie, zwischen Zionisten und Nazis. Das sollte
in seltsamen Gegensatz zu der Haltung der Nazis gegenüber den
Juden stehen - deren großer Mehrheit in der Tat -, die nicht
willig oder fähig waren, der Forderung der Nazis und Zionisten
zu entsprechen, ihr Heim in Europa zu verlassen.
"Im März 1939 verließ der erste von Pino organisierte Transport
von 280 Juden Berlin, dessen Bestimmungsort angeblich zionistische
Trainingshöfe in Jugoslawien war. Die Nazibehörden stellten einen
Sonderzug bis Wien zur Verfügung, wo die Gruppe sich einem anderen,
größeren Transport österreichischer Juden anschloß, der von öster-
reichischen Nazis begleitet war."
"Der österreichische Teil des Transports war von Bar-Gilad, der in
Wien arbeitete, organisiert worden..."
"Der Zug mit Hunderten von singenden Pionieren und mit den gelang-
weilten Naziwächtern, die sich aus den Fenstern lehnten, muß ein
widersprüchlicher Anblick gewesen sein, als der Zug durch die
gemächliche Landschaft Südösterreichs ratterte. Der Transport
verlief nach Plan; einige hundert junge Juden landeten heimlich
an der palästinensischen Küste." [41]
Klug mit dem Gefühl der Unsicherheit spielend, überredete die
Zionistenbewegung deutsche Juden, erhebliche Summen für die schnelle
Expansion der Trainingslager und Transportmöglichkeiten zu spenden,
damit das Rinnsal der Emigranten zu einer Flut werden könnte. Die
Emigrationsabkommen zwischen Zionisten und Nazis währten in dieser
Form zwei Jahre nach dem Ausbruch des Zweiten Weltkrieges. Doch
wurde ihr reibungsloses Funktionieren 1941 nach dem Angriff Deutsch-
lands auf die Sowjetunion gestört. Die Nazis argumentierten, daß die
Abkommen nicht länger anwendbar seien, da sie ihrer militärischen
Lage an der Ostfront Vorrang bei der Planung von Transporten geben
müßten, und wegen der allgemeinen kriegsbedingten Zerstörung von
Verbindungswegen in Zentral- und Osteuropa.
Da es nicht länger praktisch war, Europa von den Juden durch
Emigration zu befreien, entschied sich Hitler für einen anderen
Weg. "im Januar 1939 hatte er bereits Befehl gegeben, daß die
jüdische Emigration vor allem nach Palästina gelenkt werden
sollte, und nachdem auch dieses Tor geschlossen war, griff er
zu dem einfachen Ausweg, der sich ihm nun anbot, die 'Endlösung'
der Vernichtungslager." [42]
Die neue Situation konfrontierte den Zionismus mit einer kritischen
Entscheidung zwischen zwei Handlungsmöglichkeiten. Die erste war,
dem Nazismus den Krieg zu erklären, die Abkommen von 1938 völlig
aufzuheben und die Fahne des jüdischen Aufstandes gegen den
Nazismus in ganz Europa zu hissen. Das hätte natürlich bedeutet,
ein für allemal jede Möglichkeit einer noch so begrenzten "legalen"
Emigration zionistischer Arbeitskräfte aus Europa durch Kooperation
mit den Nazis in Zukunft aufzugeben, selbst wenn die logistische
Situation dafür später eine solche Änderung erlaubte. Die Ent-
scheidung zum Widerstand würde auch bedeuten, daß die Zionisten den
Kampf gegen Unterdrückung und Antisemitismus in Europa zusammen mit
den Nichtjuden und Assimilationisten oder progressiven Juden auf-
nehmen. Für die Zionisten hätte dies nicht nur ein ernsthaftes
Aufgeben ihrer tiefsten Überzeugungen, sondern auch, noch ernsthafter,
das Eingestehen einer Niederlage ihrer ganzen Philosophie bedeutet.
Die zweite Aktionsmöglichkeit für die Zionisten war die Einsicht.
daß die Situation sich zumindest vorübergehend in einer für sie
ungünstigen Richtung verändert hatte, und zu versuchen, neue, aber
begrenzte Vereinbarungen zu treffen. Das würde natürlich heißen,
zu dem Tod einer großen Anzahl ihrer Religionsgenossen zu schweigen.
Es würde aber den Vorteil haben, die Tür zu einer Kommunikation mit
Nazideutschland offenzuhalten, die benutzt werden könnte, sobald
die Lage sich wieder zu ihren Gunsten veränderte. Darüber hinaus
würde es keine grundsätzliche Verwässerung oder eine Niederlage der
zionistischen Ideologie bedeuten.
