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Wie man Feindbilder aufbaut
Verharmlosen, übertreiben, entstellen: In Kriegszeiten hat die
Staats-PR dafür zu sorgen, dass die Bevölkerung die Kriegsziele
mitträgt. Die Journalisten sollen dabei als willige Helfer dienen.
von Michael Kunczik
Was David Hume 1749 in seinem »Treatise of Human Nature« schrieb, hat
noch heute seine Gültigkeit: »Wenn sich England im Kriege befindet,
werde dem Gegner Grausamkeit, Heimtücke und Angriffslust unterstellt.
Die eigene Sache und die der Verbündeten aber würden als moderat und
gerechtfertigt angesehen. Der Anführer des Gegners sei blutrünstig
und habe Freude an Tod und Zerstörung. Die Gewalt, die von der eigenen
Seite ausgeübt werde, aber sei ein unvermeidbares Übel des Krieges.«
(D. Hume 1958, S. 348)
Dazu passt die Liste dialektischer Euphemismen und Verunglimpfungen
kriegführender Staaten, die F. Schneersohn nach dem Ersten Weltkrieg
in seinem Aufsatz über die Sozialpsychologie der Massenlüge
zusammengestellt hat: »Heiliger Krieg«, »ad majorem dei gloriam«,
»Befreiungskrieg«, »Vorbeugungskrieg«, »Verteidigungskrieg«,
»erzwungener oder aufgezwungener Krieg«, »Gelegenheitskrieg«,
»zufällig ausgebrochener Krieg infolge unerwarteter fataler Konflikte
oder unerwarteter überstürzender Ereignisse«, »Abschlusskrieg«,
»letzter Krieg«, »Krieg dem Kriege«, »Tod den Henkern«,
»Vernichtung der mörderischen Barbaren«, »Gewalt gegen
Gewalttäter«. (F. Schneersohn, 1997, S. 546)
Ferdinand Tönnies charakterisiert in seiner »Kritik der öffentlichen
Meinung« die öffentliche Meinung in einem Land, das sich im
Kriegszustand befindet, dahingehend, dass man sich darüber einig sei,
»dass der Krieg dem eigenen Lande aufgezwungen, dass er ein
Verteidigungskrieg oder (...) ein gerechter und notwendiger Krieg
sei«. Tönnies argumentiert weiter: »Die Gestaltung der öffentlichen
Meinung im Kriege unterliegt naturgemäß der Sorge der Regierung und
Heeresleitung. (...) Leicht wird aber wegen des Wertes der
Siegesnachricht der wirkliche Sieg vergrößert, die wirkliche
Niederlage - deren Nachricht naturgemäß die entgegengesetzte Wirkung
auslöst - verkleinert oder verschleiert; und von der Leichtfertigkeit
oder doch minderen Gewissenhaftigkeit in bezug auf die Wahrheit führt
bald ein weiterer Schritt zum Entschlusse der bewussten Täuschung, der
Lüge. Die Kriegsgeschichte aller Zeiten ist davon erfüllt.« (F.
Tönnies, 1922, S. 544f)
Um die Bedeutung der Gestaltung der öffentlichen Meinung wusste auch
Kaiser Wilhelm, der am 8. Mai 1909 in einem Brief an Zar Nikolaus II.
schrieb: »Die öffentliche Meinung braucht klare Auskunft und will
gelenkt sein.« (S.B. Fay, 1932, S. 416)
Mit der Qualität der Kriegsberichterstattung im Ersten Weltkrieg
konnte der Kaiser übrigens sehr zufrieden sein. Anlässlich seines
Geburtstages am 27. Januar 1915 äußerte er sich im großen
Hauptquartier vor den anwesenden Kriegsberichterstattern
folgendermaßen: »Ich mache Ihnen mein Kompliment. Sie schreiben ja
famos! Ich danke Ihnen sehr! Sie leisten Vorzügliches. Ich lese Ihre
Artikel sehr gern, sie haben einen hohen patriotischen Schwung. Das ist
auch für unsere Leute im Schützengraben von hohem Wert, wenn wir
ihnen solche Sachen schicken können.« (R. Fabian/H.C. Adam, 1983, S.
