Takvorian schrieb am Donnerstag, 24. März 2022 um 12:29:23 UTC+1:
...
> Und doch lassen sich viele Leute finden, die begeistert berichten, sowas
> habe ihnen geholfen. Ähnlich Homöopathie, Gesundbeten, Handauflegen
> usw. usf.... Alles Placebo-Effekt und Geldmacherei. Wer eine ernsthafte
> Krankheit hat, bezahlt diesen Humbug dann leider mit seinem Leben.
Ich stimme Dir uneingeschränkt zu.
Auch wenn es ein bisschen OT ist - die Sache hat aber noch einen Haken.
Warum glaubst Du, sagen so viele Leute, bei Ihnen habe das geholfen?
Ganz einfach:
Die Kosten werden sonst möglicherweise nicht von der Krankenkasse übernommen.
Angenommen, ich schlucke Globuli oder lasse mir Akupunktur-Nadeln irgendwohin
stechen, und das Ganze bringt nichts. Die Kassen übernehmen in diesen Fällen
die Kosten trotzdem, auch wenn der Behandlungsversuch frustran verlief.
Die Kostenübernahme steht in der Satzung. Sie fragen nicht nach.
Anders bei Therapien wie Magnetfeldtherapie, die üblicherweise nicht übernommen
werden. Hier können bei ernsthaften Erkrankungen Patienten durchaus eine
Kostenübernahme beantragen mit dem Verweis auf einen "individuellen Heilversuch".
Dies hat der Gesetzgeber so vorgesehen.
Dann wird begutachtet und kein Patient wird einräumen, dass ihm das Ganze nichts
gebracht hat, weil er dann sofort auf den Kosten sitzen bleibt.
Hier trägt die Solidargemeinschaft, also wir alle, die Kosten auch für Fragwürdiges.
Also Vorsicht bei positiven Fallberichten aus dem Umfeld der primär nicht
erstattungspflichtigen Alternativmedizin und dem Satz "wer heilt hat recht".
Ein letztes Wort noch zu den Konflikten, in die man gerät, wenn man versucht,
Patienten bestmöglich zu betreuen - dann höre ich endgültig auf.
Eine 78-jährige ältere Frau aus einer Bauernfamilie, kein großes Vermögen,
trifft das Schicksal hart.
Diagnose: medulläres Schilddrüsen-Karzinom, ausgedehnte Metastasierung.
Furchtbarer Tumor, schreckliche Prognose.
Mediane Überlebenszeit unter drei Monaten.
Sie geriet in ihrer großen Not an einen "Arzt", Internist, der seine Kassenzulassung
zurück gegeben hatte und nur noch privat liquidierte.
Er machte alles, was in der Alternativmedizin Geld brachte: Bioresonanztherapie,
Magnetfeldtherapie, Matrix-Therapie, Eigenblut ...
So liefen innerhalb von zwei Monaten, bis die Patientin verstarb, Kosten in Höhe
von 14.830 Euro auf, die der Behandler der Familie in Rechnung stellte mit dem
Hinweis, sie sollten bei der Kasse die Kostenübernahme beantragen und das notfalls
einklagen.
Es war vollkommen klar, dass die Familie das Geld nicht hatte. Man konnte auch
nicht sagen, dass das alles nichts gebracht habe, da man dann sofort auf den
Kosten sitzen geblieben wäre.
Frage:
Wie würdest Du als beauftragter Gutachter entscheiden, wenn Dir die Kasse die Frage
stellt, ob sie die Kosten übernehmen solle?
Sagst Du Nein, steht die Familie mit ihrem kleinen landwirtschaftlichen Betrieb
vor dem finanziellen Ruin.
Sagst Du Ja, gibst Du Geld der Versicherten bzw. der Solidargemeinschaft für
sinnlose Behandlung aus und fütterst zusätzlich den stets hungrigen Hai.
Wie würdest Du / wie würdet ihr entscheiden?