Die Zionistenbewegung wurde vor diese unvermeidliche Alternative
durch ihre Unterschrift unter die früheren Abkommen mit Nazideutsch-
land gestellt. Einige Apologeten haben argumentiert, daß die
Zionisten in dieser Hinsicht nicht aus eigentlich finsteren Motiven
handelten und sich nicht darüber im klären waren, zu welchem
grausamen Ende es führen könnte. Abgesehen von der moralischen
Gefahr des blinden Festhaltens an der Überzeugung, daß das Ziel die
Mittel heilige, ist es überaus zweifelhaft, daß die zionistischen
Führer mit ihrer bemerkenswerten Fähigkeit zu langfristiger Planung
sich des wahren Charakters oder des möglichen Kurses der Nazipolitik
nicht bewußt waren, der den meisten normalen Europäern gegen Ende
der Mittdreißiger Jahre klar war. In diesem Zusammenhang machte
der Staatsanwalt im Eichmann-Prozeß, Gideon Hausner, einige sehr
wichtige Kommentare und Bemerkungen. Über Hitler sagte er: "Als
er dem Judenhaß freie Bahn ließ, hatte er auch, den steilen Pfad
betreten, der zu dem 'Tag des Boykotts' am 1. April 1933, zu der
Kristallnacht des 9./10. November 1938, und zu der Entscheidung
über die 'physische Ausrottung' am 31. Juli 1941 führte. Das war
die Logik der Ereignisse, dessen jedes sich aus dem vorhergehenden
ergab und unvermeidlich zu dem nächsten leitete. Der Weg des Anti-
semitismus führte nach Ausschwitz." [43]
Die Logik des steilen Pfades galt nicht nur für die Nazis. Durch die
Akzeptierung des verhängnisvollen Prinzips gemeinsamer Interessen
und der daraus folgenden Kooperation mit dem Nazismus, wie beschränkt
diese auch immer in den dreißiger Jahren war, machten sich die
Zionisten selbst auf ihren eigenen parallelen Pfad nach unten. Die
beiden Phänomene Antisemitismus und zionistische Zweckallianz damit -
in der Hoffnung, ihn als die von ihnen benötigte "Triebkraft" zu
benutzen - können nicht völlig voneinander getrennt werden. Sie
reagierten aufeinander, wie es notwendig immer bei zwei politischen
Kräften passiert, deren Beziehung die des engen Kontakts ist, ob nun
in Konfrontation oder in Kooperation.
Jedenfalls können Entschuldigungen für die Abkommen des Zionismus
mit den Nazis in den 30er Jahren, welcher Art sie auch sein mögen,
nicht für die Fortsetzung irgendwelcher Zusammenarbeit gelten,
nachdem die Nazis ihre umfassende Durchsetzung des Genozids Mitte
1941 in Gang gesetzt hatten. Im Zeitraum 1941 - 1944 brach eine
Reihe von Zionisten in den von den Nazis besetzten osteuropäischen
Ländern, wie Morchedai Anielewicz, mit der traditionellen Politik
des Zionismus und beteiligte sich an Revolten gegen den Nazismus.
Doch diese Revolten waren alle lokal organisiert, von Juden in
Warschau, Wilna, Bialystock und in anderen Gegenden, oft innerhalb
der besetzten Gebiete miteinander koordiniert, doch ohne die
Kooperation der zionistischen Bewegung auf internationaler Ebene.
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V DIE GHETTO-AUFSTÄNDE
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Die Geschichte verzeichnet keine Kampfansage der zionistischen
Bewegung gegen den Nazismus in Europa. Es ist wichtig zu fragen,
warum. Wie ein jüdischer Autor fragte: "Warum wurde, war keine
jüdische Selbstverteidigung organisiert und in Bereitschaft? ...
Es gab auch mehrere Tausend jüdische Soldaten in der Armee der
polnischen Republik. Warum gab es keine führende Hand die zumindest
einige von Ihnen anwies, ihre Waffen mit nach Hause zu nehmen, zu
verstecken..., so daß sie später, als die jüdischen Kampforgani-
sationen entstanden, zumindest eine Ausstattung gehabt hätten, mit
der sie die Nazis bekämpfen konnten?" [44] Es sollte festgehalten
werden, daß Polens Juden etwa die Hälfte der schätzungsweise 6
Millionen Juden ausmachten, die vom Nazismus abgeschlachtet wurden.
Trotz des Mangels an jeder Vorbereitung dieser Art zeichneten
sich die europäischen Juden durch viele tapfere Widerstandsakte
gegen ihre Unterdrücker aus, die von jüdischen Historikern wie
Reuben Ainsztein, gut dokumentiert wurden, der ein umfangreiches
und gründliches Werk zu diesem Thema schrieb.
Eine große Anzahl von Juden gingen in Partisanenorganisationen,
vor allem in den von Nazis besetzten Gebieten in der Sowjetunion,
und brachten bemerkenswerte Aufstände in Ghettos und sogar
in Konzentrationslagern zustande. Doch in seiner sorgfältigen
Studie von 849 Seiten erwähnt Ainsztein nicht ein einziges
Moment militärischer Unterstützung für diese Aufstände durch
den hochorganisierten weltweiten Apparat der Zionistenbewegung
außerhalb Europas. In der Tat weist er wiederholt darauf
hin, daß die einzigen Verbündeten der Ghettokämpfer außerhalb
ihrer Ghettomauern lokale linke Gruppen waren oder andere Anti-
Nazis, wie die Volksgarde (später Volksarmee) der polnischen
kommunistischen Arbeiterpartei. [45] Das ist um so bemerkenswerter,
als Ainsztein selbst pro-zionistisch ist und sein Buch großzügig
von antisowjetischen Kommentaren und der Verherrlichung von
zionistischen Individuen strotzt, die von der Massenvernichtung
nach 1941 überwältigt wurden und denen oft nichts weiter übrig
blieb, als Widerstand zu leisten.
Nach dem Scheitern der zionistischen Auswanderungsabkommen zu
dieser Zeit sahen sich eine Anzahl von zionistischen Führern,
vor allem in Polen, nicht in der Lage, sich mit der zionistischen
Führung außerhalb der von Nazis besetzten Gebiete in Verbindung
zu setzen. Wie der Führer einer dieser Gruppen in einem Brief
schrieb, in dem er die rechts gerichtete Polnische Heimatarmee
drängte, das Warschauer Ghetto mit Waffen auszustatten: "Wie
sehr bedauern wir, daß wir keine Möglichkeiten zu einem direkten
Kontakt mit den Regierungen der Alliierten Staaten haben, mit
der polnischen Regierung und jüdischen Organisationen im Ausland."
[46]
Die Ghetto-Aufstände stellen eine bemerkenswerte, ja einzigartige
Form des Widerstandes von Juden in osteuropäischen Gebieten dar.