167)
Zur Manipulation der Kriegsberichterstattung gibt es bewährte
Verfahren, von denen an dieser Stelle drei näher besprochen werden
sollen:
die sprachliche Verharmlosung;
der Feindbildaufbau durch Propaganda und Public Relations;
die militärische Notwendigkeit der Lüge in Kriegszeiten.
Die Bedeutung der Sprache für die Beeinflussung der öffentlichen
Meinung wurde zum ersten Mal deutlich, als William Howard Russell, der
als erster professioneller Kriegsberichterstatter gilt, 1854 vom
Herausgeber der Times in den Krimkrieg geschickt wurde. Seine Berichte
lösten öffentliche Empörung aus. Zum ersten Mal wurde der Schrecken
des Krieges von einem Augenzeugen in der Presse beschrieben: das Leiden
und Sterben der Soldaten, die Schrecken der Cholera usw. (P. Knightley
1975, S. 3ff)
Das Publikum kannte zuvor nur die offiziellen Kommuniqués, die nichts
anderes darstellten als Lügen. Gegen Russell wurde der Vorwurf
erhoben, er habe Hochverrat begangen, da aufgrund seiner
Berichterstattung der Gegner Informationen über militärische Details
bekommen habe. Es wurde ihm vorgehalten, der russische Geheimdienst
würde die veröffentlichten Informationen sofort nach Moskau kabeln
und in militärische Vorteile umsetzen. Im Parlament gab es erregte
Debatten über die Legitimität der Kriegsberichterstattung. Prinz
Albert, der Ehemann von Königin Victoria, nannte Russell einen
miserablen Schreiberling. (R. Fabian/H.C. Adam 1983, S. 76ff)
Angesichts der unerwünschten Wirkung der Time-Berichterstattung wurde
am 20. Februar 1855 auf Anweisung von Prinz Albert der Fotograf Robert
Fenton mit Kamera und mobiler Dunkelkammer auf die Krim geschickt.
Er sollte die positiven Seiten des Krieges festhalten. »No dead
bodies« lautete die Anweisung von Prinz Albert. Aufgenommen wurden
Pfadfinder-Idylle, wie etwa Soldaten beim Pfeiferauchen, die
Kameradschaft und Abenteuer reflektierten. Fenton zeigte den Krieg als
Variante eines vergnüglichen Jagdausflugs und nicht als grausames
Unternehmen.
Michael Haller verweist darauf, dass sich die von Russell benutzte
Sprache deutlich von der Sprache der Militärs unterschied: »Die
Generäle und Kommandierenden, durchweg Angehörige der Lordschaft,
sprachen, wenn vom Krieg die Rede war, stets nur ironisch vom
'Spaziergang' oder vom 'kleinen Landausflug' - oder gebrauchten
französische Vokabeln, mit denen die Bürger nicht viel anzufangen
wussten. Mit 'Bataille' etwa verband die Bevölkerung eine eher
sportive Veranstaltung zwischen akkurat herausgeputzten Mannschaften.«
(M. Haller, 1991, S. 45)
Der Sprachgebrauch der Nato im Kosovo-Krieg verharmlost die Schäden.
Getötete Zivilisten, zerstörte Wohngebiete und Industrieanlagen
werden zum »kollateralen Schaden«. Nachdem durch die Nato bei einem
Angriff auf das Dorf Korisha im Kosovo nach serbischen Angaben rund
hundert Zivilisten getötet wurden, vermutete der
Bundesverteidigungsminister eine Kriegslist der Serben. Kosovo-Albaner
würden als menschliche Schutzschilde missbraucht (was durchaus
möglich ist). Mögliche eigene Fehler wurden von der Nato
abgestritten. Statt dessen kündigte sie an, die Zahl der Luftangriffe
ungeachtet der zivilen Opfer verstärken zu wollen. Inzwischen haben
Raketen Sofia rein kollateral getroffen. Lediglich als die präzisen
Präzisionswaffen der Nato mit unglaublicher Präzision ausgerechnet
die chinesische Botschaft in Belgrad (inzwischen ist auch die
schwedische Botschaft präzise getroffen worden) zerstörte und
Menschen tötete, sah sich Bundeskanzler Schröder im Mai in Peking
veranlasst, eine Entschuldigung auszusprechen. Der Kanzler bezeichnete
die Zerstörung der Botschaft explizit als völkerrechtswidrig. Wenn
unschuldige Serben getötet werden, ist das demgegenüber offenbar
kollateral und dient der guten Sache.