Sie kamen zustande, als die Bewohner der Ghettos realisierten, daß
das Ziel der Nazis ihre Vernichtung war. Einige Ghettos lernten
schneller als andere. "Daß das Ziel der Deutschen die totale
Vernichtung aller Juden war, derer sie habhaft werden kannten,
wurde der Masse der Warschauer Juden bereits im Sommer 1942
klar, als in drei Monaten 300.000 Menschen in die Gaskammern von
Treblinka und auf andere Schlachtplätze geschickt wurden. Sogar
in Bialystock war es trotz der Massaker, die auf die Einnahme
der Stadt durch die Wehrmacht erfolgten, für einen Juden möglich,
sich einzubilden, daß ein Rest der Ghettojuden von den Deutschen
am Leben gelassen würde. Doch in Wilna wurde das Wesen des
Judenhasses der Nazis denjenigen klar, die die moralische und
physische Courage hatten, ihm bereits vor Ende 1941 ins Auge zu
sehen." [47]
Daß die Vernichtungspläne der Nazis den Juden in Europa kurz nach
ihrem Inkrafttreten weitgehend bekannt waren, bestätigt auch Joseph
Tenenbaum, der darauf hinwies, daß die Nazis die Nachrichten von
ihren Todeslagern nicht lange verheimlichen konnten. "Die Nachrichten
aus dem Mordlager von Treblinka kamen wie ein Donnerschlag.
Einige hatten bereits davon gehört, sie flüsterten darüber. Es gab
Nachrichten aus Chelmno über die Massenvernichtung von Juden in
gasgefüllten Lastwagen. Es gab die schrecklichen Nachrichten, die
von Flüchtlingen aus Wilna über die Massaker an Juden in Slonim,
Baranowicze und anderen Orten gebracht wurden. Doch wer konnte
diese Grausamkeiten für möglich halten? Bald aber kamen unwider-
legbare Beweise. Im Juli 1942 wurde 'Zygmunt' (Frydrych) delegiert,
die Geschichte von Treblinka zu beweisen. Er kam nach Malkynia.
Dort traf er Esriel Wallach, einen aus Treblinka Entflohenen, der
die schlimmsten Gerüchte bestätigte. Frydrych brachte die traurigen
Neuigkeiten nach Warschau zurück, von wo aus sie über das ganz
besetzte Polen verbreitet wurden. Die jüdische Untergrundorganisation
schloß die Reihen. Sie verbreiteten die Treblinka-Nachrichten und
machten alle auf diese Informationen aufmerksam."
"Bereits im Dezember 1941 wurden Edek Boraks, Israel Kempner und
Pinczewski mit den Nachrichten aus Ponary nach Warschau gesandt.
Eine andere Gruppe, Chayka Grossman und Tamara Schneiderman,
brachten authentische Informationen über die Entwicklungen in
Wilna. Bela Chazan machte unter dem Namen und mit dem Pass von
Bronia Limanowski persönlichen Kontakt mit Grodno. Für diese
geflügelten Boten gab es keine Ghettomauern. Ein Wilna-'Kurier',
der ständig in Bewegung war, war Lea (Leonia) Kazibrodska. Sie
wurde im April 1942 aufgegriffen und hingerichtet. Frumka Plotnicka,
die Geld bei sich verwendete, das von dem Joint Distribution-
Direktor in Warschau für den Gebrauch der Jugendorganisationen in
Wilna bestimmt war, brachte ebenfalls Nachrichten aus Treblinka.
Sie reiste später nach Kowel, wo sie eine Untergrundbewegung
organisierte und Verbindungen mit Bialystok herstellte. Zu den
nicht-jüdischen Kurieren, die der Sache hervorragende Dienste
leisteten, zählten Irene Adamowicz und Jadzia Dudziec." [49]
Die Historiker stimmen allgemein darin überein, daß Wilna die Stadt
war, wo die Juden sich der deutschen Ausrottungspläne bewußt wurden,
nachdem eine große Anzahl in dem nahegelegenen Gelände von Ponary
hingerichtet worden ist und wo der erste Versuch zu der Organisierung
eines jüdischen Widerstandes unternommen wurde. In seinem ersten
Aufruf erklärte diese Bewegung:
"Laßt uns nicht wie Schafe zum Schlachter gehen! Es ist wahr, daß
wir schwach sind und niemanden haben, der uns hilft. Doch unsere
einzige würdige Antwort für den Gegner ist der Widerstand." [50]
Wilnaer Juden führten Sabotageakte gegen die Nazis aus, doch ihre
Hoffnungen auf einen Massenaufstand erfüllten sich nicht.
Ein Hauptfaktor für dieses Scheitern war Jacob Gens, ein führender
zionistischer Kollaborateur mit den Nazis, die ihn schließlich zum
Chef einer jüdischen Polizei in Wilna machten. "Er ragt hervor,
weil kein anderer Ghettoführer in seinen Diensten für die Nazis
so weit ging wie Gens; kein anderer Ghettoführer benutzte seine
Polizeigewalt zur Tötung von Juden. Noch spielte irgendein anderer
Ghettoführer eine solche wirkungsvolle Rolle bei der Sabotage der
jüdischen Beteiligung an der Partisanenbewegung ... Er vereinigte
lithuanischen Nationalismus mit der faschistischen Richtung des
Zionismus, die durch Jabotinskis Anhänger repräsentiert war, als
Mitglied der revisionistischen Brith Hakhcyll (Militärorgani-
sation)..."
"Sobald die überlebenden Wilna-Juden am 6. und 7. September 1941 in
zwei Ghettos zusammengepfercht waren, wurde Gens der stellvertretende
Kommandeur der Ghettopolizei, deren Leiter, Muszkat, ein Warschauer
Jurist und gleichfalls Revisionist war. Sein Programm und seine
Philosophie unterschieden sich in keiner Weise von der des Barasz,
Rumkowski, Merin oder anderer kollaborationistischer Ghettoführer:
auch er argumentierte, daß ein Rest Juden überleben könnte, wenn
sie sich für die deutsche Kriegs-Maschinerie nützlich machen
könnten. Es war jedoch nicht sein Erfolg bei der Errichtung von
Arbeitsstätten im Ghetto, die ihn bei den Nazibehörden beliebt
machte, sondern seine Skrupellosigkeit bei der Auslieferung von
jüdischen Opfern und seine Nützlichkeit bei der Verhinderung der
Flucht von jungen Juden in die Wälder, die sich den Partisanen
anschließen wollten ..."
"Da er als Lithuanler und Jude Ideologien vertrat, die die Vorzüge
der Führung priesen, fand er es möglich, zu glauben, daß er eine
Mission erfüllen müsse und daß er wisse, was für seine jüdischen
Untertanen gut sei. Da die Arbeit nicht ausreichte, das Überleben
seiner Juden zu garantieren, war er bereit, die Verantwortung für
die Selektion der Opfer zu übernehmen, die den Nazi-Moloch füttern
mußten. Und er tat dies so effektiv, daß die Gestapo ihn im Herbst
1942 zum Diktator nicht nur des Wilnaer Ghettos, sondern auch aller
überlebenden ländlichen Ghettos im Gebiet von Wilna machte." Im
Oktober 1942 teilten die Nazis Gens mit, daß sie 1.500 Juden im
Ghetto von Oshmany getötet sehen wollten. Später stimmten sie zu,
"die Zahl der Opfer auf 400 zu reduzieren unter der Bedingung, daß
sie von Gens' Polizisten selektiert und getötet würden." Gens sagte
ja und sandte seinen Polizeichef Salek Desler (auch ein Revisionist)
mit 30 Polizisten. Sie selektierten 410 alte und kranke Leute, die
sie selbst töteten. Gens verteidigte seine Tat mit der Behauptung:
"Es ist unsere Pflicht die Starken und Jungen zu retten und uns
nicht von Gefühlen beherrschen zu lassen." [51]
"Am 5. April 1943 erschien eine Ankündigung an den Wänden des
Ghettos, die die Juden, die Verwandte in Kovno hatten, drängte,
sich den Transporten aus den benachbarten Dörfern, vor allem
von Snipizok, anzuschließen, die angeblich nach Kovno gingen.
Die Ankündigung war in verlockender Sprache gehalten, beschrieb
bessere Lebensbedingungen und leichtere Wohnmöglichkeiten, als
sie im überfüllten Warschauer Ghetto zu bekommen waren. Gens
setzte sich für den Kovno-Plan ein, und viele ahnungslose Opfer
meldeten sich freiwillig für den Transport nach Kovno. Alles in
allem bestiegen über 5.000 Juden die Züge... Es wurde bald klar,
daß die Züge, statt nach Kovno zu fahren, in Ponary entladen
wurden und die Opfer mit Maschinengewehrfeuer niedergemäht
wurden." [52]
Einige Opfer konnten jedoch entkommen und ihre Geschichte erzählen.
Gens spielte eine besonders verräterische Rolle bei dem Verrat
an dem Führer der Widerstandsbewegung des Wilnaer Ghettos, ltzik
Witenberg, der Kommunist und damit eine besondere Zielscheibe des
Hasses für die rechtsradikalen Revisionisten war. "Eines Nachts
wurde Witenberg durch eine List der jüdischen Polizei verhaftet,
wurde jedoch von seinen alarmierten Genossen gerettet und kehrte
unversehrt ins Hauptquartier zurück ... Unglücklicherweise legten
der flexible Gens und sein skrupelloser Polizeikommissar Desler
alle, einschließlich ihrer selbst, herein. Sie sandten ihre Polizei-
spürhunde mit Unterstützung durch den Abschaum des Ghettos aus,
um die Menge zu einer dringenden Versammlung zusammenzurufen. Die
Leute strömten gehorsam zusammen. Vor einer riesigen Versammlung
erwies Gens sein ungewöhnliches Gespür für den Appell an den
Angstinstinkt einer zitternden Mehrheit. Er bombardierte die Menge
mit Warnungen, nicht die Sicherheit eines Mannes die Sicherheit
aller gefährden zu lassen, und er berichtete über angebliche Pläne
der Gestapo, das Ghetto in einem Schlag durch Bomben, Panzer,
Artillerie und alle Feuer der Hölle auszulöschen, falls das Ultimatum
an Witenberg nicht eingehalten würde. Unter dieser Erpressung stellte
sich Witenberg zur angegebenen Stunde dem blutigen Desler, der ihn
der Gestapo auslieferte. ... Das Rückgrat der Bewegung war gebrochen.
Eine Wolke des Terrors hing über allem. Es war nicht zu leugnen, daß
die Gestapo einen entscheidenden Sieg ohne Kampf gewonnen hatte."
[53]
Nach Witenbergs Tod konnten die Zionisten dafür sorgen, daß einer
der ihren, Abba Kovner, seine Nachfolge antrat. "Kovner, der
Repräsentant des 'Hashomer Hatzair', gelang es sich zum Kommandeur
der Untergrundstreitkräfte in Wilna zu ernennen, die Munition
horteten und starke, ausgebildete Individuen rekrutierten, die
zum Kampf bereit waren. Doch sie benutzten ihre Ressourcen niemals
gegen die Deutschen im Ghetto und folgerichtig schloß Kovner ein
Abkommen mit dem Leiter des Ghettos (Gens) und dem Führer der
jüdischen Polizei (Desler), demzufolge sie verpflichtet waren, im
Tausch gegen das Stillhalten des Untergrunds keinem seiner Mitglieder
Schaden zuzufügen und auch ihren Auszug aus dem Ghetto unmittelbar
vor seiner endgültigen Zerstörung zu versprechen. Diese drei - Gens.