Unvergessen wird der Satz bleiben, den Schröder am Tag des
Nato-Angriffs im Fernsehen ausgesprochen hat: »Wir führen keinen
Krieg.« Und am 3. Mai schreibt Scharping in der FAZ: »Nach den
Raketen werden diejenigen kommen, die den Frieden verhandeln und
ausgestalten. Beides gehört untrennbar zusammen: Unsere Mittel sind
die des Friedens. Unsere Sprache ist die der Diplomatie. Das war so und
wird so bleiben.«
Feindbildaufbau: Ein seit jeher beliebtes Verfahren, um die
öffentliche Meinung in Kriegszeiten zu stabilisieren, besteht im
Feindbildaufbau. Gern wird der Gegner als Monster stigmatisiert. So
wurde Deutschland im Ersten Weltkrieg von H. G. Wells, der den
Deutschen intellektuelle Inferiorität bescheinigte, als »Frankenstein
Germany« bezeichnet, und Rudyard Kipling warnte: »The Hun is at the
gate«. (M. Kunczik, 1990, S. 56ff) Den Türken wurden während der
Türkenkriege von der Propaganda alle möglichen Gräueltaten
unterstellt (M. Kunczik, 1997, S. 50ff), wobei das Topos des Babymordes
von besonderer Bedeutung war. In einem Flugblatt aus dem Jahr 1593
heißt es unter anderem: »Was Weibs Personen anbelangt, den habens
than großen Zwang (...) wann sie hatten ein schwangers Weib, haben den
Leib aufgerissen, die Frucht genommen an dem End, und an die Wande
geschmissen(...).«
Auch den Deutschen sind schon vergleichbare Untaten unterstellt worden.
Während des deutsch-französischen Krieges 1870/71 charakterisierte
der offizielle Public die Deutschen folgendermaßen: »Sie metzeln die
Verwundeten nieder, stecken die Ambulanzen in Brand, sie töten die
Kinder, schänden die Frauen, morden die Greise und zünden die Häuser
an. Während des Ersten Weltkriegs war eine beliebte Gräuelgeschichte,
die Deutschen hätten fünfzig belgischen Pfadfindern die Hände
abgehackt. Mit derartiger Propaganda sollte insbesondere in den USA
eine deutschfeindliche Stimmung aufgebaut werden. Die populärste
Gräuelgeschichte, die von den Briten erfunden wurde, war übrigens die
Kadavergeschichte, die auch von der Times (16. April 1917) verbreitet
wurde. Demnach wurden die Leichen gefallener deutscher Soldaten zur
Glyzerinherstellung benutzt. (M. Kunczik, 1990, S. 57ff)
Das Phänomen Babymord war auch bei der Propaganda während des
Golfkriegs von Bedeutung, den Präsident Bush als Kampf zwischen Gut
und Böse charakterisierte. Bush führte aus: »Saddam tried to cast
this conflict as a religious war, but it has nothing to do with
religion per se. It has, on the other hand, everything to do with what
religion embodies: good vs. evil, right vs. wrong.« (Time, 11. März
1991, S. 24) Die amerikanische PR-Firma Hill&Knowlton, die für Kuwait
PR betrieb, forderte übrigens ihren Auftraggeber, die »Citizens for a
Free Kuwait« (wohinter sich der Staat Kuwait verbarg) auf, der Firma
Gräuelgeschichten zu berichten. (S. M. Cutlip, 1994, S. 771)
Die PR-Firma inszenierte für das Hearing im Oktober 1990
(Congressional Human Right's Caucus) den Auftritt der 15jährigen
Nayirah, die unter Tränen von den Grausamkeiten der Iraker berichtete.
Sie habe gesehen, wie irakische Soldaten neugeborene Babies aus
Brutkästen gerissen und auf dem kalten Boden hätten sterben lassen.