Desler und Kovner - waren einer Meinung, die auch die Ansicht von Dr.
Weizmann und Nathan Schwalb`s war, dem Vertreter der Jewish Agency
in der Schweiz: die Älteren und die Menge zu opfern, und die "Elite"-
truppe der Jungen - 'unsere Freunde' - zu retten..."
"Als Vertreter der Partisanen in Wilna eintrafen mit Nachrichten von
der Endlösung und dem Rat an die Juden in Wilna, sich in die Wälder
zu retten und in die Partisanenlager zu gehen - was tat Kovner da?
Kovner hielt die Vertreter der Partisanen isoliert, so daß sie nicht
in Kontakt mit der Menge im Ghetto kamen und Gruppen einfacher Juden
für die Flucht in die Wälder organisieren konnten.
Die Flucht in die Wälder bleibt den Einwohnern jedoch kein Geheimnis.
Immer, wenn eine Gruppe geht, rennen ihnen ganze Horden hinterher
und wollen sich ihnen anschließen. Doch Kovners Anordnungen zufolge
wird eine gründliche Durchsuchung zum Zeitpunkt des Abmarsches durch-
geführt und die Juden werden vom Tor vertrieben. Nur selten gelingt
es einem, sich unter die Kämpfer zu mischen und mit ihnen hinauszu-
gehen. Es ist interessant, daß gerade diese 'Illegalen" später die
besten Kämpfer in den Wäldern werden. Die Juden beginnen über den
Leiter der Organisation, Kovner, zu reden; in welcher Weise ist er
besser als derPolizeichef? Der eine beschließt, wer sterben wird und
der andere entscheidet, wer leben darf. Sie erlaubten, daß Hunderte
von Juden geschlachtet wurden, die sicherlich einen wichtigen Beitrag
zum Kampf gegen den Feind gemacht haben würden, und es sind Juden,
die die Tore zur Rettung vor ihnen verschließen."
Das Schicksal des Wilnaer Ghettos war besiegelt. Am Tage vor der
Vernichtung verrät Kovner die Satzung seiner Organisation. Der
Paragraph 22 der Satzung besagt: Wir werden nur als Ergebnis des
Kampfes in den Wald gehen, nachdem wir unser Ziel erreicht haben.
Wir werden die größtmögliche Anzahl von Juden mit uns nehmen und
einen Weg zum Wald schlagen, von wo aus wir unseren Kampf gegen
die mörderischen Eroberer fortsetzen werden.
In Wirklichkeit verspricht Kovner ausschließlich fünfzig seiner
Freunde aus der Organisation den Auszug. Trotz aller Vorsichts-
maßnahmen wurde im Ghetto bekannt, daß die Kämpfer sich zum
Verlassen anschicken. Zig junge, gesunde, starke Leute versammeln
sich im Hof und bitten Kovner, ihnen zu erlauben, sich den
Gehenden anschließen zu können, doch Kovner verhärtet sein Herz,
bedroht sie mit dem Revolver und schickt sie fort. Die Öffnung
des Abwasserkanals wird sorgfältig von Kovners eigenen Leuten
bewacht, so daß keine 'Illegalen' durchschlüpfen können.
Auch in den Wäldern, als Kommandeur der Partisanen, verhindert
Kovner weiterhin Rettungen und schickt jeden Juden, der nicht
zu seinen Freunden - den Mitgliedern der 'Hashomer Hatzair' -
zählte in den Tod." [54]
Der erste Massenaufstand hat angeblich am 4. August 1942 im Lachwa-
Ghetto in Byelorußland stattgefunden. Ein hervorstechendes Merkmal
dieser Revolte war, daß sie ohne Feuerwaffen durchgeführt wurde.
"Die SS-Leute betraten das Ghetto und forderten jeden auf sich in
eine Reihe zu stellen. Stattdessen rannten die Juden in ihre Häuser
und zündeten sie an..."
"Yitchok Rochtchin griff den SS-Chef mit einer Axt an. Der
SS-Offizier fiel blutbedeckt zu Boden. Da er keinen Fluchtweg
hatte, sprang Rochtchin in den nahegelegenen Fluß. Er wurde
von einer Kugel getroffen. Gleichzeitig wurde ein anderer
SS-Mann am Tor von Chaim Cheiffetz und den Brüdern Asher und
Moshe-Leib Cheiffetz getötet. Noch ein weiterer Deutscher
fiel von der Hand Moshe Klopnitzkis. Nun war die Menge auf-
gerüttelt und stürmte das Ghettotor. Wer rennen konnte, rannte,
das flammende Ghetto hinter sich. Sie wurden verfolgt, und es
wurde auf sie geschossen. Viele fielen. Die Stadt war von Leichen
bedeckt. Leute rannten mit letzter Kraft zu den Wäldern am Fluß
Pripet, in der Hoffnung, dort Schutz zu finden. Von 2000 Juden
konnten 600 ihr Ziel erreichen. Doch die Polizei und die Byelo-
russen dieser Gegend, die sie verfolgten, ermordeten die meisten
von Ihnen brutal ..."
"Die Deutschen konnten nur wenige von ihnen ins Grab bringen, denn
Jung und Alt versuchten zu entkommen. Sie wollten lieber von einer
Kugel im Laufen getroffen werden als in ihren Tod geführt werden."