Hill&Knowlton sorgte auch dafür, dass der von der Firma produzierte
Film, in dem diese Aussage gezeigt wurde, von siebenhundert
Fernsehstationen gesendet wurde. Allein am 10. Oktober sahen ihn 53
Millionen Amerikaner. Weder den Kongressmitgliedern noch der
Öffentlichkeit war zu diesem Zeitpunkt bekannt, dass Nayirah die
Tochter des Botschafters von Kuwait war. Scott M. Cutlip kommentiert:
»Once more the press served as patsies for the public relations staged
event.« (1994, S. 771) Diese perfekt inszenierte Aussage, die von
Präsident Bush oft zitiert wurde, putschte die öffentliche Meinung
auf. (Kunczik 1997a, S. 277ff)
Das Motiv des Kindermordes tritt immer wieder auf. In Timisoara wurden
der Presse während der rumänischen Revolution des Jahres 1989 die
Leichen schwangerer Frauen mit aufgeschlitzten Bäuchen vorgeführt, um
die Brutalität der Securitate zu beweisen. Tatsächlich waren die
Frauen eines natürlichen Todes gestorben und autopsiert worden. (K.
Weaver, 1992, S. 13) Während des Krieges im zerfallenden Jugoslawien
berichtete die BBC, die Serben würden für jedes getötete Kind
dreihundert Pfund zahlen, so dass Kinder zum bevorzugten Ziel von
Heckenschützen würden. (Zum folgenden Krauze, 1992) In diesem Kontext
wurde ein Interview veröffentlicht, in dem behauptet wurde, die Serben
zielten des Geldes wegen auf Kinder: »They target the children because
of the money and because they are easier to kill. With their small
size, the bullets make a bigger mess.« Es wurde die Zahl von 11.000
verletzten und vierhundert getöteten Kindern genannt.
Inzwischen hat sich herausgestellt, dass die Meldung auf das kroatische
Informationsministerium zurückzuführen ist. Zuerst erschien die
Gräuelgeschichte in einer kroatischen Zeitung. Der verantwortliche
Journalist hat zugegeben, die Information vom Kroatischen
Informationsministerium bekommen und nicht weiter recherchiert zu
haben: »Who could I ask? You can't expect us to ring them (the Serbs)
and believe them when they say it isn't true.« Bei der Verbreitung der
Gräuelstory hat die amerikanische PR-Agentur Ruder-Finn, die für
Kroatien tätig war, mitgeholfen. Eine Mitarbeiterin der Firma, Rhoda
Paget, hat zugegeben, bei der Verbreitung der »Cash for a
Corpse«-story beteiligt gewesen zu sein: »We were told it by a
minister in the Croatian government. We merely informed them of its
importance and have never checked its honesty. Neither do we have the
resources to do so. Frankly, it's just not our job. It's the
journalist's job to check them out (...)«
Auf Gräuel verweist auch Scharping, um den Krieg zu rechtfertigen:
»Die menschliche Empörung spielt eine große Rolle, die historische
Erfahrung ebenso wie das Wissen um die Gräuel. Auf dem Balkan geht es
ja nicht um Öl oder Rohstoffe. Was wir jetzt tun, geschieht wegen der
mit äußerster Brutalität vorgenommenen Verletzung von Menschen- und
Lebensrechten. (...) Aus einer Schule trieb man die Lehrer und Kinder
heraus, hängte die Lehrer vor den Augen der Kinder auf und vertrieb
die Kinder dann mit Gewehrkolben und Schüssen. Schwangeren Frauen
wurden nach ihrer Ermordung die Bäuche aufgeschlitzt und die Föten
gegrillt.« Auf die Frage, ob dies verbürgt sei, antwortete Scharping:
»Ich gebe solche Erzählungen nur weiter, wenn sie von mindestens zwei
oder drei Zeugen unabhängig voneinander berichtet worden sind.«
(Spiegel, 26. April 1999)
Zwei Zeugen reichen also - wer denkt Böses, wenn in dem Standardwerk
über die Geschichte der amerikanischen PR »The Unseen Power« von
Scott M. Cutlip steht, dass »tiny Kosovo, threatened by Serbian
aggression after Yugoslavia's break up« (S. M. Cutlip, 1994, S. 771)
die PR-Firma Ruder-Finn mit der Vertretung seiner Interessen beauftragt
hat. Cutlip berichtet, dass Ruder-Finn im März 1993 eine intensive
Publizitätskampagne in den USA durchgeführt hat. Die Kosovaren sind
offenbar im PR-Geschäft nicht unerfahren. Der Nestor der
amerikanischen PR-Forschung erwähnt ferner, dass im Jahr 1993
Ruder-Finn nicht nur für den Kosovo, sondern auch für Kroatien und
die Muslim-Führung von Bosnien-Herzegovina gearbeitet hat: »Again the
objective is to move public opinion to embroil America in that
fratricidal conflict.« Abgesehen davon erschien bereits am 9. Februar
1990 in der New York Times einePR-Anzeige der Albanian-American
Community und der American Friends of Albania, in der unter anderem
folgende Aussage stand: »Kosovo has been converted into a real
concentration camp.«
Im Rahmen der anti-serbischen Propaganda der PR-Agentur Ruder-Finn
bemühte sich die Firma in den USA auch um die amerikanischen Juden.