"Einige Tage später versammelten sich 120 Jachwa-Juden in den Chobot-
Wäldern etwa 20 km von der Stadt entfernt, und schlossen sich den
Partisanen an, Seite an Seite mit ihnen kämpfend, und später der
Roten Armee. Auf diese Weise rächten sie ihre Lieben." [55]
Eine Schlüsselrolle im Ausrottungsprogramm nahmen die Judenräte ein,
die die Nazis für jedes Ghetto einsetzten. "Der Judenrat diente als
Instrument, die Ruhe zu bewahren. Es wiegte sowohl Junge wie Alte
in einem falschen Sicherheitsgefühl, damit sie nicht an Rettungsmaß-
nahmen dachten. Unglücklicherweise waren die meisten Mitglieder der
Judenräte Zionisten. Sie dachten, daß sie mit der Zusammenarbeit mit
den Deutschen etwas Gutes töten. Durch die Aufstellung von Listen
von Juden, die in den Tod geschickt wurden, glaubten sie andere Juden
zu retten. Die Leiter der Judenräte litten an einem Superioritäts-
komplex, in der Annahme, daß sie etwas Epochemachendes täten, um die
Nation zu retten - und die ganze jüdische Bevölkerung fürchtete sie."
"So war auch das erste, was die Nazis in Oberschlesien taten, die
Errichtung eines 'Judenrats' und wie überall machten sie zionistische
Aktivisten zu Leitern des Rats. Die Nazis fanden bei den 'Ältesten',
was sie erhofften: loyale und gehorsame Diener, die wegen ihrer Gier
nach Geld und Macht die Massen der Juden in die Zerstörung führten."
"Monik (Moses) Merin, einer der zionistischen Aktivisten in
der Gemeinde Sosnowiec, wurde von den Nazis als 'Kaiser' aller
'Judenräte' hochgejubelt, und er ernannte die Führer dieser
Räte in jeder Gemeinde. Natürlich wählte er für die schandbaren
Positionen nur seine ideologischen Freunde aus dem zionistischen
Lager. Der satanische Plan der Nazis garantierte, daß das
persönliche Geschick jedes Juden - ob Leben oder Tod - aus-
schließlich von den Entscheidungen des 'Judenrats' abhing. Die
Nazis entschieden von Zeit zu Zeit über eine allgemeine Quote
für die Arbeit in den Lagern und die Vernichtung, doch die
individuelle Selektion war den 'Judenräten' überlassen, wobei
die Durchführung von Kidnappings und Verhaftungen ebenfalls in
den Händen der jüdischen Polizei lag (Kapos). Durch diese kluge
Methode waren die Nazis sehr erfolgreich bei der Erzielung von
Massenmord und der Vergiftung der Atmosphäre des Ghettos durch
moralische Degeneration und Korruption. "Ein führender religiöser
Jude in Bedzin, Reb Benim "warnte die Juden der Stadt, indem er
ihnen eröffnete, daß sie in den Öfen verbrannt werden würden und
daß sie sich selbst retten sollten, und nicht zur Deportation
erscheinen, wenn sie von dem Rat dazu aufgefordert würden. Reb
Benim wußte, daß Merin sich grausam rächen würde, besonders da
er sich geweigert hatte, an den Planungen der vergangenen zwei
Jahre des Judenrats teilzunehmen. Merins Rache ließ nicht lange
auf sich warten. Er verriet der Gestapo, daß Reb Benims Söhne
dem Untergrund angehörten, und sie wurden bald verhaftet und nach
Ausschwitz gesandt. Nach kurzer Zeit wurden auch Reb Benim und
seine Frau verhaftet und nach Ausschwitz geschickt." [56]
Die Versuche, Widerstand im Ghetto von Bialystok zu organisieren,
waren nicht sehr erfolgreich. Das beruhte zum Teil auf einer
taktischen Fehleinschätzung der Widerstandsführung, die sowohl
im Ghetto kämpfen als auch die ländlichen Partisanen stärken
wollte, aber zu wenig Ressourcen hatte, beide Aufgabe richtig
zu bewältigen. Sie wurden auch durch die Kollaboration des von
Zionisten geführten Judenrats mit den Nazis unterminiert. "Die
Politik des Judenrats von Bialystok war umso überzeugender, als
sein Hauptvertreter und Ausführer Ephraim Barasz war, von Beruf
Ingenieur und in seinen politischen Überzeugungen liberal."
Barasz hatte zuvor den Ruf eines "Ehrlichen Mannes", der es ihm
umso wirkungsvoller erlaubte, die Ghettobewohner in einem falschen
Gefühl der Sicherheit zu wiegen.
Im Februar 1943 verlangten die Nazis die Auslieferung von 6.300
Juden aus Bialystok zur Vernichtung. "Der Judenrat fügte sich und
stellte Listen von Leuten zusammen, deren Sünde es war, arm zu
sein oder aus den vernichteten Ghettos der Provinz nach Bialystok
zu fliehen. Der Handel wurde in absoluter Heimlichkeit abgewickelt,
ohne jede Warnung oder einen Hinweis von Barasz oder einem anderen
Mitglied des Judenrats an die Ghettobevölkerung auf das, was sie
erwartete." Jedoch hielt die Widerstandsbewegung Vereinigter Anti-
faschistischer Block die meisten Leute auf der Liste davon ab, sich
zum Transport in den Tod einzufinden, und die Ghettobewohner wehrten
sich, als die Nazis kamen, um sie zu holen. Am 15. August 1943
informierten die Nazis Barasz, daß sie vorhatten, das Ghetto zu
liquidieren. "Barasz kehrte ins Ghetto zurück und warnte niemand,
daß den rund 40.000 noch vorhandenen Juden nur noch wenige Stunden
blieben, oder forderte sie zum Widerstand auf. Der Antifaschistische
Block schaffte es dennoch, 300 Kombattanten mit Feuerwaffen und
Granaten und weitere 200 mit Molotow-Cocktails, selbstgemachten
Bomben, Messern und Äxten zu bewaffnen. Diese Waffen, von denen die
meisten auf die kühnste Weise ins Ghetto geschmuggelt worden waren,
waren lächerlich ungeeignet für eine großangelegte Revolte, doch der
Widerstand dauerte trotzdem bis zum 26. August, und die Nazis mußten
Artillerie und Flugzeuge einsetzen, um ihn niederzuschlagen. Rund
100 Nazis wurden getötet." [57]
Ein anderer bekannter Zionist, der den Nazis beträchtliche Unter-
stützung bei ihrer Ausrottungskampagne leistete, war Chaim Romkowsky,
ein größenwahnsinniger Ghettoführer, der sogar Briefmarken mit
seinem Porträt für den Gebrauch der Ghettobewohner herausbrachte.
"Romkowsky, der Jahrzehnte lang als Vorsitzender der Zionisten in
Lodz amtierte, hatte sich unter der Schirmherrschaft der Nazis zum
'König des Ghettos' gekrönt. Er behandelte sein 'Wahlvolk' mit der
Skrupellosigkeit eines wahnsinnigen Tyrannen, indem er Nazi-Erlasse
durch seine eigenen ergänzte, mit methodischer Präzision und ohne
jedes Mitleid alle Todestransporte organisierte, und sich selbst
zum einzigen Standesbeamten für alle jungen Paare ernannte. Alfred
Nussing, der alte Zionistenführer und persönlicher Freund von
Herzl, schändete sein hohes Alter durch Informieren und Spitzeln im
Warschauer Ghetto, wofür er vom Untergrund gerichtet, und zum Tode
verurteilt wurde."
"Diese Namen sind als abschreckende Beispiele genannt, doch die
schändliche Liste ist lang und umfaßt viele Städte und Dörfer in
Polen, Litauen, Ungarn und Rumänien." [58]
Trotz der Hilfe der zionistischen Führung für die Bemühungen der
Nazis, jeden jüdischen Widerstand zu zerschlagen, bewiesen die
antirassistischen Juden großen Einfallsreichtum, sich Mittel zu
ihrer Selbstverteidigung zu verschaffen. An einem Punkt wurden
Gewehre in Särgen mit falschem Boden in Widerstandsghettos
geschafft. "Dann brachten eine Zeitlang Mädchen die Gewehre
zwischen ihren Beinen hinein, wenn sie von den Fabriken außerhalb
zurückkehrten." Später und vor allem in Warschau, sollten
"die Abflußkanäle die wichtigste Einbahnstraße werden, wodurch
Waffen ins Ghetto hinein und Leute hinauskamen." Im Ghetto von
Dnjepropetrovsk wurden 150 kg Industrie-Dynamit in "dem pestartigen
Kadaver eines verwesenden Pferdes" eingeschmuggelt, während in
Wilna "die Schwestern von St. Katharinen Granaten und Gewehre
ins Ghetto brachten und Kämpfende in ihrem Kloster versteckten."
Doch mit ihren spärlichen Ressourcen waren die von den Kämpfern
beschafften Waffen "niemals ausreichend und niemals von der
richtigen Art; keine schweren MGs, keine Mörser, keine Minen,
keine Antipanzerwaffen, keine Gelatinedynamitstangen oder
Plastiksprengstoffe. Jüdischer Einfallreichtum schaffte es sogar,
Waffen zu erobern oder zu produzieren oder Waffen und Waffenteile
in die Todeslager von Treblinka und Sobibor zu schaffen, wo ver-
zweifelte Aufstände gewagt wurden." [59]
Der Ghettowiderstand erreichte seinen Höhepunkt in Warschau im Jahre
1943. Dort hatte "die jüdische Widerstandsbewegung nicht nur die
Unterstützung der militärisch schwachen Kommunisten, sondern auch
von drei kleinen, aber einflußreichen polnischen Widerstandsorgani-
sationen und einer Reihe von edlen Individuen, die eine entscheidende
Rolle dabei spielten, daß das Heimatarmee-Kommando die jüdische
Kampforganisation mit einigen Waffen versorgte." Die Volksgarde
sandte einige Pistolen, obwohl man "die Begrenztheit der Ressourcen
aus dem Bericht des Kommandos der Volksgarde für das Gebiet Warschau
vom 27. Dezember 1942 ersehen kann, der die Anzahl der Waffen in
seinem Besitz auf 13 Pistolen und 17 Granaten bezifferte und dem
vom 1. Januar 1943, der die Zahlen 24 Pistolen und 18 Granaten
nannte." [60]
Als die Operation, die als die große Liquidation (in der 300.000
Juden umgebracht wurden) bekannt ist, am 22. Juli in Warschau
begann, hatten die jüdischen Widerstandsgruppen wenige Waffen
und konnten deswegen den Kampf nicht aufnehmen. Jedoch die große
Liquidation brachte das Ghetto dazu, sich so weit wie möglich zu
bewaffnen, und auch ein ausgezeichnetes Spionagesystem aufzubauen.