Die Juden waren dabei als Zielgruppe nur schwer für die anti-serbische
Sache zu gewinnen, da sich sowohl Tudjmann als auch Izetbegovic
antisemitisch geäußert hatten. Als am 5. August 1992 Berichte über
serbische Lager erschienen, wurden drei große jüdische Organisationen
von der PR-Firma kontaktiert. Dabei wurden Parallelen zwischen den
Konzentrationslagern der Nazis und den Lagern in Serbien hergestellt.
Den Organisationen wurde nahegelegt, Anzeigen in der New York Times zu
veröffentlichen und vor dem Gebäude der UN Protestkundgebungen
durchzuführen. Serbien wurde mit Nazi-Deutschland gleichgesetzt. James
Harff, leitender Direktor von Ruder-Finn, bezeichnete es als den
größten Erfolg, dass man es geschafft habe, die Juden auf die Seite
der Serbengegner zu ziehen. (J. Merlino, 1993)
Auf einem Niveau mit der PR-Firma argumentiert Scharping, wenn er die
derzeitige serbische Regierung mit den Nazis gleichsetzt und behauptet,
von den Serben »werden Selektionen vorgenommen, und ich sage bewusst
Selektionen«. (Spiegel, 26. April 1999, S. 33) Damit wollte er an die
Konzentrationslager der Serben erinnern. Im übrigen beschwerte sich
laut Spiegel Scharping über die schlechte Informationspolitik der Nato
und hoffte, dies würde sich bald ändern, denn »es ist auch eine
Schlacht um Information und Propaganda«. (Spiegel, 12. April 1999, S.
29) Außenminister Joschka Fischer meinte: »Ich habe nicht nur
gelernt: nie wieder Krieg, sondern auch: nie wieder Auschwitz.«
(Spiegel 26. April 1999, S. 33) Den Begriff »Auschwitz« verwandte
auch der Schriftsteller Peter Handke, der zu dem Nato-Argument, man
wolle ein neues Auschwitz verhindern, meinte: »Gut, jetzt hat die Nato
ein neues Auschwitz erreicht. (...) Damals waren es Gashähne und
Genickschusskammern, heute sind es Computer-Killer aus 5.000 Meter
Höhe.« (SZ, 15./16. Mai 1999)
Der Militärtheoretiker Carl von Clausewitz vertritt in seinem Buch
»Vom Kriege« die These, Napoleon habe seine Siege nicht nur dem
militärischen Können verdankt, sondern vor allem auch der
Begeisterung des Volkes. Durch die französische Revolution sei Krieg
urplötzlich wieder zur Sache des Volkes geworden. Dies sei ein
immenser Vorteil gewesen, über den seine Gegner zu Kriegsbeginn nicht
verfügten. In Anlehnung an Clausewitz können zensorische Maßnahmen
bzw. die Kontrolle von Kriegsberichterstattung begründet werden. Dabei
bezieht sich Clausewitz sowohl auf die Ebene militärischer Aktionen,
die die Überraschung des Gegners betrifft, als auch auf das Volk, das
heißt dessen Bereitschaft, den Krieg zu unterstützen. Militärische
Aktion findet in einer Umwelt statt, die durch Gefahr, Verwirrung und
höchste physische Anspannung ausgezeichnet ist.