"Die polnischen und jüdischen Quellen außerhalb des Ghettos konnten
erkennen, was von den Deutschen vorbereitet wurde, denn nicht nur
die besondere Vernichtungseinheit, sondern die gesamte Garnison
in Warschau war in Alarmzustand versetzt worden, sich auf einen
allgemeinen Aufstand einzustellen." [61]
"Am Sonntag, dem 18. April 1943 hielten die Polizeichefs und die SS-
Führer eine Konferenz ab, bei der der Plan für den Angriff auf das
Ghetto im Detail aufgearbeitet wurde. Er sollte am nächsten Morgen
stattfinden. Um 14 Uhr desselben Tages erhielten die SS und die
deutsche Polizei ihren Mobilisierungsbefehl. Ein ähnlicher Befehl
wurde von der polnischen Polizei um etwa 18 Uhr entgegengenommen,
die einen starken Kordon um das gesamte Ghetto bildete. Eine Stunde
später wurden die Stabschefs der Jüdischen Kampforganisation und
des Jüdischen Militärverbands von den Vorbereitungen des Feindes
unterrichtet." [62]
Die Ghettokämpfer starteten ihren Aufstand am nächsten Tag. Nach
Ainsztein waren die Ghettokämpfer folgendermaßen zusammengesetzt:
die Jüdische Militärunion der Revisionisten hatte einige 400
Kombattanten, die Jüdische Kampforganisation (eine Koalition aus
Kommunisten, bundistischen Sozialdemokraten und Zionisten, von
denen Hashomer Hatzair die wichtigste Rolle spielte) zwischen 600
und 800, während die Mehrheit, einige 2.000 Kombattanten, keiner
politischen Organisation angehörte und als "wilde Gruppen" bekannt
war. Letztere hielten in der Tat länger durch als die politisch
organisierten Gruppen. [63]
Mit dem Kampf von Straße zu Straße, von Haus zu Haus, von
Untergrund-Bunkern, Ruinen und sogar der Kanalisation aus
hielten die Warschauer Widerstandskämpfer die Nazis in Schach
oder beschäftigten sie für Monate mit dem, was - abgesehen
von Jugoslawien - als die größte und längste einzelne Wider-
standshandlung im besetzten Europa beschrieben wurde. Es
verursachte Hunderte von Verlusten unter den Nazis, obwohl die
Deutsche Wehrmacht das Ghetto mit Artillerie beschoß und die
Luftwaffe herbeigeholt wurde, um Angriffe auf das Ghetto zu
fliegen. Die Nazis versuchten sogar die Ruinen zu zerstören,
die den Stadtguerillas im Juli Unterschlupf boten, und im
September 1943 sandten sie große Truppenkontingent, um die
Reste des Ghettos zu säubern. Trotzdem fand die letzte über-
lieferte Widerstandshandlung einer Warschauer Ghettogruppe, die
Ermordung von drei deutschen Gendarmen, erst im Juni 1944 statt.
[64]
Außer den Nazis mußten die Widerstandskämpfer im Ghetto einen
höchst gefährlichen Verräter, Abraham Gancwajch, bekämpfen, der
der Führer der Hashomer Hatzair in der Tschechoslowakei gewesen
war (eine "linksradikale" zionistische Gruppe, die jetzt als
Mapam bekannt ist). In Warschau hielt er "im Frühjahr 1940 eine
Rede, in der er sagte, daß die Neue Ordnung der Nazis bleiben
würde, und daß die Juden sich dem anpassen müßten... Mit Hilfe
der Gestapo sammelte er einen Stab von Kollaborateuren, die
aus Mitgliedern seiner eigenen Familie, Freunden und Bekannten
bestanden." Die Nazis erlaubten ihm die Errichtung einer 300 Mann
starken "Polizeitruppe", die die Funktionen "einer amerikanischen
Gangstertruppe wahrnahm; mit ihrer Hilfe zwang Gancwajch alle
wichtigen Geschäftsleute im Ghetto, ob sie nun ehrlich oder
unehrlich waren, ihm Protektionsgeld zu zahlen, das er mit seinen
Nazibossen teilte... Der wichtigste Faktor war die Nützlichkeit
von Gancwajch und seiner Mafia als eine Spionage- und Subversions-
agentur - kurz, als klassische fünfte Kolonne... Zwei Rabbis, die
zu der Agudath Israel Partei gehörten, Blumenfeld und Glicensztjan,
machten unter den chassidischen Elementen für ihn Propaganda und
sorgten dafür, daß keine Widerstandsideen in den religiösen Schulen
und Universitäten Fuß faßten." Gancwajch richtete einen "Ambulanz-
dienst" ein, der Opfer für die Nazis auftreiben half, und lieferte
auch jeden Dienstag einen Spionagebericht ab, den, wie er sich
brüstete, "die Gestapo ungeduldig erwartete, denn sie betrachteten
ihn als die einzig realistische Einschätzung dessen, was im Ghetto
passierte." Die Agudath Israel Party, heute eine von Israels
angesehenen politischen Parteien, half den Nazis bei der Unter-
drückung des Widerstandes, indem "sie ihren zahlreichen Gefolgsleuten
erzählte, daß das Ghetto nicht nur die Strafe des Herrn für das
Aufgeben der Orthodoxie und den Atheismus der Juden sei, sondern
ein verschleierter Segen, um die Juden in den Stand der Frömmigkeit
zurückzubringen." [65] Daß die Ghettokämpfer trotz dieser Kollabo-
rateure den Widerstand organisieren konnten, war eine erstaunliche
Leistung.
Kurz vor seinem Tode im Ghettokampf schrieb der Führer der Jüdischen
Kampforganisation, Morchedai Anielicz an seinen Nachfolger: "In dem
Bewußtsein, daß uns unsere letzte Stunde bevorsteht, verlangen wir
von Dir, Dich daran zu erinnern, wie wir betrogen worden sind. Der
Tag der Abrechnung für unser unschuldig vergossenes Blut wird kommen.
Schicke denen Hilfe, die in der letzten Schlacht den Händen des
Feindes entkommen können, so daß sie den Kampf fortsetzen können."
[66] Obwohl er nicht eigens erwähnte, wer die Warschauer Ghettojuden
betrogen hatte, ist es interessant festzustellen, daß Anielicz eine
seltene Ausnahme war, die die Regel bestätigt; denn er war Zionist,
ironischerweise aus der gleichen Hashomar Hatzair-Organisation, zu
der Gancwajch gehörte.
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