Clausewitz bezeichnet dies als »Friktion«. »Friktion« ist
verantwortlich dafür, dass im Krieg alle Pläne, die sich im Manöver
bewährt haben, umgeworfen werden müssen: »Es ist alles im Kriege
sehr einfach, aber das Einfache ist schwierig. Diese Schwierigkeiten
häufen sich und bringen eine Friktion hervor, die sich niemand richtig
vorstellt, der den Krieg nicht gesehen hat (...) Friktion ist der
einzige Begriff, welcher dem ziemlich allgemein entspricht, was den
wirklichen Krieg von dem auf dem Papier unterscheidet.« (C. von
Clausewitz, 1969, S. 65) Mit anderen Worten, kein Militär wird einen
auf Überraschung basierenden Plan ausführen, wenn er Grund zu der
Annahme hat, dass der Gegner den Plan kennt. Geheimhaltung ist
unumgängliche Notwendigkeit der Kriegsführung. Clausewitz definiert:
»Mit dem Worte Nachricht bezeichnen wir die ganze Kenntnis, welche man
von dem Feinde und seinem Lande hat, also die Grundlage aller eigenen
Ideen und Handlungen.« (C. von Clausewitz, 1969, S. 63) Zur Qualität
der Nachrichten im Kriege schreibt er: »Ein großer Teil der
Nachrichten, die man im Kriege bekommt, ist widersprechend, ein noch
größerer ist falsch und bei weitem der größte ist einer ziemlichen
Ungewissheit unterworfen.« (C. von Clausewitz, 1969, S. 63)
Ein vergleichbares Resümee aufgrund seiner Untersuchung der Propaganda
im Ersten Weltkrieg zieht Sir Arthur Ponsonby, der Autor von »Lügen
in Kriegszeiten«: »In Kriegszeiten ist das Versäumnis zu lügen eine
Nachlässigkeit, das Bezweifeln einer Lüge ein Vergehen und die
Erklärung der Wahrheit ein Verbrechen.« (A. Ponsonby, 1930, S. 30)
Ganz pragmatisch konstatierte Bismarck: »Es wird nie so viel gelogen
wie vor der Wahl, während des Krieges und nach der Jagd.« (H. von
Gerlach, 1926, S. 3)
Es bleibt als Resümee: Objektive und aktuelle Berichterstattung im
Kriegsfall ist nicht zu erwarten, da jeder Militär und jede Regierung
daran interessiert sein muss, die Nachrichten zu beeinflussen.
US-Senator Hiram Johnson hat dies 1917 auf den Punkt gebracht: »The
first casualty when war comes is truth.« Besondere Vorsicht muss der
Journalismus dabei gegenüber angeblichen Gräuelmeldungen walten
lassen. Nur zu oft soll mit ungeprüften Meldungen die öffentliche
Meinung aufgeputscht werden (damit soll keine Verteidigung des
serbischen Vorgehens im Kosovo erfolgen). Die Gedanken von David Hume
und Ferdinand Tönnies sowie von Carl von Clausewitz sind von
ungebrochener Aktualität.
>Was David Hume 1749 in seinem »Treatise of Human Nature« schrieb, hat
>noch heute seine Gültigkeit: »Wenn sich England im Kriege befindet,
>werde dem Gegner Grausamkeit, Heimtücke und Angriffslust unterstellt.
>Die eigene Sache und die der Verbündeten aber würden als moderat und
>gerechtfertigt angesehen. Der Anführer des Gegners sei blutrünstig
>und habe Freude an Tod und Zerstörung. Die Gewalt, die von der eigenen
>Seite ausgeübt werde, aber sei ein unvermeidbares Übel des Krieges.«
>(D. Hume 1958, S. 348)
Das ist das Tolle an jeder Propaganda: man selber ist immer auf der
guten Seite. Ich liebe es[tm].
Tilman
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Irgendwann ist alles eins.
>Was fehlt in diesem Artikel?
>
>http://www.message-online.de/arch0199/91kunc.htm
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Die haben doch glatt Adolfs Propaganda vergessen;-)
Realname
Der werte Autor des Artikels hat vorsichtshalber die Propaganda gegen
die Deutschen im zweiten Weltkrieg vergessen. Hat wohl Angst man koenne
ihn des Revisionismus verdaechtigen.
> Der werte Autor des Artikels hat vorsichtshalber die Propaganda gegen
> die Deutschen im zweiten Weltkrieg vergessen. Hat wohl Angst man koenne
> ihn des Revisionismus verdaechtigen.
Wieso????
Alles wahr !!!